Welche Auswirkungen hat der neue elektronische Personalausweis auf unsere Gemeinden?

Von | 29. Oktober 2010

In weni­gen Tagen, genau­er gesagt am 01.11.2010, soll der neue Personalausweis ein­ge­führt wer­den. Ein Personalausweis in der Größe einer Scheckkarte, erwei­tert um eini­ge elek­tro­ni­sche Funktionen und einem RFID-Chip, wel­cher neben den per­sön­li­chen Daten in digi­ta­ler Form optio­nal auch erken­nungs­dienst­li­che Merkmale (wie zum Beispiel Fingerabdrücke) ent­hal­ten kann.

In die­sem Artikel soll es um die Funktionen und die Sicherheit des neu­en elek­tro­ni­schen Personalausweises gehen. Ebenso soll hier kurz beleuch­tet wer­den, wel­che Auswirkungen der neue Personalausweis (nPA) bei der Einführung vor Ort bei uns im Land in den Städten und Gemeinden mit sich bringt.

Was genau kann der neue elek­tro­ni­sche Personalausweis?

Gleich zum Start des sogen­nann­ten nPA sol­len zwan­zig Anwendungen ver­füg­bar sein. Zwei gene­rel­le Funktionen sind jedoch wesent­lich: zum einen las­sen sich die digi­ta­len Daten lokal vom Chip an den dafür vor­ge­se­he­nen Geräten aus­le­sen (zum Beispiel an Grenzen zur Personenüberprüfung bei Ein- oder Ausreise), zum ande­ren kann sich der Besitzer eines neu­en nPA in Online-Shops oder auch gegen­über Behörden über ein am Rechner ange­schlos­se­nes Terminal, in den der Personalausweis ein­ge­legt wer­den muss, legi­ti­mie­ren.

Auf der eigens ein­ge­rich­te­ten Webseite Personalausweisportal zum neu­en Personaldokument fin­den sich die wei­te­ren Funktionen:

  • Online-Registrierung
  • An Automaten aus­wei­sen
  • Pseudonymer Zugang
  • Online unter­schrei­ben
  • Altersbestätigung
  • Automatisch Formulare aus­fül­len
  • Online-Behördengänge
  • Barrierefreie Internetdienste nut­zen
  • Zutrittskontrollen

Zudem kön­nen erst­ma­lig bio­me­tri­sche Daten in Form des Fingerabdruckes hin­ter­legt wer­den. Ebenso soll es mög­lich sein, eine digi­ta­le ver­schlüs­sel­te Signatur auf dem Chip zu spei­chern. Diese qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signatur (QES) muss geson­dert bei ent­spre­chend zer­ti­fi­zier­ten Unternehmen nach­träg­lich bestellt wer­den. Auf dem Personalausweisportal heißt es dazu:

Wie genau erhält man ein Signaturzertifikat?

Die Signaturzertifikate wer­den nicht von den Personalausweisbehörden aus­ge­stellt, son­dern von spe­zi­el­len Dienstleistern – den Signaturanbietern – die nach dem Signaturgesetz (SigG) zuge­las­sen sind. Eine Liste der zuge­las­se­nen Signaturanbieter fin­den Sie auf den Seiten der Bundesnetzagentur.

Bei eini­gen Signaturanbietern kön­nen Sie ihr Signaturzertifikat sogar kom­plett von zu Hause auf ihren Ausweis nach­la­den. Da jeder Anbieter hier­für sein eige­nes Verfahren ver­wen­det, beach­ten Sie hier­für bit­te die Anleitungen des jewei­li­gen Anbieters. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass die eID-Funktion (Online-Ausweisfunktion) Ihres Personalausweises ein­ge­schal­tet sein muss und dass Sie Ihre eID-PIN nach Erhalt des Ausweises bereits neu gesetzt haben.

Begibt man sich auf die Seite der Bundesnetzagentur, wählt dort eini­ge der zuge­las­se­nen Unternehmen aus, kommt man sich als­bald im Dschungel von Fachbegriffen wie Signing Services als Nutzer nicht nur sehr ver­lo­ren vor, son­dern ver­liert auch schnell den Überblick, was eigent­lich für eine QES nötig ist und was sie denn kos­ten soll.

Wie steht es um die Sicherheit des neu­en elek­tro­ni­schen Personalausweises?

Der Chaos Computer Club (CCC) hat sich des nPAs ange­nom­men. Hier wur­de vor allem im Zusammenhang mit dem am PC des Nutzer ange­schlos­se­nem Lesegerät die Angreifbarkeit der Funktionen und Daten demons­triert.

Allerdings muss man dazu sagen, dass hier spe­zi­el­le Szenarien auf­ge­setzt wur­den. So muss der Rechner, an dem das Lesegerät ange­schlos­sen ist, bereits von einem Trojaner infi­ziert sein. Dies ermög­licht dem Angreifer die PIN des Personalausweisinhabers aus­zu­le­sen, wenn die­ser sie in das Lesegerät ein­gibt.

Das Lesegerät selbst soll­te es zunächst in zwei Varianten geben. Der CCC hat die ein­fa­che Variante getes­tet. Die Premium-Version soll­te über ein zusätz­li­ches Display und eine inte­grier­te Tastatur ver­fü­gen. Dies wür­de dann ver­hin­dern, dass das Auslesen der PIN auf einem durch einen Trojaner infi­zier­ten PC mög­lich sei, teil­te ein BSI-Experte mit. Dies ist jedoch nicht ganz rich­tig: es erschwert ledig­lich das Auslesen, da so zusätz­lich noch die Verschlüsselung der Daten, die vom Lesegerät über ein USB-Kabel in den Rechner wan­dern, gebro­chen wer­den muss. Zum ande­ren muss der Bürger die erwei­ter­ten Lesegeräte-Versionen auch teu­rer bezah­len. Inzwischen hat der Bürger hier die Auswahl zwi­schen drei unter­schied­li­chen Lesegeräten.

Inwieweit RFID-Chips nun auf kur­ze Distanz von jeder­mann aus­ge­le­sen wer­den kön­nen ist unklar. In fast jedem Produkt, das wir um die Ecke erwer­ben, ste­cken heu­te bereits klei­ne RFID-Chips, wel­che auf kur­ze Distanz an der Kasse aus­ge­le­sen wer­den kön­nen. Wie leicht kön­nen da nicht auch die Daten des Personalausweises aus­ge­le­sen wer­den?

Weiterhin muss man sich fra­gen, wie sicher der Personalausweis wirk­lich ist, wenn sogar Schüler den RFID-Chip inn­ner­halb einer Doppelstunde löschen, und zwar mit ein­fachs­ten Mitteln.

Dennoch blei­ben Bundesinnenminister Thomas de Maizière und das Bundesamt für Informationssicherheit (BSI) unbe­ein­druckt und kon­sta­tie­ren, dass der neue elek­tro­ni­sche Personalausweis sicher sei. Wer die­ser Aussage nicht traut, soll­te aller­dings auch nicht unbe­dingt der Empfehlung fol­gen, den Ausweis inkl. Chip ein­fach in die haus­halts­üb­li­che Mikrowelle zu legen, um den Chip inner­halb weni­ger Sekunden zu zer­stö­ren. Laut FoeBuD e.v. führt dies zu einem klei­nen flam­men­den Inferno in der Mikrowelle, die man dann auch noch rei­ni­gen muss. Zudem gibt es Stimmen, die das für eine Straftat hal­ten.

Dennoch: auch mit einem defek­ten Chip ist der Personalausweis wei­ter­hin unein­ge­schränkt gül­tig, selbst wenn er nicht maschi­nen-les­bar ist,

Wie erfolgt die Umsetzung in Städten und Gemeinden?

In der Onlineausgabe der Welt vom 09.10.10 war über die Einführung unter ande­rem in München zu lesen:

Weil der Verwaltungsaufwand sich ver­drei­facht, muss­ten man­che Gemeinden neu­es Personal ein­stel­len. Die Stadt München etwa hat eben 20 neue Stellen ein­ge­rich­tet – und erwar­tet wei­te­re Folgekosten.

Auch in der schles­wig-hol­stei­ni­schen Landeshauptstadt Kiel wur­den umfang­rei­che Einführungs-Maßnahmen getrof­fen, so Tim Holborn, Pressestelle der Landeshauptstadt. So wur­den die Mitarbeiter durch das Innenministerium in zwei lan­des­wei­ten zen­tra­len Veranstaltungen geschult. “Ins Haus selbst kom­men über­wie­gend tech­ni­sche Dienstleister, die bei der Umsetzung hel­fen.” erzählt Holborn wei­ter.

In der Stadt Schleswig ver­läuft die Einführung des nPA wei­test­ge­hend nor­mal. Frau Dr. Antje Wendt, von der  Pressestelle der Stadt Schleswig hat sich dan­kens­wer­ter Weise um die Beantwortung mei­ner Fragen geküm­mert.

Landesblog: Wie klappt die tech­ni­sche Umsetzung vor Ort? Ist die Einbindung in Ihre EDV-Systeme ohne Probleme erfolgt? Mussten Systeme umge­stellt wer­den?

Frau Dr.Wendt: Die tech­ni­sche Umsetzung klappt nor­mal. Bei der Einbindung in das bestehen­de System ist es im Großen und Ganzen zu kei­nen nen­nens­wer­ten Schwierigkeiten gekom­men. Das System muss­te umge­stellt wer­den.

Landesblog: Wurden Ihre Mitarbeiter im Vorwege aus­rei­chend geschult? Gab es ledig­lich Informationsblätter, oder wur­de auf Seminaren geschult?

Frau Dr.Wendt: Die Mitarbeiterinnen des EMA (Anm. d Redaktion: Einwohner Meldeamt) sind aus­rei­chend geschult wor­den (recht­zei­tig und umfang­reich durch Seminare und Infos).

Landesblog: Erwarten Sie eine Veränderung in der Beratung und im zeit­li­chen Aufwand?

Frau Dr.Wendt: Zeitlicher Mehraufwand rund 20 Minuten durch Beratung.

Landesblog: Welche kon­kre­ten Probleme gab oder gibt es noch?

Frau Dr.Wendt: Konkretes Problem: An der Funktionalität der Hardware wird noch gear­bei­tet.

Landesblog: Können Sie etwas zu den Kosten der Einführung sagen? Wie hoch sind die­se? Wurden Sie vom Land oder vom Bund über­nom­men?

Frau Dr.Wendt: Kostenermittlung zur­zeit nicht mög­lich. Hardware und Software wer­den vom Bund zur Verfügung gestellt.

Landesblog: Stellen Sie zur Zeit eine höhe­re Nachfrage nach dem alten Personalausweis fest?

Frau Dr.Wendt: „Alte“ PA wur­den stär­ker nach­ge­fragt.

Landesblog: Haben Sie bzw. das Amt all­ge­mei­ne Sicherheitsbedenken?

Frau Dr.Wendt: Sicherheitsbedenken bestehen zur­zeit nicht.

Auch in Schleswig gab es also bei der Einführung ein paar klei­ne­re Schwierigkeiten und auch hier wird der Beratungsaufwand deut­lich anstei­gen. Ein wei­te­res Detail, wel­ches nicht wei­ter ver­wun­der­lich scheint ist, dass es durch­aus, laut Aussage der Ämter, eine höhe­re Nachfrage nach dem “alten” Personalausweis vor Einführung des nPA gibt.

Spannend dürf­te jedoch vor allem die Frage wer­den, wie sich die Einführung des neu­en Personalausweises auf die Kostenentwicklung in den Städten und Gemeinden tat­säch­lich ent­wi­ckelt. Sicherlich müs­sen klei­ne­re Städte und Gemeinden nicht gleich zusätz­li­che Mitarbeiter für die Beratung der Bürger bereit­stel­len, doch ein höhe­rer Beratungsaufwand mün­det letzt­lich in höhe­ren Kosten auf denen die Gemeinden sit­zen blei­ben wer­den.

Der regu­lä­re nPA soll den Bürger 28,80 Euro kos­ten. Von die­sen 28,80 Euro gehen 22,80 Euro an die Bundesdruckerei, die rest­li­chen 6 Euro dür­fen die Gemeinden als Verwaltungskostenanteil ein­be­hal­ten. Allerdings müs­sen die Gemeinden auch 22,80 Euro abfüh­ren, wenn Personen unter 24 Jahren den Ausweis bean­tra­gen. Hier gibt es dann kei­nen Verwaltungskostenanteil für die Gemeinde mehr. Noch schlim­mer wird es hin­ge­gen bei Personen, die den Ausweis auf­grund ihrer Bedürftigkeit gänz­lich umsonst bekom­men. Auch hier müs­sen die Gemeinden 22,80 Euro abfüh­ren, obwohl dem kei­ner­lei Einahme gegen­über­steht. Vor allem bei klei­nen und länd­li­chen Gemeinden dürf­te die­se Situation ein wei­te­res Loch in den Haushalt rei­ßen. Somit zahlt der Bürger nicht nur sei­nen eige­nen nPA, son­dern trägt auch alle ande­ren oben genann­ten Kosten über sei­nen Steueranteil.

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Gebürtiger Nordfriese, Kind der Insel Nordstrand, inzwischen wohnhaft am Osteefjord Schlei, verheiratet und Vater. Er arbeitet als Produktmanger und Projektmanager im Bereich Messaging-Dienste, Mobile Payment, Value Added Services und mobile Internet.

6 Gedanken zu “Welche Auswirkungen hat der neue elektronische Personalausweis auf unsere Gemeinden?”:

  1. Philipp Neuenfeldt

    Heute mor­gen habe ich mir noch einen alten PA in Kiel im Rathaus geor­dert. Die Sachbearbeiterin sag­te auf mei­ne Nachfrage, dass die Stadt Kiel (wie vie­le ande­re Kommunen in SH) sich für eine kos­ten­güns­ti­ge­re Softwarelösung ent­schie­den habe, was jetzt zur Folge habe, dass die meis­ten SachbearbeiterInnen sich nach jedem Antrag für einen nPA aus- und wie­der ein­logg­ten, um zu ver­mei­den, wäh­rend der nächs­ten Antragssession aus dem System zu flie­gen. Außerdem erfol­ge auf Wunsch von OB Albig momen­tan ein Umbau des EMA in Kiel. Dadurch stün­den nicht alle Arbeitsplätze durch­weg zur Verfügung. Bleibe nur zu hof­fen, dass der Umbau nach einem mög­li­chen Weggang Albigs in die Staatskanzlei nicht wie­der rück­gän­gig gemacht wer­de, so die Sachbearbeiterin zu mir.

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  2. Ritinardo

    Der neue Personalausweis ist aus mei­ner Sicht auf allen Ebenen eine Katastrophe. Warum Herr Weichert da auf ein­mal but­ter­weich gewor­den ist, ist mir ein Rätsel. Der Staat will spa­ren und Du schreibst es wird drei mal so teu­er. Maschinenlesbar war ja bereits der alte Pass — aller­dings mit weni­ger Fallstricken. Ich bin froh, dass ich mir noch einen alten geholt habe vor eini­ger Zeit. Bei RFID ist ja vor allem die Profilbildung ein Problem: Durch das Sammeln vie­ler RFID-Chips sind vie­le als Individuen erkenn­bar — und durch immer mehr RFID-Leser in Geschäften kann man über­all sol­che Profile erstel­len. Wenn man die­se auch nch ver­netzt kann man Leuten über­all hin fol­gen. Ganz ohne Handy.

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  3. Steffen Voß

    Wenn man ein wenig nach „long-ran­ge RFID” sucht, fin­det man Hinweise dar­auf, dass sich die Chips auch aus grö­ße­ren Entfernungen lesen las­sen. 30m schei­nen kein Problem zu sein…

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  4. MathiasPenz Post author

    Ich bin mal sehr gespannt, wie sich der neue nun ent­wi­ckeln wird. Die Aufwände in den Gemeinden wer­den wei­ter stei­gen und in den kom­men­den Gemeindehaushalten wird der neue Personalausweis defi­ni­tiv ein Thema sein.

    Ebenfalls darf man gespannt sein, wann es den ers­ten Datenmissbrauchsskandal um den nPA geben wird. Long-Range RFID wird dabei viel­leicht auch eine Rolle spie­len…

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