Küstenschutzabgabe – Reaktionen von CDU und FDP in Nordfriesland

Von | 17. Dezember 2010

Mit dem Doppelhaushalt 2011/​2012 hat die Landesregierung auch die Einführung einer Küstenschutzabgabe so gut wie beschlos­sen. Die nord­frie­si­sche CDU-Abgeordnete Astrid Damerow wur­de mit dem Kompromiss zur Zustimmung zum Haushalt bewegt, dass auf die Einführung der Abgabe ver­zich­tet wer­den kön­ne, wenn es denn gelän­ge, mit den kom­mu­na­len Spitzenverbänden zu ver­ein­ba­ren, die Geldmittel für den Küstenschutz in Höhe von 4,5 Millionen Euro aus dem kom­mu­na­len Finanzausgleich zu ent­neh­men. Darüber berich­te­te unter ande­rem der sh:z am 15. Dezember unter dem Titel: „Sparhaushalt – Parlament ent­schei­det über Doppelhaushalt”. Weiterhin wird eine Bundesratsinitiative zur alter­na­ti­ven Finanzierung von Küstenschutzmaßnahmen versucht.Im Artikel von Swen Wacker unter dem Titel „Eine Küstenschutzabgabe ist Unfug” hat­te ich bereits in einem Kommentar auf die Stellungnahme des FDP-Kreisverbandes Nordfriesland ver­wie­sen. Viel span­nen­der aller­dings sind die drei(!) Stellungnahmen der dor­ti­gen CDU-Gliederung. Grund genug also, die Reaktionen von der nörd­li­chen Westküste noch ein­mal genau­er unter die Lupe zu neh­men.

Die FDP Nordfriesland reagier­te auf die Einführung der Küstenschutzabgabe reich­lich ver­schnupft und mit deut­li­chen Vorwürfen an die libe­ra­le Landtagsfraktion. Ihr Kreisvorsitzender Kurt Eichert ver­lieh sei­ner Enttäuschung Ausdruck und beklag­te, dass man mit einem eige­nen Landtagsabgeordneten bes­ser gegen die „Kapitulation vor Sachzwängen, die nicht erfor­der­lich war” hät­te anar­bei­ten kön­nen. Weiterhin neh­me er zur Kenntnis, „dass das poli­ti­sche Kiel sich ein wei­te­res Mal vom west­li­chen Landesteil Schleswig-Holsteins abge­wen­det und sich wei­ter von ihm abge­setzt” habe. Dieses Verhalten wer­de in Nordfriesland bereits seit lan­ger Zeit mit Unmut regis­triert.

Der FDP-Kreisvorsitzende bezeich­net den gefun­de­nen Kompromiss als „Mogelpackung” und „Taschenspielertrick” und weist auf die zuneh­men­den Probleme hin, sich für die Kieler Politik zu recht­fer­ti­gen:

Die nord­frie­si­schen Liberalen sehen sich zuneh­mend einem Rechtfertigungsdruck aus­ge­setzt, dem wir an Argumenten nichts ent­ge­gen­set­zen kön­nen, weil Landespartei und Landtagsfraktion es nicht für not­wen­dig erach­tet haben, sich seit der Haushaltsstrukturkommission im Mai und spä­tes­tens auf dem Landesparteitag im November dazu zu erklä­ren. Die Führungsebenen der Koalitionsparteien müs­sen sich bewusst sein, dass wir in Nordfriesland das fata­le Gefühl der Koalitionsverdrossenheit bei den betrof­fe­nen Bürgerinnen und Bürgern auf abseh­ba­re Zeit nicht mehr wer­den auf­fan­gen kön­nen! Wir set­zen alle unse­ren begrenz­ten Mittel ein, dem herr­schen­den Eindruck der Westküstenfeindlichkeit ent­ge­gen zu wir­ken, hier wür­den die urei­ge­nen Interessen der Westküste ver­ra­ten. Dieser ist aller­dings auch dadurch ent­stan­den, dass die Küstenschutzabgabe ohne Anhörung, Mitwirkung oder auch nur einer aus­rei­chen­den früh­zei­ti­gen Information der Betroffenen durch­ge­setzt wur­de. Das Land droht damit, dem Ausbluten der Region wei­ter Vorschub zu leis­ten.

Besonders die Vorwürfe der „Westküstenfeindlichkeit” und der Nichtbehandlung des Themas auf dem kürz­lich abge­hal­te­nen Landesparteitag in Elmshorn wie­gen schwer – eben­so wie der dar­über hin­aus geäu­ßer­te Vorwurf, die Koalition in Kiel habe die Chance zur Umsetzung von „mehr struk­tu­rell wirk­sa­men poli­ti­schen Maßnahmen, wie einem kon­se­quen­ten staat­li­chen Aufgabenabbau” ver­tan.

Bei der nord­frie­si­schen CDU ist die Faktenlage nicht ganz so ein­deu­tig. Mit gleich drei Pressemitteilungen von unter­schied­li­chen Akteuren reagier­te sie am 16. Dezember auf die Beschlüsse der Landtages. Für den Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Ingbert Liebing ist ein guter Kompromiss gefun­den wor­den, „weil Alternativen einer lan­des­wei­ten Finanzierung ernst­haft geprüft wer­den sol­len, ohne den Konsolidierungskurs in Frage zu stel­len.” Er erklär­te die Haushaltskonsolidierung zu einer ” Schicksalsfrage des Landes, um eine gute Zukunft gestal­ten zu kön­nen.” Denn wer wol­le, „dass mor­gen die B 5 gebaut, gute Schulen vor­han­den, sozia­le Infrastruktur gesi­chert wer­den sol­len, der muss heu­te genau für die­se Aufgaben Vorsorge tref­fen”. Der Zusammenhang zur Küstenschutzabgabe erschließt sich zumin­dest dem Autoren aus die­ser Argumentation nicht sofort.

Ebenso wie Liebing begrüßt die Landtagsabgeordnete Ursula Sassen die Bemühungen, „die feh­len­den Mittel zur Co-Finanzierung der zusätz­li­chen Bundesmittel für Hochwasser- und Küstenschutzmaßnahmen auf­grund des Klimawandels voll­stän­dig soli­da­risch zu finan­zie­ren und auf eine Abgabe zu ver­zich­ten.” Sie setzt dabei die Hoffnung einer­seits auf eine Bundesratsinitiative der Landesregierung, dass künf­tig Küstenschutzmaßnahmen „von der Ausgleichspflicht befreit wer­den”. Auf der ande­ren Seite käme auch eine Finanzierung über den kom­mu­na­len Finanzausgleich in Frage. Dementsprechend wer­de eine Küstenschutzabgabe „nur dann zum Tragen kom­men, wenn sich aus den auf­ge­zeig­ten Alternativen kei­ne finan­zi­el­len Mittel recht­si­cher und in glei­cher Höhe erge­ben.” Im Hinblick auf die Bundesratsinitiative schätzt Sassen die Chancen als eher gering ein. Sie setzt Ihre Hoffnung viel­mehr dar­auf, dass „die kom­mu­na­le Familie unse­res Landes das Opfer brin­gen wird.” Diese Hoffnung könn­te sich aller­dings auf­grund der ver­hee­ren­den Situation der kom­mu­na­len Finanzen in den meis­ten Städten und Gemeinden sehr schnell als trü­ge­risch erwei­sen.

Sassens Landtagskollegin Astrid Damerow, die sich lan­ge gegen eine Zustimmung zum Haushalt wehr­te, mach­te in ihrer Presseerklärung noch ein­mal deut­lich, dass für sie der Schutz von Leib, Leben und Eigentum der Menschen an den Küsten und hin­ter den Deichen zu den ele­men­ta­ren Aufgaben des Staates gehö­re. Dieses gel­te im Besonderen, wenn ver­stärk­te Küstenschutzmaßnahmen durch den Klimawandel erfor­der­lich wür­den. Wenn nun infol­ge der der­zei­ti­gen Haushaltssituation die erfor­der­li­chen Mittel nicht ins­ge­samt durch Bund und Land auf­ge­bracht wer­den könn­ten, so sei ihrer Meinung nach die Solidargemeinschaft gefor­dert. Ihre Forderungen an die Landesregierung for­mu­liert sie deut­lich:

Ich erwar­te von der Landesregierung, dass dem Parlament hier­zu im Rahmen des ange­for­der­ten Berichts geeig­ne­te Vorschläge vor­ge­legt wer­den, dabei ist der Verzicht auf die Ausgleichspflicht für Küstenschutzaufgaben genau­so denk­bar, wie eine lan­des­wei­te kom­mu­na­le Finanzierung. Vielleicht gibt es aber auch noch ganz ande­re Lösungsansätze.

Während also die Liberalen in Nordfriesland den gefun­den Kompromiss bereits ein­deu­tig als Taschenspielertrick abtun, über­wiegt bei den Unionschristen noch in unter­schied­lich star­ker Ausprägung das Prinzip Hoffnung. Es wird sich spä­tes­tens bei der kom­men­den Landtagswahl zei­gen, ob die in städ­ti­schen Milieus chro­nisch schwa­che CDU ihre Stammwählerschaft in den länd­li­chen Küstenregionen mit die­ser Entscheidung für eine Küstenschutzabgabe – so sie denn kommt – nach­hal­tig ver­är­gert hat. Und natür­lich wird sich dabei eben­so her­aus­stel­len, ob das opti­mis­ti­sche Prinzip Hoffnung der Union oder eine eher skep­ti­sche Grundhaltung der FDP in Nordfriesland der Politik in Kiel bes­ser Rechnung trägt.

3 Gedanken zu “Küstenschutzabgabe – Reaktionen von CDU und FDP in Nordfriesland”:

  1. Ruediger KohlsRuediger Kohls

    Küstenschutz ist nicht nur für die Halligbewohner, Sylttouristen und die in den nord­frie­si­schen Kögen leben­den und arbei­ten­den Landwirte exis­ten­ti­ell, son­dern volks­wirt­schaft­lich und gesell­schaft­lich auch für das Land und die Bundesrepublik in ihrer Gesamtstaatlichkeit bedeut­sam. Den Deich- und Sielbau, die Halligbewirtschaftung und Sandvorspülungen an die Zwänge des Klimawandels und den dadurch stei­gen­den Meeresspiegel anzu­pas­sen ist wich­tig und rich­tig: Viele Nordfriesen wol­len hier auch in der Zukunft mit ihren vie­len Urlaubsgästen in einer ein­zig­ar­ti­gen „Lebensqualitätsregion” wei­ter­le­ben, ohne die Taucherausrüstung parat ste­hen haben zu müs­sen. Daher müs­sen die vom Bund und der EU zur Verfügung ste­hen­den Mittel natür­lich durch Landesmittel gebun­den wer­den kön­nen. Die Frage ist doch aber, ob es unbe­dingt nötig war, abga­ben­be­trof­fe­ne und nicht betrof­fe­ne Schleswig-Holsteiner, aber z.B. auch abga­ben­be­trof­fe­ne und nicht betrof­fe­ne Nordfriesen gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len.

    „Kiel kiekt uns nich mol mit de Mors an!” (Man ver­zeih mir die even­tu­el­len Fehler! Übersetzt in etwa: Das Land guckt uns nicht mal mit dem Ar… an.) — Dieser Satz eines Nordfriesen, gespro­chen in der Art typisch tro­cke­ner Ironie, die den Menschenschlag hier aus­zeich­net, klingt mir immer im Kopf, wenn es um die Belange der Westküste geht. Sie hat­te noch nie eine gute lan­des­po­li­ti­sche Lobby.

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  2. Mathias Penz

    Dieser Satz eines Nordfriesen, gespro­chen in der Art typisch tro­cke­ner Ironie, die den Menschenschlag hier aus­zeich­net, klingt mir immer im Kopf, wenn es um die Belange der Westküste geht. Sie hat­te noch nie eine gute lan­des­po­li­ti­sche Lobby.

    Völlig rich­tig, Rüdiger. Dat geiht mi ock so! Doch eben die­se Nordfriesen — ich sag das mal als einer von ihnen, jeden­falls von Geburtswegen — wun­dern sich doch sehr, dass sich ihre Lobby nicht inzwi­schen deut­lich ver­bes­sert hat.

    Als gebür­ti­ger Nordstrander, liegt mir der Küstenschutz natür­lich sehr am Herzen. Nordstrand ist, vor allem auch mit der Neu-Eindeichung Beltringharder-Koog eine der bedeu­tens­ten Nutznießerinnen, des Küstenschutzes. Eine sehr schö­ne (Halb-)Insel.
    Der Koog wur­de 1987 fer­tig­ge­stellt und grenzt direkt an den Elisabeth-Sophien-Koog. Ich habe hier ein­mal den pas­sen­den Wikipedia-Artikel zum Elisabeth-Sophien-Koog ver­linkt. Schaut ihn euch ruhig mal an. Wenn man den Artikel ganz liest, fin­det man die Abbildung eines Anwesens, des­sen Eigentümer viel­leicht dem ein oder ande­ren bekannt sein dürf­te. Hier — zumin­dest teil­wei­se — wohnt unser Landesvater, Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen.

    Viele Nordstrander, Wähler der einen oder ande­ren Partei, heg­ten gro­ße Hoffnungen als ein Kind ihrer Insel das Amt des Ministerpräsidenten antrat. Viele Nordfriesen und Dithmarscher taten es ihnen gleich. Sie alle hoff­ten, dass ein Ministerpräsident aus den eige­nen Reihen, sich ordent­lich für Ihre Belange ein­set­zen wer­de.

    Ich mag falsch lie­gen, aber mir will nicht in den Kopf, wie ein Nordfriese, der die Probleme sei­ner Nachbarn kennt, zumin­dest ken­nen soll­te und zugleich Schirmherr der 2007 gegrün­de­ten „Stiftung Küstenschutz Sylt” ist/​war, die Küstenschutzabgabe ein­fach so abnickt und mit­trägt. Noch ist zwar nicht alles ent­schie­den, aber der geneig­te Leser und Wähler möge sich hier sein eige­nes Bild machen…

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    1. Ruediger KohlsRuediger Kohls

      Ich habe die­ses lei­di­ge Thema absicht­lich nicht ange­schnit­ten — du hast natür­lich voll­kom­men Recht. Auch ich gehör­te zu den­je­ni­gen, die damals die Hoffnung hat­ten, es wür­de sich etwas ändern. Viele haben dar­über hin­weg­ge­se­hen, dass der nach so lan­ger Zeit in Bonn und Berlin Heimgekehrte den „Stallgeruch” längst ver­lo­ren hat­te und sich aus poli­ti­schen Gründen all­zu auf­ge­setzt bemüh­te, den „Nordfriesen von neben­an” nach außen zu keh­ren.

      Das „Landesväter” die eige­ne Heimat zu ver­nach­läs­si­gen schei­nen, ist aller­dings nicht unüb­lich — auch Christian Wulff wur­de sei­ner­zeit nach­ge­sagt, mit Amtsantritt sei­nen Heimatwahlkreis von der poli­ti­schen Landkarte getilgt zu haben. In vor­aus­ei­len­dem Gehorsam will sich nie­mand auch nur den Anschein mög­li­cher Vorteilsnahme vor­wer­fen las­sen kön­nen. Das ist natür­lich voll­kom­me­ner Unsinn, aber seit wann hat poli­ti­sches Establishment Sinn? ;-)

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