Landtag debattiert Facebook - Ministerpräsident kritisiert Datenschützer

Von | 15. September 2011

Katharina Loedige, FDP-Abgeordnete im Kieler Landtag bat vor zwei Wochen um „kei­ne wei­te­ren Schaufensteranträge“ und fand, dass es „zum jet­zi­gen Zeitpunkt kei­ner stun­den­lan­gen Diskussion im Landtag“ bedür­fe, die ange­sto­ße­ne Diskussion mit Facebook und Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) im Innen- und Rechtsausschuss rei­che aus. Heute (15. September 2011) kam es dann zu der von ihr befürch­te­ten Schaufensterdebatte im Landtag und vor die Wahl gestellt, wel­che Schaufensterantrag man denn nun beschlie­ßen wol­le, ent­schied sich schwarz-gelb für den ihri­gen, der grü­ne Antrag fand kei­ne Mehrheit.

Nun sind Schaufenster wun­der­ba­re Einrichtungen, wo man sei­ne Ware, sei­ne Kompetenz, sein Können oder sei­ne Dienstleistung hübsch deko­riert anpreist und sich emsig bemüht, die Augen des Publikums für sich zu gewin­nen. Plenarsäle sind also Schaufenster. Von daher war die Debatte nicht falsch oder unnö­tig.

Natürlich wur­de schnell klar, dass die Kritik an dem „Gefällt-mir“-Button des sozia­len Netzwerkes Facebook hier in Schleswig-Holstein nicht gelöst wer­den kann. Alle Redner (Thorsten Fürter (Grüne ), Michael von Abercron (CDU), Peter Eichstädt (SPD), Ingrid Brand-Hückstädt (FDP), Heinz-Werner Jezewski (Linke) und Anke Spoorendonk (SSW) waren sich auch weit­ge­hend einig, dass eine bun­des­wei­te –  nein, bes­ser noch: euro­pa­wei­te – Lösung gefun­den wer­den müs­se. Aber es war wich­tig, dass sie über­haupt gere­det haben. Denn aus netz­po­li­ti­scher Sicht ist es nicht ent­schei­dend, ob eine Gremium vol­ler Entscheidungsträger, Multiplikatoren, Politiker eine Lösung fin­den kann, son­dern dass sie (sich) sen­si­bi­li­sie­ren für ein Thema, dass auch sie (und uns) betrifft.

Es ist falsch und über­heb­lich, in den Reden nach klei­nen sach­li­chen Fehlern zu suchen. Die gibt es über­all und stän­dig. Das erfah­ren wir jedes Mal, wenn wir als Fachmann oder Fachfrau auf einem Gebiet Artikel lesen, Fernsehbeiträge schau­en, in Bussen Gesprächen lau­schen, Landesblogartikel lesen oder Parlamentsdebatten zuhö­ren. Und wenn wir ehr­lich sind, dann reden wir häu­fig genug auch über Dinge, in denen wir 3/​4 Spezialexperten sind.

Jede Diskussion ist bes­ser als die dazu­ge­hö­ri­ge vor­he­ri­ge. Jede Debatte erhöht das Wissen der Zuhörenden und sen­si­bi­li­siert für ein Thema. Deshalb war die heu­ti­ge Debatte wich­tig.

Mitnehmen kön­nen wir: Am 27.09. – 29.09. trifft sich die Konferenz der Beauftragten für die Datenschutzaufsicht im öffent­li­chen Bereich. Ziel die­ser Treffen ist es, das sag­te mir der ULD vor ein paar Tagen auf Anfrage, nicht nur, eine ein­heit­li­che Auslegung der gesetz­li­chen Grundlagen zu errei­chen. Auch eine Abstimmung des Vorgehens soll erreicht wer­den. Das ULD erwar­tet, dass „bei dem Treffen von sämt­li­chen Aufsichtsbehörden eine ein­heit­li­che Linie zu dem Vorgehen gegen­über Facebook und des­sen Nutzern gefun­den wird“.

Dass die­se Einheitlichkeit nicht exakt so aus­se­hen muss, wie der ULD das sieht, wur­de deut­lich als, für mich über­ra­schend, Peter Harry Carstensen in die Bütt stieg und den ULD erstaun­lich direkt kri­ti­sier­te. Er lehn­te die Sanktionen für pri­va­te Facebook-Seiten ab. „Wir müs­sen die Bürgerbeteiligung stär­ken und den Datenschutz sicher­stel­len”. Mit Blick auf die das Landesdatenschutzgesetz hin­ter­frag­te er, ob der Datenschutzbeauftragte nicht eine ande­re Ermessenabwägung hät­te fin­den kön­nen: „Drohgebärden sind nicht nur kon­tra­pro­duk­tiv, son­dern auch recht­lich frag­wür­dig”. Der Datenschutzbeauftragte, so der ansons­ten nicht für Netzaffinität bekann­te Ministerpräsident, „sol­le bera­ten und den Dialog mit den öffent­li­chen Stellen, den Betreibern und den Nutzern suchen. Das hat er lei­der unter­las­sen” Die Folge sei gro­ße Verunsicherung. Schleswig-Holstein habe das Thema für die nächs­te Jahreskonferenz der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder in der kom­men­den Woche ange­mel­det.

Der ULD hat­te jüngst Facebook „Gefällt-mir“-Button sowie die dor­ti­gen Fan-Pages kri­ti­siert. Facebook spei­che­re rechts­wid­rig per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten. Die Kieler Behörde, wei­test­ge­hend unab­hän­gig von Landesregierung und Parlament, hat­te Seitenbetreibern in Schleswig-Holstein mit Bußgeldern bis zu 50.000 Euro gedroht und auf­ge­for­dert, den „Gefällt-mir“-Button bis Ende September von allen schles­wig-hol­stei­ni­schen Web-Seiten zu ent­fer­nen. Zugleich hat­te er aber betont, dass nicht pri­va­te oder gewerb­li­che Anbieter in den Fokus genom­men wer­den wür­den, son­dern zunächst öffent­li­che Stellen reagie­ren müss­ten.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

Ein Gedanke zu “Landtag debattiert Facebook - Ministerpräsident kritisiert Datenschützer”:

  1. Cornelius Samtleben

     Kein Wunder, dass der Herr Landespapi in den Ring steigt, ist die Staatskanzlei doch ein emsi­ger Nutzer des sozia­len Netzwerkes. Ich bin gespannt wer als ers­tes einen Bußgeldbescheid bekommt…

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