Nächster Rundfunk-Staatsvertrag naht: Digitalradio

Von | 1. Februar 2012

Bis zum 30. Juni 2012 hat der Landtag Zeit, den digi­ta­len NDR-Radioprogrammen „Musik Plus“, „Info Spezial“ und „Traffic“ zuzu­stim­men. Es ist alles wie immer in Rundfunkdingen: Das Thema ist hin­ter den Kulissen aus­dis­ku­tiert wor­den. Die Öffentlichkeit wur­de nicht betei­ligt. Der Landtag darf sich dar­auf freu­en, als Stimmvieh Ja zu einem Staatsvertrag zu sagen.

Die Staatskanzlei hat ges­tern mit­ge­teilt, dass das Kabinett dem Entwurf eines Staatsvertrages über die Veranstaltung von digi­ta­len ter­res­tri­schen Hörfunkprogrammen durch den Norddeutschen Rundfunk (NDR-Digitalradio-StV) zuge­stimmt habe, so dass Ministerpräsident Peter Harry Carstensen das Vertragswerk nun unter­schrie­ben kön­ne. Meiner Meinung nach muss zuvor der Landtag zustim­men.

Inhaltlich möch­ten die Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein das Digitalradio-Angebot des NDR neu regeln. Drei neue wer­be­freie Digitalprogramme („Musik Plus“, „Info Spezial“ und „Traffic“) sol­len schon bald in den Regelbetrieb gehen. Der Rundfunkstaatsvertrag erlaubt es den Landesrundfunkanstalten, so vie­le digi­ta­le ter­res­tri­sche Hörfunkprogramme zu ver­an­stal­ten, wie sie Länder ver­sorgt. Es wäre also noch ein Sender mehr drin. Die Sender sol­len in dem neu­en Standard DAB+ aus­ge­strahlt wer­den. DAB+ ist Digitales Radio, das uns Radiogenuss in hoher Qualität besche­ren soll.

Ganz so neu sind die Sender nicht.

  • NDR Traffic, der aus­schließ­lich Verkehrsmeldungen aus dem NDR-Sendegebiet des NDR aus­strahlt, wur­de schon bis Mitte 2011 über DAB ver­brei­tet. Seit dem 5. Januar sen­det er in Schleswig-Holstein als NDR Traffic Channel auf DAB+.
  • NDR Info Spezial, laut Staatsvertragsentwurf für Liveübertragungen von Veranstaltungen, Seewetterberichte sowie Sendungen für Menschen mit Migrationshintergrund gedacht, wird schon jetzt über die NDR-Mittelwellensender, als Livestream und seit dem 5. Januar über DAB+ aus­ge­strahlt. Zur Zeit ist er eine Mischung aus NDR Info, dem WDR-Programm Funkhaus Europa, dem Seewetterbericht, gele­gent­li­chen Parlamentsdebatten, dem Hamburger Hafenkonzert und mei­ner frü­he­ren Lieblingsweihnachtradiosendung, dem Gruß an Bord.
  • NDR Musik Plus sen­de­te schon seit 2008 auf DAB Wiederholungen aus dem NDR Info Musikprogramm (Nightlounge und Nachtclub). Der Sender „klingt nach mehr“ und wird eben­falls seit 5. Januar auf DAB+ ver­brei­tet.

Bei NDR Traffic fra­ge ich mich, wel­chen Sinn das – ange­sichts der Verbreitung von Navigationsgeräten – machen soll, zumal DAB und DAB+ für TMC spe­zi­fi­ziert sind. Über TMC wer­den Verkehrsmeldungen „hucke­pack“ zum UKW-Signal gesen­det.

NDR Info Spezial erin­nert an einen Weinladen, in dem man auch Einlagen für Wanderschuhe sowie Schulhefte bekommt.

Und bei NDR Musik Plus fra­ge ich mich, war­um eine Wiederholung „nach mehr“ klingt. Für mich klingt das eher „nach ges­tern“. Aber ich bin ja nur Hörer. Außerdem erschließt sich mir nicht, was an dem Sendeangebot nord­deutsch sein soll.

Kurzum: Ein Alleinstellungmerkmal für „DAB+ muss ich haben“ ist das nicht

Nach Auskunft der Staatskanzlei gibt es noch „noch vie­le wei­te­re Übertragungskapazitäten im neu­en Standard DAB+“. Sollten pri­va­te Hörfunksender Bedarf anmel­den, dann „kön­nen auch die­se Wünsche erfüllt wer­den“. Das ist im Moment wohl eher from­mer Wunsch als begrün­de­te Hoffnung. Die MA HSH und ihr nie­der­säch­si­scher Pendant nlm hat­ten Ende letz­tes Jahres ver­geb­lich bei den pri­va­ten Radiosendern vor­ge­fühlt, was man auch sei­ner­zeit an der wenigs­tens abwar­ten­den Tendenz des Verband Privater Rundfunk und Telemedien able­sen konn­te.

Der Vorgänger DABDigital Audio Broadcasting – war gran­di­os geschei­tert. Es war von tech­ni­schen Schwierigkeiten die Rede. Die Kunden hat­ten kein Interessen an den teu­ren Empfangsgeräten. Und die pri­va­ten Sender waren abge­sprun­gen, nach­dem die staat­li­chen Subventionen aus­lie­fen. DAB+, eben­falls mit Schwierigkeiten gestar­tet, soll nun den Durchbruch brin­gen. DAB+ sen­det auf qua­li­ta­tiv hohem Niveau. Einen Mehrwert gegen­über inter­net­ba­sier­tem Stream erken­ne ich aller­dings nicht unbe­dingt, außer viel­leicht ich will – auch aus Kostengründen – strea­men via Internet ver­mei­den.

Der NDR will sein digi­ta­les Hörfunkprogramm „zeit­nah“ neu star­ten. Also soll Eile gebo­ten sein. Da der Staatsvertrag zum 1. Juli 2012 in Kraft tre­ten soll, scheu­te man wohl den eigent­lich sinn­vol­len Schritt, den NDR-Staatsvertrages (NDRStV) zu ändern und pack­te die not­wen­di­ge Rechtsgrundlage für den NDR in einen Extra-Staatsvertrag, den Digitalradiostaatsvertrag. Ein geson­der­ter Finanzbedarf soll nicht ent­ste­hen – wohl, weil es in der aktu­el­len Bedarf ein­ge­preist ist.

Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) lehnt den Entwurf anschei­nend ab.

Die Staatskanzlei hat den Landtag am 17. November unter­rich­tet. Unverständlicherweise ist die­ser Vorgang mal wie­der „nicht­öf­fent­lich“. Erklären kann ich mir das nicht, zumal ande­re Parlamente sich so eine Geheimnistuerei nicht bie­ten las­sen. Wer den Entwurf lesen will, schaut also bei Hamburg nach. Dort fin­det man eine klei­ne Anfrage von Hansjörg Schmidt zu dem Themenkomplex.

Lässt man es Revue pas­sie­ren, dann ist alles wie immer in Rundfunkdingen: Das Thema ist hin­ter den Kulissen aus­dis­ku­tiert wor­den. Die Öffentlichkeit wur­de nicht betei­ligt. Der Landtag freut sich, als Stimmvieh Ja sagen zu dür­fen.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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