Laptopverbot in Plenartagungen des Landtags

Von | 23. September 2012

Was der Eine als Transparenz ansieht, kann für ande­re eine Störung des Ablaufs einer Landtagssitzung sein. So gab es unter den Abgeordneten des schles­wig-hol­stei­ni­schen Landtags offen­sicht­lich ganz unter­schied­li­che Meinungen über die Nutzung elek­tro­ni­scher Kommunikationsgeräte wäh­rend der Plenartagungen. Öffentliche Sitzungen wer­den zwar über den Dienst ParlaTV über­tra­gen und somit ist ein gewis­ses Maß an Transparenz gewähr­leis­tet, indem alle Bürger die­se am hei­mi­schen Bildschirm ver­fol­gen kön­nen. Anders sieht es bei Ausschusssitzungen aus, die nicht über die­sen Dienst über­tra­gen wer­den. Für mehr Transparenz bzw. Öffentlichkeit auch in die­sen Sitzungen setzt sich die Piratenfraktion ein. In der Vergangenheit wur­den Teile sol­cher Sitzungen von Abgeordneten mit­ge­schnit­ten und online gestellt. Der Ältestenrat ver­stän­dig­te sich nun auf bestimm­te Richtlinien, die in Zukunft für den Gebrauch von mobi­ler Internettechnik wäh­rend der Plenartagungen gel­ten sol­len.

1. Während der Sitzungen des Landtages dür­fen aus­schließ­lich mobi­le Computer, die geräusch­los ohne Lüfter oder mecha­ni­sche Tastatur lau­fen und kei­nen auf­klapp­ba­ren Bildschirm haben (sog. Tablet-Computer) sowie inter­net­fä­hi­ge Mobiltelefone (sog. Smartphones) genutzt wer­den.

2. Die Funktionalitäten die­ser Geräte sind nur dem Mandat ent­spre­chend ein­zu­set­zen. Die der Unterhaltung oder der pri­va­ten Lebensgestaltung die­nen­den Funktionalitäten sind wäh­rend der Sitzungen nicht zu nut­zen.

3. Mit Ausnahme der zur Verfügung ste­hen­den Systemtelefone ist das Telefonieren mit Mobiltelefonen im Plenarsaal unter­sagt.

4. Ton- und Bildaufzeichnungen mit Tablet-Computern und Smartphones sind wäh­rend der Sitzungen des Landtages unter­sagt.

5. Verstößt eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter in gröb­li­cher Weise gegen die­se Richtlinie fin­den §§ 66 und 68 der Geschäftsordnung Anwendung. Der Landtag kann zudem das Verhalten der oder des Abgeordneten miss­bil­li­gen.

Über das Für und Wider, die Beweggründe und die Sinnhaftigkeit die­ser Regeln lässt sich sicher­lich strei­ten. Stören Lüfter und Tastengeklapper den Ablauf einer sol­chen Sitzung in so gro­ßem Maße, dass sie als inak­zep­ta­bel ein­ge­stuft wer­den müs­sen? Auch die Einschränkung, Geräte „nur dem Mandat ent­spre­chend ein­zu­set­zen”, lässt sich sehr weit­läu­fig inter­pre­tie­ren. In der Vergangenheit gab es immer mal wie­der Paralleldebatten im Internet, wäh­rend zu einem bestimm­ten Thema im Landtag dis­ku­tiert wur­den. Diese betref­fen ja durch­aus das Mandat und die­nen nicht pri­mär der per­sön­li­chen Unterhaltung. Offensichtlich ist man sich die­ses Problems aber auch im Ältestenrat bewusst, denn Patrick Breyer (Piraten) weist im Fraktionsblog dar­auf hin, dass in der nächs­ten Ältestenratssitzung Richtlinien zur Nutzung von sozia­len Netzwerken dis­ku­tiert wer­den sol­len.

Von:

Melanie Richter lebt seit mehr als 20 Jahren in Kiel, ist parteilos, seit 2010 Mitglied im Verein für Neue Medien Kiel e.V. und arbeitet in einer Kieler Gemeinschaftsschule.

9 Gedanken zu “Laptopverbot in Plenartagungen des Landtags”:

  1. Steffen VoßSteffen Voß

    Das Parlament kennt ver­schie­de­ne Regeln zum Verhalten. Die meis­ten davon ler­nen wir auch als Kinder schon, nur wer­den sie im Parlament strik­ter ein­ge­hal­ten: Eine Regel ist, dass immer nur einer zur Zeit redet. Und wenn der redet, haben die Anderen zuzu­hö­ren. Deswegen packt dort kei­ner sein Wurstbrot aus. Deswegen ste­hen kei­ne Thermoskannen auf den Tischen. Im Schleswig-Holsteinischen Landtag ver­gräbt sich auch nie­mand in groß­for­ma­ti­gen Zeitungen.

    Natürlich brau­chen die Abgeordneten ihre Unterlagen und in Zeiten des Internets dür­fen die auch digi­tal sein. Dank erschwing­li­cher Tablet-PC kann man die heu­te mit sich füh­ren, ohne dass man sich hin­ter auf­ge­klapp­ten 19″ Laptops ver­schan­zen muss. Und das ist auch gut so.

    Das glei­che gilt für Paralleldiskussionen per Internet: Es ist unfair, öffent­lich „dazwi­schen zu reden”, wenn sich der jewei­li­ge Redner gera­de nicht weh­ren kann — es nicht ein­mal mit­be­kommt. Abgeordnete sind kei­ne Reporter. Aktuelle Debatten ins Internet zu über­tra­gen, ist Aufgabe der Landtagsverwaltung oder des Journalismus. Die Abgeordeneten haben sich um ihren Job vor Ort zu küm­mern.

    Man kann vor­her und nach­her alle Kanäle nut­zen, um Menschen von Außen Möglichkeiten zu geben, ihre Ideen und Meinungen ein­zu­brin­gen. Es sol­len auch ger­ne alle Sitzungen über­tra­gen wer­den, damit jeder dabei sein kann. Schleswig-Holstein ist mit den Liveübertragungen der Landtagssitzungen schon recht gut. Und die Übertragung der Ausschüsse scheint eher ein tech­ni­sches und ein finan­zi­el­les Probllem zu sein, als ein poli­ti­sches. Es geht hier um all­ge­mei­ne Regeln der Höflichkeit: Wenn Menschen mit­ein­an­der spre­chen, soll­ten sie sich gegen­sei­tig Aufmerksamkeit schen­ken.

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  2. Malte Sommerfeld

    Spannend ist dabei die Ungleichbehandlung von Abgeordneten und allen ande­ren Menschen. Während es letz­te­ren offen­bar und zu Recht unge­nom­men blei­ben soll, sich auch wäh­rend einer — z.B. per ParlaTV live ver­folg­ten — Rede eines Abgeordneten zu kom­men­tie­ren, soll dies den Abgeordneten nicht mög­lich sein. Gerade den­je­ni­gen, die ja zumin­dest auch dafür bezahlt wer­den, die Argumente ande­rer Abgeordneter zu kom­men­tie­ren und gewich­ten, soll es ver­bo­ten sein, dies zeit­nah zu tun?

    Eine Behinderung des Redners liegt dar­in jeden­falls nicht per se. Wer sich öffent­lich wäh­rend einer Rede zu die­ser äußert, redet per defi­ni­tio­nem nicht dazwi­schen. Der Redner bekommt davon im Zweifelsfall gar nicht mit und kann daher nicht in sei­ner Rede behin­dert wer­den.

    Auch kann man kaum behaup­ten, eine Live-Kommentierung sei despek­tier­lich oder respekt­los. Der Kommentator setzt sich mit den Argumenten des Redners aus­ein­an­der und zeugt damit gera­de davon, die­sen ernst zu neh­men. Dem Redner bleibt es unbe­nom­men — auch das ist ein Vorteil asyn­chro­ner Kommunikation durch moder­ne Medien -, sich nach sei­ner Rede mit den Einwänden aus­ein­an­der zu set­zen.

    Laute Tastaturen und Lüfter — ja klar, die ner­ven. Alleine wegen die­ser Unannehmlichkeiten ein Verbot der Arbeitmittel ist aber unge­fähr so, als schie­ße man mit Kanonen auf Spatzen. Lüfter las­sen sich durch regel­mä­ßi­ges Reinigen sehr lei­se hal­ten. Tastaturen kön­nen gedämmt wer­den oder ver­zich­ten sogar auf mecha­ni­sche Anschläge.

    Der Abgeordnete muss auch in der Nutzung sei­ner Arbeitsmittel frei sein. Es wäre doch gera­de­zu pein­lich, wenn dem unbe­schränk­tes­tem Mandat die Vorteile der frei­en Arbeitsmittelwahl ver­wei­gert wer­den sol­len, die nach zähem Ringen den Anwälten und Verteidigern vor Gericht nun­mehr als Standard zuer­kannt wor­den ist und in der frei­en Wirtschaft seit lan­gem kei­ne Diskussion mehr erfor­dern.

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    1. Steffen VoßSteffen Voß

      Ein Beispiel: In AGH Berlin scheint es ein Problem zu sein, dass Piraten stän­dig mit asyn­chro­ner Kommunikation beschäf­tigt sind, statt sich auf ein aktu­el­les Gespräch zu kon­zen­trie­ren: http://kfrng.de/yq9ir

      Dazu kommt, dass die­se Parallelgespräche nicht offi­zi­ell pro­to­kol­liert wer­den und dem­entspre­chend nicht für Bürgerinnen und Bürger nach­voll­zieh­bar sind. Schadet das nicht der Transparenz? Sollen Tweets und Facebook-Einträge dem Protokoll bei­ge­legt wer­den? Wie stellt man das dann in einem Protokoll da? Gibt es dann neben dem eigent­li­chen Protokoll Marginalien mit Tweets?

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      1. Paul Schäfer

        Danke für den Link, Steffen. Ich kann dir in dei­nem ers­ten Kommentar und die­ser Antwort hier nur Recht geben: Die Regeln der Kommunikation sind wich­tig und rich­tig!

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        1. Sanníe

          Nein. Gutes Benehmen kann durch kei­ne Geschäftsordnung erzwun­gen wer­den, wie Ralf Stegner ja regel­mä­ßig beweist.

          Als Abgeordneter auch ver­bit­ten, auf die aus­schließ­lich dienst­li­che Nutzung hin­ge­wie­sen zu wer­den. Wo sind wir denn hier?

          (Daß Kohlmeier und Lauer ein Problem mit­ein­an­der haben, ist bekannt. Daß das an Lauers Smartphonenutzung liegt, hin­ge­gen nur ein Narrativ, das immer wie­der gern gegen Piraten ver­wen­det wird.)

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  3. Patrick Breyer (PIRATEN)

    Danke für den Bericht! Einige Anmerkungen dazu:

    1. Sitzungen des Landtags sind lei­der nicht nach­träg­lich über das Internet abruf­bar. Den Livestream kön­nen vie­le Berufstätige nicht ver­fol­gen. Wir hat­ten ver­geb­lich eine Geschäftsordnungsänderung bean­tragt, um Aufzeichnungen ein­zu­füh­ren.

    2. Der Ältestenrat hat sich auf die zitier­te Richtlinie — ent­ge­gen der Pressemitteilung des Landtags — nicht ver­stän­digt im Sinne von geei­nigt, son­dern sie gegen mei­ne Stimme als Mitglied des Ältestenrats beschlos­sen. Nach Verfassung und Geschäftsordnung darf der Ältestenrat kei­ne Mehrheitsbeschlüsse fas­sen, des­we­gen ist die Richtlinie aus mei­ner Sicht nicht rechts­gül­tig.

    3. Laptops sol­len unab­hän­gig von der Bildschirmgröße ver­bo­ten wer­den. Wenn man einen Tablet-PC oder Dokumente liest, wird die­sel­be Fläche in Anspruch genom­men. Horizontal lesen zu müs­sen, ist laut Arbeitsmedizinern gesund­heits­schäd­lich. Zu ver­su­chen, die Aufmerksamkeit der Abgeordneten zu lang­wei­li­gen Reden zu erzwin­gen, führt nur zur Leerung des Plenarsaals.

    Das Problem sind die lang­at­mi­gen Reden. Das Papier „Parlamentarismus im Wandel” stellt zutref­fend fest: „Im Vorfeld der Plenarsitzungen muss im Ältestenrat stär­ker über die Notwendigkeit bestimm­ter Anträge debat­tiert wer­den. Bei vie­len Anträgen müs­sen sich die Antragsteller erns­ter fra­gen und die Frage gefal­len las­sen, ob Tagesordnungspunkte tat­säch­lich im Plenum bera­ten wer­den müs­sen oder ob nicht die Ausschussberatung ziel­füh­ren­der ist.” Leider wer­den dar­aus bis­her kei­ne Konsequenzen gezo­gen.

    4. Zuhörer, Presse und die Welt kön­nen Reden live über das Internet kom­men­tie­ren, war­um soll es aus­ge­rech­net Abgeordneten ver­bo­ten sein? Das löst nicht das Problem, das Anlass für die Debatte war, näm­lich dass der SPD-Fraktionsvorsitzende Herr Dr. Stegner die Herren Arp und Kubicki in einem Tweet in die Nähe der Geldwäsche rück­te — übri­gens zeit­lich außer­halb der Plenarsitzung!

    5. Ausschussitzungen zu über­tra­gen, wäre kein tech­ni­sches oder finan­zi­el­les Probllem. Die Landtagsverwaltung hat mit­ge­teilt, dass eine Audioübertragung mit den vor­han­de­nen Mitteln mög­lich wäre. Trotzdem haben die übri­gen Fraktionen unse­ren ent­spre­chen­den Antrag abge­lehnt.

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    1. Steffen VoßSteffen Voß

      @2: Soweit ich weiß, fasst der Ältestenrat über­haupt kei­ne Beschlüsse und hat nur die Funktion den Landtagspräsidenten zu bera­ten.

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  4. Pingback: Links anne Ruhr (24.09.2012) » Pottblog

  5. Frank Martis

    Der Umgang der Abgeordneten mit Rednern lässt in allen Parlamenten sehr zu wün­schen übrig. Ich konn­te bis­her kei­ne Umgangsregeln aus Kindertagen erken­nen. Das Gepöbel der ande­ren Fraktionen, wie ich sie zB am schlimms­ten in Berlin erle­ben muss­te, blieb fol­gen­los. Hier wur­de jahr­zehn­te­lang eine Show gebo­ten, von der sich die Interessierten heu­te erst recht ent­täuscht und ange­wi­dert abwen­den müs­sen. Zuschauerränge sind meist leer, die weni­ge Gäste kön­nen die Debatten kaum mit­ver­fol­gen und fas­zi­nie­rend ist ein­zig das Verhalten von Abgeordneten wäh­rend „hit­zi­ger” Debatten. Es ist leicht zu sehen, dass der par­la­men­ta­ri­sche Betrieb an sich über­haupt kei­ne Rolle spielt — Fraktionszwang sei dank.
    Mit Verlaub, aber die Piratenfraktion war für mich die ein­zi­ge, die die Würde des Hauses bewahr­te. Gerade weil das stil­le Arbeiten und der stän­di­ge Austausch mit der Außenwelt über die moder­nen Kommunikationsmittel dem Ganzen einen Hauch von Glaubwürdigkeit zurück gege­ben hat.

    Mich wun­dert also nicht, dass aus­ge­rech­net die­se Fraktion jetzt der­art bedrängt wird.

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