Kein Kehraus in Kiel?

Von | 8. November 2010

Ganz zum Schluss fehl­te nur noch die Meldung, dass die Prevent AG einen gewis­sen Reiner Pfeiffer als Berater beschäf­ti­ge. Niemanden hät­te das noch gewun­dert. Die Affäre, bei der man als nor­mal­sterb­li­cher Durchschnittsbürger längst nicht mehr weiß, wel­cher der Skandal denn nun der namens­ge­ben­de sein soll­te, hat mit dem offen­sicht­lich bevor­ste­hen­den Ende der Ära Nonnenmacher einen wei­te­ren Tiefpunkt erreicht. Das stau­nen­de Publikum war­tet nun gespannt, was dort pas­siert. Wäre das gan­ze eine ame­ri­ka­ni­sche Serie, dann war­te­te man nun gespannt auf die wohl noch in die­ser Woche zu sen­den­de letz­te Folge der aktu­el­len Staffel und wüss­te, dass es auf alle Fälle eine wei­te­re geben wird.

Es waren im Wesentlichen die FDP in Kiel und die Grünen in Hamburg, die öffent­lich­keits­wirk­sam ihre in Schockstarre ver­fal­le­nen Regierungspartner vor­an­trie­ben. Als dann heu­te ers­te Pressemeldungen über das angeb­lich schon am Sonntag ver­ab­re­de­te Ende der Amtszeit des Vorstandsvorsitzenden kur­sier­ten, kamen aus den Regierungszentralen in Kiel und Hamburg halb­her­zig Dementis: Es gebe noch kei­ne Beschlüsse und „ein dyna­mi­scher poli­ti­scher Prozess” sei im Gange. Das erweckt nicht gera­de den Eindruck, als ob die Spitze der Regierung aktiv lenkt. Denn: Natürlich gibt es heu­te noch kei­ne Beschlüsse, das Kieler Kabinett tagt, wie der Hamburger Senat, erst mor­gen. In sol­chen Situationen braucht es kei­ner for­ma­len Beschlussfassung mehr. Gelebte Richtlinienkompetenz der Chefs geht anders: Da stün­de jetzt einer vor der Presse und sag­te sei­nen Landsleuten, war­um er dem Kabinett mor­gen die Demission des Herrn Professor Dr. Nonnenmacher zum Beschluss vor­legt.

Erst die Arbeit …

In sol­chen Situationen zau­dernd zu schwei­gen ist für die bei­den Regierungschefs nörd­lich der Elbe kein Ruhmesblatt. Der eine scheint vor lau­ter Imagekampagne im Hamburger Boulevard noch nicht im Amt ange­kom­men zu sein, der ande­re ist anschei­nend kaum noch drin.

Kaum bes­ser ist das Taktieren der SPD. Natürlich kos­tet die Nachbesetzung Nonnenmachers Geld. Und natür­lich wird auch der Gesicht gewor­de­ne Unsympath Dr. No auf Vertragserfüllung pochen. Das ist sein gutes Recht. Notfalls wer­den Gerichte über die Auslegung der Verträge zu ent­schei­den haben. Verträge, denen CDU und SPD in Kiel zuge­stimmt haben. Die viel­leicht fäl­li­ge Ablöse wird aber, inklu­si­ve der Gerichtskosten, schwer­lich soviel kos­ten wie der Ansehensverlust, den die Eigentümer erlei­den wer­den, wenn der Bankenchef sein Amt wei­ter aus­füllt. Und für die Vermutung, dass es neben dem Mathematikprofessor und ehe­ma­li­gen Medizinstudenten kei­nen ande­ren Menschen auf der Welt gibt, der die HSH aus der Krise beglei­ten kann, spricht nicht mal empi­risch was.

Nur: Kehren wir den Scherbenhaufen bei­sei­te, dann ist die Straße nicht etwa sau­ber son­dern das schon in Vergessenheit gera­te­ne mil­li­ar­den­tie­fe Schlagloch wird wie­der sicht­bar.

… und dann?

Der Untersuchungsausschuss, der sich momen­tan um die unter­ir­di­schen Dinge rund um die HSH küm­mert, kann nun zum Kern sei­ner Aufgabe zurück­keh­ren und den popu­lä­ren, ein­gän­gi­gen Dingen den Rücken zukeh­ren. Denn er heißt nicht „Dr.-Nonnenmacher-Ausschuss“ son­dern „Erste Parlamentarischer Untersuchungsausschuss“.

Langweilig wird sei­ne Arbeit dadurch nicht. Er wur­de näm­lich ein­ge­setzt, um Fehlentwicklungen bei der HSH Nordbank in den Jahren 2003 bis Ende 2009 zu unter­su­chen. Fehler und Versäumnisse, die dazu führ­ten, dass der Fortbestand der Bank, die sich zu über 85 Prozent im Eigentum der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg befin­det, nur durch eine Kapitalspritze über drei Milliarden Euro und Garantieerklärungen der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein über wei­te­re zehn Milliarden Euro gesi­chert wer­den konn­ten.

Der Ausschuss soll, so sein Auftrag, der Frage nach­ge­hen, ob die Mitglieder der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung, die in den Gremien der Bank tätig waren, die Interessen des Landes Schleswig-Holstein aus­rei­chend ver­tre­ten und das Nötige getan haben, um das Land vor finan­zi­el­lem Schaden zu bewah­ren. Die Ministerpräsidenten in die­ser Zeit hie­ßen Heide Simonis und Peter Harry Carstensen (letz­ter war jedoch in kei­nem Gremium der HSH), die Finanzminister Dr. Ralf Stegner und Rainer Wiegard, die Innenminister Dr. Ralf Stegner und Lothar Hay.

Das Parlament, des­sen Königsrecht das Etatrecht ist, will auch in Erfahrung brin­gen, ob die Regierung das Parlament aus­rei­chend über die finan­zi­el­le Situation der HSH und etwai­ge Risiken infor­miert hat.

Und schließ­lich — und lang­fris­tig noch am wich­tigs­ten — soll der Untersuchungsausschuss Vorschläge unter­brei­ten, wie das Parlament in Zukunft recht- und früh­zei­tig erken­nen kann, wenn dem Land Schleswig-Holstein durch „sei­ne“ Unternehmen Vermögensschäden dro­hen.

Darauf kann er sich jetzt wie­der kon­zen­trie­ren. Das wird nicht zum Schaden des Landes sein. Nur ist nicht mehr so unter­hal­tend span­nend wie die omi­nö­sen Skandale in London, New York und Hamburg, die die Marke HSH Nordbank auf das glei­che Wertniveau wie Krümmel, Sellafield oder BP gebracht haben. Und dem Land gescha­det haben.

Eine klei­ne Erweiterung sei­nes Auftrages soll­te der Ausschuss sich gön­nen: Welche Mechanismen braucht es, damit ein Untersuchungsausschuss nicht der öffent­li­chen Aufmerksamkeit hin­ter­her­läuft son­dern bei sei­nem Leisten bleibt.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

3 Gedanken zu “Kein Kehraus in Kiel?”:

  1. Amin

    Die SPD hat dem Vertrag Nonnenmacher nicht zuge­stimmt. Carstensen hat doch zuge­ge­ben, dass er das Parlament — inkl. eige­ner Fraktion — im Unklaren dar­über gelas­sen hat. Im Streit dar­über ist ja auch die Koalition zer­bro­chen. Vielleicht recher­chierst du da mal nach.
    In den Wahlkampf 2009 ist die SPD klar mit der Posistion gegan­gen, dass unter einem MP Ralf Stegner Nonnenmacher längs­te Zeit HSH-Chef gewe­sen ist. Ähnlich war übri­gens auch die Position der FDP. Trotzdem hat Dr. No noch rund ein Jahr den Ruf der Bank rui­nie­ren dür­fen. Und nach der Wahl war eine der ers­ten Entscheidungen von Schwarz-gelb im Parlament, neue Boni für HSH-Manager zu ermög­li­chen. Ich will nicht sagen, dass die SPD nicht auch hät­te wach­sa­mer sein müs­sen. Aber nach dem Einsetzen der Finanzkrise hat die SPD ein soli­des Krisenmanagement nicht nur ange­mahnt, son­dern auch kon­kre­te Initiativen ergrif­fen (bis 2009) und kla­re Kante gegen­über Nonnenmacher und der hilf­lo­sen Landesregierung gezeigt.

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  2. Swen Wacker Post author

    Amin hat Recht. Es war sei­ner­zeit ledig­lich der dama­li­ge Innenminister Lothar Hay (SPD), der in einem Telefonat gegen­über dem Finanzminister Rainer Wiegard sein Einvernehmen zur Sonderzahlung an Prof. Dr. Nonnenmacher gab.

    Meine aktu­el­le Kritik am Taktieren der SPD bezog sich auf die heu­ti­ge Presseerklärung des SPD-Obmanns Jürgen Weber, in der er sagt, die SPD habe „kei­ne neu­en Erkenntnisse, die ein sol­ches Vorgehen (gemeint war die frist­lo­se Kündigung Nonnenmachers) juris­tisch belast­bar mög­lich machen wür­den”. Am 26. Oktober hat­te er noch zusam­men mit Ralf Stegner gefor­dert, der Bänker müs­se „sofort von sei­nem Posten ent­fernt wer­den”.

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    1. Amin

      Der Vollständigkeit hal­ber: Lothar Hay hat­te eine Vorlage bekom­men, die besag­te, dass das Land kei­ne ande­re Wahl hät­te und die vor­ge­schla­ge­ne Variante die güns­tigs­te für das Land wäre. Nicht wis­send, dass Vorverträge bereits exis­tier­ten — was erst Wochen spä­ter her­aus kam. Aber egal — das Thema Nonnenmacher ist hof­fent­lich erle­digt. Wenn wir (Steuerzahler) Nonnenmacher jetzt noch Millionen hin­ter­her schmei­ßen müs­sen, sind die poli­tisch Verantwortlichen klar zu benen­nen. Abschließend hier die PI der SPD-Landtagsfraktion zu den Plänen der Landesregierung, Herrn Nonnenmacher vor die Tür zu set­zen: http://spd.ltsh.de/presse/die-politische-verantwortung-liegt-bei-der-landesregierung

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