Am letzten Donnerstag berichtete das Landesblog, dass die FDP-Landtagsfraktion das Thema Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) hat von der Tagesordnung des Innen- und Rechtsausschuss des Landtags nehmen lassen. So etwas macht man üblicherweise dann, wenn in der Fraktion eine Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen ist, noch Diskussionsbedarf besteht.
In besagtem Artikel habe ich die Hoffnung geäußert, dass nicht nur an einer folgenlosen Erklärung gearbeitet würde, sondern die Fraktion die Kraft fände, das Ende dieses unseligen Staatsvertrages zu besiegeln. Heute nun berichtet der Landtagsabgeordnete Rasmus Andresen von Bündnis 90/Die Grünen, dass die FDP dem JMStV zustimmen wolle – verbunden mit einer Evaluierung nach zwei Jahren:
Sollte diese Information sich bewahrheiten, wäre das wohl genau jene Form der „folgenlosen, gesichtswahrenden Erklärung”, mit der dem JMStV der Weg schlussendlich doch geebnet würde. Dem Staatsvertrag würde zunächst die Zustimmung erteilt und der träte in Kraft. Käme nach zwei Jahren der Landtag im Rahmen einer Evaluierung allerdings zu dem Ergebnis, der JMStV sei nunmehr abzulehnen – was dann? Dann bestünde ein Staatsvertrag, für dessen Änderung erneut eine Mehrheit gefunden werden müsste. Und wenn man die – absehbar! – nicht bekommt, bleibt er halt weiter bestehen? Deshalb gilt: Jetzt ist der Zeitpunkt, Farbe zu bekennen und eine Entscheidung über dieses Machwerk regulierungswütiger Politiker in Kurt Becks rheinland-pfälzischer Staatskanzlei herbeizuführen.
Die von Rasmus Andresen prognostizierte Glanzleistung politischer Taktiererei und Gesichtswahrung wäre genau das Verhalten, welches Politik(er)verdrossenheit bei den Bürgern bewirkt. Dabei ist es doch so einfach: Entweder die FDP-Fraktion hält den JMStV für ein gutes Gesetz. Dann soll sie ihm mit geradem Rücken und ohne Taktiererei zustimmen. Oder aber sie zweifelt an Rechtsstaatlichkeit, Sinnhaftigkeit oder der Verträglichkeit mit einer Gesellschaft freier, mündiger und aktiver Bürger. Dann sollte sie nicht zustimmen und Nachbesserungen verlangen. Die Bürger mit einer wirkungslosen Evaluierungsankündigung für dumm verkaufen zu wollen, kann hingegen kaum der Kern liberaler Politik sein. Deshalb wird es jetzt wirklich spannend, wie sich die Landtagsfraktion unter der Führung von Wolfgang Kubicki tatsächlich in den nächsten Tagen öffentlich positioniert.
Bisher konnten die Liberalen in Schleswig-Holstein nämlich immer stolz darauf sein, dass sie einem besonders eigenständigen Landesverband angehörten, dessen Fähigkeit zur eigenen Meinungsbildung – gern auch unabhängig vom und im Widerspruch zum Bundesverband – durch die eigene Landtagsfraktion repräsentiert wurde. Wenn allerdings die Information stimmt, die uns heute aus dem Landeshaus erreicht, dann hätte die Fraktion diesen Anspruch an sich leider aufgegeben. Sie hätte sich vielmehr widerstandslos in das bundesweite Modell eingefügt, die eigenen Werte in der Opposition hochzuhalten und in der Regierung zu vergessen.
Man kann lediglich hoffen, dass wir einer Falschmeldung aufgesessen sind und die Abgeordneten der FDP sich in der entsprechenden Abstimmung auf liberale Werte besinnen werden. Zumindest eine oder einer von ihnen. Das würde nämlich schon reichen. Oder wie es einer der großen Philosophen unserer Tage in wohlgesetzen Worten formuliert:
Leider keine Falschmeldung
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/umdrucke/1600/umdruck-17 – 1636.pdf
Letzte Hoffnung NRW oder Berlin? Ich weiß es nicht..,
Na, da haben sich ja meine Parteifreunde im Landtag nach allen Regeln der Kunst blamiert. Wer von den Kollegen mit Twitter-Account möchte das denn bitte erklären?
Ich schlage dafür übrigens den folgenden Text vor:
Der hat sich bereits bewährt. Vielleicht könnte man dann auf der entsprechenden Website einfach mit einem grünen und einem blau-gelben Theme arbeiten…
Poker: Vielleicht hofft die FDP auf eine sozial-liberale und die CDU auf eine CDU-geführte große Koalition in zwei Jahren…
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Bei der FDP-NRW scheint sich was zu bewegen! Das kann doch die FDP im Kieler Landtag nicht kalt lassen?
Ich fürchte, ausgerechnet der Landesverband Nordrhein-Westfalen, der bisher mit Ingo „Onlinedurchsuchung ist toll!” Wolf eher negativ in Erscheinung getreten ist, macht den Fischköppen jetzt tatsächlich in Sachen liberaler Netzpolitik etwas vor. Wie ich bereits schrieb: In der Opposition scheint immer zu gehen, was in Regierungsverantwortung unmöglich scheint.
Um es auch noch einmal ganz deutlich zu schreiben: Der Koalitionsvertrag gibt überhaupt keine Verpflichtung für die FDP her, einem solchen Staatsvertrag zuzustimmen. Es gilt vielmehr nach Kapitel 9 die Vereinbarung, das CDU und FDP „bei Abstimmungen im Landtag und in den Ausschüssen und Gremien ein einheitliches Votum abgeben”. Und weiter: „Bei Unstimmigkeiten wird der Koalitionsausschuss eingeschaltet”, der im übrigen paritätisch besetzt ist. Gründe der Koalitionsräson können also nicht angeführt werden. Eher kann hier von einer bedingungslosen Unterwerfung unter die politischen Ziele der CDU gesprochen werden.
Lieber Oliver,
nachdem heute im Innen- und Rechtsausschuss der JMStV abgelehnt wurde, weil ein CDU-Kollege unbedingt wegmusste und trotz zweimaliger Erinnerung an die bevorstehende Abstimmung durch den Vorsitzenden (SPD) gegangen ist, haben Deine Leute jetzt etwas Bedenkzeit, ob sie wirklichen so einen liberalen Kernpunkt in Schleswig-Holstein ( und das meine ich ohne Häme) aufgeben wollen, wenn noch nicht mal die CDU das Theme genügend ernstnimmt. Ich weiß, was es bedeutet, wenn eine Partei, die eh schon im Abstieg ist ihre Kernpunkte verletzt. Die Stammwählerschaft verliert man zum Schluss und sie kommt auch am Schwersten zurück ( wenn überhaupt).
Oha, meine Rechtschreibfehler bitte ich zu entschuldigen.
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Reicht in SH keine einfache Mehrheit? Und aus welcher Fraktion sind überhaupt in nennenswerter Zahl Gegenstimmen zu erwarten?
Der Landtag Schleswig-Holstein hat regulär 69 Sitze, aktuell 95. Die Mehrheit der Stimmen beträgt also 48. CDU (34) und FDP (14) kommen genau auf diese Mehrheit und wollen erklärtermaßen (siehe 1. Kommentar von Kai Dolgner) für den JMStV stimmen. Die Oppositionsparteien SPD (25), Grüne (12), Linke (6) und SSW (4) kommen zusammen auf 47 Stimmen und wollen wohl gegen den Staatsvertrag stimmen. Eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter aus der Regierungskoalition könnte also das Inkrafttreten des JMStV für ganz Deutschland zum Scheitern bringen. Wenn denn auch alle Abgeordneten der Opposition tatsächlich dagegen stimmen.
Ich hatte übrigens gerade vorhin Heinz-Werner Jezewski (Die Linke) angemailt und ihn noch mal um ein Stimmungsbild aus der Fraktion der Linken gebeten. In der Anhörung hatte er sehr klar gegen den JMStV positioniert.
Der SSW hatte in der ersten Lesung noch einen ähhh sehr unglücklichen Redeauftritt. Die Presseerklärung/das Redemanuskript plädierte vehement gegen den JMStV, in der freien Reden war die Abgeordnete eher dafür. In der Anhörung war der SSW jedoch aktiv und sprach sich gegen den JMStV aus.
Wie schon erwartet, hat die Linke mir eben geschrieben, dass an deren Ablehnung des JMStV kein Zweifel besteht.
Ich wüsste jetzt aus der SPD niemand, der dafür stimmen würde.
Das kann man jetzt auch hier nachlesen: Peter Eichstädt und Kai Dolgner: Wird aus der Panne eine Chance?
Da jetzt übrigens die Ausschussempfehlung aktiv niedergestimmt werden muss, müsste nach meiner Überlegung eigentlich schon eine Enthaltung seitens der FDP reichen, um den gesamten JMStV zu Fall zu bringen…
Ich empfehle ja Druck auf FDP Abgeordnete, gerade auf die Bürgerrechtsecke und die Jüngeren. Vielleicht ist noch Spielraum
Inzwischen hat auch der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, den Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion Kubicki per Interview im Deutschlandfunk darauf hingewiesen, dass dieser in der Verantwortung stünde, mit seinem Verhalten für die Glaubwürdigkeit der Liberalen zu sorgen. Touché!
Wenn man dem Pottblog glauben darf, führen SPD und Grüne in NRW nun genau denselben Eiertanz auf.
CDU will in NRW den JMStV kippen http://www.wdr.de/themen/_config_/kurznach/index.jhtml?knid=40516
Da kann ich nur sagen: Go FDP Schleswig-Holstein, ihr habt die einmalige Chance, die netzpolitischen Lorbeeren ein paar Stunden vorher einzuheimsen!