Liberallala – Evaluierung wäre Augenwischerei!

Von | 7. Dezember 2010

Am letz­ten Donnerstag berich­te­te das Landesblog, dass die FDP-Landtagsfraktion das Thema Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) hat von der Tagesordnung des Innen- und Rechtsausschuss des Landtags neh­men las­sen. So etwas macht man übli­cher­wei­se dann, wenn in der Fraktion eine Meinungsbildung noch nicht abge­schlos­sen ist, noch Diskussionsbedarf besteht.

In besag­tem Artikel habe ich die Hoffnung geäu­ßert, dass nicht nur an einer fol­gen­lo­sen Erklärung gear­bei­tet wür­de, son­dern die Fraktion die Kraft fän­de, das Ende die­ses unse­li­gen Staatsvertrages zu besie­geln. Heute nun berich­tet der Landtagsabgeordnete Rasmus Andresen von Bündnis 90/​Die Grünen, dass die FDP dem JMStV zustim­men wol­le – ver­bun­den mit einer Evaluierung nach zwei Jahren:

Rasmus Andresen (MdL) zur Haltung der FDP zum JMStV

Sollte die­se Information sich bewahr­hei­ten, wäre das wohl genau jene Form der „fol­gen­lo­sen, gesichts­wah­ren­den Erklärung”, mit der dem JMStV der Weg schluss­end­lich doch geeb­net wür­de. Dem Staatsvertrag wür­de zunächst die Zustimmung erteilt und der trä­te in Kraft. Käme nach zwei Jahren der Landtag im Rahmen einer Evaluierung aller­dings zu dem Ergebnis, der JMStV sei nun­mehr abzu­leh­nen – was dann? Dann bestün­de ein Staatsvertrag, für des­sen Änderung erneut eine Mehrheit gefun­den wer­den müss­te. Und wenn man die – abseh­bar! – nicht bekommt, bleibt er halt wei­ter bestehen? Deshalb gilt: Jetzt ist der Zeitpunkt, Farbe zu beken­nen und eine Entscheidung über die­ses Machwerk regu­lie­rungs­wü­ti­ger Politiker in Kurt Becks rhein­land-pfäl­zi­scher Staatskanzlei her­bei­zu­füh­ren.

Die von Rasmus Andresen pro­gnos­ti­zier­te Glanzleistung poli­ti­scher Taktiererei und Gesichtswahrung wäre genau das Verhalten, wel­ches Politik(er)verdrossenheit bei den Bürgern bewirkt. Dabei ist es doch so ein­fach: Entweder die FDP-Fraktion hält den JMStV für ein gutes Gesetz. Dann soll sie ihm mit gera­dem Rücken und ohne Taktiererei zustim­men. Oder aber sie zwei­felt an Rechtsstaatlichkeit, Sinnhaftigkeit oder der Verträglichkeit mit einer Gesellschaft frei­er, mün­di­ger und akti­ver Bürger. Dann soll­te sie nicht zustim­men und Nachbesserungen ver­lan­gen. Die Bürger mit einer wir­kungs­lo­sen Evaluierungsankündigung für dumm ver­kau­fen zu wol­len, kann hin­ge­gen kaum der Kern libe­ra­ler Politik sein. Deshalb wird es jetzt wirk­lich span­nend, wie sich die Landtagsfraktion unter der Führung von Wolfgang Kubicki tat­säch­lich in den nächs­ten Tagen öffent­lich posi­tio­niert.

Bisher konn­ten die Liberalen in Schleswig-Holstein näm­lich immer stolz dar­auf sein, dass sie einem beson­ders eigen­stän­di­gen Landesverband ange­hör­ten, des­sen Fähigkeit zur eige­nen Meinungsbildung – gern auch unab­hän­gig vom und im Widerspruch zum Bundesverband – durch die eige­ne Landtagsfraktion reprä­sen­tiert wur­de. Wenn aller­dings die Information stimmt, die uns heu­te aus dem Landeshaus erreicht, dann hät­te die Fraktion die­sen Anspruch an sich lei­der auf­ge­ge­ben. Sie hät­te sich viel­mehr wider­stands­los in das bun­des­wei­te Modell ein­ge­fügt, die eige­nen Werte in der Opposition hoch­zu­hal­ten und in der Regierung zu ver­ges­sen.

Man kann ledig­lich hof­fen, dass wir einer Falschmeldung auf­ge­ses­sen sind und die Abgeordneten der FDP sich in der ent­spre­chen­den Abstimmung auf libe­ra­le Werte besin­nen wer­den. Zumindest eine oder einer von ihnen. Das wür­de näm­lich schon rei­chen. Oder wie es einer der gro­ßen Philosophen unse­rer Tage in wohl­ge­set­zen Worten for­mu­liert:

21 Gedanken zu “Liberallala – Evaluierung wäre Augenwischerei!”:

  1. Oliver Fink

    Na, da haben sich ja mei­ne Parteifreunde im Landtag nach allen Regeln der Kunst bla­miert. Wer von den Kollegen mit Twitter-Account möch­te das denn bit­te erklä­ren?

    Ich schla­ge dafür übri­gens den fol­gen­den Text vor:

    Wir sind wei­ter­hin gegen den JMStV, die Fraktion hat sich auf­grund par­la­men­ta­ri­scher Zwänge anders ent­schlos­sen.

    Der hat sich bereits bewährt. Vielleicht könn­te man dann auf der ent­spre­chen­den Website ein­fach mit einem grü­nen und einem blau-gel­ben Theme arbei­ten…

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  2. Peter Marxen

    Poker: Vielleicht hofft die FDP auf eine sozi­al-libe­ra­le und die CDU auf eine CDU-geführ­te gro­ße Koalition in zwei Jahren…

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    1. Oliver Fink Post author

      Ich fürch­te, aus­ge­rech­net der Landesverband Nordrhein-Westfalen, der bis­her mit Ingo „Onlinedurchsuchung ist toll!” Wolf eher nega­tiv in Erscheinung getre­ten ist, macht den Fischköppen jetzt tat­säch­lich in Sachen libe­ra­ler Netzpolitik etwas vor. Wie ich bereits schrieb: In der Opposition scheint immer zu gehen, was in Regierungsverantwortung unmög­lich scheint.

      Um es auch noch ein­mal ganz deut­lich zu schrei­ben: Der Koalitionsvertrag gibt über­haupt kei­ne Verpflichtung für die FDP her, einem sol­chen Staatsvertrag zuzu­stim­men. Es gilt viel­mehr nach Kapitel 9 die Vereinbarung, das CDU und FDPbei Abstimmungen im Landtag und in den Ausschüssen und Gremien ein ein­heit­li­ches Votum abge­ben”. Und wei­ter: „Bei Unstimmigkeiten wird der Koalitionsausschuss ein­ge­schal­tet”, der im übri­gen pari­tä­tisch besetzt ist. Gründe der Koalitionsräson kön­nen also nicht ange­führt wer­den. Eher kann hier von einer bedin­gungs­lo­sen Unterwerfung unter die poli­ti­schen Ziele der CDU gespro­chen wer­den.

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  5. Kai Dolgner

    Lieber Oliver,

    nach­dem heu­te im Innen- und Rechtsausschuss der JMStV abge­lehnt wur­de, weil ein CDU-Kollege unbe­dingt weg­muss­te und trotz zwei­ma­li­ger Erinnerung an die bevor­ste­hen­de Abstimmung durch den Vorsitzenden (SPD) gegan­gen ist, haben Deine Leute jetzt etwas Bedenkzeit, ob sie wirk­li­chen so einen libe­ra­len Kernpunkt in Schleswig-Holstein ( und das mei­ne ich ohne Häme) auf­ge­ben wol­len, wenn noch nicht mal die CDU das Theme genü­gend ernst­nimmt. Ich weiß, was es bedeu­tet, wenn eine Partei, die eh schon im Abstieg ist ihre Kernpunkte ver­letzt. Die Stammwählerschaft ver­liert man zum Schluss und sie kommt auch am Schwersten zurück ( wenn über­haupt).

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  6. Kai Dolgner

    Oha, mei­ne Rechtschreibfehler bit­te ich zu ent­schul­di­gen.

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  7. Pingback: JMStV-Überraschung in Schleswig-Holstein » Abstimmung, Koalition, Ablehnung, Landtages, JMStV, Ausschuss » GrünDigital

  8. jo

    Reicht in SH kei­ne ein­fa­che Mehrheit? Und aus wel­cher Fraktion sind über­haupt in nen­nens­wer­ter Zahl Gegenstimmen zu erwar­ten?

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    1. Oliver Fink

      Der Landtag Schleswig-Holstein hat regu­lär 69 Sitze, aktu­ell 95. Die Mehrheit der Stimmen beträgt also 48. CDU (34) und FDP (14) kom­men genau auf die­se Mehrheit und wol­len erklär­ter­ma­ßen (sie­he 1. Kommentar von Kai Dolgner) für den JMStV stim­men. Die Oppositionsparteien SPD (25), Grüne (12), Linke (6) und SSW (4) kom­men zusam­men auf 47 Stimmen und wol­len wohl gegen den Staatsvertrag stim­men. Eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter aus der Regierungskoalition könn­te also das Inkrafttreten des JMStV für ganz Deutschland zum Scheitern brin­gen. Wenn denn auch alle Abgeordneten der Opposition tat­säch­lich dage­gen stim­men.

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      1. Swen Wacker

        Ich hat­te übri­gens gera­de vor­hin Heinz-Werner Jezewski (Die Linke) ange­mailt und ihn noch mal um ein Stimmungsbild aus der Fraktion der Linken gebe­ten. In der Anhörung hat­te er sehr klar gegen den JMStV posi­tio­niert.
        Der SSW hat­te in der ers­ten Lesung noch einen ähhh sehr unglück­li­chen Redeauftritt. Die Presseerklärung/​das Redemanuskript plä­dier­te vehe­ment gegen den JMStV, in der frei­en Reden war die Abgeordnete eher dafür. In der Anhörung war der SSW jedoch aktiv und sprach sich gegen den JMStV aus.

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  9. Kai Dolgner

    Ich wüss­te jetzt aus der SPD nie­mand, der dafür stim­men wür­de.

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  10. Kai Dolgner

    Da jetzt übri­gens die Ausschussempfehlung aktiv nie­der­ge­stimmt wer­den muss, müss­te nach mei­ner Überlegung eigent­lich schon eine Enthaltung sei­tens der FDP rei­chen, um den gesam­ten JMStV zu Fall zu brin­gen…

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