„Wir verordnen nicht und wir ändern nicht die Strukturen. Wir schaffen Freiräume im Bildungssystem”, mit diesen Worten begleitete Bildungsminister Dr. Ekkehardt Klug (FDP) die Verabschiedung des neuen Schulgesetzes. Im Vorfeld gab es viele Diskussionen darüber und auch nach der Verabschiedungen gibt es zwei ganz unterschiedliche Haltungen zum Sinn oder Unsinn des Gesetzes. Auch wir vom Landesblog haben das sehr unterschiedlich diskutiert. Längst ist es viel weniger eine pädagogische Frage, welches Modell besser für die Kinder und Jugendlichen ist, sondern es ist klar eine wahlkampfrelevante Frage geworden.
Während die FDP ganz hinter ihrem Minister steht und die Wiedereinführung von G9 an den schleswig-holsteinischen Gymnasien für einen Befreiungsschlag hält, sehen die Koalitionspartner in Person von Schulexpertin Heike Franzen G8 als das richtige Modell an, wenn es denn überarbeitet würde, um vor allem die jüngeren Schüler zu entlasten. Damit würde eine Verschlankung des Lehrplans einher gehen, die in Zeiten von kompetenzorientierem Lernen durchaus von Vorteil sein kann.
Schon ganz in Wahlkampflaune gab sich die SPD und kündigte an, dass das Gesetz nicht lange Bestand haben werde, falls es zu einen Wahlsieg der eigenen Partei kommen werde. Dabei stützte man nicht jedoch nicht nur auf bildungsrelevante Argumente, sondern vielmehr auf wirtschaftliche. Die Umsetzung des “teuren schulpolitischen Sondermodells” in Schleswig-Holstein ist sicherlich auch für diejenigen ein plausibler Grund für die Ablehnung dieser bildungspolitischen Fahrtrichtung, die mit pädagogischen Schlagworten eher wenig anfangen können. Zwar kann an den Gemeinschaftsschulen weiterhin eine gymnasiale Oberstufe entstehen und die Schülerinnen und Schüler können auch dort das Abitur in neun Jahren erreichen, aber die Verunsicherung der Eltern in Bezug auf die richtige Schulwahl für ihr Kind steigt weiter.
In dieser Argumentation wird die SPD ebenfalls von der GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft) unterstützt, denn Matthias Heidn schrieb in einer Pressemitteilung, die zur Verabschiedung des Gesetzes herausgegeben wurde, „dass dieses Gesetz mit Sicherheit nur eine Restlaufzeit von maximal zwei Schuljahren haben wird”.
Die Grünen stützten ihre Ablehnung der Gesetzesänderung vor allem auf Argumente des nicht einkehrenden Schulfriedens und der damit bleibenden Unruhe an den Schulen vor Ort. Damit gehen sie mit vielen Lehrern, Eltern und Schülern einig, die Mehrarbeit auf sich zukommen sehen oder weiterhin steigende Verunsicherung empfinden, wenn es um die Schulwahl der eigenen Kinder geht.
Die Linken sehen durch die Entscheidung die Gemeinschaftsschule als Einheitsschule weiter gefährdet, denn an dieser ist ein Abitur in neun Jahren längst möglich. Diese Argumente greifen auch die Vertreter des SSW auf und Anke Spoorendonk bringt die Einstellung vieler Bürger dieses Landes mit den folgenden Worten auf den Punkt: “Das neue Schulgesetz ist so überflüssig wie eine Gießkanne im Regenwald.”
Der gesamte Beitrag von Ralf Stegner verschafft ein schärferes Bild über die Position der SPD. http://www.ralf-stegner.de/index.php?sp=de&id=blog&aid=307
Kinder, Lehrer und Eltern würden eine verlässliche Bildungspolitik ohne dieses Reform-der-Reform-der-Reform-Chaos sicherlich sehr begrüßen. Bildung ist, weil eines der wenigen tragenden Länder-themen, derzeit leider zum Spielball der Profilierungssucht verkommen, bei der parteiübergreifendes Denken zum Wohl der Sache leider aufgehört hat. Wir wollen Europa, aber Bildung soll Ländersache sein??Raus aus dem Dorfplatzdenken der Bildungspolitik: Bildung muss endlich bundesweit einheitlich geregelt werden. Nicht nur im Sinne einer bundesweiten Gleichstellung, sondern auch um dieses Hin und Her ganz deutlich zu erschweren. DAS ist ein politisches Ziel !
Mal abgesehen davon, was die eine oder die andere Partei im Bereich der Bildung erreichen will oder nicht: Internationale Studien zeigen, dass unser Bildungssystem nicht zu den besten gehört. Reformen sind deswegen nötig. Ob das leichter ist, wenn man plötzlich eine gemeinsame Lösung finden muss, die sowohl für Bayern als auf für Hamburg passt, wage ich zu bezweifeln.
Ich verstehe auch nicht, wie das funktionieren soll, dass Kinder ohne Probleme von einer Schule in die andere wechseln können. Das wird ja gerne gefordert — vor allem von Eltern, die ihre Kinder besonders viel in der Welt rumschleppen.
Zum Einen ist ein Umzug immer eine Belastung für Kinder, die sich unter Umständen auch auf die schulische Leistung auswirkt. Und zum Anderen geht das nur, wenn man nicht nur allen Schulen genau vorschreibt, welche Inhalte sie zu unterrichten haben, sondern auch die Taktung anpasst.
Der Föderalismus als solcher kann nicht begründen, warum ein Schüler in Hamburg in einem anderen Schulsystem als sein zukünftiger bayerischer sein muss. Es gibt kein Argument, warum sich das an Landesgrenzen orientieren soll und nicht an Stadt-, Kreis-, Regierungspräsidiums- oder sonstwas für Grenzen. Damit ist eine Bundesregelung die einzig nachvollziehbar begründete Lösung. Vor dem Hintergrund der Bundestreue der Länder und dem Herstellen von gleichen Lebensverhältnissen in der Republik ist die Frage also andersherum zu stellen: Nämlich nicht, ob man „plötzlich” eine gemeinsame Lösung für Bayern und Hamburg brauche, sondern warum das nicht längst der Fall ist. Wer überhaupt auf die bekloppte Idee gekommen ist, das zu trennen.
Die Überforderung der Länder, Bildung zu organisieren, kann man schon daran erkennen, dass sie es nicht mal schaffen, einen Schulartenwechsel innerhalb des Landes zu organisieren. Ein, zugeben antikes, Beispiel: Als ich in der 8. Klasse zum Halbjahr vom Gymnasium auf die Realschule wechselte, wurde am Freitag in der Untertertia Karl der Große gekrönt, am Montag war dann Napoleon tot. Irgendwann an dem Wochenende sind mir 1.000 Jahre Geschichte vorenthalten worden.
Zweites Beispiel: Obwohl ein Bundesland wie Schleswig-Holstein übersichtlich groß ist, ist es hier nicht gelungen, innere und äußere Schulträgerschaft in Einklang zu bringen. Eine Budgetierung der Schulen oder eine größere Selbstverantwortung von der alltäglichen Gestaltung bis hin zur Auswahl des Personals (auch hinsichtlich der erforderlichen Qualifizierung) findet nicht statt. Auch hier versagen die Länder fortgesetzt seit Jahren.
Für einen Harmonisierung des Unterrichts reicht es m.E. aus, wenn es bundeseinheitliche Bildungsstandards und Kerncurricula gibt, die jede Schule für sich umsetzen kann. Damit ist zudem eine hinreichende Überprüfung, ob es den Bildungseinrichtungen auch gelingt, die anzustrebenden Kompetenzen zu vermitteln, gewährleistet. Länderkultusministerien braucht man für so etwas nicht, Länderparlamente erst recht nicht — das klappt besser mit einer Mitbstimmung der Lehrer, Schüler und Eltern, begleitet durch wissenschaftliche Beratung seitens der Hochschulen.
„Als ich in der 8. Klasse zum Halbjahr vom Gymnasium auf die Realschule wechselte, wurde am Freitag in der Untertertia Karl der Große gekrönt, am Montag war dann Napoleon tot. Irgendwann an dem Wochenende sind mir 1.000 Jahre Geschichte vorenthalten worden.”
Und das willst Du per Bundes-Curriculum angleichen!? Da gibt es ne einfacherer Lösung: Die Gemeinschaftsschule
Nein, das ist ein Beispiel von vielen, das zeigt, dass die Länder in den letzten 60 Jahren in der Schulpolitik so ziemlich alles falsch gemacht haben, was man falsch machen kann. Es zeigt, dass es keinen Wettbewerb um das bessere Schulsystem gab, sondern 11 bis 16-faches klägliches Versagen. Ich kenne kein Argument, dass eine Zuständigkeit der Länder aktiv begründet. Mit „der Bund hätte bestimmt auch versagt” wird es nicht besser.
Meine wichtigste Fragestellung ist: Wie sollen Veränderungen im Bildungssystem denn noch bewertet und diskutiert werden, wenn in der kurzen Zeit seit Umsetzung der Änderungen noch nicht einmal erste Ergebnisse vorliegen können. Da gibt es nun schon wieder Veränderungen. Es fehlt an Kontinuität und zumindest einer gemeinsamen Idee für die Weiterentwicklung des Bildungssystems über die Parteigrenzen hinweg, einem Bildungskonsenz.
Das Bildung Ländersache ist wird für das Bildungssystem erst zum Problem, seit es nicht mehr über einige Legislaturperioden hinweg stabile Regierungsbündnisse gibt. Jeder politisch dafür verantwortliche meint nun nur das „Beste” und erfindet das beste „Bildungsrad” immer wieder neu. Angetrieben durch Motivation, die irgendwo zwischen PISA-Ergebnissen und Selbstdarstellung liegt. Warum sollte das unter bundespolitischer Verantwortung anders sein? Die Mehrheiten wechseln auch dort ständig. Natürlich will dann auch jeder der dann Bundesbildungspolitik” seinen Stempel aufdrücken. Nur Treffen Änderungen dann alle Bundesbürger. Das System mag ob seiner Größe dann etwas Träger sein. Der Wechsel des Bundeslandes macht vielleicht weniger Bildungsstress. Nur kann dieses Versuchsfeld auf Länderebene ob seiner Vielfältigkeit auch etwas positives sein. Auf der anderen Seite zimmert die Kultusministerkonferenz eifrig an einheitlichen Standarts.
In Elmshorn ist unter der Elternschaft G8 für Gymnasien relativ unstrittig. Es mag einige wenige Gymnasien geben, für die es notwendig ist G9 oder das Y-Modell anzubieten, um die zum überleben notwendigen Anmeldezahlen zu erreichen. So z. B. Barmstedt, Quickborn-Süd. Aber dafür gleich ein Schulgesetz?
Das Problem ist eh, das es für Schüler und Eltern keine echte Wahlfreiheit gibt. Zunächst müssen sich daran orientiert werden, was Vorort angeboten wird. Dann ist die Kostenneutralität festgeschrieben. Das bedeutet, wenn die gewünschte Schule voll ist, Pech gehabt! Selbst wenn eine Schule über ein Jahrzehnt 2 bis 3 Jahrgangsklassen mehr aufmachen könnte. Kostenneutralität!
Ebenso bei einem Schulwechsel, sei es aufgrund mangelder Leistungsergebnisse oder weil Flexibiliät vom Arbeitnehmer gefordert werden. Ist der „Schulfavorit” ausgelastet, muss ggf. auch auf nicht gewünschte Schulformen ausgewichen werden.
Wäre Vorort nicht wie ich beobachte immer wieder das persönliche Engagement von Schulleitern und Lehrern für einzelne Schüler, würden diese durch Schulwechsel in ihrer Entwicklung und Leistungsfähigkeit erheblich zurückgeworfen.
Drei weitere Stichpunkte zum Thema:
Was Internationale Vergleiche an geht, wird mir immer zu wenig kritisch betrachtet, was da überhaupt verglichen wird und überhaupt vergleichbar ist.
Die Selbstverwaltung werden die Schulen schon noch Stück für Stück bekommen. Schließlich kann das Land Schleswig-Holstein dort Kosten einsparen. Das können dann Schulleiter und Schulsekretär doch mal eben so mitmachen.
Bleibt noch das große Bildungsthema Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung. Auf dieser Baustelle passiert in Schlewig-Holstein herzlich wenig. Diese veränderte Bildungssystem benötigt Lehrer, die vielleicht für bestimmte Jahrgangsstufen oder Fachunterrichtsdauer ausgebildet sind und anleiten sowie motivieren können. Oder ist z. B. ein Beamtenrecht für Fortbildung der Lehrerschaft möglich?