Die Transmissionsriemen der Kommunikation

Von | 8. Februar 2011

Als Thorsten Geerdts, Präsident des Landtages, vor eini­gen Monaten mit Blick auf die Ereignisse um das Stuttgarter Bahnhofsprojekt sag­te: „Viele füh­len sich über­gan­gen, vom Entscheidungsprozess aus­ge­schlos­sen und der Politik ent­frem­det.  Die Politik — wir alle — haben im Vorwege zu wenig infor­miert und erklärt — das muss sich ändern. Ich möch­te alle ein­la­den mehr mit­ein­an­der zu kom­mu­ni­zie­ren”, da wird er sicher auch die Presse als Transmissionsriemen der Kommunikation vor Augen gehabt haben. Schließlich hielt er die­se Rede auf dem Jahresempfang der Kieler Lokalzeitung.

Vor einem hal­ben Jahr hat das Landesverfassungsgericht den Schleswig-Holsteinern Neuwahlen ver­ord­net. Die gesetz­li­chen Regelungen über die Bildung, die Größe und die Anzahl der Wahlkreise, die Bestimmung des Zweitstimmrechts und die Vorschriften über Überhangsmandate ste­hen in ihrem Zusammenspiel in einem nicht mehr auf­zu­lö­sen­den Konflikt mit der Verfassung. Sowohl die Vorgabe, die Regelgröße von 69 Abgeordneten mög­lichst nicht zu über­schrei­ten, als auch der Grundsatz der Wahlgleichheit wur­den ver­fehlt. Das Landesblog hat dar­über berich­tet.

Die Abgeordneten des Landtages reden und strei­ten seit­dem über die rich­ti­ge Lösung. Manchmal auf­rich­tig, offen und ehr­lich, manch­mal mit ver­steck­ten, gehei­men und eigen­süch­ti­gen Zielen. Wie das halt so ist. Nicht viel anders als beim Streit unter Freuden, Kollegen oder Verwandten.

Dabei las­sen sie sich auch von exter­nen Sachverstand bera­ten. Der Verein Mehr Demokratie ver­an­stal­te­te eine hoch­ka­rä­ti­ge Diskussion. Morgen steht eine Anhörung im Landtag an, auf der sich vie­le der Experten wie­der tref­fen wer­den. Fast alle haben im Vorfeld sehr sorg­fäl­ti­gegut begrün­de­te VorschlägeAnmerkungenThesen und Stellungnahmen abge­ge­ben, die sie mor­gen mit den Abgeordneten dis­ku­tie­ren wer­den.
Ich habe alle Stellungnahmen gele­sen. Nur eine fiel aus der Reihe. Sie ist hat ekla­tan­te argu­men­ta­ti­ve Schwächen, auf die ich in einem Artikel schon hin­ge­wie­sen habe. Auch CDU, FDPGrüne, SPD und SSW sowie noch ein­mal und sehr aus­führ­lich der CDU-Abgeordnete Werner Kalinka wie­sen mit ver­schie­de­nen Argumenten auf die Schwächen des Vorschlags des soge­nann­ten Bundes der Steuerzahler hin.

Für den durch­schnitt­lich inter­es­sier­ten Bürger sind all die­se Stellungnahmen nicht im Ansatz zu bewäl­ti­gen. Solche Informationen zu ver­dich­ten, gewich­ten, hin­ter­fra­gen und ein­zu­ord­nen ist in unse­rem gesell­schaft­li­chen System eine der Aufgaben der Presse. Das ist lan­ge Jahre ihr Geschäftsmodell gewe­sen. Damit haben sich Journalisten einen guten Ruf erwor­ben und Verleger gutes Geld ver­dient. Und dafür wur­den sie (die Journalisten, nicht die Verleger) sogar von man­chen — und sicher nicht völ­lig zu Unrecht — zur vier­ten Gewalt im Staate erho­ben. Und des­halb sind sie auch der Transmissionsriemen, den Torsten Geerdts bei sei­ner Rede wohl vor Augen hat­te.

Und nun die Praxis: Ich will nicht aus­schlie­ßen, dass ich was über­se­hen habe, aber mir sind Berichte in den schles­wig-hol­stei­ni­schen Medien zu oben erwähn­ten Stellungnahmen nicht unter­ge­kom­men. Dafür hat heu­te die Deutsche Presse Agentur als Einstimmung auf die mor­gen statt­fin­den­de Anhörung ein ganz tol­len Aufhänger gefun­den: Die Forderung des soge­nann­ten Bundes der Steuerzahler. Das wun­dert nicht wirk­lich, sie ist ja ein­gän­gig for­mu­liert und pla­ka­tiv-dras­tisch in der Forderung. Wen stö­ren da schon die Gegenargumente der übli­chen Verdächtigen: der Abgeordneten. In der Meldung fin­det sich folg­lich kein Wort über die geäu­ßer­te Kritik. Auch die erst kürz­lich wie­der vehe­ment geäu­ßer­ten Kritik an dem Verband, dem dies­mal sogar unver­blümt Etikettenschwindel vor­ge­wor­fen wur­de, fin­det kei­ne Erwähnung. Solche Kritik fin­de ich nur in Blogs, nicht in den klas­si­schen Medien. Die dpa-Meldung hin­ge­gen hat es schon in fast alle Online-Ableger der schles­wig-hol­stei­ni­schen Zeitungen gebracht, wes­we­gen zu befürch­ten steht, das wir die Artikel mor­gen auch in den Printausgaben lesen kön­nen.. Die ande­ren Stellungnahmen wer­den aus­ge­blen­det, in der Langfassung wird immer­hin der Kontext der nöti­gen Wahlrechtsänderung noch ein­mal in Erinnerung gebracht.

Wenn Politik, wenn Parteien sich also dar­auf besin­nen wol­len, bes­ser und mehr zu kom­mu­ni­zie­ren dann schei­nen sie ler­nen zu müs­sen, sich nicht mehr allein auf die Presse zu ver­las­sen. Kommunikation, Debatte, Diskurs fin­det näm­lich dort, beson­ders in der regio­na­len Presse, kaum noch statt. Mir scheint, dass die immer klei­ner wer­den­den Redaktionen, beson­ders in den loka­len und regio­na­len Zeitungen (den Agenturen geht es sicher nicht anders), einen qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen und der Demokratie för­der­li­chen Diskurs nicht mehr gewähr­leis­ten kön­nen. Davon wird die Welt nicht unter­ge­hen, aber bes­ser wird sie dadurch auch nicht. Wir wer­den also ande­re Mittel und Wege fin­den müs­sen, um infor­miert zu sein. Die zuneh­men­de Vernetzung ermög­lichst mehr und mehr Wege, wie sich Politiker unmit­tel­ba­rer mit den Bürgerinnen und Bürgern aus­ein­an­der­set­zen kön­nen. Aber das löst nicht den berech­tig­ten Wunsch nach Objektivität und Unabhängigkeit der Information. Diese Aufgabe kön­nen Blogs allein nicht über­neh­men. Aber sie kön­nen ihren Teil dazu betra­gen. Und sie wer­den es wohl müs­sen. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Vorher dann ein paar Zeitungen.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

4 Gedanken zu “Die Transmissionsriemen der Kommunikation”:

    1. Oliver Fink

      Nazi-Vergangenheit. Neoliberal. Pöse. :-)

      Man kann dem Bund der Steuerzahler durch­aus kri­tisch gegen­über ste­hen und dafür gibt es gute Gründe. Dieser trie­fi­ge Artikel jedoch ist einer ver­nünf­ti­gen Auseinandersetzung mit dem Thema jedoch eher abträg­lich…

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