Am Montag wissen wir wohl ganz genau, ob Olaf Scholz und seine SPD allein und aus eigener Kraft die Mehrheit in Hamburg stellen, oder ob er die Grünen braucht, um von der Hamburger Bürgerschaft als Bürgermeister der Hansestadt gewählt zu werden. Bei der Zusammenarbeit Hamburgs und Schleswig-Holstein, das zeigen Interviews mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag und den Lübecker Nachrichten, gibt er den Pragmatiker ohne Nordstaat-Ambitionen, aber mit klarer Präferenz für die Fehmarn-Belt-Querung.
Egal, wie es in Hamburg ausgegangen ist: Wenn in Nordfriesland heute Abend überall Feuer brennen, dann hat das nichts mit dem Wahlergebnis zu tun. Biikebrennen steht an. Den Termin haben wir mittelbar wohl den Hamburgern zu verdanken. Denn es soll ein Beschluss der Hansestädte gewesen sein, weiß Wikipedia zu berichten, der den Beginn der jährlichen Walfangsaison faktisch auf den Petritag (der 22. Februar) verlegte, da die Schifffahrt bis dahin zu ruhen hatte.
Fast so trostlos wie die Asche eines Biikefeuers sieht auch die verfassungsrechtliche Lage der Amtsordnung aus, nachdem das Landesverfassungsgericht vor gut einem Jahr entschied, dass die nur „mittelbare demokratische Legitimation des Amtsausschusses angesichts der zunehmenden Bedeutung der Ämter” nicht verfassungsgemäß ist. Innenminister Klaus Schlie wird in Bad Bramstedt an einer Podiumsdiskussion der zur FDP gehörenden „Vereinigung liberaler Kommunalpolitiker in Schleswig-Holstein” zum Thema „Änderung der Amtsordnung” teilnehmen. Übrigens liebe FDP: Das Urteil vom 30.08.2010 war das Desaster mit dem Wahlgesetz. Die Amtsordnung ist schon seit dem 26.02.2010 kaputt.
Zur gleichen Zeit endet in der Theodor-Mommsen-Schule in Bad Oldesloe die CDU-Tournee durch das Bildungsland Schleswig-Holstein Der Namensgeber der Schule sagte mal: „Gewöhnliche Menschen schauen die Früchte ihres Tuns; der Same, den geniale Naturen ausstreuen, geht langsam auf.” Die meisten Europäer halten gentechnisch modifizierte Lebensmittel für gesundheitsbedenklich, wenn nicht gar für gesundheitsgefährdend. Bei der Vorstellung, der Same einer zukunftsorientierten Bildungspolitik könne dank Gentechnik etwas zügiger wachsen, drückt wohl jeder ein bis zwei moralische Augen zu.
Man muss ja Schwerpunkte setzen. Auf der Webseite, die die Aufgaben des Ministerpräsidenten erklärt, lesen wir nach einem Hinweis auf das Portrait unseres Regierungschefs und einem Verweis auf seine wichtigsten Reden und Regierungserklärungen, dass Peter Harry Carstensen die Menschen, die sich um die Gemeinschaft besonders verdient gemacht haben, ehrt, damit die Öffentlichkeit ein Stück weit mehr wahrnimmt, wie wichtig Gemeinsinn ist. Heute, Dienstag, wird er Rettungsmedaillen verleihen.
Rettung braucht auch die Stadt Lütjenburg. Deren Bürgermeister übergibt anschließend Herrn Carstensen die neue Imagebroschüre „Lütjenburg: Garnisonsstadt mit Herz” sowie eine Liste mit über 6.500 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern, die sich gegen eine mögliche Schließung der Bundeswehrstandorte Lütjenburg, Todendorf und Putlos wenden. Kalauer: Lütjenburg fühlt sich quasi von Herrn zu Guttenberg abgeschrieben.
Die nächsten Tage im politischen Schleswig-Holstein sind von der dreitägigen Plenarsitzung geprägt.
Mittwoch geht es um 10 Uhr los mit einer aktuellen Stunde zu einem Thema, dass auch das Landesblog bewegte: Keine CCS Lager in Schleswig-Holstein und im Wattenmeer wollen nicht nur die antragstellenden Sozialdemokraten.
Wettbewerb ist immer dann doof, wenn man eigentlich in die andere Richtung möchte. Schleswig-Holstein, in größter Haushaltsnot, möchte raus aus der einzelbetrieblichen Investitionsförderung. Blöd nur, wenn die Nachbarländer nicht mitmachen. Deshalb fordern CDU und FDP gegen 11 Uhr, den Subventionswettlauf der Bundesländer bei der einzelbetrieblichen Investitionsförderung zu beenden.
Der DGB veranstaltet am 24. Februar einen Aktionstag gegen Leiharbeit. Er ist sich sicher, dass die Arbeitgeber Leiharbeit missbrauchen: Lohndumping sei die Folge. Die Linken sind auch gegen unhaltbare Zustände im Bereich der Leiharbeitsbranche. Der Landtag diskutiert darüber ab 15 Uhr.
Danach lernen wir etwas über den Unterschied zwischen der am Vormittag diskutierten Unternehmensförderung und dem Erhalt der Frauenfacheinrichtungen in Schleswig-Holstein: Die Förderung der letzteren kann man den Kommunen überlassen und aus dem Landeshaushalt streichen — unabhängig davon, was in anderen Bundesländern passiert.
Im Laufe des Nachmittags wird es noch mal kommunalpolitisch interessant: Der Vorschlag der Grünen zur Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetz will unter anderem übermäßig große Kommunalvertretungen verhindern.
Wenn ein Plenartag sich dem Ende zuneigt und der Saal und die Lobby sich langsam leeren, dann passiert etwas, was wir Normalsterblichen nur aus schlechten Filmen oder ZEIT-Interviews kennen: Unsere Abgeordneten laufen, in Berlin jedenfalls, Gefahr, Trinker werden; bei den Männern kommt noch die Gefahr des Hurenbocks hinzu. In Kiel passiert das bestimmt nicht. Hier haben die Vereine, Kammern oder Verbände schon weit vor der Offenbarung des Kubicki ein umfangreiches sitzungstagabendliches Ablenkungsprogramm installiert, das unter dem Codenamen „parlamentarischer Abend” läuft. Auf solch einem Abend kann man Reden zuhören und die Sorgen, Nöte, Anregungen und Wünsche des einladenden Verbandes kennenlernen, sich mit Gleichgesinnten über Politik, Alltag oder Kunst unterhalten, sein Gesicht zeigen oder andere gute Dinge tun, wie essen und trinken.Die Sonne geht an diesem Tag in Kiel so gegen 17.46 unter. Eine halbe Stunde später beginnt der VBI-Dämmerschoppen — der Parlamentarische Abend des Verbandes der beratenden Ingenieure, in einem Kieler Hotel.
In dem gleichen Hotel, in einem anderen Saal, findet um 19 Uhr ein Sponsorenessen des Hilfs- und Unterstützungsfonds der Polizei statt, Landtagspräsident Torsten Geerdts hält das Grußwort. Die Husumer Landtagsabgeordnete Ursula Sassen ist, laut ihres öffentlichen Kalenders, zur gleichen Uhrzeit im gleichen Hotel auf einem Empfang der Bundeswehr. Mit ein wenig Phantasie passt das gut zusammen.
Der Donnerstag beginnt im Landtag mit einem staatsmännischen Thema. Man will auf Antrag der SPD über politische Führung und die Wahrnehmung schleswig-holsteinischer Interessen debattieren.
Nach der Mittagspause geht es dann um ganz wesentliche praktische Dinge: Was könnte der Staat, meint der SSW, seine Einnahmen steigern und Ausgaben senken durch Solar-und/oder Photovoltaikanlagen, wenn er nur die Dachflächen der Gebäude des Landes dafür endlich mehr nutzen würde. Gut, dass das Plenum darüber mal ausführlich im Plenum redet. Das wäre auch gut für das schleswig-holsteinische Handwerk — womit wir schon fast das heutige Abendprogramm erreicht hätten. Zuvor soll der Landtag aber nach dem Wollen der Grünen die Haushaltshoheit des Landes verteidigen! Das Landesblog fand neulich, dass das Thema grundsätzlicher diskutiert werden könnte.
In der Herman-Ehlers-Akademie beginnt um 18.30 der parlamentarische Abends des Handwerks in Schleswig-Holstein, Landtagspräsident Torsten Geerdts grußwortet.
Zur gleichen Zeit sind dessen Stellvertreterin, die Landtagsvizepräsidentin Anita Klahn sowie der Finanzminister Rainer Wiegard Gast auf dem parlamentarischen Abend der Steuerberaterkammer Schleswig-Holstein.
Die Bündnis-Grünen laden an diesem Abend zur Ausstellungseröffnung und plattdeutsche Lesung „Butt-Zyklus” ins Landeshaus.
Am Freitag endet dann die dreitägige Debatte. Eröffnet wird die Sitzung mit einen Thema, dass manchem Städtern völlig selbstverständlich erscheint, viele Bürgerinnen und Bürger „auf dem Lande” aber fast verzweifeln lässt: Der Ausbau des Breitbandnetzes. Wirtschaftsminister Jost de Jager wird berichten. Anschließend geht es um ein ähnliches Thema, nur dass hier der Ausbau nicht immer auf Gegenliebe stößt: Die Entwicklung der Stromnetze in Schleswig-Holstein. Auf Initiative von CDU und FDP berichtet wiederum Jost de Jager.
Das Wochenende naht, die Mittagspause wird verkürzt. Schon um 14.00 geht es weiter mit der Situation alleinerziehender Mütter und Väter und deren Kinder. Sozialminister Heiner Garg beantwortet die große Anfrage der SPD.
Weil heute alle Abgeordneten in ihre Wahlkreise und ins Wochenende eilen, gibt es keine Notwendigkeit, durch Abendseminare Trinker und Hurenböcke von ihrem Tun abzubringen.
Der Samstag ist für die Schleswig-Holsteinischen Sozialdemokraten noch spannender als es der Wahlsonntag in Hamburg war. In der Kieler Zentrale der SPD werden die Stimmen der Briefwahl ausgezählt und dann verkündet, ob es einen Gewinner oder eine Gewinnerin der Mitgliederbefragung für die Spitzenkandidatur gibt. Schafft keiner der Kandidaten die 50 Prozent-Hürde, gehen die beiden Bestplatzierten vier Wochen später in eine Stichwahl.
Schon seit fünf Jahren gibt es in Neustadt in Holstein eine Kinder-Uni. Da werden spannende Fragen, die auch Erwachsene ins Grübeln bringen können, anschaulich erläutert. Um 10.30 heißt der Erklärbär Peter Harry Carstensen. Er geht der Frage nach: Was macht eigentlich ein Ministerpräsident?
Der Friesenrat lädt zum Biike-Empfang ins Bredstedter Bürgerhaus ein. Viel Prominenz ist angesagt: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, die Landtagsvizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese, Ministerin Dr. Juliane Rumpf und die Beauftragte für Minderheiten Caroline Schwarz kommen nach Bräist zur Eröffnung und Besichtigung des „Friisk Hüs”. Eine Besichtigung des Hauses fängt am Besten vor dessen Tür an: Vor der ehemaligen Tabakfabrik Preisler in Bredstedt, einst, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, größter Arbeitsgeber in Bredstedt, erinnert ein auf Anregung des Nordfriisk Instituut in das Pflaster eingelassener Stolperstein des Kölner Künstler Gunter Demnig an den Tabakarbeiter Andreas Carlsen, den die Nazis verfolgten und in den Selbstmord trieben.