Schleswig-Holsteins Kulturschaffende kommen aus dem Strudel schlechter Nachrichten nicht heraus. Nach den vergangenen Streichkonzerten hat ihnen Kultusminister Ekkehard Klug nun erneut einen dicken Brocken serviert. In einem sechsseitigen Papier mit dem schlichten Titel „Kulturpolitische Thesen“ legt er dar, welche Kultureinrichtungen er prinzipiell für förderungswürdig hält.
Wird dieses Papier zur Realität, zöge sich das Land Schleswig-Holstein endgültig aus der Förderung aller freien Kultur außerhalb des Bereichs, den man als staatstragend bezeichnen darf, zurück. Zwar möchte Klug wenigstens der zeitgenössischen Kunst Raum geben, stellt jedoch fest, dass in der Förderung von Künstlern zukünftig neue Wege zu erproben seien. Eine Unterstützung aus der Landeskasse ist damit nicht gemeint.
Nicht viel besser geht es den zahlreichen Institutionen, Verbänden und Initiativen, die im Land und oft auf lokaler Ebene Kultur schaffen und lebendig halten. Ihnen widmet Klug einen Dreizeiler unter der Überschrift „Ergänzende Elemente der kulturellen Infrastruktur“. Sie dürfen zwar auch zukünftig mit Unterstützung aus Kiel rechnen, allerdings nur dann, wenn ihre Arbeit „eindeutig im Landesinteresse liegt und überregionale Bedeutung hat“.
Was bliebe, wäre eine Art rudimentärer Grundversorgung im institutionellen Bereich. Bibliotheken, Musikschulen, Volkshochschulen, Museen, Theater sowie Denkmalschutz und Archivwesen zählt Klug in seinem Papier zu den „Kernen der kulturellen Infrastruktur“. Sie sollen weiterhin unterstützt werden, wobei erklärtermaßen ein Schwerpunkt auf der Erschließung von Synergieeffekten liegt. So soll mittelfristig eine Musikakademie ins Leben gerufen werden, deren Aufgabe die Bündelung aller Aktivitäten im Bereich der Musikschulen und Landesjugendensembles sein soll.
Das Auffällige an Klugs Thesen ist nicht allein die dauerhafte Aussicht auf Schmalhans als kulturellen Küchenmeister. Es ist vielmehr der Kulturbegriff, den der Kultusminister seinen Überlegungen offenbar zugrunde legt. Unschwer lässt sich aus seinen Vorstellungen der klassische Kanon der Höhenkamm-Kultur aus Literatur, klassischer Musik, bildender Kunst und Theater ablesen – erweitert um die historische Überlieferung durch Archive und Denkmalschutz.
Damit verpflichtet sich im Jahre 2011 der Kulturminister eines deutschen Bundeslandes einem Kulturbegriff, der aus dem 19. Jahrhundert stammt. Unter dem Eindruck eines überbordenden Nationalismus rechnete man damals allein vermeintlich „höherwertige Erscheinungen“ der Kultur zu und glaubte diese im internationalen Gegeneinander ausspielen zu müssen. Klug spricht, der Mode folgend, lieber von „Kultur als Standortfaktor”.
Auch wenn diese Ansichten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wirksam waren, gelten sie inzwischen doch als überholt und Kultur in all ihren Erscheinungsformen als gleichwertig und förderungswürdig. Wie wenig sich das bis in die Amtsstuben des Kieler Kultusministeriums herumgesprochen hat, lässt sich daran ablesen, dass das Papier mit keiner Silbe auf die neuen Medien, die Popular- oder gar auf Regionalkulturen zu sprechen kommt. Dies fällt für Klug offenbar in die Zuständigkeit der Kommunen oder ist „zeitgenössisch“, passt damit nicht zu seinem Kulturbegriff und ist ergo nicht förderungswürdig.
Schöner Kommentar! Mich erinnert das an einen Absatz aus einem SPIEGEL-Artikel von 1971:
„In der Tat erscheint die Nordregion nach 20 Jahren christdemokratischer Herrschaft als Armenhaus des Landes oder, wie der Kieler Industrie-und-Handelskammer-Präsident Heinz Seibel sagt, als ‚Museum der Bundesrepublik’. [..] Die Schleswig-Holsteiner unterhalten weder Kunst- noch Musikhochschulen noch Bühnen von Bedeutung. Einziges Staatsorchester ist die Polizeikapelle. Festspiele von Rang finden zwischen Kalkfelsen bei Bad Segeberg statt — zu Ehren Karl Mays.”
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43278720.html
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Ja, gewiss ein schöner Kommentar. Aber er bedarf der Kommentierung:
1. Die Aufgabenteilung in der Kulturförderung ist nun einmal subsidiär, d.h. erst die Kommunen, dann das Land, dann der Bund etc. Das kann man kritisieren oder anders sehen, eine Kritik daran, dass das Land kommunale Kulturinitiativen nicht fördert, geht jedoch fehl.
2. Vor diesem Hintergrund: Was ist falsch daran, wenn sich das Land auf die kulturelle Infrastruktur konzentriert? Die Frage ist nach meiner Einschätzung gleichwohl, ob es richtig sein kann, den weitaus größten Teil der Kulturförderung unverändert und sakrosankt bei den öffentlichen Theatern zu belassen und genau hierüber keine Debatte zu führen.
3. Steffen, deinen Kommentar habe ich nicht verstanden: Das Land hat heute eine Kunsthochschule, eine Musikhochschule, (bald) kein Polizeiorchester mehr und ein großes (und teures) Musikfestival. Und nun?
@Steffen: Willst du andeuten, dass der 1971 vom Spiegel beschriebene Zustand die Zielvorgabe der derzeitigen Landesregierung ist ;-)
@Volker: zu 1.: Die Aufgabenteilung im Kulturbereich folgt zwar grundsätzlich dem Subsidiaritäsprinzip. Das muss allerdings nicht bedeuten, dass das Land auf die Förderung von lokalen oder regionalen Vorhaben verzichtet. zu 2.: Na, genau darum geht’s doch, dass hier eine unverständliche strukturelle Einschränkung auf die Höhenkamm-Kultur und innerhalb dieser, wenn ich dir folge, offenbar auf die Theater erfolgt. Die genaue Mittelverteilung müsste ich aber überprüfen. Hast du Material dazu zur Hand?
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