Diese Überschrift ist so wahr wie der erste Satz einer dpa-Meldung von vergangenem Freitag (01. Juli 2010): „Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein ist mit der Arbeit der schwarz-gelben Landesregierung überwiegend zufrieden.“
Die Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e.V. (UVNord) hat vergangenen Freitag zu ihrer traditionellen Sommerpressekonferenz eingeladen. Ihre Presseerklärung trägt die Überschrift „Erhöhte Zustimmungswerte von der schleswig-holsteinische Wirtschaft für die Kieler Landesregierung“. In ihr finden sich Sätze wie: „55 Prozent der befragten Unternehmen sind mit der Arbeit der Landesregierung zufrieden“. „38 Prozent der befragten Unternehmen sind mit der Arbeit des Ministerpräsidenten zufrieden“. „Die Zustimmungswerte über die Arbeit der schwarz-gelben Koalition haben sich … auf 55 % verbessern können“. Spitzenreiter unter den Ministerien ist Jost de Jagers Haus: „41 % der befragten Unternehmen bewerten die Arbeit des Wirtschaftsressorts als gut“.
Das lässt sich sehen, könnte man sagen. Denn das sagt ja schließlich nicht irgendein Verband. Die UVNord vertritt die Belange der Wirtschaft gegenüber Politik und Gesellschaft, ist gemeinsam mit den Gewerkschaften Sozialpartner, stimmt die politischen Meinungen ihrer Mitgliedsverbände ab, erfüllt also eine gesellschaftspolitische Aufgabe der Wirtschaft. Und die Vereinigung ist ein großer Verband: Sie vertritt immerhin 65 Mitgliedsverbände, die mehr als 31.000 Unternehmen in Hamburg und Schleswig-Holstein repräsentieren, welche rund 1,3 Millionen Beschäftigte zählen.
Das Lob oder die Kritik bleibt einem aber im Hals stecken, wenn man liest, dass ganze 58 Unternehmen bei der „Blitzumfrage“ befragt wurden. In Worten: Achtundfünfzig! In Prozent: 0,19 Prozent der in der UVNord organisierten Unternehmen wurde befragt (0,5 Prozent ist auch ein schöner Wert. Es sind ja nicht alle 31.00 Unternehmen in Schleswig-Holstein beheimatet). Und diese Unternehmen wurden offenkundig irgendwie ausgewählt, von repräsentativ ist nirgends die Rede. Das ist kein Einzelfall: Im Oktober 2010 wurden 60 Unternehmen befragt, im April 2010 72.
Wandelt man die Zitate aus der Presserklärung in absolute Zahlen um, dann hätte man angesichts der Zahlenwerte – die sicher nah dran an erwürfelten Werten liegen – auch sagen können: Es gibt in Schleswig-Holstein 32 Unternehmen, die mit der Arbeit der Landesregierung zufrieden sind. 24 Unternehmen finden, dass die Arbeit des Wirtschaftsressorts gut ist. Und ganze 22 Unternehmer sind mit der Arbeit des Ministerpräsidenten zufrieden. Mehr Nachrichtenwert hat diese Umfrage nicht.
Solche Zahlen sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden. Kein Wunder, dass nicht mal die CDU- oder die FDP-Fraktion im Landtag eine zufriedene Presseerklärung hinterherschoben sondern schwiegen. Wer mit solchen Zahlen jongliert, der macht sich im besten Fall lächerlich, wird aber glücklicherweise in der Regel in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen: niemand druckt solche Meldungen ab, die werden in den Redaktionen der Qualitätsmedien beiseite gelegt. Allenfalls in automatisierten Ticker rutscht so etwas mal durch – oder in den Druckausgaben der Landeszeitung, der Lübecker Nachrichten und der Kieler Nachrichten.
Naja, laut PM haben diese 58 Unternehmen immerhin 26.000 Beschäftige, es handelt sich also offenbar nicht um die kleinsten Mitgliedsunternehmen, sondern tendenziell um die „relevanteren”.
Um die Qualität einer solchen Umfrage besser beurteilen zu können, wäre es aber tatsächlich ganz interessant zu wissen, wer sich da im einzelnen beteiligt hat.
Wir wissen nicht, wieviele der 26.000 Beschäftige tatsächlich in SH wohnen. Und ich gehe davon aus, dass die befragten Führungskräfte nicht zunächst an das Wohl der Mitarbeiter des Unternehmens denken, sondern in erster Linie den shareholdervalue im Auge haben. Das alles sprach für mich dagegen, diese Zahl zu erwähnen. Aus beiden genannte Gründen ist die bloße Nennung der Zahl der Beschäftigten eine Relevanzfalle. Selbst wenn ich einfach mal annehme, die Unternehmer (bei der Größe wohl sicher teilweise in Form einer AG geführt) würde das Aktienrecht Aktienrecht sein lassen und sich nur für ihre Mitarbeiter stark machen. Und unterstellt, dass die Mitarbeiter alle in SH wohnen: Dann schaue ich nach und erfahre, dass es in bei uns im Land aktuell 835.100 sozialversichungspflichtig Beschäftige gibt. 26.000 sind 3,1 Prozent. Es sind also, in Relation betrachtet, vergleichweise wenig, wenn ich das ganze Land betrachte.
Mir wäre nicht wichtig zu erfahren, wer genau daran teilgenommen hat. Aber die Auswahlkriterien wären schon das wenigste, was man erfahren sollte. Damit man abschätzen kann, in welchem Umfang eine Repräsentanz überhaupt gegeben ist.
Dann hätte man lieber die Betriebsratsvorsitzenden fragen sollen ;-)
@ Sven Wacker:
Sie haben den Punkt meines Beitrages nicht verstanden:
Der Verweis auf die 26.000 Mitarbeiter implizierte vor allem, daß die sich dort äußernden Unternehmen möglicherweise über eine gewisse Bedeutung für das Land verfügen, sei es als Arbeitgeber, Steuerzahler, you name it.
Der Punkt ist doch einfach: Wenn der Inhaber eines Kiosk mit 2 Angestellten am Bahnhof mit der Arbeit der Stadtverwaltung unzufrieden ist, wird das dieselbe nicht sonderlich interessieren. Selbst wenn es in der Stadt mehrere Tausend unzufriedene Kioskbetreiber mit insgesamt 10.000 Mitarbeitern geben sollte, ist das für die Stadtverwaltung weniger dramatisch, einfach weil die konkreten Handlungsoptionen für die Masse der Kioskbetreiber relativ gering sind (kaufmännischer Handlungsspielraum, Koordination).
Wenn hingegen der größte Industriebetrieb vor Ort mit 10.000 Mitarbeitern mit der Stadtverwaltung unzufrieden ist, hat dies potentiell erhebliche Auswirkungen — nicht, weil die individuelle Meinung der Mitarbeiter auch nur irgendeine Rolle spielen würde, sondern vielmehr, weil diese wirtschaftlich vom Betrieb abhängig sind (die Stadt damit ein Stück weit auch) und weil der Industriebetrieb im Gegensatz zu den mehreren Tausend Kiosken einen erheblichen Handlungsspielraum hat, den er entsprechend gegen die Stadt einsetzen kann.
Insofern ist dies eben möglicherweise keine Frage von Repräsentanz, Demokratie oder ähnlichem Schnick-Schnack, sondern schlicht eine Frage der wirtschaftlichen Macht…
Demokratie ist kein Schick-Schnack. Diese „Umfrage” hingegen schon.
Tolles Argument…