32 von 31.000 Unternehmern sind mit der Arbeit der Regierung zufrieden

Von | 5. Juli 2011

Diese Überschrift ist so wahr wie der ers­te Satz einer dpa-Meldung von ver­gan­ge­nem Freitag (01. Juli 2010): „Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein ist mit der Arbeit der schwarz-gel­ben Landesregierung über­wie­gend zufrie­den.“

Die Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e.V. (UVNord) hat ver­gan­ge­nen Freitag zu ihrer tra­di­tio­nel­len Sommerpressekonferenz ein­ge­la­den. Ihre Presseerklärung trägt die Überschrift „Erhöhte Zustimmungswerte von der schles­wig-hol­stei­ni­sche Wirtschaft für die Kieler Landesregierung“. In ihr fin­den sich Sätze wie: „55 Prozent der befrag­ten Unternehmen sind mit der Arbeit der Landesregierung zufrie­den“. „38 Prozent der befrag­ten Unternehmen sind mit der Arbeit des Ministerpräsidenten zufrie­den“. „Die Zustimmungswerte über die Arbeit der schwarz-gel­ben Koalition haben sich … auf 55 % ver­bes­sern kön­nen“. Spitzenreiter unter den Ministerien ist Jost de Jagers Haus: „41 % der befrag­ten Unternehmen bewer­ten die Arbeit des Wirtschaftsressorts als gut“.

Das lässt sich sehen, könn­te man sagen. Denn das sagt ja schließ­lich nicht irgend­ein Verband. Die UVNord ver­tritt die Belange der Wirtschaft gegen­über Politik und Gesellschaft, ist gemein­sam mit den Gewerkschaften Sozialpartner, stimmt die poli­ti­schen Meinungen ihrer Mitgliedsverbände ab, erfüllt also eine gesell­schafts­po­li­ti­sche Aufgabe der Wirtschaft. Und die Vereinigung ist ein gro­ßer Verband: Sie ver­tritt immer­hin 65 Mitgliedsverbände, die mehr als 31.000 Unternehmen in Hamburg und Schleswig-Holstein reprä­sen­tie­ren, wel­che rund 1,3 Millionen Beschäftigte zäh­len.

Das Lob oder die Kritik bleibt einem aber im Hals ste­cken, wenn man liest, dass gan­ze 58 Unternehmen bei der „Blitzumfrage“ befragt wur­den. In Worten: Achtundfünfzig! In Prozent: 0,19 Prozent der in der UVNord orga­ni­sier­ten Unternehmen wur­de befragt (0,5 Prozent ist auch ein schö­ner Wert. Es sind ja nicht alle 31.00 Unternehmen in Schleswig-Holstein behei­ma­tet). Und die­se Unternehmen wur­den offen­kun­dig irgend­wie aus­ge­wählt, von reprä­sen­ta­tiv ist nir­gends die Rede. Das ist kein Einzelfall: Im Oktober 2010 wur­den 60 Unternehmen befragt, im April 2010 72.

Wandelt man die Zitate aus der Presserklärung in abso­lu­te Zahlen um, dann hät­te man ange­sichts der Zahlenwerte  die sicher nah dran an erwür­fel­ten Werten lie­gen – auch sagen kön­nen: Es gibt in Schleswig-Holstein 32 Unternehmen, die mit der Arbeit der Landesregierung zufrie­den sind. 24 Unternehmen fin­den, dass die Arbeit des Wirtschaftsressorts gut ist. Und gan­ze 22 Unternehmer sind mit der Arbeit des Ministerpräsidenten zufrie­den. Mehr Nachrichtenwert hat die­se Umfrage nicht.

Solche Zahlen sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wur­den. Kein Wunder, dass nicht mal die CDU- oder die FDP-Fraktion im Landtag eine zufrie­de­ne Presseerklärung hin­ter­her­scho­ben son­dern schwie­gen. Wer mit sol­chen Zahlen jon­gliert, der macht sich im bes­ten Fall lächer­lich, wird aber glück­li­cher­wei­se in der Regel in der Öffentlichkeit nicht wahr­ge­nom­men: nie­mand druckt sol­che Meldungen ab, die wer­den in den Redaktionen der Qualitätsmedien bei­sei­te gelegt. Allenfalls in auto­ma­ti­sier­ten Ticker rutscht so etwas mal durch – oder in den Druckausgaben der Landeszeitung, der Lübecker Nachrichten und der Kieler Nachrichten.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

6 Gedanken zu “32 von 31.000 Unternehmern sind mit der Arbeit der Regierung zufrieden”:

  1. Jopa

    Naja, laut PM haben die­se 58 Unternehmen immer­hin 26.000 Beschäftige, es han­delt sich also offen­bar nicht um die kleins­ten Mitgliedsunternehmen, son­dern ten­den­zi­ell um die „rele­van­te­ren”.

    Um die Qualität einer sol­chen Umfrage bes­ser beur­tei­len zu kön­nen, wäre es aber tat­säch­lich ganz inter­es­sant zu wis­sen, wer sich da im ein­zel­nen betei­ligt hat.

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  2. Swen Wacker

    Wir wis­sen nicht, wie­vie­le der 26.000 Beschäftige tat­säch­lich in SH woh­nen. Und ich gehe davon aus, dass die befrag­ten Führungskräfte nicht zunächst an das Wohl der Mitarbeiter des Unternehmens den­ken, son­dern in ers­ter Linie den share­hol­derva­lue im Auge haben. Das alles sprach für mich dage­gen, die­se Zahl zu erwäh­nen. Aus bei­den genann­te Gründen ist die blo­ße Nennung der Zahl der Beschäftigten eine Relevanzfalle. Selbst wenn ich ein­fach mal anneh­me, die Unternehmer (bei der Größe wohl sicher teil­wei­se in Form einer AG geführt) wür­de das Aktienrecht Aktienrecht sein las­sen und sich nur für ihre Mitarbeiter stark machen. Und unter­stellt, dass die Mitarbeiter alle in SH woh­nen: Dann schaue ich nach und erfah­re, dass es in bei uns im Land aktu­ell 835.100 sozi­al­ver­si­chungs­pflich­tig Beschäftige gibt. 26.000 sind 3,1 Prozent. Es sind also, in Relation betrach­tet, ver­gleich­wei­se wenig, wenn ich das gan­ze Land betrach­te.
    Mir wäre nicht wich­tig zu erfah­ren, wer genau dar­an teil­ge­nom­men hat. Aber die Auswahlkriterien wären schon das wenigs­te, was man erfah­ren soll­te. Damit man abschät­zen kann, in wel­chem Umfang eine Repräsentanz über­haupt gege­ben ist.

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  3. Jopa

    @ Sven Wacker:

    Sie haben den Punkt mei­nes Beitrages nicht ver­stan­den:

    Der Verweis auf die 26.000 Mitarbeiter impli­zier­te vor allem, daß die sich dort äußern­den Unternehmen mög­li­cher­wei­se über eine gewis­se Bedeutung für das Land ver­fü­gen, sei es als Arbeitgeber, Steuerzahler, you name it.

    Der Punkt ist doch ein­fach: Wenn der Inhaber eines Kiosk mit 2 Angestellten am Bahnhof mit der Arbeit der Stadtverwaltung unzu­frie­den ist, wird das die­sel­be nicht son­der­lich inter­es­sie­ren. Selbst wenn es in der Stadt meh­re­re Tausend unzu­frie­de­ne Kioskbetreiber mit ins­ge­samt 10.000 Mitarbeitern geben soll­te, ist das für die Stadtverwaltung weni­ger dra­ma­tisch, ein­fach weil die kon­kre­ten Handlungsoptionen für die Masse der Kioskbetreiber rela­tiv gering sind (kauf­män­ni­scher Handlungsspielraum, Koordination).

    Wenn hin­ge­gen der größ­te Industriebetrieb vor Ort mit 10.000 Mitarbeitern mit der Stadtverwaltung unzu­frie­den ist, hat dies poten­ti­ell erheb­li­che Auswirkungen — nicht, weil die indi­vi­du­el­le Meinung der Mitarbeiter auch nur irgend­ei­ne Rolle spie­len wür­de, son­dern viel­mehr, weil die­se wirt­schaft­lich vom Betrieb abhän­gig sind (die Stadt damit ein Stück weit auch) und weil der Industriebetrieb im Gegensatz zu den meh­re­ren Tausend Kiosken einen erheb­li­chen Handlungsspielraum hat, den er ent­spre­chend gegen die Stadt ein­set­zen kann.

    Insofern ist dies eben mög­li­cher­wei­se kei­ne Frage von Repräsentanz, Demokratie oder ähn­li­chem Schnick-Schnack, son­dern schlicht eine Frage der wirt­schaft­li­chen Macht…

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