Nachdem in den letzten Monaten genügend Spenden für die Finanzierung des Dauerbetriebes eingegangen sind, ist der Landtag Schleswig-Holstein seit heute das siebte Landesparlament (daneben: Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern), das über das von einem gemeinnützigen Verein getragene Projekt abgeordnetenwatch.de befragbar ist.
Den Dialog mit den Abgeordneten konnten Schleswig-Holsteins Bürgerinnen und Bürger zuletzt während des Wahlkampfes 2009 pflegen. Damals standen sämtliche Direktkandidaten Rede und Antwort, beantworteten 317 der 379 Wählerfragen (83,1 Prozent) wurden beantwortet.
Die schleswig-holsteinische Startseite ermöglich den Zugang zu drei Sichten und einem Hauptanliegen:
- Eine Übersichtsseite der Abgeordneten. Dabei handelt es sich um Auszüge aus den Daten, die der Landtag über jeden Abgeordneten bereitstellt.
- Eine Dokumentation über die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen im Landtag. Das schließt eine große Lücke, bislang musste man sich solche Ergebnisse mühsam zusammensammeln. Hier wirkt in Hintergrung kein Voodoo. Die Daten wurden einzeln aus veröffentlichten Dokumenten zusammengetragen.
- Eine Übersicht über die in den einzelnen Ausschüssen sitzenden Abgeordneten. Das gab es bislang auch schon, allerdings ermöglicht es die Art und Weise der Darstellung durch abgeordnetenwatch einfach, auf das Hauptanliegen des Projektes zu kommen:
- Fragen stellen: Auf jeder Abgeordnetenseite besteht die Möglichkeit, einer oder einem Abgeordneten (z.B. Luise Amtsberg) Fragen zu stellen.
Nach Überzeugung von abgeordnetenwatch.de-Gründer Gregor Hackmack lebt Demokratie vom Mitmachen: „Deswegen ist es wichtig, sich einzumischen, Politiker mit den eigenen Anliegen zu konfrontieren, Aussagen kritisch zu hinterfragen”.
Die Vision des im Jahr 2004 von Gregor Hackmack und Boris Hekele gegründeten Projektes ist eine selbstbestimmte Gesellschaft, die durch mehr Beteiligungsmöglichkeiten und Transparenz befördert werden soll. Mittlerweile hat man sich professionalisiert und beschäftigt drei hauptberufliche Mitarbeiter. Träger des Projekts, das 2005 den „Grimme Online Award” erhielt, ist der gemeinnützige Verein „Parlamentwatch e.V.”
Die Fragen an die Abgeordneten werden vor ihrer Freischaltung von einem Moderatorenteam gegengelesen. So möchte man Beleidigungen, Rassismus oder fragenlose Selbstdarstellungen vermeiden. Alle Fragen und Antworten bleiben dauerhaft gespeichert. So kann man auch heute noch im Archiv die Fragen und Antworten aus dem Wahlkampf 2009 nachlesen.
Als achtes Bundesland wird Berlin folgen.
Abgeordnetenwatch ist aus meiner Sicht grundsätzlich eine gute Einrichtung, die dazu beitragen kann, Politik und politische Entscheidungen transparenter zu machen. Jedes Verfahren, das Transparenz herstellen will, trägt im Kern aber auch die Gefahr der Vereinfachung in sich. So wie es keine richtige Antwort auf die Frage nach der Kleidergröße des Landtages gibt, darf das Frage- und Antwortspiel nicht auf ein simples Rechenwerk reduziert werden: Abgeordnete V. aus W. hat X von Y Fragen in weniger als Z Tagen beantwortet ist kein politisch brauchbarer Maßstab. Fragen, die jedem Abgeordneten gestellt werden, egal, ob er/sie nun in der Sachen kompetent ist oder nicht, provozieren entweder Standardantworten oder beschäftigen unnütz Mitarbeiter, die sich immer wieder neue Formulierungen für die immer wieder gleiche Frage ausdenken müssen. Auch können Fragen, die aus vorgetäuschter Naivität allein unter taktischen Gesichtspunkten gestellt werden, Kommunikation zur Farce werden lassen anstatt den Disput oder den Diskurs zu fördern. Das spricht aber nicht gegen das Projekt. Es ist gut, dass es auch in Schleswig-Holstein startet. Es spricht aber für eine ausgeprägte Medienkompetenz bei den Fragstellern und den Lesenden.