Wenig Argumente zur Vorratsdatenspeicherung

Von | 3. August 2011

Die Sommerpause nähert sich ihrem Ende. Kai Dolgner, Abgeordneter der SPD, hat­te zu Beginn der Sommerferien zwei netz- bzw. daten­schutz­po­li­tisch inter­es­san­te Kleine Anfragen gestellt, die ich im Landesblog notier­te. Mittlerweile lie­gen die Antworten vor.

Keine weiträumigen Funkzellenabfragen in Schleswig-Holstein

Hinsichtlich der Funkzellenabfragen und Befragung von Busunternehmen bei Demonstrationen ant­wor­te­te die Landesregierung auf die Frage „Wurde in Schleswig-Holstein von der Polizei anläss­lich von Demonstrationen in den Jahren 2009, 2010, 2011 eine weit­räu­mi­ge Funkzellenauswertung durch­ge­führt?” ange­nehm knapp: Nein. Kai Dolgner hat­te das schon vor ein paar Tagen in einem Kommentar hier im Blog erwähnt.

Keine stichhaltigen Argumente für Vorratsdatenspeicherung

Bei der Frage in Sachen Vorratsdatenspeicherung (VDS) ist die Antwort erwar­tungs­ge­mäß län­ger aus­ge­fal­len. So rich­tig über­zeu­gen kön­nen die Antworten aber nicht. Da die Veröffentlichung der Drucksache sicher noch ein wenig dau­ert, zitie­re ich groß­zü­gig aus der Antwort: 

Eingangs lässt die Landesregierung es sich nicht neh­men, den euphe­mis­ti­schen Neusprech in Sachen VDS zu benen­nen: 

Vorbemerkung der Landesregierung:
Die Landesregierung hält die Verwendung des Begriffs der „Vorratsdatenspeicherung“ in dem Sachzusammenhang für miss­ver­ständ­lich. Sie spricht viel­mehr von „Mindestspeicherfristen“ für Bestandsdaten der Provider. Datenspeicherung auf Vorrat bei Sicherheitsbehörden fand nicht statt und wird nicht erör­tert.

 

Die Frage, wel­che poli­zei­li­che Aufklärungsquote sich bei den in den letz­ten drei Jahren geführ­ten poli­zei­li­chen Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung kin­der­por­no­gra­phi­scher Schriften mit der Kennung „Tatmittel Internet” ergab, beant­wor­te­te die Landesregierung mit die­sen Fallzahlen und Aufklärungsquoten aus der Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS):

Jahr2008 2009 2010 
Fälle 32128379
Aufklärungsquote     81,9% 83% 76% 

 

Auf die Frage des Abgeordneten, wie­vie­le Straftaten mit der Kennung „Tatmittel Internet” 2010 in Schleswig-Holstein wegen feh­len­der Vorratsdaten nicht auf­ge­klärt wer­den konn­ten, lau­te­te die Antwort:

Im Hinblick auf alle Straftaten mit der Kennung „Tatmittel Internet“ ist die Aufklärungsquote im Jahr 2010 bei einer Gesamtfallzahl von 10.128 gegen­über dem Vorjahr (Gesamt: 10.595) von 75,3 auf 68,1 Prozentpunkte gesun­ken. Inwieweit allein feh­len­de Mindestspeicherfristen den Aufklärungserfolg ver­hin­dert haben, kann nur bei Betrachtung der Einzelfälle erho­ben wer­den, was vom Aufwand her aller­dings nicht leist­bar ist. Hinsichtlich der unter Nr. 1 bezeich­ne­ten Straftaten wur­den im Berichtszeitraum 2010 in der PKS 179 Fälle erfasst. Hiervon konn­ten 136 Fälle auf­ge­klärt wer­den. Unter den rest­li­chen 43 Fällen waren acht, bei denen die IP-Adressen nicht mehr als Bestandsdaten bei den Providern vor­rä­tig waren und des­halb nicht auf­ge­klärt wer­den konn­ten.

 

In der drit­te Frage ging es um die Anzahl der schwe­ren Straftaten: Wie vie­le die­ser nicht auf­ge­klär­ten Straftaten unter 2.) sind schwe­re Straftaten im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO?

Alle in der Antwort zu Nr. 2, letz­ter Satz, genann­ten acht Fälle sind schwe­re Straftaten im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO.

 

Schließlich fragt Kai Dolgner, bei wie­vie­len die­ser nicht auf­ge­klär­ten Straftaten eine Zuordnung der IP-Adresse zum Anschlussinhaber aus Vorratsdaten wei­te­re Ermittlungen ermög­licht hät­te:

Eine Zuordnung der IP-Adresse zum Anschlussinhaber aus den bei den Providern hin­ter­leg­ten Bestandsdaten hät­te in den o.g. acht Fällen wei­te­re Ermittlungen ermög­licht.

In einem ers­ten, per­sön­li­chen Einschätzung gegen­über dem Landesblog wun­der­te sich der Osterrönfelder, dass beim Tatmittel Internet nicht bei allen Straftaten regel­mä­ßig erfasst wer­de, wes­halb eine Aufklärung schei­tert: „Angesichts der Diskussion um die VDS hal­te ich das für nicht nach­voll­zieh­bar”. Mit Blick auf die Zahlenreihe bei den Aufklärungsquoten ver­bie­ten sich für den Sozialdemokraten Interpretationen: „Veränderungen in Aufklärungsquoten sind sel­ten mono­kau­sal”.

Dolgner ist sich sicher, dass die Landesregierung den empi­ri­schen Nachweis der Notwendigkeit für die wei­ter­ge­hen­den Maßnahmen der VDS schul­dig blei­ben wird: „Auch hier zeigt sich wie­der (wie bei fast allen Fällen der BKA-Studie auch) , dass es nach­weis­bar nur bei der feh­len­den IP-Zuordnung zum Anschlussinhaber in 8 von 179 Fällen zu einer Verhinderung der Aufklärung kam”.

Bei den in der Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung so gern, weil so bedrü­cken­den, vor­geb­lich „inter­net­ty­pi­schen” Kinderpornografiedelikten war nur in unter 5% der Fälle die feh­len­de IP-Speicherung das Problem: „Bei einer Aufklärungsquote von 76% soll­te man also auch ohne VDS nicht von einem „rechts­frei­en” Raum spre­chen, die Chance erwischt zu wer­den ist deut­lich höher als bei Brandstiftung oder Raub.”

Bei der vor dem Verfassungsgericht geschei­ter­ten Vorratsdatenspeicherung ging es um deut­lich mehr Daten als die hier erwähn­te IP-Adresse. In den von Kai Dolgner erwähn­ten 8 Fällen hät­te eine Speicherung der IP-Adresse nach Auffassung des Innenministeriums „wei­te­re Ermittlungen ermög­licht” — Fahndungserfolge hät­ten das längst nicht wer­den müs­sen, von einer „Verhinderung der Aufklärung” kann des­halb nicht zwin­gend die Rede sein. Es bleibt Strombergs  Hätte hät­te Fahrradkette: Eine so vage Vermutung kann in mei­nen Augen kein Anlass sein, ein gan­zen Volk flä­chen­de­ckend zu ras­tern.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

2 Gedanken zu “Wenig Argumente zur Vorratsdatenspeicherung”:

  1. Oliver Fink

    Ich fin­de ja immer noch den Vorschlag reiz­voll, anstatt von „Mindestspeicherfristen” lie­ber von „Mindestfristspeicherung” zu reden. Das gibt ein­fach die bes­se­re Abkürzung.  ;-)

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  2. Pingback: Vorratsdatenspeicherung: Antwort auf Kleine Anfrage | SPD-Netzpolitik

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