Blick über den Gartenzaun

Von | 19. September 2011

Die letz­te Landtagswahl vor der Wahl in Schleswig-Holstein. Was sagen Autoren des Landesblogs zum Berliner Wahlabend (sofern sie ges­tern Abend nicht mit ande­ren Dingen beschäf­tigt waren):

Sebastian Schack Diese Wahl hat­te einen strah­len­den Sieger und zwei­ein­halb Verlierer. Klarer Sieger ist die Piratenpartei, die aus dem Stand um die 9% geholt hat und damit sogar die Grünen mit beacht­li­chen 5,5% Zuwachs recht alt aus­se­hen lässt. Verloren haben die Linke (die Macht), die FDP (fast alle Wähler) und die Grünen, weil sie weder die ange­peil­ten 30% geschafft haben noch die Bürgermeisterin stel­len. Aber das kann Renate Künast ja egal sein, die nach der ver­lo­re­nen Wahl nicht etwa dre­cki­ge und schweiß­trei­ben­de Oppositionsarbeit im an Problemen nicht armen Berlin macht, son­dern sich auf die sicher­lich deut­li­che beque­me­re Oppositionsbank im Bundestag ver­drückt. Tschüß Renate, war nett, dass du mal vor­bei geschaut hast!
Für Schleswig-Holstein hat das alles recht wenig zu bedeu­ten, da die Wahl hier noch sehr weit weg ist. Weit genug jeden­falls, dass sich even­tu­ell sogar die FDP wie­der berap­peln und viel­leicht zumin­dest über die 5%-Hürde ret­ten kann.
Allein: die­se Wahl war ein wei­te­res Zeichen dafür, dass es mit „gro­ßen Volksparteien” vor­bei ist. Olaf Scholz ist und bleibt die Ausnahme und war nicht der ers­te Schritt zurück zur guten alten Zeit für die SPD.

Oliver Fink Städtische Milieus sind das Terrain der Piratenpartei. Aber dass das Ergebnis so gran­di­os wer­den wür­de, konn­te nie­mand erah­nen. Die Piratenpartei ist kla­rer Gewinner, eben­so wie die CDU, die in schwe­rem Umfeld sogar noch zule­gen konn­te. Auch die Grünen haben gewon­nen. Sie wer­den sich aller­dings kaum dar­über freu­en kön­nen. Waren sie vor Monaten mit der SPD auf Augenhöhe, so lie­gen sie jetzt um mehr als 10 Prozent zurück. Mit Müh’ und Not langt es für eine Regierungsbeteiligung – ein rich­ti­ger Dämpfer. Bei der SPD ist es genau anders her­um. Trotz leich­ter Verluste geht ohne die Sozialdemokraten nichts. Sie wer­den den neu­en alten Regierenden Bürgermeister stel­len. Die Linke hin­ge­gen als bis­he­ri­ger Koalitionspartner ver­liert weni­ger als die SPD und ist doch Wahlverlierer – die Oppositionsbänke war­ten. In Berlin muss­ten zu vie­le Entscheidungen gegen die eige­ne Klientel getrof­fen wer­den, dazu der Gegenwind durch die irr­lich­tern­de Bundesführung. Viel här­ter trifft der Absturz jedoch die FDP — über Dreiviertel der Wähler ver­lo­ren, mar­gi­na­li­siert. Die ver­hee­ren­de Wirkung der Bundesebene kann aller­dings als allei­ni­ge Entschuldigung nicht her­hal­ten. In Hamburg hat­te die Partei in ähn­lich schwie­ri­ger Situation gar nach jah­re­lan­ger Abwesenheit den Wiedereinzug geschafft. Ach ja, noch einem Gewinner soll­ten wir nicht ver­ges­sen: Dank der von den Piraten gebun­de­nen Nichtwähler stieg die Wahlbeteiligung von 58 auf 60,5 Prozent.

Swen Wacker „Die Wahl am 18. September in Berlin ist damit auch eine Abstimmung über die Haltung der FDP zum künf­ti­gen Umgang mit der euro­päi­schen Verschuldungskrise“ Gut: mit einer anti­eu­ro­päi­schen und natio­nal­li­be­ra­len Aussage zum Wahlkampfschluss schafft man in Berlin kei­ne 2 Prozent. Mit etwas mehr Übung schafft wahr­schein­lich sogar ein paar mehr Prozente, fin­det aber wahr­schein­lich kei­ne Koalitionspartner mehr.
Aber egal, von Verlierern wie der FDP kann man allen­falls ler­nen, wie man es nicht macht. Aber von den Gewinnern kann man Honig sau­gen: Die Piraten. Sie haben zwei­mal gewon­nen. Sie haben den Einzug in Parlament geschafft und sie haben Nichtwähler mobi­li­siert. Ich ver­mu­te, dass sich ihre Wählern außer aus der Gruppe der Neu- und Nichtwählern aus den Lagern der Linken, der SPD, der Grünen zusam­men­set­zen. Die Wählerwanderung liegt nicht allein in deren zeit­wei­se müden Wahlkampfauftritten begrün­det. Denn so dif­fus, wie man­che das Profil der Piraten sehen, ist das alles nicht. Den Protest kann man fest­ma­chen: Es sind Wähler, die ihre Interessen in Sachen Datenschutz, Transparenz, (Netz)freiheit bei den eta­blier­ten Parteien nicht wie­der­fin­den. Fällt da was auf? Genau, das waren im letz­ten Jahrtausend libe­ra­le Themen. Es stimmt also: Bis in den Markenkern hin­ein ver­schis­sen.
Netzpolitische Themen und Landespolitik? Aber ja. Und das ist mehr als Breitband. Auch Politik über das Netz, also recht­li­che, bil­dungs­po­li­ti­sche oder und kul­tu­rel­le Themen wie Datenschutz, Jugendschutz, Medienkompetenz, Medienpolitik und Politik mit dem Netz, also Stichworte wie E-Government, E-Partizipation, Interaktion auf allen Ebenen (Information, Kommunikation, Transaktion, Integration), Open Data sind urei­ge­ne Gebiete der Landespolitik. Nicht nur in Großstädten.
Die Wahl in Berlin hat gezeigt, dass die­se Themen wäh­ler­stim­men­re­le­vant sind. Das lässt hof­fen.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

7 Gedanken zu “Blick über den Gartenzaun”:

  1. Oliver Fink

    Ich hal­te wenig davon, berech­tig­te Diskussionen dar­über, wie die finan­zi­el­len Angelegenheiten in Europa künf­tig zu regeln sind, gene­rell als anti-euro­pä­isch zu dis­kre­di­tie­ren. Ich ste­he wei­ter­hin dazu, dass der ESM allen Vereinbarungen, auf die wir uns bis­her in Europa geei­nigt hat­ten und die unter ande­rem in den Verträgen von Maastricht und Lissabon fest­ge­hal­ten sind, wider­spricht. Darüber hin­aus stellt er das Wertefundament Europas mit sei­ner ver­trag­li­chen Ausgestaltung in Frage. Man könn­te mit eben soviel oder sowe­nig Recht des­halb den ESM als anti-euro­pä­isch bezeich­nen.

    Meine Ablehnung des ESM ist pro-euro­pä­isch begrün­det, ich hal­te sie für die Zukunft des Euro als sta­bi­ler Gemeinschaftswährung eben­so wie für unse­re euro­päi­sche Wertegemeinschaft für unab­ding­bar und mich für einen über­zeug­ten Europäer. Man kann inhalt­lich dar­über strei­ten, ob ich mit mei­ner Sicht auf den ESM Recht habe. Wer es aller­dings über das dump­fe Schlagwort „anti-euro­pä­isch” ver­sucht, muss sich fra­gen las­sen, ob er denn kei­ne inhalt­li­chen Argumente besitzt.

    Was der Berliner FDP vor­zu­wer­fen ist, sind mei­ner Meinung nach aller­dings zwei Dinge:

    1. Das Thema Euro ist kei­nes für eine Landtagswahl, die ihrer gesam­ten Ausrichtung nach eher eine über­di­men­sio­nier­te Kommunalwahl ist. Wem nach 10 Jahren Rot-Rot als Partei des so genann­ten bür­ger­li­chen Lagers kei­ne Berliner Themen ein­fal­len, mit denen er die Wahl erfolg­reich bestrei­ten könn­te, macht grund­le­gend etwas falsch. (Ob man mit den Berliner Themen, die dann doch auch noch zu Anwendung kamen, so rich­tig lag, wäre ein ande­res Thema.)

    2. Die Aussage der Berliner FDP war von der Sache her also nicht anti-euro­pä­isch. Sie wur­de aber in der Endphase des Wahlkampfes aus rein tak­ti­schen Gründen ver­wen­det, weil man mit ihr im anti-euro­päi­schen Sumpf fischen woll­te. Das ist schlimm, weil es (a) die­je­ni­gen dis­kre­di­tiert, die die­se Position aus ernst­haf­ten Gründen beset­zen und (b) natür­lich dem Ansehen Europas und des Euros auf grob fahr­läs­si­ge Weise Schaden zufügt.

    Thema Piraten: Ohne den – wie ich oben schrieb: „gran­dio­sen” – Erfolg der Piraten schmä­lern zu wol­len, bleibt abzu­war­ten, wie sie in der Fläche reüs­sie­ren kön­nen. Bei der Kommunalwahl in Niedersachsen haben sie bereits in den Städten nen­nens­wer­te Erfolge errun­gen. In den länd­li­chen Gebieten hin­ge­gen waren sie eher nicht so erfolg­reich. Nicht nur des­halb bleibt es span­nend, wie die wei­te­re Entwicklung ver­läuft.

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    1. Swen Wacker

      Die Initiative von MdB Schäffler ist anti-euro­pä­isch, weil sie kri­ti­siert, ohne Alternativen zu nen­nen. Zudem argu­men­tiert sein Antrag aus deut­scher, natio­na­ler Sicht und hat kei­ne euro­päi­sche Komponente. Das steht in einer Linie mit der allein aus innen­po­li­ti­schen Gründen her­bei­ge­führ­ten Enthaltung im UN-Sicherheitsrat. Die FDP ist für mich des­halb kei­ne Europa-Partei mehr.

      Bei den Piraten muss man sehen, was sie dar­aus machen. Ob sie einen „links­li­be­ra­len” Kurs ein­schla­gen oder sich erst­mal ver­zet­teln und zer­strei­ten? Auch die Anfänge der Grünen waren nicht ein­fach. Manche neu­en Gruppierungen über­le­gen sol­che Phasen, ande­re (Statt, Schill) rich­ten sich zugrun­de.

      Für mich ist auch die Frage, ob die SPD und Grüne sich (in der Netzpolitik) bewe­gen oder ob sie das Feld den Piraten über­las­sen. Dabei ist das drin­gend nötig. Bei Netzsperren z.B. hier in SH konn­te man sich lan­ge nur auf die FDP ver­las­sen, mitt­ler­wei­le auch auf die Grünen — aber ob das dort wirk­lich tief ver­wur­zelt ist? Die SPD will, wie ich las, jetzt mit vie­le Elan einen „Antrag auf Errichtung eines Forum Netzpolitik auf Bundesebene” betrei­ben. Anstatt das Thema ins Herz der Partei zu tra­gen.

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      1. Oliver Fink

        Die Forderung „Pacta sunt ser­van­da” ist also schon anti-euro­pä­isch? Es war bis­her erklär­te Grundlage der EU, dass alle Staaten ihren Haushalt selbst ver­ant­wor­ten. Das kann man ändern wol­len. Wer aber auf der Einhaltung bestehen­der ver­trag­li­cher Grundlagen zur EU besteht, ist anti-euro­pä­isch? Meine Logik ist das nicht.

        Wie gesagt: Ich fin­de, dass eine Gemeinschaft das Recht besitzt, die Grundlagen ihres Zusammenlebens – auch wenn sie ver­trag­lich fest­ge­legt sind – in Übereinstimmung zu ändern. Bloß den­je­ni­gen, die das nicht ändern wol­len, was bis­her Grundlage der Gemeinschaft war, dann vor­zu­wer­fen, sie wür­den gegen die Gemeinschaft agie­ren, ist eini­ger­ma­ßen abstrus und hilf­los. Zumal mit einer Insolvenz Griechenlands weder der Euro noch Europa abge­schafft wür­de. Das die­se Lösung für Dich kei­ne Alternative ist, heißt nicht, dass sie per se kei­ne ist.

        Es ist außer­dem nicht die Initiative von Frank Schäffler allein. Sie wird unter ande­rem auch von Burkhard Hirsch betrie­ben. Und dem anti-euro­päi­sche Gedanken zu unter­stel­len, ist der­ar­tig welt­fremd, dass mich wun­dert, dass man dar­auf noch hin­wei­sen muss.

        Dass sich die EU Gedanken machen muss, wie Griechenland zu hel­fen ist, ist für mich eben­so unstrit­tig wie die Tatsache, dass vor­her ein Schuldenschnitt erfol­gen muss. Über das Wie der Hilfe mag ich gern dis­ku­tie­ren. Eine vor­märz­li­che Institution wie der ESM ist aus mei­ner Sicht defi­ni­tiv kei­ne Alternative, denn sie steht für die Abschaffung der euro­päi­schen Werte von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Transparenz. Wir lau­fen Gefahr, die Akzeptanz Europas in den Bevölkerungen der Mitgliedsstaaten durch die­se Institution mas­siv und nach­hal­tig zu beschä­di­gen. Der mög­li­che kurz­fris­ti­ge und par­ti­el­le Nutzen wiegt mei­ner Meinung nach die­sen lang­fris­ti­gen Schaden nicht auf.

        Du darfst mir und den übri­gen Unterstützern des Mitgliederentscheids gern wei­ter­hin anti-euro­päi­sches Gedankengut unter­stel­len. Dann soll­test Du Dich aber nicht wun­dern, wenn die Diskussion um den ESM kei­ne sach­ori­en­tier­te wird und Du den­je­ni­gen zuar­bei­test, die sie wirk­lich gegen Europa nut­zen wol­len. So hat­te ich Dich bis­her nicht ein­ge­schätzt.

        P.S.: Dass ich die Enthaltung im UN-Sicherheitsrat auch heu­te noch aus sach­li­chen Gründen für rich­tig hal­te, mag ich fast schon nicht mehr erwäh­nen. Aber auch das mache ich ver­mut­lich aus­schließ­lich aus innen­po­li­ti­schen und euro­pa­feind­li­chen Gründen. Auf Deinen Ruf, end­lich Bomber nach Syrien zu schi­cken, war­te ich übri­gens noch. Aber da wird ja nicht für Öl gemor­det…

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        1. Swen Wacker

          Was Burkhard Hirsch treibt weiß ich nicht. Wenn ich die Zitate in dem Artikel von Heribert Prantl rich­tig deu­te (http://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-urgestein-hirsch-merkwuerdige-phalanx-gegen-die-euro-rettung-1.1145177) dann gibt er sich bewusst in einen Kampf mit Leuten, deren Argumente er „zutiefst unhis­to­risch” nennt. Dann soll er (und Du) einen eige­nen Antrag machen, der sich von dem des Herrn Schäffler unter­schei­det; aber nicht ohne Not mit in den glei­chen Sack schlüp­fen und sich hin­ter­her drü­ber ärgern, „fal­sche” Dresche mit­ab­zu­be­kom­men.  

          Deutschland ist maß­geb­li­cher Motor der EU, die Förderung der EU ein außer jeg­li­chem Zweifel ste­hen­der poli­ti­scher Auftrag. Unbd natür­lich muss man an Entscheidungen zwei­feln dür­fen. Aber dem Vizekanzler unse­rer Nation ste­hen für sol­che Gespräche genü­gend Zimmer außer­halb von Marktplätzen zur Verfügung. In sei­ner Position denkt man nicht mehr öffent­lich laut nach. Das ist kein Spielplatrz in der nie­der­sä­chi­schen Provinz mehr, das ist Ernst auf Weltbühne. An Stelle der Merkel, der ich das Krisenmanagement auch nicht mehr zutraue, hät­te ich Rösler, sei­ne Partei und die CSU drei­kant aus der Regierung geschmis­sen und mit SPD und Grüne (Trittin hat es am Wochenende ja wie­der via SPON ange­bo­ten) eine „Koalition der Mutvollen” gegrün­det, die in den nächs­ten Wochen die not­wen­di­gen Entscheidungen dis­ku­tiert und trifft. Und ein neu­es Wahlgesetz gemacht, damit wir dann wäh­len kön­nen. 

          Zu Libyen: Es gibt m.E. kein Junktim zwi­schen Zustimmung zum UN-Resolution und deut­scher mili­tä­ri­scher Beteiligung an dem NATO-Einsatz. Wenn man signa­li­siert hät­te, dass man aus innen­po­li­ti­schen Gründen zwar zustimmt, aber kei­ne Kampftruppen stel­len wird, dann wäre das halt so gewe­sen. Aus dem einem folgt nicht das ande­re.

          Was ich zu Syrien lese, ist anders als in Libyen. Die ara­bi­sche Liga setzt noch auf Verhandlungen, die Opposition wünscht anschei­nend kei­ne (gewalt­tä­ti­ge) Einmischung von außen (lesens­wert: http://www.fr-online.de/kultur/schrifsteller-rafik-schami-syrien-wird-ein-freies-land-sein,1472786,10867142.html ). Und: ja, wenn die Opposition um Hilfe bit­tet, dann wäre ich dafür, dass Deutschland einer ent­spre­chen­den UN-Resolution unter­schreibt.

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          1. Oliver Fink

            Burkhard Hirsch nennt Frank Schäffler auch einen „anstän­di­gen Menschen”. Das wür­de er bei einem Anti-Europäer nicht tun. Frank Schäffler steht inner­halb der FDP für einen Flügel, der gesell­schaft­li­che Änderungen will, die mir in Teilen zu weit gehen. Dennoch hal­te ich ihn für einen auf­rech­ten Liberalen und nicht für einen Anti-Europäer. Ich zitie­re hier­zu auch gern Christian Soeder bei Rotstehtunsgut: „Schäffler übri­gens ist ein sehr anstän­di­ger und grund­ehr­li­cher Mensch, der mit offe­nem Visier kämpft.” (http://rotstehtunsgut.de/2011/09/18/zu-komplex/ )

            Der ESM hebelt grund­sätz­li­che Demokratie- und Rechtsstaatsprinzipien aus und den­noch wür­de ich sei­ne Verfechter nicht als Anti-Demokraten und Rechtsstaatsfeinde bezeich­nen. Andererseits wür­de ich die­je­ni­gen, die das um jeden Preis durch­drü­cken wol­len, auch kaum als „Koalition der Mutvollen” bezeich­nen. Es ist eher die Koalition der­je­ni­gen, die Angst davor haben, sich öffent­lich mit den Vertragsinhalten des ESM aus­ein­an­der­set­zen und recht­fer­ti­gen zu müs­sen.

            Ich glau­be – und jetzt set­ze ich auch ein­mal eine Spitze –, dass kein über­zeug­ter Demokrat die­sem vor­märz­li­chen Konstrukt in Vertragsform ruhi­gen Gewissens zustim­men kann. Vielleicht dient das Haltet-den-Dieb-Geschrei auch genau der Ablenkung von die­ser Tatsache.

          2. Swen Wacker

            Das Bundesverfassungsgericht hat ent­schie­den, dass der ESM pas­sie­ren kann. Damit ist die Diskussion, ob ein ESM grund­sätz­li­che Demokratie- und Rechtsstaatsprinzipien aus­he­be­le, obso­let. Es bleibt allein die Frage, ob man das poli­tisch akzep­ta­bel fin­det.
             
            Zu Zeiten der Einführung des Euro war ich vehe­men­ter Verfechter der No-Bail-Out-Klausel und habe gut in Erinnerung, dass in den wohl hun­der­ten an Vorträgen, die ich dazu hielt (ich war Leiter des „Interministeriellen Arbeitskreis zur Einführung des Euro in öffent­li­cher Gesetzgebung und Verwaltung“) stets ein Angstpunkt vie­ler „nor­ma­ler“ Bürgerinnen und Bürger. Im Prinzip bin ich das heu­te noch, sehe aber wegen der jet­zi­gen Situation, die damals nie­mand erah­nen konn­te – wer hät­te schon gedacht, dass uns die Banken und ihre unmo­ra­li­schen Geschäfte in den Sumpf zie­hen, damals ging man immer davon aus, dass nur (mög­lichst links­li­be­ral regier­te) Staaten nicht mit dem Geld umge­hen kön­nen –, die Notwendigkeit, von Pfad der Tugend abzu­wei­chen.
             
            Rechtlich ist das also rich­tig ein­ge­speist wor­den, poli­tisch kann man drü­ber strei­ten. Und zum poli­ti­schen Streit gehört die Benennung einer Alternative. Es reicht eben nicht, dage­gen zu sein. Das blei­ben bei­de dem Wähler schul­dig. Wenn sie den Euro, die Währungsunion erhal­ten wol­len, dann müs­sen sie den zukünf­ti­gen poli­ti­schen Rahmen vor­ge­ben. Und dabei dem Wähler erklä­ren, war­um Banken sys­tem­im­ma­nent sind, Staaten, als Menschengebilde, die nicht auf Profit ange­legt sind, aber nicht. Das sind Gedanken, die ich bei den Wählern ver­mu­te und die dazu füh­ren, dass man der FDP in Berlin den Rücken zukehrt und zukeh­ren wird, wenn sie die­sen Weg beschrei­tet.
            Persönlich bin ich nicht mal ban­ge, dass Herr Schäffler und Herr Hirsch eine Mehrheit bekom­men könn­ten. Sollten sie sie bekom­men, dann wird die FDP sich neu grün­den müs­sen.
            In Kiel, um mal den Schwenk auf unser Blog zu bekom­men, hat die FDP jetzt ein hal­bes Jahr Zeit, den regio­na­len Markenkern einer Landes-FDP zu leben. Ich bin ja mal gespannt, wie der aus­sieht.

          3. Oliver Fink

            Der ESM dient übri­gens dazu, dass die deut­schen und fran­zö­si­schen Banken, von einem Großteil ihrer Risiken für die hoch­ver­zins­ten grie­chi­schen Anleihen frei­zu­stel­len. Die Verluste der Bank wer­den also in einem erheb­li­chen Umfang ver­ge­mein­schaf­tet. Das soll­te man ehr­li­cher­wei­se dazu sagen. Ansonsten stim­me ich Dir zu, dass wir uns – zumin­dest hier – wie­der den Landesthemen zuwen­den soll­ten.

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