Vorratsdatenspeicherung: Ideologische Verfestigungen

Von | 19. September 2011

Man will ja wis­sen, wofür eine Partei steht. Von wegen Markenkern und so. Werner Kalinka, innen­po­li­ti­scher Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, hat heu­te in Sachen Vorratsdatenspeicherung deut­lich gemacht, dass ideo­lo­gi­sche Verfestigungen bei der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung nicht wei­ter­hel­fen. Dann erklär­te er aller­dings: „Viele im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung und Terrorismusabwehr prak­tisch täti­ge Personen for­dern, dass es auf Bundesebene zügig zu einer Lösung im Bereich der Vorratsdatenspeicherung kom­men muss.“ Die Forderung sei berech­tigt, weil näm­lich „bereits heu­te bestimm­te schwer­wie­gen­de Straftaten mit dem „Tatmittel Internet“ nicht mehr auf­ge­klärt wer­den kön­nen.

Warum das ein Widerspruch ist, erklär­te Gerrit Koch, der innen- und rechts­po­li­ti­sche Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Ohne ideo­lo­gi­sche Verfestigung, dafür mit einer Kleinen Anfrage, die der Sozialdemokrat Kai Dolgner gestellt hat­te, in der Hand, befand er anhand der Antwort des Innenministers, „dass sich aus der Zuordnung von IP-Adressen von nicht mehr vor­rä­ti­gen Bestandsdaten nur in ganz weni­gen Fällen – und dann auch nur mög­li­cher­wei­se – wei­te­re Ermittlungsansätze erge­ben hät­ten.” Solche Erfolgsaussichten, so der Liberale, “recht­fer­tig­ten nicht, alle Bürger unter Generalverdacht zu stel­len“. Ermittlungseffizienz und Opferschutz dür­fe man natür­lich nicht außer Acht gelas­sen, aber: es müs­se „sehr sorg­fäl­tig abge­wo­gen wer­den“. Koch zeig­te ande­re Wege auf: „Eine Vorratsdatenspeicherung ohne jed­we­den Anlass wür­de die­sem Anspruch im Gegensatz zum so genann­ten „Quick-Freeze-Verfahren“ nicht gerecht.

Das von der Bundes-FDP vor­ge­schla­ge­ne Quick-Freeze-Verfahren gilt als als Alternative zur vom Bundesverfassungsgericht ver­wor­fe­nen Vorratsdatenspeicherung. Bei die­sem Verfahren wer­den Telekommunikations-Verkehrsdaten für Zwecke der Strafverfolgung (nur) vor­über­ge­hend gesi­chert.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

6 Gedanken zu “Vorratsdatenspeicherung: Ideologische Verfestigungen”:

  1. Kai Dolgner

    Also „puf­fern” beim Quick Freeze ist auch „spei­chern”, d.h. wir dis­ku­tie­ren da eher über „wie lan­ge”. Viel wich­ti­ger ist IMHO „was” und „wofür” und „wer kon­trol­liert die Nutzung” Mein vor­läu­fi­ges Fazit bis zum Beleg ande­rer Fakten bleibt: Für alle Maßnahmen der VDS, mit Ausnahme der IP-Speicherung, gibt es über­haupt kei­nen vali­den Nachweis, dass sie bei der Strafverfolgung hel­fen wür­den und bei der IP-Speicherung wur­den mir bis­her nur Einzelfälle bzw. ein rela­tiv gerin­ger Anteil (max 5% Aufklärungsquote bei KiPo) genannt, so dass die not­wen­di­ge Abwägung nur sehr schwer zu tref­fen ist, wenn mensch sich ernst­haft Gedanken machen will. Ideologische Verfestigungen erle­be ich lei­der auf bei­den Seiten, wie ja auch die fröh­li­chen Zahlenberechnungen mei­ner klei­nen Anfrage erge­ben haben. Es wäre wirk­lich schön, wenn metho­disch sau­ber erfasst wer­den wür­de, wann beim Tatmittel „Internet” die erschwer­te oder unmög­li­che Strafverfolgung an man­geln­den „Vorratsdaten” und an wel­chen des Sammelbegriffs „Vorratsdaten” gele­gen hat und die­ses dann von einer unab­hän­gi­gen Stelle aus­ge­wer­tet wer­den wür­de. Erst wenn die­se Daten vor­lä­gen, könn­te mensch ent­schei­den: Ok, für die­se Aufklärungsquotenerhöhung ist mensch bereit den fol­gen­den Grundrechtseingriff zu ver­ant­wor­ten oder nicht zu ver­ant­wor­ten. Und das ist immer eine Abwägung, um die mensch nicht her­um­kommt, wenn er kei­ne „ideo­log­sich ver­fes­tig­ten Positionen” ver­tre­ten möch­te. Auch Verhaftungen oder gar U-Haft etc. sind natür­lich Grundrechtseingriffe und es trifft auch häu­fig Unschuldige, trotz­dem sind sie manch­mal schlicht zur Strafverfolgung not­wen­dig.

    Die EU-Richtlinie ist aber gar­nicht Ausfluss einer sol­chen Abwägung oder lässt dem natio­na­len Gesetzgeber genü­gend Raum, die­se Abwägung selbst zu tref­fen, des­halb wäre mei­ne per­sön­li­che Wunschliste:

    1. Die EU-Richtlinie muss weg
    2. Es wird deutsch­land­weit unter Einbeziehung unab­hän­gi­ger Wissenschaftler metho­disch sau­ber erho­ben, wel­che Maßnahmen der VDS zur wei­te­ren Strafverfolgung bei wel­chen Tatbeständen in wel­chem Umfang eine wei­te­re Strafverfolgung ermög­licht hät­ten
    3. Es wird unab­hän­gig von den Strafverfolgungsbehörden geprüft, in wel­chem Umfang die man­geln­de Strafverfolgung auch mit alter­na­ti­ven Methoden („Quick-Freeze”, Quick-Freeze Plus” ver­bes­sert wer­den könn­te
    4. Der Deutsche Bundestag ent­schei­det in Abwägung der Ergebnisse aus 2. und 3., ob und wel­che Maßnahmen zum Einsatz kom­men.
    5. Wenn der Bundestag sich für Maßnahmen ent­schei­det, bekom­men die­se ein Verfallsdatum (z.B. 4 Jahre) mit zwin­gen­der Evaluation      

    DAs wäre doch mal ein trans­pa­ren­tes, ergeb­nis­of­fe­nes Verfahren oder?
    Und wenn mensch das alles gemacht hat, kann mensch immer noch die Tüte mit den Kampfbegriffen, Schmähungen usw. aus­pa­cken ;-)

    Kai

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    1. Thomas Lange

      Es ist aber nun nicht so, dass dies Haltung der SPD ist. Mehrere SPD-Innenminister und kon­ser­va­ti­ve Kreise (liegt es am Alter?) wol­len die anlass­lo­se Datenspeicherung auf Vorrat durch­set­zen.

      Und der (ver­mit­teln­de) Vorschlag von Tillmann, Freude und ande­ren aus dem Arbeitskreis Netzpolitik der SPD spricht sich auch für VDS aus, wenn auch als „light”-Version. http://www.henning-tillmann.de/2011/08/spd-musterantrag-zur-vorratsdatenspeicherung/

      Wäre schön, wenn Du Dich durch­set­zen könn­test in der SPD. Und ich hof­fe, dass wir in den Koalitionsverhandlungen nach Mai :) für SH die VDS voll­stän­dig aus­schlie­ßen kön­nen, wenn es dann noch ein Thema ist!

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    2. Oliver Fink

      Ich kann mich der Aussage von Thomas Lange nur anschlie­ßen.

      Meiner Ansicht nach ist der Vorschlag Quick Freeze auch nur der Versuch eines Kompromissvorschlags, um damit die Durchsetzung der Vorratsdaten- oder Mindestfristspeicherung abzu­wen­den. Wenn ich das rich­tig ver­ste­he, ste­hen für die VDS auf Bundesebene eben CDU und SPD. Insofern wün­sche ich Dir in Deiner Partei viel Durchsetzungs- und Überzeugungsvermögen sowie enga­gier­te Mitstreiter.

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      1. Swen Wacker

        Auch Ralf Stegner hat sich laut taz (http://www.buchmesse.taz.de/!73868/) gegen den Vorschlag Quick Freeze aus­ge­spro­chen. Ihm reicht das noch nicht aus:
        „Auch aus der SPD hat­te die Union Schützenhilfe bekom­men. Deren Innenpolitiker stell­ten sich am Montag gegen die Position von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Handy- und Internetdaten zur Verbrechensbekämpfung nur bei kon­kre­tem Verdacht nach­träg­lich ein­frie­ren zu las­sen. „In der Sache ist das völ­lig untaug­lich”, sag­te Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner nach Beratungen der SPD-Innenpolitiker von Bund und Ländern in Berlin. „Man kann nur ein­frie­ren, was man hat.” Wie die Union und die EU plä­die­ren die SPD-Innenpolitiker für eine Speicherung über meh­re­re Monate unter stren­gen Auflagen. Sie hal­ten laut Stegner drei bis vier Monate für aus­rei­chend, die Union spricht von sechs Monaten.”

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  2. Kai Dolgner

    Es wäre albern, abzu­leug­nen, dass es in der SPD zur Zeit eine (wahr­ge­nom­me­ne) Mehrheit für die VDS gibt, die zwar nicht so weit geht, wie die alte VDS oder die Vorstellungen des BMI aber sich deut­lich von mei­ner Position unter­schei­det. Ich habe aber immer klar gemacht, dass es mei­ne per­sön­li­che Position ist, u.a. hier:
    http://www.ltsh.de/presseticker/2010 – 03/​02/​12 – 29-21 – 7aac/PI-S4z2kXqs-spd.pdf
    Und Alvar und Tillmann ver­su­chen natür­lich einen gang­ba­ren Kompromiss inner­halb der SPD zu fin­den, der alle­mal bes­ser ist, als die bis­he­ri­gen Vorstellungen (ähn­lich wie es die FDP mit QuickFreeze+ pro­biert), wobei ich nach wie vor Quick Freeze + für einen tie­fe­ren Eingriff hal­te, da hier halt erheb­lich mehr Daten zwi­schen­ge­spei­chert wird, als die Zuordnung IP-Adresse/Anschlussinhaber. Aber wer Kompromisse sucht, bekommt natür­lich alle­mal mehr Schläge (im Zweifelsfall von bei­den Seiten, ich bin näm­lich einer die­ser bösen Innen- und Rechtspolitikern ;-)) als wenn man sei­ne Zielgruppe ein­fach „bedient”. Kompromisse suchen, hin­ter denen man viel­leicht nur zu 70% steht, gehört auch zum Wesen der Demokratie…Und mei­ne Wunschliste ist halt auch nur eine Wunschliste

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