Der Konflikt zwischen dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) und Facebook um den „Gefällt-Mir-Button“ und Fanseiten hat zu kontroversen Diskussionen bei Parteien, Institutionen, Verbänden und Experten, aber auch auf Seiten der Besucher/-innen und Nutzer-/innen von Facebook geführt.
Das Landesblog will nicht nur berichten, sondern auch Platz für Debatten sein. Ich habe deshalb alle Parteien sowie einige Verbände aus Schleswig-Holstein gebeten, uns ihre Sicht der Dinge zum Themenkomplex Facebook/Datenschutz im Landesblog darzustellen. Hier der Beitrag der von Dr. Martin Lätzel, Verbandsdirektor des Landesverbandes der Volkshochschulen Schleswig-Holsteins.
Weitere Artikel in der Debatte um Facebook finden Sie hier.
Dr. Martin Lätzel, 41 aus Molfsee, ist Verbandsdirektor des Landesverbandes der Volkshochschulen Schleswig-Holsteins und Publizist. Er twittert unter @VHS_SH und betreibt einen Blog zu Bildungsfragen unter bildungsweg.wordpress.com
Kultivierter Datenschmutz?
Eine Reaktion auf die Facebookdiskussion aus dem Kultur- und Bildungsbereich
Die Diskussion wird auch unter Kulturschaffenden im Land geführt: Was bedeutet die Androhung des ULD für uns? In den vergangenen Jahren hat sich die Facebook-Präsenz im Land exponentiell erhöht. Facebook, Twitter und Co waren in Kultur und Erwachsenenbildungskreisen Thema: Sollen wir das nutzen? Wenn ja, warum? Was spricht dagegen? Was dafür?
Die Diskussionen sind in Kultur- und Bildungsszene oft kontrovers geführt worden. Man sieht durchaus die negativen Implikationen der sozialen Netzwerke, die eine reale Auseinandersetzung verhindern und den Diskurs in eine virtuelle Parallelwelt verlagert. Zu hohe Medienpräsenz gerade bei jungen Leuten – sollen wir das auch noch unterstützen? Werden nicht die Werte, die wir immer vertreten haben – Reflexion, Kommunikation, Interaktion – durch die sozialen Medien unterminiert? Die Diskussion laufen weiterhin, gleichzeitig sind viele Kultureinrichtungen auf Facebook, Twitter, Xing und Google+ aktiv.
So weit, so gut. Auf dieser abstrakten, medientheoretischen Ebene, hätte die Diskussion weiter geführt werden können, ja geradezu weitergeführt werden müssen. Denn es ist ja gerade die Kultur, die das kritische Potenzial in die Gesellschaft bringt, die „Hemmungen“, von denen Klaus Mann sprach, hervorruft.
Andererseits haben sich Kommunikationsformen verändert, Vernetzung eine ganz neue Wertigkeit durch das Internet bekommen. Das betrifft Abläufe und Strukturen – in großen Volkshochschulen und Bildungsstätten beispielsweise meldet sich mittlerweile rund ein Drittel der Teilnehmenden per E-Mailformular an – das betrifft aber auch Chancen der Aktivierung von Interessierten und Kulturaffinen, mithin die Kampagnenfähigkeit. Und ja, es kann durchaus Sinn ergeben, sich offensiv um das junge Publikum via Facebook zu bemühen, um eben nicht nur Follower, sondern auch Kulturfollower zu bekommen, wie der Berliner Intendant Martin Hoffmann eindrucksvoll beweist.
Dass die Kultur und dass Kultureinrichtungen Facebook und andere soziale Netzwerke nutzen, ist also nur konsequent. Kultur entwickelt sich weiter, und mit dem Netz entwickelt sich auch die Netzkultur weiter. Blogger, Künstler, bloggende Künstler, Kultureinrichtungen nutzen Social Media, um ihre Programme bekannt zu machen, um kreative Interaktionen anzuregen und um mit anderen Künstlern oder auch Interessierten in Kontakt zu kommen. Kultur macht das Netz bunter, macht die Netznutzung kritischer und macht letztlich deutlich, dass sie keine Nischenveranstaltung ist, sondern gesellschaftlich mittendrin ist. Insofern ist Social Media Engagement ein Ausweg aus dem Elfenbeinturm.
Seit einigen Jahren gibt es in Duisburg die stArt Conference, ein Forum zum Austausch von Kultur und Web. Die rege Beteiligung und die Themen der vergangenen Konferenzen zeigen: das Medium ist aktuell, wird rezipiert und ist in so mancher Altersklasse zum zentralen leitmedium geworden. Facebook und Co werden auch im Kulturbereich intensiv genutzt.
Durch die Äußerungen des ULD ist die Debatte neu befeuert worden. Allerdings auf einer ganz anderen Ebene. Jetzt geht es nicht mehr um quasi pädagogische Fragestellungen, sondern um rechtliche, und die geben natürlich denjenigen, die das Web2.0-Engagement kritisch sehen, fundierte Argumente an die Hand. Alles nur – wenn auch kultivierter – Datenschmutz?
Die Auseinandersetzung muss geführt werden. Der Datenschutz insbesondere bei Facebook ist mangelhaft, und Thilo Weichert legt zurecht einen Finger in die Wunde. Wer keinen Datenschmutz produzieren will, muss reagieren. Wir vom Landesverband haben unsere Fanpage erst einmal abgeschaltet. Grund ist die Unsicherheit, die derzeit rechtlich besteht, Grund ist auch, Facebook deutlich zu machen, dass Nachbesserungen im Datenschutz notwendig sind. Ähnliche Diskussionen werden übrigens schon seit längerer Zeit im Kulturbereich zu Google-Adwords geführt.
Aber machen wir uns doch nichts vor: Zuckerberg und Co sind keine Philanthropen. Facebook als soziales Netzwerk ist eine gute Idee, aber es ist letztlich ein – zugegeben geniales – Geschäftsmodell. Wer diesen Sachverhalt bei der Nutzung komplett ausblendet, mag sich darüber wundern, dass die Firma die Daten weiterverwendet. By the way: Wie viele Konsumenten nutzen gedankenlos Payback und Rabattkarten, ohne sich über die Verwendung ihrer (Einkaufs)Daten Gedanken zu machen? Wer sich bewusst ist, dass Daten heute Geld wert sind, wird lernen müssen, behutsam mit dem „Medium“ Facebook und anderen sozialen Medien umzugehen.
Die Idee der sozialen Netzwerke ist nämlich genial. Sie verbinden Menschen, Ideen und erzeugen kreatives Potenzial. Für den Kulturbereich ist das eine gute Entwicklung. Das zu lösende Problem ist der Datenschutz, speziell bei Facebook. Nicht mehr, nicht weniger.
Die kulturelle Kommunikation über Facebook und Co wird weitergehen, eben weil Social Media selbstverständlicher Teil unserer Alltagskultur geworden ist. Davon kann und will sich niemand im Kulturbereich dispensieren. Weil der Kulturbereich sensibel ist, was den persönlichen Bereich des Individuums angeht, reagiert man dort allerdings sensibel und kontrovers auf allzu unsensiblen Umgang mit Daten. Die Diskussionen werden ebenso geführt wie das Engagement auf die Dauer weitergeführt wird. Vielleicht kann es ja mit kreativem Potenzial gelingen, echte Alternativen zum Monopolisten Facebook zu kreieren. Facebook ist eben nur ein Baustein in der Web 2.0 Welt. Und es sollte ferner nur ein Baustein in der transmedialen Kulturwelt sein. Wir brauchen weitere Plattformen, die dem Kulturaustausch dienen, auf denen Anregungen und Kritik erfolgen können, Impulse und Ideen transportiert werden und Ergebnisse bekannt gemacht werden können — natürlich nur mit kultiviertem Datenschutz.
Ich finde es richtig, dass sich die Politik Gedanken zum Thema Datenschutz und -sicherheit macht (das sollte sie übrigens auch bezüglich des eigenen Umgangs mit unseren Daten machen). Ich finde es auch richtig, dass versucht wird, Facebook & Co (rechtliche)Schranken zu setzen. Ob es aber sinnvoll ist, dieses Problem auf Bundesländerebene anzugehen und nicht dem Unternehmen, sondern dessen Kunden zu drohen, bezweifle ich doch etwas.
Ich würde meine Facebookseiten deshalb nicht offline nehmen, allerdings setze ich nicht nur auf Facebook alleine, sondern nutze auch andere Netzwerke. Insofern ist meine Abhängigkeit nicht so groß wie bei vielen anderen. Warum z.B. nicht auf Diaspora aktiv werden? Kommunikation und Interaktion sind dort möglich, ohne dass man gleich mit Werbung belästigt wird.