Grüne werden mit Facebook nicht grün: Facebook-Fanpage soll gelöscht werden

Von | 11. Januar 2012

Gestern (10. Januar) hat der Parteirat der Schleswig-Holsteinischen Grünen den Ausstieg aus sei­nem Facebook-Engagement beschlos­sen. Aus Teilnehmerkreisen ist zu hören, dass der (nicht unum­strit­te­ne) Beschluss sich nicht nur auf die Fanseite des Landesvorstandes bezieht: Die Kreis- und Ortverbände der Partei und die Landtagskandidatinnen und -kan­di­da­ten sol­len gebe­ten wer­den, sich ent­spre­chend zu ver­hal­ten. Vollständig zurück­zie­hen will man sich aber anschei­nend nicht: Private Profile und Gruppen sol­len wei­ter mög­lich sein.  

Fanpage der Grünen bei Facebook (Screenshot)

Fanpage der Grünen bei Facebook (Screenshot)

Der Landesverband der Grünen hat­te Ende September, als sich der Streit zwi­schen dem Schleswig-Holsteinischen Datenschützer (und Grünen) Thilo Weichert und Facebook zuspit­ze, ihre Fanpage „bestreikt“. Sie for­der­ten „einen bes­se­ren Datenschutz bei Facebook“ und woll­ten ihre Seite „einen Monat lang nicht mehr nut­zen“.

Schleswig-Holsteins Piraten, die sich nach den letz­ten Umfragen durch­aus Chancen aus­rech­nen dür­fen, in den nächs­ten Kieler Landtag ein­zie­hen zu kön­nen, haben schon Anfang Oktober 2011 aus daten­schutz­recht­li­chen Gründen Facebook den Rücken zuge­kehrt: Sie stell­ten den Betrieb ihrer Facebook-Fanpage ein und begrün­de­ten dies mit man­geln­dem Datenschutz und Nutzerrechten, die ihnen wich­ti­ger sind als die Vorteile sozia­ler Netzwerke im Wahlkampf. Als Alternative erwo­gen die poli­ti­schen Newcomer das sozia­le Netzwerk Diaspora, das sich durch sei­nen dezen­tra­len, daten­schutz­freund­li­chen und offe­nen Charakter aus­zeich­net. 

Der SSW hat­te, so schrieb deren Fraktionsvorsitzende Anke Spoorendonk im Oktober in einem Artikel im Landesblog, auf den Konflikt zwi­schen dem Kieler Datenschützer Thilo Weichert und Facebook „damit reagiert, dass wir eine bereits erstell­te Facebook-Fanpage der Partei vor­erst nicht online gestellt haben.

SPD, CDU, Linke und FDP sind wei­ter­hin aktiv. Ich hat­te über das Engagement der Parteien erst vor ein paar Tagen im Landesblog berich­tet

Ob Facebook nun gut oder schlecht ist, dar­über kann man sich nicht wirk­lich strei­ten: Für mich ist Facebook „bro­ken by design“. Mein Unbehagen an Facebook mache ich dabei nicht am Datenschutz fest, son­dern an dem prin­zi­pi­el­len Verstoß gegen eine der Säulen des World Wide Web: Universalität ist das grund­lie­gen­de Design des Webs. Landespolitiker, aber auch Pressesprecher, Öffentlichkeitsarbeiter und enga­gier­te Unterstützer der Fraktionen und Parteien füh­ren bei Facebook zuneh­mend auch poli­ti­sche Diskurse. Diese sind aller­dings nur schein­bar „öffent­lich“ (obwohl den Protagonisten durch­aus dar­an gele­gen wäre), denn sie fin­den in einer Umgebung statt, die nur dem kom­plett zugäng­lich ist, der Mitglied bei Facebook ist. Solche von Mauern umge­be­nen Reservate haben aber im Web die Ausnahme zu sein. Wenn es um „öffent­lich“ geht, sind sie sogar falsch: ein sys­te­ma­ti­scher Fehler in einer demo­kra­ti­schen Sphäre. Sir Tim Berners-Lee, der „Erfinder“ des World Wide Webs, hat in die­sem Artikel vor gut einem Jahr die Prinzipien des Webs in Erinnerung gebracht. (Alexander Stock hat die Kernthesen hier über­setzt). Mit Blick auf Facebook genügt die ers­te und wich­tigs­te These: Universalität ist das grund­lie­gen­de Design des Webs. Unabhängig von Hard- und Software, Netzwerkanbindung und Sprache soll es den Menschen mög­lich sein, jeden Inhalt in das Web zu stel­len und auf eben die­se Ressource zu ver­lin­ken. Das setzt zwin­gend Offenheit und Dezentralität vor­aus. Nicht ohne Grund war der Leitspruch des W3-Konsortiums, dem Gremium, das die zum World Wide Web gehö­ren­den Techniken stan­dar­di­siert, zunächst „Everyone’s a publisher!“. Jeder soll veröffent­lichen kön­nen Das erfüllt Facebook nicht und ist des­halb kaputt. 

Das wird den Wahlkampfstrategen der Bündnis-Grünen nicht wirk­lich nüt­zen. Denn jen­seits der rei­nen Lehre kommt schnell die rei­ne Leere: Viele Grüne sind bei Facebook aktiv. Die sozia­len Netzwerke sind ein­fa­che und effek­ti­ve Instrumente, um Kampagnen beson­ders im eige­nen Klientel zu ver­brei­ten und ein sinn­vol­ler wei­te­rer Kanal, um Mitglieder zum Wahlkampf zu moti­vie­ren. Man wird sehen, ob nun ein Ausweichen auf Facebook-Profile und -Gruppen statt­fin­den wird. Ein nicht ganz ein­fa­ches Abwägen, da das schnell den Vorwurf des Populismus nach sich zie­hen könn­te.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

9 Gedanken zu “Grüne werden mit Facebook nicht grün: Facebook-Fanpage soll gelöscht werden”:

  1. struppi

    Danke, das war für mich auch eine neue Sichtweise auf FB und Co. Die ich aber nur bestä­ti­gen kann. Mich beschleicht auch immer öfters das Gefühl, dass sol­che Netzwerke ähn­lich wie frü­her z.b. das Compuserve Netz sind. Nach aus­sen sie fast unsicht­bar und ohne akti­vier­tes JS sind sie es (zumin­dest FB und G+).

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  2. Arnold

    In vie­len Punkte sehr gut aus­ge­führt.
    Facebook ist eben kei­ne ech­te Öffentlichkeit(sarbeit). Es ist nur für eine Teilöffentlichkeit bestimmt, die zudem einer finan­zi­el­len Fremdbestimmung unter­liegt.
    Wenn dies zudem den Datenschutz ange­spro­che­nen Nutzer — also ande­rer — beein­träch­tigt, soll­te man dies unter­las­sen.

    Respekt auch und ins­beaon­de­re, dies in der Wahlkampfphase zu tun umd den Piraten zu fol­gen.

    Mich als Wähler spricht es zumin­dest inso­weit an, dass es nun ein „Kreuzverhinderer”

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    1. Arnold

      Mist — die klei­nen „Smartphonetastaturen”! Beim Korrekturversuch zu früh auf „Publish” gekom­men.
      Daher geht es hier mit der Korrektur wei­ter:

      Mich spricht es inso­weit an, dass nun ein “Kreuzverhinderer” besei­tigt wur­de.
      Es wird jeden­falls nicht allein auf die even­tu­el­le Möglichkeit geschielt, Wähler um jeden Preis zuge­win­nen, son­dern läßt sei­ner Überzeugung auch Entscheidungen fol­gen.

      Andere soll­ten sich da mE ein Beispiel an den Piraten, dem SSW und nun auch den Grünen neh­men.
      Folgt den netz­po­lit­schen Stern(en) ;-)

      Sollten wir die Anregung des Autors bezüg­lich ande­rer Sozialer Netzwerke wie Diaspora nicht zB mal beim nächs­ten NetzPolitikBierKiel #npb­ki bespre­chen.
      Wie kann man aus der „reak­ti­ven Verweigererhaltung” zu posi­ti­ven Aktivitäten kom­men?

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  3. Kai Dolgner

    Es ist immer lus­tig zu lesen, wie schnell doch umde­fi­niert wird, was erstre­bens­wer­tes Verhalten bei Abgeordneten ist, damit man „wähl­bar” sei. Vor nicht ganz 1,5 Jahren wur­den auch hier im lan­des­blog Listen auf­ge­macht, wer bei face­book und bei twit­ter wie aktiv ist. Das waren schon damals kom­mer­zi­el­le Dienste! Die Stoßrichtung schien mir eher nicht zu sein, die­se Aktivitäten zu kri­ti­sie­ren. Ich hat­te übri­gens schon immer ganz bewusst nur ein Profil und kei­ne Seite. In der all­ge­mei­nen „was-wir gera­de-rich­tig-fin­den-Normierung” galt das als rück­stän­dig. Nun ist das also per se böse eine Seite zu haben, soso. Ich lei­de hof­fent­lich nicht an Allmachtsgefühlen. Nicht die Politiker suchen sich die Kommunikationswege aus, son­dern es wer­den an uns immer wie­der neue Anforderungen gestellt, wie wir a) erreich­bar zu sein haben b) unse­re Arbeit prä­sen­tie­ren sol­len. Da aber auch unser Tag nur 24 Stunden hat, müs­sen wir die Kommunikationswege mit dem meis­ten „impact” anbie­ten udn das suchen wir uns wahr­lich nicht aus. Andere, viel­leicht sogar bes­se­re und im Kern nicht kom­mer­zi­el­le, wie IRC oder use­net muss­te ich des­halb schon vor Jahren ein­stel­len. Hand aufs Herz, wie­vie­le Menschen lesen noch bei kiel.* mit? Ich wäre heil­froh, wenn es denn den e i n e n Kommunikationsweg mit den Bürgerinnen und Bürgern geben wür­de, aber wer ein Interview gibt, kom­mu­ni­ziert auch nur mit den­je­ni­gen, die das Medium lesen oder hören, in vie­len Fällen sogar kau­fen müs­sen. Internetzugang gibt es lei­der auch nicht für lau, ein guter Teil der Bevölkerung nutzt das Internet über­haupt nicht, ein ande­rer Teil nur zum shop­pen etc. Bei Webforen muss mensch sich meis­tens anmel­den usw. „Barrieren und Reservate” gibt es viel­fäl­tig, gewollt und unge­wollt, dass fängt schon dabei an, dass nicht alle Menschen die glei­chen „Kulturtechniken” beherr­schen (wol­len). Viele Menschen U20 kom­mu­ni­zie­ren übri­gens (lei­der) aus­schließ­lich per face­book mit mir, davor war es stu­di­vz. Die nut­zen zum Teil gar kei­ne email mehr. Schlussbemerkung: Auch beim lan­des­blog sind die ers­ten drei Möglichkeiten von „Folgen Sie uns” sind die weit­ver­brei­tes­ten und kom­mer­zi­el­len fb, g+ und twit­ter, ein Schelm ist… Wo ist da eigent­lich dia­spo­ra?

    Nur mei­ne zwei Eurocents

    Kai

    Disclaimer: Die Darstellung der Überlegungen des Autors zur kon­kre­ten Problematik soll weder die der­zei­ti­gen Zustände recht­fer­ti­gen, noch las­sen sie Rückschlüsse auf sei­ne Idealvorstellungen zu, son­dern ist ledig­lich Ausfluss sei­ner eige­nen Unvollkommenheit und Machtberschränktheit, die „Beste aller Welten” im Alleingang zu ver­wirk­li­chen. Der Autor hat nicht zu jedem Problem im Detail Stellung genom­men, nicht weil er die­se aus­blen­den möch­te, son­dern weil er die Zahl der unnö­tig geschubs­ten Elektronen mini­mie­ren woll­te.

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    1. Swen Wacker

      Wo fang ich an? Also: Das Landesblog hat, das war intern durch­aus umstrit­ten, einen Facebook-Button unten drun­ter und so einen Facebook-Kasten rechts neben jedem Artikel. Das bedeu­tet, dass wir uns auf der Plattform FB enga­gie­ren und damit die­ses sozia­le Netzwerk auch in gewis­ser Hinsicht unter­stüt­zen. Anderseits hal­te ich FB prin­zi­pi­ell für kaputt. So wie ich das in die­sen Artikeln (nicht zum ers­ten Mal auf dem Landesblog, sie­he der ver­link­te Artikel „Unbehagen an Facebook”)

      Mir ist klar, dass das in gewis­ser Hinsicht wider­sprüch­lich ist. So wider­sprüch­lich wie das Verdammen der BILD und das geich­zei­ti­ge Klicken auf deren Webseiten um zu lesen, was sie neu­es über Wulff aus­ge­bud­delt haben. So wie­der­sprüch­lich, wie gegen Atomkraft zu sein und sei­nen Strom immer noch von den Stadtwerken zu bezie­hen (Ich: in KI: Stadtwerke, in LG: poli­tisch kor­rek­ter Strom)

      FB und Atomstrom haben den ange­neh­men Unterschied, dass bei FB-GAU aller Voraussicht nach nie­mand stirbt. Deshalb fin­de ich den Widerspruch auch erträg­lich und kann es für mich auch ertra­gen, auf FB zu sein. Um dar­aus eine poli­ti­sche Kampagne zu machen (das wäre mein Vorwurf an die Grünen), reicht es eben nicht, FB (stre­cken­wei­se) zu boy­kot­tie­ren. Dann muss auch die Alternative her. So wie wir beim Atomausstieg auch stets die Förderung von Energie-Effizienzmaßnahmen und der Förderung rege­ne­ra­ti­ver Energien ange­scho­ben haben.

      Ich hät­te mir des­halb gewünscht, dass gleich­zei­tig eine Hinwendung zu Diaspora oder ande­re Alternativen pro­pa­gan­diert wird. So wie ich mir vom ULD wün­sche, dass es nicht in der jet­zi­gen Art gegen FB agiert, son­dern dass es auf prak­ti­scher Ebene z.B. Diaspora unter­stützt. So wie sei­ner­zeit das ULD das Projekt AN.ON geför­dert hat.

      Ich fin­de es nicht böse, eine Fanpage zu haben. Ich lese das auch nicht aus mei­nen Artikel her­aus.

      Zu Diaspora und WordPress: Ich hat­te gern ein Plugin, das Diaspora und WP ver­bin­det. Ich habe dafür gewor­ben und her­um­ge­ge­fragt — lei­der ohne Erfolg. Niemand hat dafür den Elan. Schade.

      Was den feh­len­den „Folgen Sie uns” Button angeht: Stimmt, der muss da hin.

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      1. Kai Dolgner

        Randbemerkung: Und das ist das Problem, wes­halb Kommerzialisierung und Majorisierung sehr häu­fig klappt: Da kommt der Elan auto­ma­tisch mit dem Gewinnstreben…

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  4. Carsten

    Diese Meinung kann ich lei­der nicht unter­stüt­zen.

    Wenn Grüne sich bei Facebook einen Monat lang nicht bli­cken las­sen, hat das über­haupt kei­ne Wirkung! Es macht außer­dem den Eindruck als wür­den sie nur den Piraten hin­ter­her­lau­fen.

    Aber ich kann auch die Meinung nicht tei­len, Facebook sei nicht wie ein öffent­li­cher Raum zu behan­deln.
    Wenn ich bei Facebook nicht ange­mel­det bin, kann ich nicht sehen, was ande­re Nutzer schrei­ben.
    Wenn ich kein Abo einer Tageszeitung habe, sehe ich nicht, wenn eine Pressemitteilung gedruckt wird.
    Wenn ich kei­nen Fernseher habe, kann ich mir die Nachrichten nicht angu­cken.
    Wenn ich kein Telefon habe, kann ich nicht ange­ru­fen wer­den und über ver­meint­lich wich­ti­ges auf­ge­klärt wer­den.

    Fällt was auf? Jeder ent­schei­det selbst, wie sehr er am öffent­li­chen Leben teil­ha­ben mag. Und dazu gehört nun­mal auch Facebook.

    http://www.roter-beisser.com

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