Polizei: Fahndung auch auf Facebook?

Von | 12. Januar 2012

Eigentlich ist es ganz ein­fach: Wenn die Polizei nach einen Täter sucht oder ihn zu iden­ti­fi­zie­ren ver­sucht, dann wen­det sie sich auch an die Bürgerinnen und Bürger und bit­tet sie um Mithilfe. Crowdsourcing nennt man das heut­zu­ta­ge.

Als es noch kei­ne Schwarmtheorie gab, die Menschen aber des Lesens schon mäch­tig waren, mach­te man das mit Steckbriefen. Gestern hie­ßen die Fahndungsplakate.

Kein Western, in dem nicht wenigs­tens ein „Dead or alive“-Plakat an der Tür des Saloons hängt. Georg Büchners Steckbrief klebt seit 1835 in jedem zwei­ten Geschichtsbuch. In den 1970er und 1980er Jahren hin­gen RAF-Fahndungsplakate in Postfilialen, Banken, Behördenfluren oder Bahnhöfen. Heute hän­gen Aufrufe in Schaufenstern, Bussen oder ande­ren öffent­li­chen, gut fre­quen­tier­ten Räumen aus. Bei aktu­el­lem Fahndungsdruck wer­den auch Presse, Rundfunk oder Fernsehen um Mithilfe gebe­ten. Das FBI in den USA benutzt seit ein paar Jahren sogar „Electronic wan­ted pos­ter“ – Elektronische Plakatwände, die wir hier in Europa allen­falls als stän­dig blin­ken­des Nervdings für Werbezwecke ken­nen.

Es ist also seit jeher das glei­che, völ­lig unauf­ge­reg­te Spiel: Die Polizei geht mit ihren Plakaten dahin, wo sich die anzu­spre­chen­de Zielgruppe auf­hält. Das kön­nen dann auch mal Fußballstadien, Discothekenmeilen oder Arztpraxen sein. Genauso unauf­ge­regt ist es, dass die Polizei heu­te auch das Internet mit ein­be­zieht. So sind eini­ge Polizeibehörden bei Facebook ver­tre­ten und pla­ka­tie­ren dort ihre Fahndungsaufrufe. Wegen der „Teilen“-Funktion inner­halb der sozia­len Netzwerke ist das sehr effek­tiv. Bei 22.123.660 Deutschen, die bei Facebook akti­ve Nutzer sind, wäre es sogar dumm, die­sen gut besuch­ten Platz nicht zu nut­zen — zumal die Kosten kaum ins Gewicht fal­len soll­ten.

Man könn­te sich also dar­über lus­tig machen, dass für die­se schein­bar bana­le Entscheidung über­haupt ein Projekt auf­ge­macht wird, eine Versuchsphase mit (wohl­mög­lich: wis­sen­schaft­lich fun­dier­ter) Auswertung vor­ge­se­hen wird und eine bun­des­wei­te Koordinierung ange­strebt wird. Fehlt nur noch der Wunsch nach einer EU-Richtlinie.

Bei Facebook sind zum Beispiel die Kriminalpolizei Bremerhaven, die Polizei Mecklenburg-Vorpommern, das BKA, die Polizeiinspektion Harburg, das Polizeipräsidium Stuttgart und die Polizei Hannover. Letztere hat Ende letz­ten Jahres Bilanz gezo­gen. Sie konn­ten kei­ne Wunderwerke ver­mel­den, aber immer­hin acht geklär­te Fälle, so stand es in der taz, kön­ne man auf das Engagement bei Facebook zurück­füh­ren.

Skeptiker gibt es aber auch: der Niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragter kri­ti­siert, so die taz, den Standort der Facebook-Server in den USA. Ähnlich äußer­te sich Thilo Weichert, Schleswig-Holstein obers­ter Datenschützer, als die Kieler Nachrichten das Thema letz­te Woche auf Schleswig-Holstein über­tru­gen: „Finger weg davon“. Politiker im Kieler Landtag, Peter Eichstädt (SPD) und Thorsten Fürter (Grüne) signa­li­sier­ten hin­ge­gen gegen­über den KN Zustimmung. Auch die Landespolizei ist inter­es­siert. Heute hat dpa das Thema wie­der auf­ge­grif­fen. Weichert, der Facebook ille­ga­le Praktiken unter­stellt, hält das sozia­le Netzwerk jedoch nicht für einen Platz, auf dem sich die Polizei bevöl­ke­rungs­in­for­mie­rend auf­hal­ten soll­te. Seine Idee: Die Polizei soll­te statt­des­sen lie­ber sel­ber Internetportale schaf­fen, auch für Fahndungszwecke.

Das hal­te ich nun für eine sau­blö­de Idee. Dann kann man Fahndungsplakate auch gleich exklu­siv in Polizeistuben auf­hän­gen. Und, viel wich­ti­ger, die Vergangenheit hat gezeigt, dass gera­de die Polizei mit eige­nen Servern ab und an Schindluder treibt und sie schon mal ziem­lich daten­schutzun­kon­form als Honigtopf benutzt. Dann bes­ser bei Facebook Plakate kle­ben. Da weiß man wenigs­tens, wor­an man hat.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert