Ich wollte gestern Abend einen Artikel über eine Presseerklärung von Ingrid Brand-Hückstädt (FDP), die Antwort von Jörg Nickel (Grüne) dazu, den Netzpolitischen Forderungen der Opposition und den Vorstellungen der die Regierung tragenden Fraktionen im Kieler Landtag schreiben und schließlich darüber lästern, dass das Hin und Her der FDP doch nun wirklich nicht mit „bleibt bei ihrer Linie“ zu beschreiben sei.
Stattdessen habe ich mir einen Rede angehört, auf die Stefan Münz kürzlich auf Google+ aufmerksam gemacht. Und das war gut so.
Der ZEIT-Online-Chefredakteur Wolfgang Blau sprach Ende Oktober 2011 unter dem Titel ONLINE PARTIZIPIEREN, ONLINE ARBEITEN — Demokratie und Staat, Wirtschaft und Arbeit in der digitalen Welt auf der EIDG-Konferenz (EIDG steht für die „Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestages) 30 Minuten lang „kluge, fundierte und verständliche Bemerkungen zu den internet-bedingten Veränderungen in Medien, Gesellschaft und Kultur“. Eingeladen hatten die Friedrich-Naumann-Stiftung und die Konrad-Adenauer-Stiftung.
Wolfgang Blau überfordert seine Zuhörer nicht, er setzt nicht viel voraus, der konfrontiert nicht, es setzt nicht auf Eskalation. Er holt seine Zuhörer ab, spannt sehr ruhig einen großen Bogen und lädt seine Zuhörer ein, sich zu öffnen und digitale Gräben nicht als Grenzverlauf sondern als Aufforderung zum zuschütten zu begreifen.
Egal, ob Sie sich als „Internet-Bescheidwisser“ oder Skeptiker einstufen würden: Bitte nehmen Sie sich einfach mal die Zeit, das Video in aller Ruhe anzuhören. Und wenn Sie dieses Video auf Facebook oder anderswo sehen: klicken sie nicht (nur) auf „Gefällt mir“ sondern „teilen“ Sie es (auch).
Also besonders kompetent scheint mir der Kerl nicht zu sein. Was mir besonders auffiel ist, dass er jede Innovation positiv wertet und die vorgetragenen Bedenken als grundsätzlich falsch. So leitet er zwar nicht ein — aber letztlich gibt es bei seinen Beispiel keines, wo die Menschen eine Erfindung als zu positiv bewertet haben. Mir würden da eine Vielzahl an Umweltproblemen durch CO2, Atom, Wasserverschmutzung, .… ein. Würde man Herrn Blaus Logik folgen, dann gäbe es keine Möglichkeit einer negativen Folge. Herr Blau ist ein bedingungsloser Freund Fortschritts. Alles Neue ist richtig und gut. In der Einleitung nennt er noch verschiedene Sichtweisen — nimmt dann aber Übergangslos eine ausschließlich positive Sichtweise, insbesondere des Internets, ein. Es gibt nur Chancen und keine Risiken. Grob fahrlässig geht er mit dem positiven Blick auf Bürgerhaushalte ein. Kritik an denen ist, dass sie primär der Kürzung von Haushalten dienen — und nicht wirklich der Partizipation. Und was „Open Data” angeht behauptet er, dass das die maschinenlesbare Veröffentlichung aller öffentlich geförderter Daten wäre. Das ist aber beides falsch. „Open Data” bedeutet den Versuch auf die Informationsfreiheit zu reagieren — und zwar mit dem grundsätzlichen Veröffentlichen von Informationen, die für die Öffentlichkeit interessant sein könnten. Dabei werden nicht einfach alle Daten veröffentlicht, sondern es muss sehr gut abgewogen werden, was veröffentlicht wird. Der ULD beschäftigt sich auch intensiv mit dem Thema.
Abgesehen von diesen Fakten wirkte er auf mich doch eher wie ein Prediger. An verwertbaren und relevanten Informationen und Ratschlägen habe ich da nichts gehört.