Nur schlechtes Timing?

Von | 19. April 2012

Schon ein anti­se­mi­ti­sches Statement?

Heute mor­gen wur­de ich ange­spro­chen, ich möge mir doch bit­te ein­mal einen Post von Manfred Vandersee anse­hen. Der ist Direktkandidat der Piratenpartei im Wahlkreis Lübeck-Ost. Und ob ich glau­ben wür­de, das es sich dabei um ein anti­se­mi­ti­sches Statement hal­ten wür­de, wur­de ich gefragt. Also sah ich mir das ent­spre­chen­de Statement an:

Der Zentralrat der Juden wird ab 2012 mit 10 Millionen Euro (!) aus hart erar­bei­te­ten Steuergeldern ali­men­tiert! Weitere Kommentare spa­re ich mir an die­ser Stelle:
http://www.zentralratdjuden.de/de/article/3493.html

Meine Einschätzung war, dass die­ses Statement nicht klar als anti­se­mi­tisch ein­ge­stuft wer­den kön­ne. Dass ist aller­dings ande­rer­seits auch kein Beweis, dass es nicht als anti­se­mi­tisch ein­zu­stu­fen ist. Antisemiten spie­len gern damit, dass sie Statements so for­mu­lie­ren, dass sie dop­pel­deu­tig oder nicht klar ein­zu­ord­nen blei­ben. Und so ent­schied ich mich, auf Facebook ein­fach ein­mal nach­zu­fra­gen, wie dort die­se Äußerung gese­hen wür­de:

„Ich frag ein­fach ein­mal ganz blöd: Was hal­tet Ihr denn davon? Manfred Vandersee ist Direktkandidat der Piraten in Lübeck Ost.”

Parallel dazu habe ich bei abge­ord­ne­ten­watch Manfred Vandersee die Gelegenheit gege­ben, dazu Stellung zu bezie­hen.

Relativ schnell fan­den sich jede Menge Kommentare auf mei­ne Frage auf Facebook. Einige waren sich sofort sicher, dass es sich um ein anti­se­mi­ti­sches Statement han­deln wür­de, ande­re stell­ten mehr die Frage in den Mittelpunkt, wes­halb die staat­li­chen Zuwendungen an den Zentralrat der Juden von 5 auf 10 Millionen Euro jähr­lich erhöht wür­den.

Als ich dann auf Facebook eine Freundschaftsanfrage von Torsten Krahn erhielt, sei­nes Zeichens Pressesprecher der Piraten in Schleswig-Holstein aus Lübeck, war mir schon klar, dass jetzt das Krisenmanagement ein­set­zen soll­te. Und tat­säch­lich tauch­te kur­ze Zeit spä­ter der ers­te Kommentar auf:

Abstoßend, wie hier spe­ku­liert und zum Teil sogar ver­ur­teilt wird, bevor über­haupt irgend­je­mand weiß, wie er es meint. […] Wartet doch ein­fach ab, was er spä­ter dazu sagt. Meines Wissens arbei­tet er gera­de.

Die Aufforderung, dem Direktkandidaten der Piraten die Möglichkeit zu geben, selbst Stellung zu bezie­hen, ist durch­aus berech­tigt. Ebenso der Verweis dar­auf, dass er ver­mut­lich gera­de arbei­te. Bekannt von den tra­di­tio­nel­len Parteien in sol­chen Situationen ist die auch hier ange­wand­te Strategie „Angriff ist die bes­te Verteidigung”. Deshalb wird die mög­li­cher­wei­se sogar berech­tig­te Kritik gleich ein­mal prä­ven­tiv als „absto­ßend” bezeich­net. Gleichzeitig wird mit einer sol­chen Argumentation die Wagenburg der eige­nen Anhänger geschlos­sen – die Bösen da drau­ßen und wir Guten hier drin­nen. Klassisch.

Meine Nachfrage, ob ein sol­ches Posting zumin­dest nicht dann eini­ger­ma­ßen unglück­lich sei, wenn einen Tag vor­her der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, die Piratenpartei für deren Umgang mit Bodo Thiesen kri­ti­siert hat, moch­te Krahn nur auf deut­li­che Nachfrage hin beant­wor­ten:

Zum Politikstil der Piraten gehört, sich kei­ne tak­ti­schen Gedanken zu machen, ob etwas „gera­de unglück­lich” ist. Ganz all­ge­mein gilt: Wenn man meint, dass es etwas zu kri­ti­sie­ren gibt, soll­te man das tun.

Ob das nun ein ange­mes­se­ner Umgang mit dem Verdacht des Antisemitismus ist, muss jeder Leser für sich ent­schei­den – ob das Posting von Manfred Vandersee tat­säch­lich als anti­se­mi­tisch anzu­se­hen ist, eben­falls. Klar ist für mich jeden­falls, dass die Piratenpartei in Gänze kei­ne anti­se­mi­ti­sche Partei ist. Ihren Umgang mit dem Thema Antisemitismus und der Haltung eini­ger ihrer Mitglieder dazu aller­dings sehe ich noch als deut­lich ver­bes­se­rungs­fä­hig an.

Ich wür­de mich jeden­falls freu­en, wenn Manfred Vandersee dann doch irgend­wann noch Stellung bezö­ge, wel­che Kommentare er sich, den Piraten oder uns denn bis­her erspart hat. Bisher ist mir kei­ne Stellungnahme von ihm bekannt. Vielleicht arbei­tet er ja immer noch.

Übrigens: Man hät­te Jom haScho’a in jedem Fall durch­aus wür­di­ger bege­hen kön­nen.

20 Gedanken zu “Nur schlechtes Timing?”:

  1. Kai

    (ver­dammt, fal­scher Button)

    …den Namen Manfred Vandersee ein­fach mal goog­len. Der ist schon öfter durch hane­bü­che­ne Meinungen auf­ge­fal­len.

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  2. Kai

    (noch­mal ich: die­ses kom­men­tie­ren im Mobilbrowser macht mich kir­re)

    Ich sehe auch gera­de, dass der Autor die­ses Artikels sel­ber auch zu den Verächtern der Klimapolitik und Leugnern der Notwendigkeit sel­bi­ger zählt. Insofern ist das ja ein Bruder im Geiste…

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  3. Likedeel

    Dazu ein­mal ergän­zend:
    http://www.piratenpartei-sh.de/presse/pressemitteilungen/553-zitat-aus-dem-kontext-gerissen-piratenpartei-schleswig-holstein-kritisiert-unfairen-angriff-von-rot-grün.html

    und:
    http://www.ln-online.de/nachrichten/3423144/luebecker-pirat-am-rechten-rand

    Manfred hat sich, als glü­hen­der Laizist ‚auch kri­tisch über Restriktionen und Erhöhung der Kirche zu Tanzverboten am Karfreitag oder der Verwebung von Kirche und Staat geäus­sert. Die his­to­ri­sche Bedeutung, die damit ver­bun­den ist und die Peinlichkeit sei­ner unbe­dach­ten und der ein­sei­ti­gen Betrachtung der Erhöhung der staat­li­chen Zuwendung des Zentralrates der Juden, sah er in einem Gespräch sofort ein.

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    1. Kai Dolgner

      Soso, ein FDP(!)-Mitglied posted eine Frage auf Facebook zu einem Zitat einer Eurer Kandidaten für den Landtag(!). Und nun macht Ihr genau das, was Ihr ande­ren ger­ne vor­werft: Ihr ver­dreht Ursache und Wirkung, haut den Whistleblower, ver­sucht abzu­wie­geln und werft ande­ren Schmutzwahlkampf vor (wobei sich die SPD zu die­ser Sache, soweit ich weiß, noch gar nicht geäu­ßert hat oder?). Die ande­ren Zitate sind ja auch „inter­es­sant”, um mir nicht gleich auch noch Schmutzwahlkampf vor­hal­ten zu las­sen. Ihr geht mit dem ziem­lich hoch­ge­steck­ten Anspruch des „Bessermachens” in die Politik und leis­tet dabei nun wirk­lich ziem­lich gene­ra­li­sie­ren­de Kritik an der Arbeit der Menschen in den sog. Altparteien. Vielleicht soll­tet Ihr mal Eure eige­nen Ansprüche dem Realitätscheck unter­zie­hen. Oliver, ich wuss­te übri­gens noch gar­nicht, dass Du für rot­grün kämpfst ;-).

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      1. Oliver Fink

        Man lernt ja nie aus. Scheinbar gelingt es mir nicht wirk­lich, mei­ne poli­ti­sche Vergangenheit zu ver­leug­nen. Aber sag’s bit­te nicht wei­ter. ;)

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  4. Nico Nissen

    Die Primatenpartei ist schein­bar zu blöd, die Aussagen ihrer eige­nen Kandidaten zu erg­oogeln.

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  5. KielKontrovers

    @Oliver: Danke fürs Posten der Frage und des Artikels. Ich beschäf­ti­ge mich ja nun schon län­ger mit dem Phänomen Piraten — und ich glau­be die bes­te Zusammenfassung ist die, dass ihre größ­ten Stärken auch ihre größ­ten Schwächen sind: Sie sind unkon­ven­tio­nell — und stel­len vie­le Grundkonsense in der Politik in fra­ge. Meine Kritik an ihnen ist daher haupt­säch­lich, dass es bestimm­te Dinge gibt, die man nicht in fra­ge stel­len soll­te — und auch bestimm­te Positionen, die kei­ne ein­fa­che Meinung dar­stel­len.
    Und im Vergleich zu ande­ren Parteien muss man ein­fach kon­sta­tie­ren: Trotzdem die Piraten rela­tiv klein sind, ist hier die Spinner-Quote enorm hoch. Das mag auch dar­an lie­gen, dass sie noch nicht so lan­ge im Geschäft sind. Aber in vie­len Fällen gibts immer eine Menge Piraten, die jeman­den bei­sprin­gen, statt sich zu distan­zie­ren, der mal wie­der ras­sis­tisch oder anti­se­mi­ti­sche Äußerungen getan hat. die öffent­li­chen Positionen sind oft­mals anti­ras­sis­tisch. Allerdings ver­misst man dann wie die­ses mal wie­der eine kla­re und früh­zei­ti­ge Distanzierung von zwei­fel­haf­ten Äußerungen. Gerade Herr Dudda meint ja immer, die Piraten wären klar anti­fa­schis­tisch. Die oben ver­link­te Pressemitteilung ist aller­dings nichts ande­res als eine Verschleierung und Verdrehung von Tatsachen. Man müß­te mal die Fälle bei den Piraten zäh­len, wo Ex-NPD-Ler als Kandidaten gekürt wur­den, ein Kandidat rechts­ra­di­ka­le Äußerungen tätig­te. Es sind komi­scher­wei­se fast aus­schließ­lich Piraten die seit ca. 2 Jahren auf­fal­len. Meine Schlussfolgerung ist zumin­dest die: Rechtsradikale füh­len sich bei den Piraten wohl und gut auf­ge­ho­ben, weil man dort ihre Meinung tole­riert (wenn auch nicht immer teilt). Das ist falsch ver­stan­de­ne Meinungsfreiheit: Ich selbst habe da im Piratenchat vor eini­ger Zeit auch mal die Erfahrung gemacht, dass ein Gast den Holocaust geleug­net hat­te, aber anstatt IHN raus­zu­wer­fen warf der Operator MICH her­aus, weil ich die­se Äußerung scharf kri­ti­sier­te. Das habe ich dem Bundesvorstand auch mit­ge­teilt, aber es gab dar­auf weder eine Antwort noch eine Konsequenz. Fazit: Die Piratenpartei ist die bes­te Möglichkeit für Rechtsradikale ihr Gedankengut zu pfle­gen und viel­leicht sogar in Landtage oder Kommunalparlamente ein­zu­zie­hen. mehr noch als bei der NPD. Und das haben die Piraten sel­ber so gewollt. Es gibt zwar immer wie­der Bemühungen sich gegen bestimm­te Auswüchse abzu­gren­zen, aber dann dich immer halb­her­zig — wie im Falle Bodo Thiesen: Wurde ein Parteimitglied bereits ermahnt, kön­ne man ihn ja nicht raus­wer­fen. Damit wür­de man ihn ja dop­pelt bestra­fen. Angesichts des­sen, dass Thiesen da fast Volksverhetzung betrie­ben hat und so ein Schiedsgericht ja durch­aus einen Ermessensspielraum hat, im Gegensatz zu einem ech­ten Gericht, schon erstaun­lich. Holocaustleugnung ist m.E. in der Piratenpartei also durch­aus etwas womit Mitglieder und Kandidaten durch­kom­men kön­nen. Von daher sage ich schon län­ger #SagNeinZuPiraten http://ritinardo.wordpress.com/tag/sagneinzupiraten/

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    1. Maren Plaschnick

      Mit Holocaust-Leugnung kann man viel­leicht in der Piratenpartei etwas wer­den. Aber wie lan­ge noch? Meines Wissens ist Holocaust-Leugnung straf­bar. Statt der Piratenpartei dau­ern­de Unwissenheit zuzu­ge­ste­hen, soll­te man bes­ser gleich Strafanzeige stel­len.

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  6. Thomas Lange

    Ich wür­de mich freu­en, wenn der Lübecker Piraten-Kandidat selbst klar­stellt, was er mit sei­nem für jeden sicht­ba­ren Facebook-Profil sagen woll­te und war­um er im August 2011 die baye­ri­sche Skinhead Combo (http://www.myspace.com/burning666hate) auf Twitter „emp­fiehlt”. Die Möglichkeit gab es auch schon ges­tern und gibt es heu­te.

    Mich beschäf­tigt (als Kandidat) eine wei­te­re Frage. Welche Maßstäbe an Verantwortung legen eigent­lich die Piraten an sich selbst an?
    Das Werkzeug der Politik ist Sprache. Ich erin­ne­re zum Beispiel an die unglück­li­che Aussage „Ich gucke Internet” einer grü­nen Politikerin in einer Talkshow. Über die­se Aussage machen sich vie­le Piraten bis heu­te lus­tig.

    Hier hat ein Kandidat der Piraten selbst eine äußerst unglück­li­che und inter­pre­tier­ba­re Aussage getrof­fen, aber gemes­sen an die­ser und inter­pre­tiert wer­den darf er laut der Piraten SH nicht. Mit sei­nem Zusatz „Weitere Kommentare spa­re ich mir an die­ser Stelle” lädt er doch selbst zum Interpretieren ein.

    Die Interpretation wur­de auch mir vor­ge­wor­fen und gleich­zei­tig vor­ge­hal­ten, war­um ich nicht erst die per­sön­li­chen Umstände erfragt habe. Bitte? Ich möch­te Euch erin­nern, dass Euer Kandidat nicht als Klassensprecher kan­di­diert.

    Abschließend möch­te ich fest­hal­ten, dass es über Religionsfragen hin­aus­ge­hen­de Gründe für die insti­tu­tio­nel­le Förderung der Jüdischen Gemeinden in Deutschland gibt. Diese wur­den euro­pa­weit durch Deutsche ver­trie­ben und aus­ge­löscht. Alleine in Berlin leb­ten vor den Nazis 180.000 Juden. Danach null. Es geht hier nicht um reli­giö­se Förderung, son­dern um die Bereicherung unse­rer Gesellschaft mit der jüdi­schen Kultur, die wie gesagt von unse­ren Großeltern (nach über 1500 Jahren Zugehörigkeit als Minderheit) euro­pa­weit aus­ge­löscht wur­de.

    Von einem Kandidaten zum schles­wig-hol­stei­ni­schen Landtag erwar­te ich das Wissen und auch eine Reflektion über die­se Situation.

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  7. Oliver Fink Post author

    Wundere eigent­lich nur ich mich über die­se Presseerklärung der Piraten: http://is.gd/E9MaxF ?

    Unter ande­rem steht dort: „So wur­de ein Direktkandidat aus Lübeck aus dem Kontext her­aus gelöst zitiert und die Behauptung auf­ge­stellt, es wür­de sich bei sei­ner Äußerung zu der geplan­ten Verdopplung der staat­li­chen Zuwendung an den Zentralrat der Juden um eine anti­se­mi­ti­sche Äußerung han­deln.”

    Ich habe in fol­gen­dem Screenshot den voll­stän­di­gen Zusammenhang der Aussage ein­mal her­ge­stellt: http://is.gd/9G58eJ

    Ich kann kei­nen Zusammenhang erken­nen, aus dem etwas hät­te geris­sen wer­den kön­nen. Die Frage, ob es sich um ein anti­se­mi­ti­sches Statement Manfred Vandersees han­delt, lässt sich durch die­sen „Zusammenhang” nicht bes­ser oder schlech­ter erken­nen als ohne. Da Herr Vandersee sich bis­her nicht erklärt hat – weder hier, noch auf Facebook, noch bei abgeordnetenwatch.de, stellt sich mir die Frage, ob er inzwi­schen seit 24 Stunden arbei­tet.

    Politische Transparenz hat die Piratenpartei mit ihrem Statement in mei­nen Augen in kei­nem Fall geschaf­fen. Ich wür­de ins­be­son­de­re die zitier­te Textstelle viel­mehr als das Werfen von Nebelkerzen bezeich­nen. So wür­den es die Piraten bei jeder ande­ren Partei mit Sicherheit auch sehen.

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  8. Gerd

    Jeder hat das Recht, sei­ne Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu ver­brei­ten…

    Solange wir die BRD demo­kra­tisch nen­nen möch­ten, gilt dies sowohl für einen Günter Grass als auch für einen Manfred Vandersee. Auch die Meinung eines Oliver Fink wird tole­riert.

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    1. Ulf Evers

      Bei der frag­li­chen Äußerung geht es doch zunächst nicht um juris­ti­sches Problem, des­halb hilft ein unvoll­stän­di­ges zitie­ren des Grundgesetzes wenig. (Ich per­sön­lich den­ke, dass gera­de der Artikel 5 es zwin­gend erfor­der­lich macht, immer auch den Absatz 2 zu zitie­ren)

      Für sich allein genom­men mag die Äußerung Vandersees nicht anti­se­mi­tisch sein, nach­denk­li­cher darf man wer­den, wenn man die bereits ange­führ­ten Twitter-Meldungen hin­zu nimmt.

      Hilfreich ist auch nicht, dass Herr Vandersee die Angelegenheit nicht klar stellt. Und war­um schwei­gen die ande­ren Piraten so laut? Sollen so am trü­ben rech­ten Rand stim­men gefischt wer­den? Da beru­higt es nicht, dass Herr Vandersee nicht auf der Landesliste auf­taucht. Mit den Stimmen, die er fischt, kom­men ande­re in den Landtag. Frau Beer, als Gründerin des Vereins für Toleranz und Zivilcourage in Neumünster wäre es an der Zeit sich zu äußern.

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  9. Wolfgang Blankschein

    Mit Manfred Vandersee haben die Piraten in Lübeck einen Direktkandidaten nomi­niert, der sich inzwi­schen mehr­fach ein­deu­tig rech­te und extrem kon­ser­va­ti­ve Äußerungen geleis­tet hat. Fast noch schlim­mer, weil gren­zen­los naiv, sind m.E. die „ver­ständ­nis­vol­len” und „ent­schul­di­gen­den” Äußerungen ein­zel­ner ande­rer Piraten zu M. Vandersees Äußerungen.
    Erstes Missverständnis: Sicher hat jeder das Recht, sei­ne Meinung frei zu äußern (Beitrag Gerds hier); aber M. Vandersee ist als Direktkandidat für den Landtag nomi­niert und das Recht auf freie Meinungsäußerung kann doch nicht so weit aus­ge­legt wer­den, dass dem Selbstverständnis der Piraten offen wider­spre­chen­de, mög­li­cher­wei­se sogar rech­te (migra­ti­ons­feind­li­che) Positionen ver­tre­ten wer­den kön­nen. Die Piraten als Ansammlung von Beliebigkeit in gesell­schaft­li­chen Positionen — das passt doch über­haupt nicht zum Selbstverständnis einer m.E. grund­sätz­lich sym­pa­thi­schen neu­en poli­ti­schen Partei.

    M. Vandersee mag noch so sehr als glü­hen­der Laizist auf­ge­fal­len sein, sein Facebook-Eintrag gegen die „Alimentierung” des Zentralrats der Juden — „aus hart erar­bei­te­ten Steuergeldern” — ist NUR gegen den Zentralrat der Juden gerich­tet und steht ohne jeden Zweifel in einer Reihe mit extrem rech­ter Hetze gegen „jüdi­sche Kultur” in Deutschland. Die Nazis haben Bücher ver­brannt, weil sie eine „ver­ju­de­te Kultur” zer­stö­ren woll­ten, haben Synagogen in Brand gesteckt und schließ­lich mit dem Holocaust über 6 Mio. Juden indus­tri­ell hin­ge­rich­tet, beson­ders in Osteuropa.
    Die Erhöhung der staat­li­chen Unterstützung für den Zentralrat der Juden auf 10 Mio. Euro hat den Hintergrund, dass inzwi­schen erfreu­li­cher­wiei­se wie­der mehr ost­eu­ro­päi­sche Juden nach Deutschland ein­wan­dern — trotz aller Vorbehalte aus der Geschichte. Wenn M.Vandersee im Landtagswahlkampf aus­ge­rech­net (!) die „Alimentierung” des Zentralrats der Juden gezielt und her­vor­ge­ho­ben (!!) beklagt, ist das kein Ausrutscher eines Laizisten, son­dern eine kla­re Absage an jede Form von „Wiedergutmachung” aus his­to­ri­scher Schuld. Keine Partei in Deutschland bekennt sich zu einer sol­chen Ansicht — aus­ge­nom­men die extrem Rechten.
    Mit Grass und des­sen Gedicht ist der Facebook-Eintrag über­haupt nicht ver­gleich­bar. Grass hat die Außenpolitik der israe­li­schen Regierungsparteien ange­grif­fen und nicht die Unterstützung des Zentralrats der Juden in Deutschland. Letzteres trau­en sich nur hart­ge­sot­te­ne Rechte. Möglicherweise aber haben bestimm­te Formulierungen Grass’ in des­sen Gedicht schon dazu bei­ge­tra­gen, dass ein Rechter wie M. Vandersee nun sein Recht gekom­men sah, auch ande­res selbst auf­er­leg­tes Schweigen zu been­den und zum nächs­ten Schlag gegen „zu viel Unterstützung der Juden und ihrer Kultur im heu­ti­gen Deutschland” aus­zu­ho­len.

    Noch kla­rer wer­den M. Vandersees Positionen im hier schon zitier­ten Facebook-Eintrag zur Erklärung des steu­er­fres­sen­den Staates: „Manfred Vandersee: Haushalte und Unternehmen MÜSSEN wirt­schaft­lich den­ken. Der Staat braucht es nicht, er kann den Bürger immer mehr schröp­fen, wenn er Geld braucht und als beson­de­re Melkkuh der Nation dient der Autofahrer. Zur Not wird sich unter dem Deckmantel „Klimaschutz” oder „Verkehrssicherheit” neue Symbolpolitik aus­ge­dacht um den Bürger zu ver­dum­men und noch mehr aus­zu­neh­men. Aber gegen die­ses unsäg­li­che para­si­tä­re Vorgehen des Staates kön­nen wir bald nicht mehr gegen an arbei­ten.”
    Die hier zum Ausdruck gebrach­te Ideologie ist neo­li­be­ral, wie wir sie sonst nur von über­zeug­tes­ten FDPlern ken­nen: Der Staat als Melkkuh an Bürgern wie Unternehmen glei­cher­ma­ßen ist so para­si­tär, dass eine ande­re Politik gefor­dert wird. — Von koni­nu­ier­li­cher Vermögensumverteilung zuguns­ten weni­ger Privatvermögender, von Finanzkrise und staat­li­cher Übernahme ver­schul­de­ter Banken und Finanzdienstleister hat Wirtschaftsfreund M.Vandersee noch nie gehört; dass ein Teil der Neuverschuldung des Landes S-H Ergebnis der Schuldenumverteilung öffent­li­cher Haushalte nach der Finanzkrise 2008 war (zuzüg­lich der HSH-Nordbank-Defizite), liegt außer­halb sei­nes Wahrnehmungshorizontes. Auch hier zeigt sich, dass die­ser Direktkandidat der Piraten eines mit Sicherheit NICHT ist: gesell­schafts­kri­tisch und gewillt, mehr direk­te Demokratie mit mehr sozia­ler Gerechtigkeit zu ver­bin­den.
    Den „schröp­fen­den” Staat im Land S-H bekla­gen tra­di­tio­nell jene Neoliberale und Konservative, die weder Geld in Bildung noch in Umweltschutz und wei­te­re sozia­le Projekte inves­tie­ren wol­len.

    In den letz­ten Wochen hat­te ich per­sön­lich eine Wahl der Piraten nicht aus­ge­schlos­sen, tag­täg­lich wach­sen mei­ne Zweifel, auf welch dif­fu­se poli­ti­sche Strömung ich mich dabei mög­li­cher­wei­se ein­lie­ße. Nein, lie­be Piraten, Ihr müsst euch schon ent­schie­de­ner und nach­voll­zieh­bar von ein­zel­nen Rechten abgren­zen und für immer ver­ab­schie­den, wenn ihr einen demo­kra­ti­schen Neuaufbruch nicht bloß ver­spre­chen, son­dern auch wirk­lich ein­läu­ten wollt.

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  10. Oliver Fink Post author

    Inzwischen hat Manfred Vandersee so etwas ähn­li­ches wie eine Stellungnahme auf Facebook abge­ge­ben:

    „Ich möch­te beto­nen, kei­ne rechts­ra­di­ka­len oder anti­se­mi­ti­schen Positionen zu schü­ren oder zu besetz­ten. Die Tatsache, dass der Zentralrat der Juden die staat­li­che Unterstützung in die­ser Höhe erhält, war der aktu­el­len Tagespresse zu ent­neh­men.”

    Auch hier über­las­se ich es dem geneig­ten Leser, für sich selbst zu bewer­ten, ob er die­se Aussage als aus­rei­chend und glaub­haft ein­stuft.

    Eine Antwort bei abgeordnetenwatch.de steht noch aus.

    (Quelle: https://www.facebook.com/manfred.vandersee/posts/332837583438602?comment_id=3387520)

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  11. Wolfgang Blankschein

    Im Facebook account „Lübecker Nachrichten online” hat­te sich Manfred Vandersee noch am 12.April gegen die ehe­ma­li­ge -die ehe­ma­li­ge Hamburger Senatorin und Lübecker Bürgermeister-Kandidatin Alexandra Dinges-Dierig als künf­ti­ge CDU-Bildungsministerin aus­ge­spro­chen; folgt man einem von ihm gepos­te­ten Link, fin­det man aus­führ­li­che Informationen über migra­ti­ons­feind­li­che Politik der frü­he­ren CDU-Bildungssenatorin in Hamburg:

    Manfred Vandersee http://www.bigbrotherawards.de/2007/.reg/
    12. April um 11:24

    Dieser Beitrag spricht dafür, dass er „als glü­hen­der Laizist” gegen öffent­li­che Mittel für den Zentralrat der deut­schen Juden gepos­tet hat. Er mag auch kei­ne „rechts­ra­dia­len oder anti­se­mi­ti­schen Positionen” geschürt haben wol­len — wer wür­de das schon ein­deu­tig von sich sagen wol­len? Sorry, eine öffent­li­che Entschuldigung sieht anders aus, wenigs­tens jetzt könn­te man erklä­ren­de und kla­re Worte zu unse­rer beson­de­ren Verantwortung als Deutsche gegen­über jüdi­schen Mitbürgern und ihrer Kultur (und einem gemein­sa­men huma­nis­ti­schen Kulturerbe aus der Zeit vor dem deut­schen Faschismus) erwar­ten kön­nen.
    Die eben zitier­te Verlautbarung lässt nur einen Schluss zu: Jemand ist sich nicht im Ansatz eines Fehltritts bewusst und hat eigent­lich nichts zurück­zu­neh­men.

    Selbst einem „glü­hen­den Laizisten” könn­ten aber Überlegungen zuge­mu­tet wer­den wie die­se: Gerade erst wur­de in Deutschland hef­tig über Grass und des­sen Gedicht dis­ku­tiert, wie­der ein­mal ging es dabei auch um laten­ten Antisemitismus. Als Direktkandidat zu einer Landtagswahl in Schleswig-Holstein könn­te man sich als „glü­hen­der Laizist” doch vor­nehm­lich gegen den real vor­han­de­nen Einfluss der evan­ge­li­schen und katho­li­schen Kirche auf Bildungspolitik (Ausrichtung des Religionsunterrichtes, Philosophie immer noch nur als „Ersatzfach”) und Förderungen die­ser Kirchen aus­spre­chen, hat Manfred Vandersee aber NICHT getan, statt­des­sen im direk­ten Anschluss an die Grass-Debatte vor­ge­zo­gen, die „Alimentierung” des Zentralrats der deut­schen Juden zu atta­ckie­ren. Das erschien ihm offen­sicht­lich oppor­tu­ner, man könn­te deut­li­cher sagen: popu­lis­tisch attrak­ti­ver. DIESE beson­de­re Gewichtung macht den gepos­te­ten Beitrag so ver­däch­tig, die aktu­el­le Verlautbarung nimmt NICHTS davon zurück — im Gegenteil: Erneut taucht der Verweis auf eine aktu­el­le Meldung auf; popu­lis­ti­scher kann man nicht argu­men­tie­ren.

    Grundsätzlich scheint sich ein der­zei­ti­ges Problem in der Diskussionskultur der Piraten auf­zu­tun. Ihre Kritik am tra­di­tio­nel­len Politik-Betrieb ist berech­tigt, all­zu oft ver­ber­gen Politiker tra­di­tio­nel­ler Parteien ihre rea­len Handlungen und eigent­li­c­gen Zielsetzungen hin­ter nichts­sa­gen­den poli­ti­schen Statements, all­zu oft wer­den „Sachzwänge” und Koalitionszwänge ins Feld geführt, um doch alles beim Alten zu belas­sen und v.a. jede wei­te­re Demokratisierung zu unter­lau­fen. Geradezu mus­ter­gül­tig beherrscht Mutti Merkel die­ses Spiel: Öffentlich nichts sagen, als Regierungschefin vie­le Entscheidungen tref­fen und vor­an­trei­ben, für wel­che den Kopf in Einzelfällen ande­re hin­hal­ten dür­fen, nur nicht die ver­ant­wort­li­che Bundeskanzlerin selbst.
    (Beispiele: Geheime Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, Ausweitung der Euro-Rettungsschirme …)

    Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt sprach und spricht immer von der „poli­ti­schen Klasse”, wenn er den eli­tä­ren Politik-Betrieb v.a. der tra­di­tio­nel­len Volksparteien meint. Gegen die­se Tradition der Abschottung gegen­über dem Volk und sei­nen eigent­li­gen Mehrheitsinteressen tre­ten die Piraten erfreu­lich frisch, dyna­misch und mit eini­gen wirk­lich neu­en Konzepten zur
    Demokratisierung poli­ti­scher Entscheidungsprozesse an. Allerdings soll­ten sie sich nicht nur gegen­über einem eli­tä­ren, abschot­ten­den Politikverständnis abgren­zen, son­dern — als polil­tisch ver­ant­wort­li­che Akteure — eben­so gegen­über jeder Neigung zum Populismus. Gerade erle­ben wir, wie (wie­der ein­mal) kon­ser­va­ti­ve Politiker Anleihen im Lager des Rechtspopulismus machen, um Sarkozy Stimmen aus dem rech­ten Lager in Frankreich zuzu­füh­ren. (Vorstoß der deut­schen Bundesregierung zur Aufweichung des Schengen-Abkommens.)
    Solche Anleihen im vor­zugs­wei­se eher kon­ser­va­ti­ven, rech­ten Populismus sind nicht neu; der CDU in Hessen haben sie zwei­mal eine Regierungsmehrheit dank migra­ti­ons­feind­li­cher Töne ein­ge­bracht.

    Die der­zei­ti­ge Diskussionskultur der Piraten betont die Abgrenzung gegen­über dem eli­tä­ren, abschot­ten­den Politikbetrieb; sie ist sich der Notwendigkeit der zwei­ten Abgrenzung — gegen­über blo­ßen Populismus — nicht bewusst genug. Das kann zu poli­tisch nai­ven Konsequenzen füh­ren, wel­che die eige­nen Ambitionen mehr oder weni­ger stark gefähr­den. Schutz vor Vereinnahmung durch Populismus — dem typi­schen „Stammtisch” und des­sen poli­ti­schen Forderungen — bie­ter nur die kla­re, gewis­sen­haf­te und ein­deu­ti­ge poli­ti­sche Positionierung. Wenn nur „demo­kra­ti­sche Meinungsbildungsprozesse” und „Meinungsfreiheit” das Selbstverständnis aus­mach­ten, war­um bloggt man bewusst NICHT unter BILD online, die­sem selbst­er­nann­ten Sprachrohr der „wah­ren Stimmung der ein­fa­chen Leute”???

    In den Posts des Manfred Vandersee fin­det man reich­lich Anlehnungen an (rech­ten) Populismus. Den viel­ver­spre­chen­den Ansätzen der Piraten wird mit die­sem Populismus nicht gedient, eine offe­ne und nach­voll­zieh­ba­re Auseinandersetzung ist m.E. unbe­dingt not­wen­dig.

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  12. Rainer Beuthel

    Zweierlei fällt mir dazu ein:
    Erstens schei­nen Nazis eine ent­ris­ti­sche Strategie betreffs „Piraten” zu ver­fol­gen. Das ist auch nicht sehr ver­wun­der­lich, denn es gibt inhalt­li­che Schnittmengen. Welcher Nazi möch­te schon ger­ne sei­ne ras­sis­ti­sche Website zen­siert sehen.
    Zweitens: wenn der „glü­hen­de Lahizist” Vandersee glaubt die staat­li­che Förderung des Zentralrates der Juden kri­ti­sie­ren zu müs­sen, ist er auf dem Holzweg. Die Transformation von Religion zur blo­ßen Privatsache und infol­ge­des­sen die Auflösung des ideo­lo­gi­schen Staatsapparates „Kirche” und die Abschaffung des Staatskirchenrechtes bedeu­tet nicht, daß es kei­ner­lei staat­li­che Förderung etwa des „Zentralrates” geben dürf­te. Das wäre wei­ter­hin eine bewuß­te poli­ti­sche Entscheidung, für die es gute Gründe geben kann.

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