Der Zentralrat der Juden wird ab 2012 mit 10 Millionen Euro (!) aus hart erarbeiteten Steuergeldern alimentiert! Weitere Kommentare spare ich mir an dieser Stelle:
http://www.zentralratdjuden.de/de/article/3493.html
Meine Einschätzung war, dass dieses Statement nicht klar als antisemitisch eingestuft werden könne. Dass ist allerdings andererseits auch kein Beweis, dass es nicht als antisemitisch einzustufen ist. Antisemiten spielen gern damit, dass sie Statements so formulieren, dass sie doppeldeutig oder nicht klar einzuordnen bleiben. Und so entschied ich mich, auf Facebook einfach einmal nachzufragen, wie dort diese Äußerung gesehen würde:
„Ich frag einfach einmal ganz blöd: Was haltet Ihr denn davon? Manfred Vandersee ist Direktkandidat der Piraten in Lübeck Ost.”
Parallel dazu habe ich bei abgeordnetenwatch Manfred Vandersee die Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu beziehen.
Relativ schnell fanden sich jede Menge Kommentare auf meine Frage auf Facebook. Einige waren sich sofort sicher, dass es sich um ein antisemitisches Statement handeln würde, andere stellten mehr die Frage in den Mittelpunkt, weshalb die staatlichen Zuwendungen an den Zentralrat der Juden von 5 auf 10 Millionen Euro jährlich erhöht würden.
Als ich dann auf Facebook eine Freundschaftsanfrage von Torsten Krahn erhielt, seines Zeichens Pressesprecher der Piraten in Schleswig-Holstein aus Lübeck, war mir schon klar, dass jetzt das Krisenmanagement einsetzen sollte. Und tatsächlich tauchte kurze Zeit später der erste Kommentar auf:
Abstoßend, wie hier spekuliert und zum Teil sogar verurteilt wird, bevor überhaupt irgendjemand weiß, wie er es meint. […] Wartet doch einfach ab, was er später dazu sagt. Meines Wissens arbeitet er gerade.
Die Aufforderung, dem Direktkandidaten der Piraten die Möglichkeit zu geben, selbst Stellung zu beziehen, ist durchaus berechtigt. Ebenso der Verweis darauf, dass er vermutlich gerade arbeite. Bekannt von den traditionellen Parteien in solchen Situationen ist die auch hier angewandte Strategie „Angriff ist die beste Verteidigung”. Deshalb wird die möglicherweise sogar berechtigte Kritik gleich einmal präventiv als „abstoßend” bezeichnet. Gleichzeitig wird mit einer solchen Argumentation die Wagenburg der eigenen Anhänger geschlossen – die Bösen da draußen und wir Guten hier drinnen. Klassisch.
Meine Nachfrage, ob ein solches Posting zumindest nicht dann einigermaßen unglücklich sei, wenn einen Tag vorher der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, die Piratenpartei für deren Umgang mit Bodo Thiesen kritisiert hat, mochte Krahn nur auf deutliche Nachfrage hin beantworten:
Zum Politikstil der Piraten gehört, sich keine taktischen Gedanken zu machen, ob etwas „gerade unglücklich” ist. Ganz allgemein gilt: Wenn man meint, dass es etwas zu kritisieren gibt, sollte man das tun.
Ob das nun ein angemessener Umgang mit dem Verdacht des Antisemitismus ist, muss jeder Leser für sich entscheiden – ob das Posting von Manfred Vandersee tatsächlich als antisemitisch anzusehen ist, ebenfalls. Klar ist für mich jedenfalls, dass die Piratenpartei in Gänze keine antisemitische Partei ist. Ihren Umgang mit dem Thema Antisemitismus und der Haltung einiger ihrer Mitglieder dazu allerdings sehe ich noch als deutlich verbesserungsfähig an.
Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn Manfred Vandersee dann doch irgendwann noch Stellung bezöge, welche Kommentare er sich, den Piraten oder uns denn bisher erspart hat. Bisher ist mir keine Stellungnahme von ihm bekannt. Vielleicht arbeitet er ja immer noch.
Übrigens: Man hätte Jom haScho’a in jedem Fall durchaus würdiger begehen können.
Der gute Herr Vandersee empfiehlt auf Twitter sonst auch mal Nazi Bands und behauptet auf Facebook, dass der Klimawandel nur eine Erfindung der Politik sei, um den Bürger zu schröpfen:
https://mobile.twitter.com/manni60/status/100835674189611008
https://www.facebook.com/note.php?note_id=377831275736
Du musst
(verdammt, falscher Button)
…den Namen Manfred Vandersee einfach mal googlen. Der ist schon öfter durch hanebüchene Meinungen aufgefallen.
(nochmal ich: dieses kommentieren im Mobilbrowser macht mich kirre)
Ich sehe auch gerade, dass der Autor dieses Artikels selber auch zu den Verächtern der Klimapolitik und Leugnern der Notwendigkeit selbiger zählt. Insofern ist das ja ein Bruder im Geiste…
Oder das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Dazu einmal ergänzend:
http://www.piratenpartei-sh.de/presse/pressemitteilungen/553-zitat-aus-dem-kontext-gerissen-piratenpartei-schleswig-holstein-kritisiert-unfairen-angriff-von-rot-grün.html
und:
http://www.ln-online.de/nachrichten/3423144/luebecker-pirat-am-rechten-rand
Manfred hat sich, als glühender Laizist ‚auch kritisch über Restriktionen und Erhöhung der Kirche zu Tanzverboten am Karfreitag oder der Verwebung von Kirche und Staat geäussert. Die historische Bedeutung, die damit verbunden ist und die Peinlichkeit seiner unbedachten und der einseitigen Betrachtung der Erhöhung der staatlichen Zuwendung des Zentralrates der Juden, sah er in einem Gespräch sofort ein.
Soso, ein FDP(!)-Mitglied posted eine Frage auf Facebook zu einem Zitat einer Eurer Kandidaten für den Landtag(!). Und nun macht Ihr genau das, was Ihr anderen gerne vorwerft: Ihr verdreht Ursache und Wirkung, haut den Whistleblower, versucht abzuwiegeln und werft anderen Schmutzwahlkampf vor (wobei sich die SPD zu dieser Sache, soweit ich weiß, noch gar nicht geäußert hat oder?). Die anderen Zitate sind ja auch „interessant”, um mir nicht gleich auch noch Schmutzwahlkampf vorhalten zu lassen. Ihr geht mit dem ziemlich hochgesteckten Anspruch des „Bessermachens” in die Politik und leistet dabei nun wirklich ziemlich generalisierende Kritik an der Arbeit der Menschen in den sog. Altparteien. Vielleicht solltet Ihr mal Eure eigenen Ansprüche dem Realitätscheck unterziehen. Oliver, ich wusste übrigens noch garnicht, dass Du für rotgrün kämpfst ;-).
Man lernt ja nie aus. Scheinbar gelingt es mir nicht wirklich, meine politische Vergangenheit zu verleugnen. Aber sag’s bitte nicht weiter. ;)
Die Primatenpartei ist scheinbar zu blöd, die Aussagen ihrer eigenen Kandidaten zu ergoogeln.
@Oliver: Danke fürs Posten der Frage und des Artikels. Ich beschäftige mich ja nun schon länger mit dem Phänomen Piraten — und ich glaube die beste Zusammenfassung ist die, dass ihre größten Stärken auch ihre größten Schwächen sind: Sie sind unkonventionell — und stellen viele Grundkonsense in der Politik in frage. Meine Kritik an ihnen ist daher hauptsächlich, dass es bestimmte Dinge gibt, die man nicht in frage stellen sollte — und auch bestimmte Positionen, die keine einfache Meinung darstellen.
Und im Vergleich zu anderen Parteien muss man einfach konstatieren: Trotzdem die Piraten relativ klein sind, ist hier die Spinner-Quote enorm hoch. Das mag auch daran liegen, dass sie noch nicht so lange im Geschäft sind. Aber in vielen Fällen gibts immer eine Menge Piraten, die jemanden beispringen, statt sich zu distanzieren, der mal wieder rassistisch oder antisemitische Äußerungen getan hat. die öffentlichen Positionen sind oftmals antirassistisch. Allerdings vermisst man dann wie dieses mal wieder eine klare und frühzeitige Distanzierung von zweifelhaften Äußerungen. Gerade Herr Dudda meint ja immer, die Piraten wären klar antifaschistisch. Die oben verlinkte Pressemitteilung ist allerdings nichts anderes als eine Verschleierung und Verdrehung von Tatsachen. Man müßte mal die Fälle bei den Piraten zählen, wo Ex-NPD-Ler als Kandidaten gekürt wurden, ein Kandidat rechtsradikale Äußerungen tätigte. Es sind komischerweise fast ausschließlich Piraten die seit ca. 2 Jahren auffallen. Meine Schlussfolgerung ist zumindest die: Rechtsradikale fühlen sich bei den Piraten wohl und gut aufgehoben, weil man dort ihre Meinung toleriert (wenn auch nicht immer teilt). Das ist falsch verstandene Meinungsfreiheit: Ich selbst habe da im Piratenchat vor einiger Zeit auch mal die Erfahrung gemacht, dass ein Gast den Holocaust geleugnet hatte, aber anstatt IHN rauszuwerfen warf der Operator MICH heraus, weil ich diese Äußerung scharf kritisierte. Das habe ich dem Bundesvorstand auch mitgeteilt, aber es gab darauf weder eine Antwort noch eine Konsequenz. Fazit: Die Piratenpartei ist die beste Möglichkeit für Rechtsradikale ihr Gedankengut zu pflegen und vielleicht sogar in Landtage oder Kommunalparlamente einzuziehen. mehr noch als bei der NPD. Und das haben die Piraten selber so gewollt. Es gibt zwar immer wieder Bemühungen sich gegen bestimmte Auswüchse abzugrenzen, aber dann dich immer halbherzig — wie im Falle Bodo Thiesen: Wurde ein Parteimitglied bereits ermahnt, könne man ihn ja nicht rauswerfen. Damit würde man ihn ja doppelt bestrafen. Angesichts dessen, dass Thiesen da fast Volksverhetzung betrieben hat und so ein Schiedsgericht ja durchaus einen Ermessensspielraum hat, im Gegensatz zu einem echten Gericht, schon erstaunlich. Holocaustleugnung ist m.E. in der Piratenpartei also durchaus etwas womit Mitglieder und Kandidaten durchkommen können. Von daher sage ich schon länger #SagNeinZuPiraten http://ritinardo.wordpress.com/tag/sagneinzupiraten/
Mit Holocaust-Leugnung kann man vielleicht in der Piratenpartei etwas werden. Aber wie lange noch? Meines Wissens ist Holocaust-Leugnung strafbar. Statt der Piratenpartei dauernde Unwissenheit zuzugestehen, sollte man besser gleich Strafanzeige stellen.
Ich würde mich freuen, wenn der Lübecker Piraten-Kandidat selbst klarstellt, was er mit seinem für jeden sichtbaren Facebook-Profil sagen wollte und warum er im August 2011 die bayerische Skinhead Combo (http://www.myspace.com/burning666hate) auf Twitter „empfiehlt”. Die Möglichkeit gab es auch schon gestern und gibt es heute.
Mich beschäftigt (als Kandidat) eine weitere Frage. Welche Maßstäbe an Verantwortung legen eigentlich die Piraten an sich selbst an?
Das Werkzeug der Politik ist Sprache. Ich erinnere zum Beispiel an die unglückliche Aussage „Ich gucke Internet” einer grünen Politikerin in einer Talkshow. Über diese Aussage machen sich viele Piraten bis heute lustig.
Hier hat ein Kandidat der Piraten selbst eine äußerst unglückliche und interpretierbare Aussage getroffen, aber gemessen an dieser und interpretiert werden darf er laut der Piraten SH nicht. Mit seinem Zusatz „Weitere Kommentare spare ich mir an dieser Stelle” lädt er doch selbst zum Interpretieren ein.
Die Interpretation wurde auch mir vorgeworfen und gleichzeitig vorgehalten, warum ich nicht erst die persönlichen Umstände erfragt habe. Bitte? Ich möchte Euch erinnern, dass Euer Kandidat nicht als Klassensprecher kandidiert.
Abschließend möchte ich festhalten, dass es über Religionsfragen hinausgehende Gründe für die institutionelle Förderung der Jüdischen Gemeinden in Deutschland gibt. Diese wurden europaweit durch Deutsche vertrieben und ausgelöscht. Alleine in Berlin lebten vor den Nazis 180.000 Juden. Danach null. Es geht hier nicht um religiöse Förderung, sondern um die Bereicherung unserer Gesellschaft mit der jüdischen Kultur, die wie gesagt von unseren Großeltern (nach über 1500 Jahren Zugehörigkeit als Minderheit) europaweit ausgelöscht wurde.
Von einem Kandidaten zum schleswig-holsteinischen Landtag erwarte ich das Wissen und auch eine Reflektion über diese Situation.
http://me-magazine.info/2012/04/20/berliner-piraten-chef-semken-will-nicht-zurucktreten/ Berliner Piraten-Chef Semken will nicht zurücktreten
Wundere eigentlich nur ich mich über diese Presseerklärung der Piraten: http://is.gd/E9MaxF ?
Unter anderem steht dort: „So wurde ein Direktkandidat aus Lübeck aus dem Kontext heraus gelöst zitiert und die Behauptung aufgestellt, es würde sich bei seiner Äußerung zu der geplanten Verdopplung der staatlichen Zuwendung an den Zentralrat der Juden um eine antisemitische Äußerung handeln.”
Ich habe in folgendem Screenshot den vollständigen Zusammenhang der Aussage einmal hergestellt: http://is.gd/9G58eJ
Ich kann keinen Zusammenhang erkennen, aus dem etwas hätte gerissen werden können. Die Frage, ob es sich um ein antisemitisches Statement Manfred Vandersees handelt, lässt sich durch diesen „Zusammenhang” nicht besser oder schlechter erkennen als ohne. Da Herr Vandersee sich bisher nicht erklärt hat – weder hier, noch auf Facebook, noch bei abgeordnetenwatch.de, stellt sich mir die Frage, ob er inzwischen seit 24 Stunden arbeitet.
Politische Transparenz hat die Piratenpartei mit ihrem Statement in meinen Augen in keinem Fall geschaffen. Ich würde insbesondere die zitierte Textstelle vielmehr als das Werfen von Nebelkerzen bezeichnen. So würden es die Piraten bei jeder anderen Partei mit Sicherheit auch sehen.
volle Zustimmung.
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten…
Solange wir die BRD demokratisch nennen möchten, gilt dies sowohl für einen Günter Grass als auch für einen Manfred Vandersee. Auch die Meinung eines Oliver Fink wird toleriert.
Bei der fraglichen Äußerung geht es doch zunächst nicht um juristisches Problem, deshalb hilft ein unvollständiges zitieren des Grundgesetzes wenig. (Ich persönlich denke, dass gerade der Artikel 5 es zwingend erforderlich macht, immer auch den Absatz 2 zu zitieren)
Für sich allein genommen mag die Äußerung Vandersees nicht antisemitisch sein, nachdenklicher darf man werden, wenn man die bereits angeführten Twitter-Meldungen hinzu nimmt.
Hilfreich ist auch nicht, dass Herr Vandersee die Angelegenheit nicht klar stellt. Und warum schweigen die anderen Piraten so laut? Sollen so am trüben rechten Rand stimmen gefischt werden? Da beruhigt es nicht, dass Herr Vandersee nicht auf der Landesliste auftaucht. Mit den Stimmen, die er fischt, kommen andere in den Landtag. Frau Beer, als Gründerin des Vereins für Toleranz und Zivilcourage in Neumünster wäre es an der Zeit sich zu äußern.
Mit Manfred Vandersee haben die Piraten in Lübeck einen Direktkandidaten nominiert, der sich inzwischen mehrfach eindeutig rechte und extrem konservative Äußerungen geleistet hat. Fast noch schlimmer, weil grenzenlos naiv, sind m.E. die „verständnisvollen” und „entschuldigenden” Äußerungen einzelner anderer Piraten zu M. Vandersees Äußerungen.
Erstes Missverständnis: Sicher hat jeder das Recht, seine Meinung frei zu äußern (Beitrag Gerds hier); aber M. Vandersee ist als Direktkandidat für den Landtag nominiert und das Recht auf freie Meinungsäußerung kann doch nicht so weit ausgelegt werden, dass dem Selbstverständnis der Piraten offen widersprechende, möglicherweise sogar rechte (migrationsfeindliche) Positionen vertreten werden können. Die Piraten als Ansammlung von Beliebigkeit in gesellschaftlichen Positionen — das passt doch überhaupt nicht zum Selbstverständnis einer m.E. grundsätzlich sympathischen neuen politischen Partei.
M. Vandersee mag noch so sehr als glühender Laizist aufgefallen sein, sein Facebook-Eintrag gegen die „Alimentierung” des Zentralrats der Juden — „aus hart erarbeiteten Steuergeldern” — ist NUR gegen den Zentralrat der Juden gerichtet und steht ohne jeden Zweifel in einer Reihe mit extrem rechter Hetze gegen „jüdische Kultur” in Deutschland. Die Nazis haben Bücher verbrannt, weil sie eine „verjudete Kultur” zerstören wollten, haben Synagogen in Brand gesteckt und schließlich mit dem Holocaust über 6 Mio. Juden industriell hingerichtet, besonders in Osteuropa.
Die Erhöhung der staatlichen Unterstützung für den Zentralrat der Juden auf 10 Mio. Euro hat den Hintergrund, dass inzwischen erfreulicherwieise wieder mehr osteuropäische Juden nach Deutschland einwandern — trotz aller Vorbehalte aus der Geschichte. Wenn M.Vandersee im Landtagswahlkampf ausgerechnet (!) die „Alimentierung” des Zentralrats der Juden gezielt und hervorgehoben (!!) beklagt, ist das kein Ausrutscher eines Laizisten, sondern eine klare Absage an jede Form von „Wiedergutmachung” aus historischer Schuld. Keine Partei in Deutschland bekennt sich zu einer solchen Ansicht — ausgenommen die extrem Rechten.
Mit Grass und dessen Gedicht ist der Facebook-Eintrag überhaupt nicht vergleichbar. Grass hat die Außenpolitik der israelischen Regierungsparteien angegriffen und nicht die Unterstützung des Zentralrats der Juden in Deutschland. Letzteres trauen sich nur hartgesottene Rechte. Möglicherweise aber haben bestimmte Formulierungen Grass’ in dessen Gedicht schon dazu beigetragen, dass ein Rechter wie M. Vandersee nun sein Recht gekommen sah, auch anderes selbst auferlegtes Schweigen zu beenden und zum nächsten Schlag gegen „zu viel Unterstützung der Juden und ihrer Kultur im heutigen Deutschland” auszuholen.
Noch klarer werden M. Vandersees Positionen im hier schon zitierten Facebook-Eintrag zur Erklärung des steuerfressenden Staates: „Manfred Vandersee: Haushalte und Unternehmen MÜSSEN wirtschaftlich denken. Der Staat braucht es nicht, er kann den Bürger immer mehr schröpfen, wenn er Geld braucht und als besondere Melkkuh der Nation dient der Autofahrer. Zur Not wird sich unter dem Deckmantel „Klimaschutz” oder „Verkehrssicherheit” neue Symbolpolitik ausgedacht um den Bürger zu verdummen und noch mehr auszunehmen. Aber gegen dieses unsägliche parasitäre Vorgehen des Staates können wir bald nicht mehr gegen an arbeiten.”
Die hier zum Ausdruck gebrachte Ideologie ist neoliberal, wie wir sie sonst nur von überzeugtesten FDPlern kennen: Der Staat als Melkkuh an Bürgern wie Unternehmen gleichermaßen ist so parasitär, dass eine andere Politik gefordert wird. — Von koninuierlicher Vermögensumverteilung zugunsten weniger Privatvermögender, von Finanzkrise und staatlicher Übernahme verschuldeter Banken und Finanzdienstleister hat Wirtschaftsfreund M.Vandersee noch nie gehört; dass ein Teil der Neuverschuldung des Landes S-H Ergebnis der Schuldenumverteilung öffentlicher Haushalte nach der Finanzkrise 2008 war (zuzüglich der HSH-Nordbank-Defizite), liegt außerhalb seines Wahrnehmungshorizontes. Auch hier zeigt sich, dass dieser Direktkandidat der Piraten eines mit Sicherheit NICHT ist: gesellschaftskritisch und gewillt, mehr direkte Demokratie mit mehr sozialer Gerechtigkeit zu verbinden.
Den „schröpfenden” Staat im Land S-H beklagen traditionell jene Neoliberale und Konservative, die weder Geld in Bildung noch in Umweltschutz und weitere soziale Projekte investieren wollen.
In den letzten Wochen hatte ich persönlich eine Wahl der Piraten nicht ausgeschlossen, tagtäglich wachsen meine Zweifel, auf welch diffuse politische Strömung ich mich dabei möglicherweise einließe. Nein, liebe Piraten, Ihr müsst euch schon entschiedener und nachvollziehbar von einzelnen Rechten abgrenzen und für immer verabschieden, wenn ihr einen demokratischen Neuaufbruch nicht bloß versprechen, sondern auch wirklich einläuten wollt.
Inzwischen hat Manfred Vandersee so etwas ähnliches wie eine Stellungnahme auf Facebook abgegeben:
„Ich möchte betonen, keine rechtsradikalen oder antisemitischen Positionen zu schüren oder zu besetzten. Die Tatsache, dass der Zentralrat der Juden die staatliche Unterstützung in dieser Höhe erhält, war der aktuellen Tagespresse zu entnehmen.”
Auch hier überlasse ich es dem geneigten Leser, für sich selbst zu bewerten, ob er diese Aussage als ausreichend und glaubhaft einstuft.
Eine Antwort bei abgeordnetenwatch.de steht noch aus.
(Quelle: https://www.facebook.com/manfred.vandersee/posts/332837583438602?comment_id=3387520)
Im Facebook account „Lübecker Nachrichten online” hatte sich Manfred Vandersee noch am 12.April gegen die ehemalige -die ehemalige Hamburger Senatorin und Lübecker Bürgermeister-Kandidatin Alexandra Dinges-Dierig als künftige CDU-Bildungsministerin ausgesprochen; folgt man einem von ihm geposteten Link, findet man ausführliche Informationen über migrationsfeindliche Politik der früheren CDU-Bildungssenatorin in Hamburg:
Manfred Vandersee http://www.bigbrotherawards.de/2007/.reg/
12. April um 11:24
Dieser Beitrag spricht dafür, dass er „als glühender Laizist” gegen öffentliche Mittel für den Zentralrat der deutschen Juden gepostet hat. Er mag auch keine „rechtsradialen oder antisemitischen Positionen” geschürt haben wollen — wer würde das schon eindeutig von sich sagen wollen? Sorry, eine öffentliche Entschuldigung sieht anders aus, wenigstens jetzt könnte man erklärende und klare Worte zu unserer besonderen Verantwortung als Deutsche gegenüber jüdischen Mitbürgern und ihrer Kultur (und einem gemeinsamen humanistischen Kulturerbe aus der Zeit vor dem deutschen Faschismus) erwarten können.
Die eben zitierte Verlautbarung lässt nur einen Schluss zu: Jemand ist sich nicht im Ansatz eines Fehltritts bewusst und hat eigentlich nichts zurückzunehmen.
Selbst einem „glühenden Laizisten” könnten aber Überlegungen zugemutet werden wie diese: Gerade erst wurde in Deutschland heftig über Grass und dessen Gedicht diskutiert, wieder einmal ging es dabei auch um latenten Antisemitismus. Als Direktkandidat zu einer Landtagswahl in Schleswig-Holstein könnte man sich als „glühender Laizist” doch vornehmlich gegen den real vorhandenen Einfluss der evangelischen und katholischen Kirche auf Bildungspolitik (Ausrichtung des Religionsunterrichtes, Philosophie immer noch nur als „Ersatzfach”) und Förderungen dieser Kirchen aussprechen, hat Manfred Vandersee aber NICHT getan, stattdessen im direkten Anschluss an die Grass-Debatte vorgezogen, die „Alimentierung” des Zentralrats der deutschen Juden zu attackieren. Das erschien ihm offensichtlich opportuner, man könnte deutlicher sagen: populistisch attraktiver. DIESE besondere Gewichtung macht den geposteten Beitrag so verdächtig, die aktuelle Verlautbarung nimmt NICHTS davon zurück — im Gegenteil: Erneut taucht der Verweis auf eine aktuelle Meldung auf; populistischer kann man nicht argumentieren.
Grundsätzlich scheint sich ein derzeitiges Problem in der Diskussionskultur der Piraten aufzutun. Ihre Kritik am traditionellen Politik-Betrieb ist berechtigt, allzu oft verbergen Politiker traditioneller Parteien ihre realen Handlungen und eigentlicgen Zielsetzungen hinter nichtssagenden politischen Statements, allzu oft werden „Sachzwänge” und Koalitionszwänge ins Feld geführt, um doch alles beim Alten zu belassen und v.a. jede weitere Demokratisierung zu unterlaufen. Geradezu mustergültig beherrscht Mutti Merkel dieses Spiel: Öffentlich nichts sagen, als Regierungschefin viele Entscheidungen treffen und vorantreiben, für welche den Kopf in Einzelfällen andere hinhalten dürfen, nur nicht die verantwortliche Bundeskanzlerin selbst.
(Beispiele: Geheime Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, Ausweitung der Euro-Rettungsschirme …)
Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt sprach und spricht immer von der „politischen Klasse”, wenn er den elitären Politik-Betrieb v.a. der traditionellen Volksparteien meint. Gegen diese Tradition der Abschottung gegenüber dem Volk und seinen eigentligen Mehrheitsinteressen treten die Piraten erfreulich frisch, dynamisch und mit einigen wirklich neuen Konzepten zur
Demokratisierung politischer Entscheidungsprozesse an. Allerdings sollten sie sich nicht nur gegenüber einem elitären, abschottenden Politikverständnis abgrenzen, sondern — als poliltisch verantwortliche Akteure — ebenso gegenüber jeder Neigung zum Populismus. Gerade erleben wir, wie (wieder einmal) konservative Politiker Anleihen im Lager des Rechtspopulismus machen, um Sarkozy Stimmen aus dem rechten Lager in Frankreich zuzuführen. (Vorstoß der deutschen Bundesregierung zur Aufweichung des Schengen-Abkommens.)
Solche Anleihen im vorzugsweise eher konservativen, rechten Populismus sind nicht neu; der CDU in Hessen haben sie zweimal eine Regierungsmehrheit dank migrationsfeindlicher Töne eingebracht.
Die derzeitige Diskussionskultur der Piraten betont die Abgrenzung gegenüber dem elitären, abschottenden Politikbetrieb; sie ist sich der Notwendigkeit der zweiten Abgrenzung — gegenüber bloßen Populismus — nicht bewusst genug. Das kann zu politisch naiven Konsequenzen führen, welche die eigenen Ambitionen mehr oder weniger stark gefährden. Schutz vor Vereinnahmung durch Populismus — dem typischen „Stammtisch” und dessen politischen Forderungen — bieter nur die klare, gewissenhafte und eindeutige politische Positionierung. Wenn nur „demokratische Meinungsbildungsprozesse” und „Meinungsfreiheit” das Selbstverständnis ausmachten, warum bloggt man bewusst NICHT unter BILD online, diesem selbsternannten Sprachrohr der „wahren Stimmung der einfachen Leute”???
In den Posts des Manfred Vandersee findet man reichlich Anlehnungen an (rechten) Populismus. Den vielversprechenden Ansätzen der Piraten wird mit diesem Populismus nicht gedient, eine offene und nachvollziehbare Auseinandersetzung ist m.E. unbedingt notwendig.
Zweierlei fällt mir dazu ein:
Erstens scheinen Nazis eine entristische Strategie betreffs „Piraten” zu verfolgen. Das ist auch nicht sehr verwunderlich, denn es gibt inhaltliche Schnittmengen. Welcher Nazi möchte schon gerne seine rassistische Website zensiert sehen.
Zweitens: wenn der „glühende Lahizist” Vandersee glaubt die staatliche Förderung des Zentralrates der Juden kritisieren zu müssen, ist er auf dem Holzweg. Die Transformation von Religion zur bloßen Privatsache und infolgedessen die Auflösung des ideologischen Staatsapparates „Kirche” und die Abschaffung des Staatskirchenrechtes bedeutet nicht, daß es keinerlei staatliche Förderung etwa des „Zentralrates” geben dürfte. Das wäre weiterhin eine bewußte politische Entscheidung, für die es gute Gründe geben kann.