Social-Media-Wahlkampf an der Küste

Von | 20. April 2012

Der Landesblog hat­te vor eini­gen Wochen bereits ein­mal nach­ge­zählt: 161 Landtagskandidaten besit­zen einen Facebook-Account und 72 aktu­ell ein Profil beim Microblogging-Dienst Twitter. Doch wie nut­zen die Parteien die sozia­len Netzwerke zum Wahlkampf? Ein Blick auf die Social-Media-Arbeit der Parteien in Schleswig-Holstein — zwei Wochen vor der Wahl.

Am 06. Mai wird im nörd­lichs­ten deut­schen Bundesland ein neu­es Parlament und damit auch ein neue Landesregierung gewählt. Neben den bereits im Landtag sit­zen­den Parteien CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/​Die Grünen, Die LINKE. und SSW wur­den zudem noch fünf wei­te­re Landeslisten (.pdf) zur Wahl zuge­las­sen:PiratenparteiFreie Wähler Schleswig-Holstein NPDFamilien-Partei und die Maritime Union Deutschlands. Insgesamt tre­ten 11 Parteien zur Wahl an. Mit Hilfe der Social-Media-Analyse und Social Media-Benchmarking-Plattform Pluragraph.de prä­sen­tiert der Landesblog das:

Social-Media-Ranking der Parteien zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein

#NamePluragraph-Wert
1.Piratenpartei Schleswig-Holstein2.076
2.SPD Schleswig-Holstein1.501
3.FDP Schleswig-Holstein1.149
4.Bündnis 90/​Die Grünen Schleswig-Holstein1.100
5.Die LINKE. Schleswig-Holstein946
6.NPD Schleswig-Holstein768
7.CDU Schleswig-Holstein479
8.SSW 343
9.Maritime Union Deutschland114
10.Freie Wähler Schleswig-Holstein105
11.Familien-Partei Schleswig-Holstein101
   
 Quelle: Pluragraph.de  

Nicht beson­ders über­ra­schend lie­gen die Piraten, als Netzpartei auf Platz 1. des Rankings. Auch schon vor dem aktu­el­len Prognose-Hype (Aktuell: 10%, laut Landesblog-Mandatsrechner 7 Sitze) konn­ten die nord­deut­schen Freibeuter die meis­ten poli­tisch Interessierten für ihre Social-Media-Angebote begeis­tern. Wobei ein Großteil des Wertes allein auf das Twitter-Profil zurück­geht, dem über 1.800 Personen fol­gen. Danach kom­men die stärks­te Oppositionspartei SPD und der der­zei­ti­ge Regierungs-Koalitionspartner FDP. Platz 3 dürf­te den Liberalen Hoffnung machen, nach der gest­ri­gen Umfrage des NDR könn­te die Partei von Spitzenkandidat Kubicki even­tu­ell doch wie­der in den Landtag ein­zie­hen.

Erschreckend ist das über­aus erfolg­rei­che Abschneiden der NPD, die auf Platz 6 sogar noch vor der CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Jost de Jager. Laut Verfassungsschutzbericht 2011 hat die Partei im Norden gera­de ein­mal 210 Mitglieder, auf Facebook aller­dings 450 Sympathisanten.

Eine Interessante Anekdote am Rande: Der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Spitzenkandidat Torsten Albig liegt im Ranking sogar noch knapp vor der eige­nen Partei SPD. Die CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union wie­der­um liegt vor Albig und allen ande­ren Parteien, außer den Piraten.

Wie sich der Pluragraph-Wert genau ermit­telt und wel­che quan­ti­ta­ti­ven Daten zu Grunde lie­gen, lesen Sie hier.

Nach der har­ten Kritik des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) an den Facebook-Fanseiten hat­ten Bündnis 90 /​Die Grünen und die Piratenpartei bereits vor dem Wahlkampf ihre Facebook-Fanseiten gelöscht. Auch die SPD, die Familien-Partei und die Freien Wähler betrei­ben kei­ne eige­ne Facebook-Fanseite im Wahlkampf. Trotzdem lohnt ein kur­zer Blick auf die Facebook-Fanseiten der ande­ren sechs Parteien. In die­sem Ranking kön­nen lei­der nur „Fanseiten” und Hauptprofile der Parteien berück­sich­tigt wer­den, da das auto­ma­ti­sche Auslesen von „Privaten Seiten” bei Facebook nicht gestat­tet ist und die­se auch für die poli­ti­sche Kommunikation unge­eig­net sind. Insbesondere für die Bedürfnisse von Organisationen — wie etwa Parteien — hat Facebook die Möglichkeit der „Fanseiten” geschaf­fen.

Facebook-Fanseiten der Parteien in Schleswig-Holstein

Da Fanzahlen (Neu: „Gefällt mir”) nur die hal­be (quan­ti­ta­ti­ve) Wahrheit sind, hier noch zusätz­lich ein Blick auf die qua­li­ta­ti­ve Kategorie „Interaktionsrate”. Also wie sehr fin­det Austausch und Dialog zwi­schen den „Fans” und der Partei auf den Fanseiten statt und wie ver­brei­tet sind die Inhalte der Fanseite im gesam­ten Facebook? Hierfür haben wir den von Facebook ange­ge­be­nen Wert „Sprechen dar­über” durch die „Gefällt mir”-Anzahl geteilt. Daraus ergibt sich die Interaktionsrate. Je höher des­to bes­ser!

Die LINKE. 766 „Gefällt mir”
Interaktionsrate: 12,8
NPD 448 „Gefällt mir”
Interaktionsrate: 28,8
CDU 403 „Gefällt mir”
Interaktionsrate: 42,2
FDP 372 „Gefällt mir”
Interaktionsrate: 26,1
SSW 126 „Gefällt mir”
Interaktionsrate: 42,1
Maritime Union Deutschland 66 „Gefällt mir”
Interaktionsrate: 54,5

Die LINKE. im Norden kann die meis­ten „Gefällt mir” auf sich ver­ei­nen und hat fast dop­pelt so vie­le Sympathisanten bei Facebook wie die bei­den Regierungsparteien CDU und FDP zusam­men.

Zum Hintergrund der Interaktionsrate: Erste inter­na­tio­na­le Studien zur Interaktionsrate besa­gen, dass ein Wert zwi­schen 20 – 30% eine erfolg­rei­che Fanseite aus­zeich­net. Der Wert der Interaktionsrate ist zudem bedeut­sam für die Verbreitung der Inhalte der eige­nen Fanseite. Er fließt mit in den Facebook-Algorithmus ein, der defi­niert, wel­che Inhalte über­haupt im „Stream” jedes ein­zel­nen Fans ange­zeigt wer­den. Heißt: eine gerin­ge Interaktionsrate führt dazu, dass nur sehr weni­ge „Fans” die Postings der Partei auch auf ihrer eige­nen Facebookseite sehen.

Insgesamt ver­fü­gen Martime Union Deutschland, CDU und SSW über die größ­te Mobilisierungs- und Verbreitungsrate im sozia­len Netzwerk Facebook. Die auf­grund der höchs­ten „Gefällt mir”-Anzahl füh­ren­de LINKE kann hin­ge­gen nur die kleins­te Interaktionsrate erzie­len. Nach einer aktu­el­len Analyse der Hamburger Agentur JOM Jäschke Operational Media, die die Stimmung in den sozia­len Netzwerken gemes­sen hat, liegt aller­dings die SPD nach Auswertung von 1400 Kommentaren und Postings in Schleswig-Holstein vor­ne. Die meis­ten Erwähnungen ent­fie­len im Beobachtungszeitraum auf die CDU, vor der FDP und der Piratenpartei.

Fazit:
Vergleicht man ins­ge­samt die Aktivitäten aller Parteien im Schleswig-Holstein, mit den letz­ten Social-Media-Wahlkämpfen z.B. in Berlin, Hamburg oder aktu­ell auch NRW, ist Schleswig-Holstein wei­ter­hin Entwicklungsland. Mir feh­len die Innovationen, die intel­li­gen­ten Social-Media-Kampagnen und die Ansätze, wie das Web 2.0 erfolg­reich zur Wähleransprache genutzt wer­den kann. Die Mobilisierung über die Netzwerke bleibt bei den eta­blier­ten Parteien fast ver­nach­läs­sig­bar gering.

Laut einer aktu­el­len BITKOM-Studie nut­zen 51% der Deutschen und 71% der unter 30-Jährigen Facebook aktiv. Bei z.B. über 26.000 Mitgliedern der CDU im Nordland über­rascht eine „Gefällt mir”-Anzahl von ledig­lich 400 Personen sehr.
Theoretisch könn­ten über 13.000 CDU-Mitglieder für ihre Partei im Netz wer­ben und deren Inhalte ver­brei­ten. Bei den ande­ren gro­ßen Parteien sieht dies ähn­lich aus.

Auffallend sind die über­durch­schnitt­li­chen Follower- und Fanzahlen bei der Piratenpartei, bei Die LINKE. und der NPD. Diese über­tref­fen die rea­len Mitgliederzahlen teil­wei­se erheb­lich und auch die Relevanz der Parteien in der öffent­li­chen Wahrnehmung. Spätestens am Sonntag, den 06. Mai um 18.00 Uhr wird sich zei­gen, was die Mobilisierung in den sozia­len Netzwerken wert ist und ob die Parteien die­se auch in rea­le Stimmen ummün­zen kön­nen.

Martin Fuchs
Von:

Martin Fuchs, Hamburger, Blogger und Politikberater, bloggt in de Freien- und Hansestadt als Hamburger Wahlbeobachter (www.hamburger-wahlbeobachter.de) über die lokale Politik mit Fokus auf Bürgerbeteiligung, Bürgerdialog und den Einsatz von Social-Media in Bürgerschaft, Senat und den Bezirksversammlungen.

6 Gedanken zu “Social-Media-Wahlkampf an der Küste”:

  1. Yves-Christian Stübe

    Moin,

    ich bin der Meinung, dass die­ser Artikel einem Faktencheck in wei­ten Teilen nicht stand­hal­ten wird, vor­al­lem, was die „Interaktionsrate” angeht.

    So erklärt sich die recht ansehn­li­che „Interaktionsrate” der Jungen Union Schleswig-Holsteins kei­nes Weges dar­aus, dass so vie­le Menschen sich wohl­mei­nend über die ein­ge­stell­ten Pressemitteilungen aus­tau­schen, viel­mehr fin­den dort Scharmützel zwi­schen akti­ven JUlern und Jusos statt, auf­grund des fort­ge­setz­ten eher dümm­li­chen „Negative Campainings” der JU SH statt. Insofern ist die­se Interaktionsrate kein Indiz für eine gelun­ge­ne Außenwirkung. Vielmehr ist das ein Selbstbespaßung der bei­den gro­ßen par­tei­ge­bun­de­nen Jugendorganisationen in SH.

    Des Wieteren hat der Autor die „Fanpage” der Jusos Schleswig-Holstein kom­plett unter­schla­gen, die mit 843 Likes in die­ser Kathegorie vor allen auf­ge­führ­ten Fanpages liegt.

    So könn­te man noch eini­ge wei­te­re Aspekte auf­füh­ren, die die­sem Artikel schlech­te Recherche und man­geln­de aus­sa­ge­kräf­ti­ge Statements nach­wei­sen.

    Also lie­ber Martin Fuchs, ein bis­sel Nacharbeioten und dann kanns­te das ja noch­mal ver­su­chen. :-)

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  2. Martin Fuchs

    Moin Moin lie­ber Jungssozialist Stübe,

    ich freue mich immer über kon­struk­ti­ven Input und Anmerkungen zu mei­nen Analysen. Leider weiß ich nicht, was ich aus Ihrem Kommentar für mich her­aus­zie­hen soll?

    In dem Posting geht es, wie ein­gangs beschrie­ben und im Text mehr­fach erwähnt um den Wahlkampf der PARTEIEN und nicht der par­tei­na­hen Jugendorganisationen. Die Junge Union erwäh­ne ich aus­schließ­lich als Vergleichgröße. Mit einem Klick auf das Schleswig-Holstein-Ranking kann man zudem sehen, dass die JU eini­ge Plätze vor den Jusos im quan­ti­ta­ti­ven Ranking liegt: https://pluragraph.de/categories/schleswig-holstein

    Die prä­sen­tier­ten Interaktionsraten bezie­hen sich auch NUR auf die PARTEIEN. Sie reprä­sen­tie­ren den Stand vom Tag des Postings. Ich bewer­te nicht wie die­se Raten zustan­de kom­men, son­dern sage nur, dass eine höhe­re Rate auch zu einer brei­te­ren Wahrnehmung bei Facebook führt.

    Sollten Sie noch wirk­li­che Kritik haben, freue ich mich über Ihren Input.
    Gerne auch über den von Ihnen ange­kün­dig­ten Faktencheck. Auf gehts!

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  3. Pascal

    Unabhängig des sons­ti­gen Inhalts: Ist es nötig, auf eine NPD Fansite zu ver­lin­ken?

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    1. Oliver Fink

      Das Landesblog ist ein Medium, das über Landespolitik berich­tet. Es ist in mei­nen Augen nicht die Aufgabe, des Landesblogs, das vor­zu­neh­men, was im Zweifel Gerichte vor­zu­neh­men hät­ten: Das Verbot und damit den Ausschluss von Parteien aus dem poli­ti­schen Diskurs.

      Ich bin immer dabei, Nazis argu­men­ta­tiv eines auf den Deckel zu geben. Das Landesblog macht mit Sicherheit kei­ne Werbung für Nazis. Ich hal­te sie für wider­li­ches Gesindel, eine Formulierung die ich sonst auf poli­ti­sche Mitbewerber nicht anwen­de. Aber ich habe mich in der Vergangenheit nach reif­li­cher Überlegung auch in der Regel dafür ent­schie­den, ent­spre­chen­de Links hier im Landesblog (wider­wil­lig) zu set­zen. Ich den­ke, Martin Fuchs geht es nicht anders.

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      1. Martin Fuchs

        Ehrlich gesagt habe auch ich jedes Mal Bauchschmerzen, wenn ich zur NPD ver­lin­ke. Da die­se Partei aber (lei­der) zur Lebeswirklichkeit in Schleswig-Holstein gehört und wie beschrie­ben dazu auch noch sehr erfolg­reich in den sozia­len Netzwerken agiert, fin­de ich es umso wich­ti­ger dar­über zu berich­ten.

        Und der Link ist in 1 Sekunde Eigenrecherche auf­find­bar.

        Zudem schlie­ße ich mich dem an, was Oliver Fink hier schon rich­ti­ger­wei­se kom­men­tiert hat.

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  4. Tim Petersen

    Wenn eine „Social-Media-Analyse” dar­auf basiert, dass man ver­schie­de­ne Seiten in irgend­ein Online-Tool wirft und dann die Zahlen auf­zählt, fehlt mir der Tiefgang. Was bedeu­tet denn die „Interaktionsrate” — haben da bei der CDU alle geschrie­ben „fin­de ich schei­ße!” oder alle „fin­den wir toll! reich ich wei­ter!”

    Sind die Parteiseiten über­haupt die Hauptseiten für den Wahlkampf? Wie sieht es aus dem den Profilen? Das mag viel­leicht befremd­lich sein, wenn man aus der Agenturwelt kommt und die Auftraggeber nur Firmen sind. Parteien bestehen aber aus Menschen (vul­go „Politiker) die alle zusam­men „die Partei” sind. Da kann der Partei-Twitter-Account ver­mut­lich viel weni­ger Interaktion bie­ten als die Einzelaccounts.

    Auf wel­chen ande­ren Ebenen kann man denn Schleswig-Holstein mit Berlin und NRW ver­glei­chen? Die Einwohnerzahl ist so groß wie in Berlin — die Fläche viel grö­ßer. Die Bevölkerung ganz anders zusam­men­ge­setzt. Die Internetversorgung sehr unter­schied­lich. In NRW leben viel mehr Menschen.

    Was bedeu­tet es, wenn NPD und LINKE die meis­ten Fans haben aber die wenigs­ten Wähler? Bei der MUD fin­det man die aller­höchs­te Interaktionsrate, aber in kei­ner Umfrage tau­chen sie als Gefahr für SPD und CDU auf.

    Tut mir leid — sol­che Artikel, die rein auf dem Zusammenrechnen von Followerzahlen beru­hen, sagen über­haupt nichts aus. Das ist ein Beispiel dafür, wie Datenjournalismus kein Wissen pro­du­ziert.

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