Der Landesblog hatte vor einigen Wochen bereits einmal nachgezählt: 161 Landtagskandidaten besitzen einen Facebook-Account und 72 aktuell ein Profil beim Microblogging-Dienst Twitter. Doch wie nutzen die Parteien die sozialen Netzwerke zum Wahlkampf? Ein Blick auf die Social-Media-Arbeit der Parteien in Schleswig-Holstein — zwei Wochen vor der Wahl.
Am 06. Mai wird im nördlichsten deutschen Bundesland ein neues Parlament und damit auch ein neue Landesregierung gewählt. Neben den bereits im Landtag sitzenden Parteien CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Die LINKE. und SSW wurden zudem noch fünf weitere Landeslisten (.pdf) zur Wahl zugelassen:PiratenparteiFreie Wähler Schleswig-Holstein NPDFamilien-Partei und die Maritime Union Deutschlands. Insgesamt treten 11 Parteien zur Wahl an. Mit Hilfe der Social-Media-Analyse und Social Media-Benchmarking-Plattform Pluragraph.de präsentiert der Landesblog das:
Social-Media-Ranking der Parteien zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein
# | Name | Pluragraph-Wert |
1. | Piratenpartei Schleswig-Holstein | 2.076 |
2. | SPD Schleswig-Holstein | 1.501 |
3. | FDP Schleswig-Holstein | 1.149 |
4. | Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein | 1.100 |
5. | Die LINKE. Schleswig-Holstein | 946 |
6. | NPD Schleswig-Holstein | 768 |
7. | CDU Schleswig-Holstein | 479 |
8. | SSW | 343 |
9. | Maritime Union Deutschland | 114 |
10. | Freie Wähler Schleswig-Holstein | 105 |
11. | Familien-Partei Schleswig-Holstein | 101 |
Quelle: Pluragraph.de |
Nicht besonders überraschend liegen die Piraten, als Netzpartei auf Platz 1. des Rankings. Auch schon vor dem aktuellen Prognose-Hype (Aktuell: 10%, laut Landesblog-Mandatsrechner 7 Sitze) konnten die norddeutschen Freibeuter die meisten politisch Interessierten für ihre Social-Media-Angebote begeistern. Wobei ein Großteil des Wertes allein auf das Twitter-Profil zurückgeht, dem über 1.800 Personen folgen. Danach kommen die stärkste Oppositionspartei SPD und der derzeitige Regierungs-Koalitionspartner FDP. Platz 3 dürfte den Liberalen Hoffnung machen, nach der gestrigen Umfrage des NDR könnte die Partei von Spitzenkandidat Kubicki eventuell doch wieder in den Landtag einziehen.
Erschreckend ist das überaus erfolgreiche Abschneiden der NPD, die auf Platz 6 sogar noch vor der CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Jost de Jager. Laut Verfassungsschutzbericht 2011 hat die Partei im Norden gerade einmal 210 Mitglieder, auf Facebook allerdings 450 Sympathisanten.
Eine Interessante Anekdote am Rande: Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Torsten Albig liegt im Ranking sogar noch knapp vor der eigenen Partei SPD. Die CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union wiederum liegt vor Albig und allen anderen Parteien, außer den Piraten.
Wie sich der Pluragraph-Wert genau ermittelt und welche quantitativen Daten zu Grunde liegen, lesen Sie hier.
Nach der harten Kritik des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) an den Facebook-Fanseiten hatten Bündnis 90 /Die Grünen und die Piratenpartei bereits vor dem Wahlkampf ihre Facebook-Fanseiten gelöscht. Auch die SPD, die Familien-Partei und die Freien Wähler betreiben keine eigene Facebook-Fanseite im Wahlkampf. Trotzdem lohnt ein kurzer Blick auf die Facebook-Fanseiten der anderen sechs Parteien. In diesem Ranking können leider nur „Fanseiten” und Hauptprofile der Parteien berücksichtigt werden, da das automatische Auslesen von „Privaten Seiten” bei Facebook nicht gestattet ist und diese auch für die politische Kommunikation ungeeignet sind. Insbesondere für die Bedürfnisse von Organisationen — wie etwa Parteien — hat Facebook die Möglichkeit der „Fanseiten” geschaffen.
Facebook-Fanseiten der Parteien in Schleswig-Holstein
Da Fanzahlen (Neu: „Gefällt mir”) nur die halbe (quantitative) Wahrheit sind, hier noch zusätzlich ein Blick auf die qualitative Kategorie „Interaktionsrate”. Also wie sehr findet Austausch und Dialog zwischen den „Fans” und der Partei auf den Fanseiten statt und wie verbreitet sind die Inhalte der Fanseite im gesamten Facebook? Hierfür haben wir den von Facebook angegebenen Wert „Sprechen darüber” durch die „Gefällt mir”-Anzahl geteilt. Daraus ergibt sich die Interaktionsrate. Je höher desto besser!
Die LINKE. 766 „Gefällt mir” Interaktionsrate: 12,8 | |
NPD 448 „Gefällt mir” Interaktionsrate: 28,8 | |
CDU 403 „Gefällt mir” Interaktionsrate: 42,2 | |
FDP 372 „Gefällt mir” Interaktionsrate: 26,1 | |
SSW 126 „Gefällt mir” Interaktionsrate: 42,1 | |
Maritime Union Deutschland 66 „Gefällt mir” Interaktionsrate: 54,5 |
Die LINKE. im Norden kann die meisten „Gefällt mir” auf sich vereinen und hat fast doppelt so viele Sympathisanten bei Facebook wie die beiden Regierungsparteien CDU und FDP zusammen.
Zum Hintergrund der Interaktionsrate: Erste internationale Studien zur Interaktionsrate besagen, dass ein Wert zwischen 20 – 30% eine erfolgreiche Fanseite auszeichnet. Der Wert der Interaktionsrate ist zudem bedeutsam für die Verbreitung der Inhalte der eigenen Fanseite. Er fließt mit in den Facebook-Algorithmus ein, der definiert, welche Inhalte überhaupt im „Stream” jedes einzelnen Fans angezeigt werden. Heißt: eine geringe Interaktionsrate führt dazu, dass nur sehr wenige „Fans” die Postings der Partei auch auf ihrer eigenen Facebookseite sehen.
Insgesamt verfügen Martime Union Deutschland, CDU und SSW über die größte Mobilisierungs- und Verbreitungsrate im sozialen Netzwerk Facebook. Die aufgrund der höchsten „Gefällt mir”-Anzahl führende LINKE kann hingegen nur die kleinste Interaktionsrate erzielen. Nach einer aktuellen Analyse der Hamburger Agentur JOM Jäschke Operational Media, die die Stimmung in den sozialen Netzwerken gemessen hat, liegt allerdings die SPD nach Auswertung von 1400 Kommentaren und Postings in Schleswig-Holstein vorne. Die meisten Erwähnungen entfielen im Beobachtungszeitraum auf die CDU, vor der FDP und der Piratenpartei.
Fazit:
Vergleicht man insgesamt die Aktivitäten aller Parteien im Schleswig-Holstein, mit den letzten Social-Media-Wahlkämpfen z.B. in Berlin, Hamburg oder aktuell auch NRW, ist Schleswig-Holstein weiterhin Entwicklungsland. Mir fehlen die Innovationen, die intelligenten Social-Media-Kampagnen und die Ansätze, wie das Web 2.0 erfolgreich zur Wähleransprache genutzt werden kann. Die Mobilisierung über die Netzwerke bleibt bei den etablierten Parteien fast vernachlässigbar gering.
Laut einer aktuellen BITKOM-Studie nutzen 51% der Deutschen und 71% der unter 30-Jährigen Facebook aktiv. Bei z.B. über 26.000 Mitgliedern der CDU im Nordland überrascht eine „Gefällt mir”-Anzahl von lediglich 400 Personen sehr.
Theoretisch könnten über 13.000 CDU-Mitglieder für ihre Partei im Netz werben und deren Inhalte verbreiten. Bei den anderen großen Parteien sieht dies ähnlich aus.
Auffallend sind die überdurchschnittlichen Follower- und Fanzahlen bei der Piratenpartei, bei Die LINKE. und der NPD. Diese übertreffen die realen Mitgliederzahlen teilweise erheblich und auch die Relevanz der Parteien in der öffentlichen Wahrnehmung. Spätestens am Sonntag, den 06. Mai um 18.00 Uhr wird sich zeigen, was die Mobilisierung in den sozialen Netzwerken wert ist und ob die Parteien diese auch in reale Stimmen ummünzen können.
Moin,
ich bin der Meinung, dass dieser Artikel einem Faktencheck in weiten Teilen nicht standhalten wird, vorallem, was die „Interaktionsrate” angeht.
So erklärt sich die recht ansehnliche „Interaktionsrate” der Jungen Union Schleswig-Holsteins keines Weges daraus, dass so viele Menschen sich wohlmeinend über die eingestellten Pressemitteilungen austauschen, vielmehr finden dort Scharmützel zwischen aktiven JUlern und Jusos statt, aufgrund des fortgesetzten eher dümmlichen „Negative Campainings” der JU SH statt. Insofern ist diese Interaktionsrate kein Indiz für eine gelungene Außenwirkung. Vielmehr ist das ein Selbstbespaßung der beiden großen parteigebundenen Jugendorganisationen in SH.
Des Wieteren hat der Autor die „Fanpage” der Jusos Schleswig-Holstein komplett unterschlagen, die mit 843 Likes in dieser Kathegorie vor allen aufgeführten Fanpages liegt.
So könnte man noch einige weitere Aspekte aufführen, die diesem Artikel schlechte Recherche und mangelnde aussagekräftige Statements nachweisen.
Also lieber Martin Fuchs, ein bissel Nacharbeioten und dann kannste das ja nochmal versuchen. :-)
Moin Moin lieber Jungssozialist Stübe,
ich freue mich immer über konstruktiven Input und Anmerkungen zu meinen Analysen. Leider weiß ich nicht, was ich aus Ihrem Kommentar für mich herausziehen soll?
In dem Posting geht es, wie eingangs beschrieben und im Text mehrfach erwähnt um den Wahlkampf der PARTEIEN und nicht der parteinahen Jugendorganisationen. Die Junge Union erwähne ich ausschließlich als Vergleichgröße. Mit einem Klick auf das Schleswig-Holstein-Ranking kann man zudem sehen, dass die JU einige Plätze vor den Jusos im quantitativen Ranking liegt: https://pluragraph.de/categories/schleswig-holstein
Die präsentierten Interaktionsraten beziehen sich auch NUR auf die PARTEIEN. Sie repräsentieren den Stand vom Tag des Postings. Ich bewerte nicht wie diese Raten zustande kommen, sondern sage nur, dass eine höhere Rate auch zu einer breiteren Wahrnehmung bei Facebook führt.
Sollten Sie noch wirkliche Kritik haben, freue ich mich über Ihren Input.
Gerne auch über den von Ihnen angekündigten Faktencheck. Auf gehts!
Unabhängig des sonstigen Inhalts: Ist es nötig, auf eine NPD Fansite zu verlinken?
Das Landesblog ist ein Medium, das über Landespolitik berichtet. Es ist in meinen Augen nicht die Aufgabe, des Landesblogs, das vorzunehmen, was im Zweifel Gerichte vorzunehmen hätten: Das Verbot und damit den Ausschluss von Parteien aus dem politischen Diskurs.
Ich bin immer dabei, Nazis argumentativ eines auf den Deckel zu geben. Das Landesblog macht mit Sicherheit keine Werbung für Nazis. Ich halte sie für widerliches Gesindel, eine Formulierung die ich sonst auf politische Mitbewerber nicht anwende. Aber ich habe mich in der Vergangenheit nach reiflicher Überlegung auch in der Regel dafür entschieden, entsprechende Links hier im Landesblog (widerwillig) zu setzen. Ich denke, Martin Fuchs geht es nicht anders.
Ehrlich gesagt habe auch ich jedes Mal Bauchschmerzen, wenn ich zur NPD verlinke. Da diese Partei aber (leider) zur Lebeswirklichkeit in Schleswig-Holstein gehört und wie beschrieben dazu auch noch sehr erfolgreich in den sozialen Netzwerken agiert, finde ich es umso wichtiger darüber zu berichten.
Und der Link ist in 1 Sekunde Eigenrecherche auffindbar.
Zudem schließe ich mich dem an, was Oliver Fink hier schon richtigerweise kommentiert hat.
Wenn eine „Social-Media-Analyse” darauf basiert, dass man verschiedene Seiten in irgendein Online-Tool wirft und dann die Zahlen aufzählt, fehlt mir der Tiefgang. Was bedeutet denn die „Interaktionsrate” — haben da bei der CDU alle geschrieben „finde ich scheiße!” oder alle „finden wir toll! reich ich weiter!”
Sind die Parteiseiten überhaupt die Hauptseiten für den Wahlkampf? Wie sieht es aus dem den Profilen? Das mag vielleicht befremdlich sein, wenn man aus der Agenturwelt kommt und die Auftraggeber nur Firmen sind. Parteien bestehen aber aus Menschen (vulgo „Politiker) die alle zusammen „die Partei” sind. Da kann der Partei-Twitter-Account vermutlich viel weniger Interaktion bieten als die Einzelaccounts.
Auf welchen anderen Ebenen kann man denn Schleswig-Holstein mit Berlin und NRW vergleichen? Die Einwohnerzahl ist so groß wie in Berlin — die Fläche viel größer. Die Bevölkerung ganz anders zusammengesetzt. Die Internetversorgung sehr unterschiedlich. In NRW leben viel mehr Menschen.
Was bedeutet es, wenn NPD und LINKE die meisten Fans haben aber die wenigsten Wähler? Bei der MUD findet man die allerhöchste Interaktionsrate, aber in keiner Umfrage tauchen sie als Gefahr für SPD und CDU auf.
Tut mir leid — solche Artikel, die rein auf dem Zusammenrechnen von Followerzahlen beruhen, sagen überhaupt nichts aus. Das ist ein Beispiel dafür, wie Datenjournalismus kein Wissen produziert.