Einmal emanzipieren reicht nicht!

Von | 18. Oktober 2012

Wo sind sie, die poli­tisch enga­gier­ten Mütter zwi­schen 25 und 40? Man sieht sie auf Elternabenden, im Schrevenpark, auf Kinderfesten, im Café und in Krabbelkursen. Man kann ihr Engagement eigent­lich deut­lich sehen und hören. Es scheint also nicht dar­an zu lie­gen, dass Frauen, ins­be­son­de­re Mütter, weni­ger Interesse am gesell­schaft­li­chen Leben haben; viel­mehr rich­tet es sich oft eng an der Zukunft ihrer Kinder aus.

Allgemein ist es heut­zu­ta­ge üblich, Familie dem Privatleben zuzu­ord­nen, doch mei­ne wich­tigs­te Prämisse lau­tet schon lan­ge: Das Private war, ist und bleibt poli­tisch! Denn die Entscheidungen, die in poli­ti­schen Prozessen auf allen Ebenen getrof­fen wer­den, spü­ren Mütter sehr deut­lich – und sie beein­flus­sen ihr Leben. Oft höre ich Klagen, dass sich Mütter den Umständen ziem­lich hilf­los aus­ge­lie­fert füh­len. Ich mei­ne: Das muss nicht sein. Politik soll nicht nur für Mütter gemacht wer­den, son­dern Mütter soll­ten auch Politik mit­ge­stal­ten!

Ich selbst stu­die­re seit 8 Semestern Psychologie an der Uni Kiel und habe mit Familienfreundlichkeit an der Hochschule so mei­ne Erfahrungen gemacht. Deshalb habe ich ich mit enga­gier­ten Kommilitonen ein Familien-Projekt gegrün­det, das nicht nur Dienstleistungen anbie­tet, son­dern vor allem auf­klä­ren soll und Hilfe zur Selbsthilfe ver­mit­telt. Dabei habe ich auch viel über mich und mei­ne Fähigkeiten gelernt. Sonst hät­te ich mich nicht getraut im Studium noch ein zwei­tes Kind zu bekom­men. Da ich die Grenzen und Möglichkeiten des Studierens mit Kindern recht genau ken­ne, bin ich auch viel gelas­se­ner und dif­fu­se Zukunfts- oder Versagensängste stel­len sich gar nicht erst ein.

Ähnliche Projekte sind auf allen poli­ti­schen Ebenen sinn­voll. Sie brin­gen nicht nur das Thema Gleichstellung und Familienfreundlichkeit vor­an, son­dern las­sen die Mitwirkenden in poli­ti­sche Verantwortung wach­sen. Denn zumeist hat man als Mutter in Parteien, Verbänden und Initiativen zu Anfang doch das Gefühl, nicht rich­tig dazu­zu­ge­hö­ren. Funktioniert die Integration in die Gruppe gut, wird man viel­leicht als Vorbild für ande­re Frauen geschätzt, aber ein gewin­nen­der Austausch fin­det zumeist nicht statt und ver­glei­chen­de Beispiele zei­gen sich kaum. Das Gefühl eine Einzelkämpferin zu sein, stellt sich fast sicher ein ein.

Aber an die­ser Stelle möch­te ich Ihnen, lie­be Leserinnen, Mut machen. Von tra­di­tio­nel­len Rollenbildern eman­zi­pier­te Frauen gibt es in der Politik, dank einer brei­ten Akzeptanz für Förderung, immer mehr. Doch Sie, mit Ihrem Kind oder Ihren Kindern, müs­sen sich auf bei­den Seiten eman­zi­pie­ren. Sie kön­nen nicht das leis­ten, was kin­der­lo­se Frauen leis­ten. Sie haben eine ande­re Sicht auf ihr Umfeld, Sie sehen die Dinge nicht immer so wie ande­re Frauen.

Und genau das braucht unse­re Politik so drin­gend. Frauen, die durch die Grenzerfahrungen die sie gemacht haben (und alle Mütter, die dies lesen, wis­sen ganz genau wovon ich hier rede), garan­tie­ren einen erwei­ter­ten Blick auf die Bedürfnisse unse­rer Mitmenschen. Sie wis­sen sehr genau, dass man sich Vieles fest vor­neh­men kann, doch wenn die Kinder da sind, ist doch das Meiste anders. Schwarz-Weiß den­ken funk­tio­niert nicht mehr und man ist dar­auf ange­wie­sen, mit Kompromissen zu jon­glie­ren. Und nicht zuletzt sind Mütter die­je­ni­gen, die jeden Tag mit ihrem Partner über Haushalt, Finanzen und Betreuungspflichten hart ver­han­deln müs­sen.

Ein auf­merk­sa­mer Leser hat inzwi­schen bemerkt wor­auf ich hin­aus möch­te. Das Gehirn von Müttern besteht nicht aus Babybrei. Im Privaten haben Frauen mit Familienpflichten die glei­chen Herausforderungen zu tra­gen, wie Berufspolitiker. Mütter sind wie geschaf­fen für Verhandlungen am Koalitionstisch, beim Erklären von kom­ple­xen Entscheidungen, beim Vermitteln zwi­schen schwie­ri­gen Partnern — und vor allem haben sie die nöti­ge Zähigkeit bei der Durchsetzung.

Schütteln wir die Vorstellung, dass eine kom­pe­ten­te Führungskraft zumeist einen Anzug trägt, mal kräf­tig durch.

Ein Spucktuch ist sicher­lich kein Garant für Kompetenz, eine Seidenkrawatte aber auch nicht.

Mein Traum für die Zukunft? Ich wün­sche mir einen Mütter-Boom in der Politik.

Stefanie Fahr
Von:

Stefanie Fahr (32), Referentin für Familie und Projektleiterin von Familie & Campus an der CAU. Sozialdemokratin.

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