In dieser Woche sind zwei junge Männer von der CDU dran, zu erklären, warum sie sich in der Kommunalpolitik engagieren: Mark Blue ist 29 und Marten Waller und ist 28. Ja, leider ist diese Reihe eine reine Herrenrunde bisher. Es haben sich bisher einfach keine jungen Frauen gemeldet und mir sind auch keine empfohlen worden. Das war auch der Grund dafür, dass wir Stefanie Fahr gebeten haben, über Frauen in der Politik zu schreiben. Nichtsdestoweniger freue ich mich, dass Mark und Marten sich unseren Fragen gestellt haben:
Seit wann interessiert Ihr Euch für Kommunalpolitik?
Mark Blue: Seit den Kommunalwahlen 2008 bin ich direkt gewählter Abgeordneter des Pinneberger Kreistages. Zuvor war ich seit 2006 bürgerliches Mitglied der Fraktion. Mein Interesse an Politik begann aber lange vor meinem Einstieg in die Kommunalpolitik, noch in der Schule — Ausschlag gebend war wohl eine JU-Verbandszeitschrift, die vor unserer Schule verteilt wurde und die mich thematisch angesprochen hat. Da wurde mein politisches Interesse geweckt und ich habe mich mit den Positionen auseinandergesetzt, um die es in der Zeitschrift ging. Kurze Zeit danach bin ich in die Schüler Union eingetreten und habe ziemlich schnell Gefallen daran gefunden, wie sachlich, aber auch energisch über Themen diskutiert wurde, von denen ich zuvor wohl annahm, dass sie junge Menschen wie mich „nichts angehen”.
Marten Waller: (Kommunal-)Politisches Interesse hatte ich seit dem 14. Lebensjahr, wenn nicht früher. Seit 2008 bin ich direkt gewählter Kreistagsabgeordneter in Dithmarschen.
Um was geht es bei Kommunalpolitik?
Mark Blue: Die Auswahl ist grenzenlos — weil kommunale Politik mit so ziemlich allen Bereichen des täglichen Lebens zu tun hat. Mir fällt kein einziges Thema ein, mit dem man nicht irgendwie in Berührung kommen könnte.
Marten Waller: Von der lokalen Schuleentwicklungsplanung oder Kindergartenausbau über Energiefragen (Ausweisung Windeignungsflächen, Netzausbau), der Zukunft öffentlicher Einrichtungen (Schwimmbad, Bibliothek) bis hin zu Fragen des demografischen Wandels und Infrastruktur ist das Themensprektrum sehr breit gefächert.
Was ist so spannend an Kommunalpolitik?
Mark Blue: „Das wird bei jedem anders sein. Für mich ist es neben der Vielfalt an Themen auch die Verantwortung, die man trägt. Während andere mittwochs Champions League schauen, darf ich über einen Haushalt von über 300 Millionen Euro mit entscheiden — in meinem Fall als Mitglied einer Mehrheitsfraktion, sodass der individuelle Einfluss schon bemerkbar ist. Wofür muss Geld da sein, wo sollten wir lieber sparen? Wir haben eine krasse Verschuldung. Je kleiner der Gestaltungsspielraum ist, desto größer die Herausforderung. In dieser Lage steht man selten vor einfachen Entscheidungen — jedenfalls dann, wenn man nicht einfach die Verschuldung erhöht und das Problem in die Zukunft schieben möchte.
Spannend ist es für mich aber vor allem dann, wenn ich in irgendeiner Frage von einem Argument überrascht werde, das mich überzeugt und meine bisherige Position ändert. Solche „„Aha””-Momente sind selten, aber sie kommen vor. ”
Marten Waller: Die Themen über die man spricht sind nicht abstrakt oder weit weg, sondern sehr konkret und vor Ort. Daher hat man auch viel eher die Möglichkeit tatsächlich etwas zu bewegen.
Was war Euer spannendstes Erlebnis?
Mark Blue: Die Wahl des Landrates. Das Ergebnis war zwar nicht überraschend, aber die Prozedur hatte etwas sehr Würdevolles. Außerdem setzt man ja gewisse Erwartungen in den Kandidaten, dem man seine Stimme gibt — und wird für seine Arbeit auch in Haftung genommen. Unser (parteilose) Bewerber hat die Wahl gewonnen und das Vertrauen gerechtfertigt. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, aber wenn er Sachverhalte entscheidet, weiß ich, dass er das nach bestem Wissen und Gewissen macht. Neben der notwendigen fachlichen Kompetenz kommt es mir vor allem darauf an.
Marten Waller: Mehrere Sonderkreistagssitzungen zur Ablehnung einer Satzung, mit welcher die Eltern an den Schülerbeförderungskosten beteiligt werden sollten. Das Ganze mündete in einer Ersatzvornahme des Innenministers und einem anschließenden Verfahren vor dem VG, OVG und LVerfG.
Wird man mit Kommunalpolitik reich?
Mark Blue: „Reich wird man nicht, aber das ist auch nicht der Sinn eines Ehrenamts. Die Entschädigungen, die man bekommt, reichen absolut aus. Die sind von Kreis zu Kreis unterschiedlich. In Pinneberg gibt es für die Abgeordneten eine Pauschale von 100,- Euro monatlich, je Sitzung weitere 20,- Euro und dazu noch die Fahrtkosten zu den Sitzungen (30 Ct./Kilometer).
Marten Waller: Kommunalpolitiker interessieren sich für die Themen die direkt vor Ort anstehen und wollen sich für ihre Heimat einsetzen. Ich denke nur die allerwenigsten sehen Kommunalpolitik als Stufe der Karriereleiter, für viele ist es eher Zeitvertreib. Reich wird man damit sicher nicht. Trotz Aufwandsentschädigung ist es eher ein Zuschussgeschäft, ein Ehrenamt halt…
Was musstest Du tun, um von Deiner Partei aufgestellt zu werden?
Mark Blue: Einen freien Wahlkreis finden, mich in den Ortsverbänden vorstellen, dabei keinen dummen Eindruck hinterlassen — und hoffen, dass ich der einzige Bewerber bleibe!
Marten Waller: Ich war vor 2008 bereits in der Jungen Union aktiv und wurde von Parteifreunden gefragt, ob ich nicht Interesse hätte zu kandidieren. Ich habe ja gesagt und wurde auf einer Mitgliederversammlung nominiert.
Ist Kommunalpolitik nur eine Karrierestufe — Teil der „Ochsentour” oder ist das etwas, was man auch ohne größere Ambitionen macht?
Mark Blue: Natürlich kann die Kommunalpolitik Teil einer Karrierestufe sein. Wenn jemand nach seiner Ausbildung und einigen Jahren Erfahrung im Beruf hauptamtlich Politik machen möchte, finde ich das gut! Wenn man dann vorher auch in der Kommunalpolitik war, kennt derjenige die Auswirkungen seiner späteren Entscheidungen im Landtag oder im Bundestag auf die Kommunen vor Ort viel besser.
Für mich kann ich ausschließen, dass mein Kreistagsmandat nur Teil einer Ochsentour ist, da ich zur kommenden Wahl aufhöre. Hauptamtliche Politik werde ich für die kommenden 10 – 20 Jahre sicherlich nicht anstreben. Sollte ich danach plötzlich in irgendeinem Parlament aufwachen, wird mir die Erfahrung im Kreistag aber definitiv helfen.”
Was sind die Probleme von Kommunalpolitik heute?
Mark Blue: Mich ärgert vor allem die Schwarz-Weiß-Seherei bei einzelnen Akteuren. Das ist abschreckend und macht ehrenamtliche Politik unattraktiv. Was von der eigenen Fraktion kommt, ist immer gut, was die anderen machen, ist immer Murks. Das ist kleingeistig. Man sollte sich mit Respekt behandeln. Ich schätze zum Beispiel den Vorsitzenden unseres Jugendhilfeausschusses sehr. Er kennt sich aus, erscheint glaubwürdig und ist nett. Dass er in der SPD ist, ist kein Grund, seine Meinung zu ignorieren. Ich muss sie ja nicht teilen.
Marten Waller: Das größte Problem ist sicherlich die fehlende Bereitschaft von vielen Menschen sich überhaupt noch kommunalpolitisch zu engagieren. Selbst in größeren Gemeinden haben die Parteien inzwischen Mühe genügend Kandidaten zu finden. Ich denke den Menschen müsste wieder klarer ins Bewusstsein gerufen werden, dass wir alle als Staat bzw. Kommune ein organisiertes Gemeinwesen bilden und unsere Demokratie nur durch das Mitwirken der Menschen funktioniert. Und wo kann man so einfach Mitmachen wie in der Kommunalpolitik?
Seid Ihr nun welche von „den Politikern”?
Mark Blue: Die Selbstverwaltung im Kreis und in den Gemeinden ist Politik. Natürlich bin ich damit ein Politiker. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich der vermeintlichen Mehrheitsmeinung „Politik ist schlecht und Politiker sind es erst recht” anschließen — was viele dazu treibt, die Bezeichnung „Politiker” als Vorwurf zu verstehen. Das wäre aber entweder Selbstverleugnung oder Anbiederung; zu beidem sehe ich keinen Anlass. Weder Berufs- noch ehrenamtliche Politiker müssen sich ihres Engagements wegen schämen und sich möglichst oft nach außen von „den Politikern” abgrenzen. Da wäre etwas Selbstbewusstsein angebracht — wenn wir in einer Demokratie leben wollen, brauchen wir Politiker. Ich finde es respektabel, wenn jemand eine Aufgabe übernimmt, die mit Öffentlichkeit und oftmals auch öffentlicher Kritik verbunden sein kann. Egal in welcher (demokratischen!) Partei. Außerdem glaube ich nicht, dass man irgendeinen Blumentopf beim Bürger gewinnt, wenn man sich als Politiker vor ihn stellt und sagt, man sei aber keiner von „den Politikern”. Es gibt natürlich „solche und solche”, aber Pauschalkritik ohne Ahnung und Differenzierung nehme ich nicht ernst.
Marten Waller: Das müssen andere beurteilen. Natürlich steckt man auch als Kommunalpolitiker bereits tiefer in politischen Strukturen als der „Normalbürger”, mit dem Klischeebild des abgehobenen Berufspolitikers im Elfenbeintrum hat die Arbeit auf kommunaler Ebene aber sicher wenig zu tun.
Tolles und informatives Interview :) Würde gerne mehr davon lesen.
LG
Clemens