„Stell dir vor es ist Schule und alle gehen gerne hin!?“ — mit diesem und ähnlichen Sätzen beschreibt Margret Rasfeld, Schulleiterin der Evangelischen Schule Berlin, ihre Schule. Sie war am vergangenen Donnerstag, zusammen mit zwei Schülerinnen ihrer Schule, zu einem weiteren bildungspolitischen Gespräch der „Plietsch“-Reihe unter Federführung der Grünen im Landeshaus eingeladen und überzeugte mit ihren Überlegungen zur Zukunft von Schulen.
Die Evangelische Schule Berlin ist eine Modellschule, die auf Potentialentfaltung setzt. Diese hält Margret Rasfeld für wesentlich wichtiger als den reinen Wissenserwerb, denn im Hinblick auf die Veränderungen, die die letzten Jahrzehnte geprägt haben, reichen die Voraussetzungen mit denen junge Menschen die Schule verlassen nicht mehr aus, um eine innovative Zukunft aktiv mitgestalten zu können. Ihrer Meinung nach wurden zu lange „fleißige Pflichterfüller“ an deutschen Schulen herangezogen und sie hält diese Entwicklung für innovationsfeindlich. Als Grundbedingungen für Innovationen sieht sie Autonomie, Selbstdenken, Urteilskraft, Persönlichkeitsstärke, Mut und maximale Interdisziplinarität, die an konventionellen deutschen Schulen schlichtweg fehlen. Diese Eigenschaften können jedoch nur in Lernarrangements entwickelt und gefördert werden, die auf selbstbestimmtes und selbstständiges Handeln setzen und die dem Kinde angeborene Lust am Entdecken und Gestalten unterstützen und sie ihm nicht austreiben. Wie sie das an ihrer Schule in Berlin umsetzt kann man auf der Webseite der Schule erfahren sowie in ihrem Buch „EduAction – Wir machen Schule“.
Um Schulen zu verändern und aus ihnen innovationsfreundliche Orte der Potentialentfaltung zu machen, reichen jedoch Diskussionen über das Für und Wider eines zwei- oder dreigliedrigen Schulsystems nicht aus, sondern die Bildungslandschaft müsste grundlegend reformiert werden, was wiederum nicht möglich ist, wenn Fraktionen auf Prinzipien beharren oder sich in Detailfragen verlieren. Ein grundsätzliches Umdenken darüber, was Schule erreichen will, ist dazu nötig. Da muss größer gedacht werden, denn gute Schule steht und fällt mit guten Lehrern. In Frau Rasfelds Schule bieten Schülerinnen und Schüler Fortbildungen für Lehrkräfte an und diese sind außerordentlich gut besucht. Im Rahmen dieser Fortbildungen erklären die Schüler, wie ihre Schule funktioniert und wie sie dort lernen und reißen ihre Besucher dadurch mit und nehmen ihnen ihre Bedenken und Ängste. Eine dieser Bedenken bezieht sich auf die ausreichende Vorbereitung auf zentrale Abschlussarbeiten, die in vielen Bundesländern üblich sind. Diese werden von den Schülern der Evangelischen Schule ebenso mitgeschrieben, wie auch die Vergleichsarbeiten VERA in Klasse 8 und die Schule schneidet überdurchschnittlich gut dabei ab.
Mit dem Blick in die berufliche Zukunft der heutigen Lernenden beschäftigt sich Frau Rasfeld ebenso wie mit den Bedürfnissen, die die künftigen Arbeitgeber in Bezug auf ihre künftigen Fach- und Führungskräfte haben. Neben den Basisfähigkeiten werden dort vor allem Kompetenzen wie Problemlösefähigkeit, Teamgeist und Organisationsfähigkeit gebraucht, alles Fertigkeiten, die man nicht durch stumpfes auswendig lernen von Wissen erwirbt.
Schulen verlieren sich auch in Schlewig-Holstein in Verwaltungsstrukturen und Umsetzung von immer neuen Erlassen, die eine innovative Unterrichtsentwicklung verhindern oder zumindest auf der Strecke bleiben lassen. Lehrerinnen und Lehrer sind mit vielen bürokratischen und immer neuen verwalterischen Aufgaben belastet, die ihnen den Freiraum rauben, sich mit Prozessen zu befassen, die für das Umdenken von Schule notwendig sind. Deshalb braucht es jetzt mehr als je zuvor ein Umdenken der bildungspolitischen Entscheidungsträger, damit Schule neu erfunden werden kann und nicht nur hier und da kleine Flicken aufgesetzt werden, die nach der nächsten Wahl in einer neuen Farbe angemalt werden.