Unterrichtsausfall und nichts passiert

Von | 21. Januar 2013
Gerd Altmann  / pixelio.de

Gerd Altmann /​ pixelio.de

Unterrichtsausfall ist an vie­len Schulen in Schleswig-Holstein ein wich­ti­ges Thema und auch der Bildungsausschuss hat sich in sei­ner letz­ten Sitzung der Problematik ange­nom­men. Die Unterrichtsausfälle an Schulen wer­den über ein Informations- und Steuerungssystem namens ODIS  erfasst, wel­ches jedoch das Problem an sich nicht löst und die Bedarfe nur in begrenz­tem Maße abbil­det. So kann damit bei­spiels­wei­se nicht erfasst wer­den, in wel­chen Klassenstufen und Fächern Unterricht aus­fällt, was durch­aus inter­es­sant ist, wenn es sich um prü­fungs­re­le­van­te Fächer in Abschlussklassen han­delt und nicht um den Textilunterricht in der Mittelstufe. Dazu ist eine Anpassung von ODIS erfor­der­lich und eben­so der an den Schulen ver­wen­de­ten Softwarelösungen, die zur Verwaltung von Schülern, Lehrern, Lehrerstunden, Stunden- und Vertretungsplänen und ähn­li­chem genutzt wer­den. Dafür gibt es in Schleswig-Holstein kei­ne ein­heit­li­che Lösung, son­dern Schulen grei­fen auf ganz unter­schied­li­che Programme zurück, die mehr oder weni­ger gut mit­ein­an­der und ODIS har­mo­nie­ren.

Doch auch wenn der Unterrichtsausfall trans­pa­rent und ver­läss­lich erfasst wer­den kann, ist er noch nicht beho­ben. Für die Schulen vor Ort tre­ten ganz unter­schied­li­che Szenarien auf, die Ausfälle nach sich zie­hen kön­nen, so müs­sen bei­spiels­wei­se Lehrkräfte für Fortbildungen aus­ge­plant wer­den, die nur wäh­rend der Unterrichtszeit ange­bo­ten wer­den oder den Ausfall von Nachmittagsunterricht an Ganztagsschulen betref­fen. Des Weiteren tre­ten Unterrichtsausfälle durch Langzeiterkrankungen von Lehrkräften auf sowie kurz­zei­ti­ge Ausfälle durch aku­te Erkrankungen. Während Prüfungen statt­fin­den, in denen meh­re­re Lehrkräfte mit nur weni­gen Schülern inter­agie­ren, kön­nen ande­re Klassen nicht adäquat betreut wer­den und es tre­ten ande­re orga­ni­sa­to­risch beding­te Ausfälle auf. Während let­ze­re Fälle ent­spre­chend plan­bar sind, bringt vor allem die Erkrankung von Kollegen den Stundenplaner der Schulen in Not, denn für kurz­fris­tig erkrank­te Lehrkräfte gibt es kei­ner­lei Ersatz und ent­we­der das Kollegium muss die Vertretung des Unterrichts in den betrof­fe­nen Klassen mit tra­gen oder der Unterricht ent­fällt. Erst bei Krankschreibungen über eine Zeitraum von drei Wochen darf die Schule fünf­zig Prozent, der durch das Fehlen die­ser Lehrkraft ent­fal­len­den Stunden, mit einer Vertretungslehrkraft von extern beset­zen. Dieser Zeitraum wur­de jedoch her­auf­ge­setzt. Noch vor Kurzem trat die­se Regelung schon nach zwei Wochen in Kraft. Erschwert wird hier die Planung durch den Fakt, dass die Krankschreibung dann vom ers­ten Tag über drei Wochen oder län­ger vom Arzt aus­ge­stellt wer­den muss, lau­tet sie auf eine Woche, dann noch ein­mal vier Tage und wird so wei­ter häpp­chen­wei­se ver­län­gert, geht die Schule in Sachen Vertretungslehrkraft leer aus.

In letz­ter Zeit stellt aber auch das ein gra­vie­ren­des Problem dar, denn es sind mitt­ler­wei­le ein­fach kei­ne Lehrkräfte auf dem Markt, die nicht in einer ver­trag­li­chen Beschäftigung ste­cken. So griff man eini­ge Zeit auf Erstexaminierte zurück, die auf einen Referendariatsplatz war­ten, was in Schleswig-Holstein durch­aus etwas län­ger dau­ern kann, weil die Warteschlangen sehr lang und die Ansprüche auf eine gute Durchschnittsnote im 1. Staatsexamen bzw. Masterabschluss sehr hoch sind. Mittlerweile ist aber auch die­ser Pool leer und so fin­den sich immer häu­fi­ger Lehramtsstundenten ohne Abschluss oder ambi­tio­nier­te Quereinsteiger in Vertretungsstellen wie­der. Zum Einen muss ein sol­cher Kandidat aber erst ein­mal gefun­den wer­den und zum Anderen stellt eine sol­che Vertretungssituation die Kollegien vor neue Herausforderungen, denn die Neulinge in einem kom­ple­xen System müs­sen ent­spre­chend ein­ge­wie­sen und unter­stützt wer­den, zumal sie oft über kei­ne oder kaum Erfahrungen in der Praxis ver­fü­gen.

Wenn es sich hier um Vertretungseinsätze in Abschlussklassen oder zu Zeugniszeiten han­delt, kann das bei aller Kollegialität für die Vertretungskräfte unge­ahn­te Herausforderungen mit sich brin­gen. Doch dann sind immer noch nur fünf­zig Prozent der eigent­lich durch die erkrank­te Lehrkraft zu ertei­len­den Stunden ver­sorgt, der Rest muss aus­fal­len. Bereits im Oktober 2012 for­der­te Heike Franzen von der CDU: „1. Der Anspruch auf eine Ersatzlehrkraft gilt bereits ab dem ers­ten Tag zu 100%. 2. Zur Finanzierung der Ersatzlehrkräfte sind den Schulämtern die ent­spre­chen­den Mittel zur Verfügung zu stel­len. Damit sol­len Lehrkräfte ein­ge­stellt wer­den, die über das Schuljahr hin­weg kurz­fris­tig für Vertretungsunterricht zur Verfügung ste­hen.”

Von Seiten der Schulen wür­de das abso­lut begrüßt wer­den, denn die Belastungen für alle Beteiligten sind enorm. Wenn man mit Schülern aus betrof­fe­nen Abschlussklassen ins Gespräch kommt, wird sehr schnell deut­lich, dass häu­fi­ger Unterrichtsausfall gro­ße Ängste in Bezug auf das gute Absolvieren der im April anste­hen­den schrift­li­chen Abschlussprüfungen aus­löst, wenn die Klassen in den letz­ten Monaten gar kei­nen oder durch ver­schie­de­ne Vertretungskräfte erteil­ten Mathe-, Deutsch- oder Englischunterricht hat­ten.

Die Ergebnisse im Protokoll des Bildungsausschusses machen nicht gera­de Hoffnung, dass die der­zei­ti­ge Situation sich in abseh­ba­rer Zeit ent­spannt, doch immer­hin soll am 31. Januar wei­ter dis­ku­tiert wer­den. Wie sind eure eige­nen Erfahrungen mit Unterrichtsausfall in eurem Umfeld? Weiterhin stellt sich mir die Frage, war­um Eltern- und Schülerverbände schein­bar so wenig unter­neh­men, um eine Verbesserung der der­zei­ti­gen Zustände vor­an­zu­trei­ben?

Von:

Melanie Richter lebt seit mehr als 20 Jahren in Kiel, ist parteilos, seit 2010 Mitglied im Verein für Neue Medien Kiel e.V. und arbeitet in einer Kieler Gemeinschaftsschule.

4 Gedanken zu “Unterrichtsausfall und nichts passiert”:

  1. Leser1

    Die ODIS-Quelle, die Sie nennt datiert auf 2003. Aus wel­cher Quelle stammt die­se Information?

    > ‚So kann damit bei­spiels­wei­se nicht erfasst wer­den, in wel­chen Klassenstufen und Fächern Unterricht aus­fällt,…’

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  2. Leser1

    Diese Quellen sol­len Sie auch nen­nen:

    http://www.landesrechnungshof-sh.de/file/bemerkungen_2012_tz12.pdf

    Der LRH for­mu­liert dies:

    > ‚Der LRH zeigt Möglichkeiten auf, den Unterrichtsausfall zu redu­zie­ren.
    Neue Stellen sind dazu nicht erfor­der­lich.’

    Er führt den von ihm ermit­tel­ten tat­säch­lich gegen­über dem ver­öf­fent­lich­ten Ausfall auf ‚Definition zum Wochenstundensoll’ zurück — und stellt dies fest:

    > ‚Keinesfalls muss dem Unterrichtsausfall mit neu­en Stellen begeg­net wer­den.’

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    1. Melanie Richter Post author

      Sicherlich gibt es noch unzäh­li­ge wei­te­re Quellen, die man zu die­sem Thema her­an­zie­hen kann. Wir freu­en uns immer über Gastartikel, in denen ande­re Sichtweisen eines Themas dar­ge­legt wer­den. Also falls Sie Lust haben … :)

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