Die Wiese schlägt zurück: Online-Casinos bald auch außerhalb Schleswig-Holsteins?

Von | 23. Januar 2013

In der letz­ten Legislaturperiode hat­te sich die CDU/FDP-Regierung auf einen Alleingang in Sachen Glücksspiel geei­nigt. Als ein­zi­ges deut­sches Bundesland war Schleswig-Holstein nicht dem Glücksspielstaatsvertrag bei­ge­tre­ten. „Schleswig-Holstein hat eini­ges mit so man­chem Indianerreservat in den USA gemein­sam,” schreibt Rechtsanwalt Stephan Dirks von der Kanzlei Dirks & Diercks in sei­ner Ankündigung auf Facebook. Das Landesblog konn­te ihn gewin­nen, sei­nen Artikel zum Stand des Glücksspiels in Schleswig-Holstein bei uns zweit­zu­ver­öf­fent­li­chen. Denn die aktu­el­le Regierung aus SPD, GRÜNEN und SSW möch­te den Ausnahmezustand ger­ne wie­der ändern und dem Staatsvertrag bei­tre­ten — so ganz ein­fach scheint das nicht zu sein.

„Schleswig-Holstein, das ist eine Wiese nörd­lich von Hamburg, die von zwei Autobahnen geteilt wird.“ So hat das Oliver Welke, Moderator der „Heute Show“, ein­mal gesagt und damit dem schöns­ten Bundesland der Welt (natür­lich zu Unrecht) attes­tiert, dass hier­zu­lan­de eigent­lich nichts von Bedeutung pas­siert.

Diese Woche nun schlägt Schleswig-Holstein mög­li­cher­wei­se vor dem Bundesgerichtshof zurück: wenn der BGH am 24.1.2013 sein Urteil in Sachen „Internetglücksspiele aus Gibraltar“ ver­kün­det, und falls er dabei das Verbot von Glücksspielen im Internet kippt, dann ist einer der Sargnägel für die­ses Verbot in der Schleswig-Holsteinischen Landeshauptstadt Kiel (sowie wohl auch: auf Sylt) geschmie­det wor­den. Wie und war­um es dazu kom­men kann, dar­um soll es in die­sem Beitrag gehen.

Der recht­li­che Rahmen fürs Glücksspiel im Internet

Wer ver­ste­hen möch­te, wor­über der BGH am kom­men­den Donnerstag ent­schei­det, kommt natür­lich nicht dar­um her­um, sich ein­mal die ent­spre­chen­den Rechtsgrundlagen anzu­schau­en. Dieses Unterfangen an sich ist schon gar nicht so ein­fach.

Denn wie so oft und wie immer öfter haben wir es mit euro­päi­schen Vorgaben (z.B. der Entscheidung des EuGH vom 8. September 2010) auf der einen, Bundesrecht (§ 284 StGB, §§ 33c ff. GewO) auf der ande­ren und Landesrecht auf einer drit­ten Ebene (Glückspiel(änderungs-)staats­ver­tag hier, Schleswig-Holsteinisches Gesetz zur Neuordnung des Glückspiels dort) zu tun.

Dreh-und Angelpunkt des Rechtsregimes über das Glücksspiel bil­det dabei der zwi­schen der­zeit 15 Bundesländern bestehen­de Glücksspielstaatsvertrag, GlüStV. Dieser galt von sei­nem Inkrafttreten am 1.1.2008 bis 31.12.2011 zwi­schen allen 16 Bundesländern (rechts­tech­nisch rea­li­siert über die jewei­li­gen Zustimmungsgesetze in den Ländern) und sta­tu­ier­te ein staat­li­ches Glücksspiel- und Sportwettenmonopol.

Dementsprechend waren Glücksspiele und Sportwetten in jeg­li­cher Form ver­bo­ten, wenn sie von pri­va­ten Veranstaltern ohne Lizenzen durch­ge­führt wur­den. Und Lizenzvergabe war nicht vor­ge­se­hen.

Strafrechtlich flan­kiert wur­de und wird die­ses Verbot über § 284 StGB, wonach die „uner­laub­te Veranstaltung eines Glücksspiels“ mit bis zu zwei Jahren Haft oder Geldstrafe, im Falle der Gewerbsmäßigkeit des Handelns mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft wird.

„Glücksspiel“ ist dabei ganz grob in zwei Richtungen abzu­gren­zen: um Glücksspiel han­delt es sich näm­lich nur dann, wenn der Gewinn des Spiels vom Zufall (und nicht etwa von der eige­nen Geschicklichkeit) abhängt; außer­dem muss die Spielteilnahme von einem Geldeinsatz abhän­gen, der nicht völ­lig unwe­sent­lich sein darf (§ 3 Abs. 1 GlüStV a.F.).

So erklärt sich zum Beispiel die Zulässigkeit von Gewinnspielen im Fernsehen, bei denen jeder Anruf 50 Cent kos­tet.

Den Grund für die Monopolisierung des Glücksspiels soll dabei der Aspekt der Spielsucht bil­den: hin­ter dem GlüStV steht die Idee, dass nur staat­lich gelenk­tes Glücksspiel in einer so ver­ant­wor­tungs­vol­len Weise ver­an­stal­tet wird, dass nicht der Spielsucht Vorschub geleis­tet wird. An der Stichhaltigkeit die­ser Begründung hat nun aller­dings nicht nur das Bundesverfassungsgericht sei­ne Zweifel.

In Bewegung kam die Sache, als der euro­päi­sche Gerichtshof am 8.9.2010 über das im GlüStV ver­an­ker­te Verbot pri­va­ter Sportwetten zu ent­schei­den hat­te und die­ses als rechts­wid­rig ansah.

Der alte GlüStV lief am 31.12.2011 aus und wur­de nicht ver­län­gert. Am 15.11.2011 stimm­ten alle Bundesländer außer Schleswig Holstein einem Glücksspieländerungsstaatsvertrag zu. Der Schleswig-Holsteinische Landtag ver­ab­schie­de­te dem­ge­gen­über ein Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels (LGlücksspielG-SH), wel­ches Konzessionen unter ande­rem für pri­va­te Anbieter von Online-Casinos aus­drück­lich vor­sieht (§§ 19,20 LGlücksspielG-SH).

Seitdem ver­gibt das Schleswig-Holsteinische Innenministerium nun ent­spre­chen­de Lizenzen (Zum Zeitpunkt der Erstellung die­ses Beitrages waren bereits 12 Lizenzen für Online-Casinos ver­ge­ben, 18 befan­den sich in der „Pipeline“).

Fraglich ist aller­dings, wie lan­ge noch: Denn nach dem zwi­schen­zeit­lich erfolg­ten Regierungswechsel in Kiel und den ent­spre­chend geän­der­ten par­la­men­ta­ri­schen Mehrheiten soll die Kehrtwende und der Beitritt zum GlüStV erfol­gen. Dann wäre (fast) alles wie gehabt: Auch in Schleswig-Holstein wür­den kei­ne Konzessionen mehr für Glücksspielveranstalter (außer­halb des Bereichs der Sportwetten)  ver­ge­ben.

Dennoch könn­te die Extratour der ehe­ma­li­gen Landesregierung unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen fol­gen für das Urteil am kom­men­den Donnerstag haben.

Streitfall Texas Hold’Em

In dem Rechtsstreit, den das höchs­te deut­sche Zivilgericht am 24.1. ent­schei­det, geht es um eine Klage der staat­li­chen Lotteriegesellschaft in Nordrhein-Westfalen („Westlotto”) gegen einen Veranstalter von Glücksspielen aus Gibraltar. Der Rechtsstreit ist wett­be­werbs­recht­lich auf­ge­hängt: Die Klägerin sieht in dem Angebot der Beklagten einen Wettbewerbsverstoß, wel­cher sich wie­der­um aus einem Verstoß gegen das  Glücksspielverbot im GlüStV als Marktverhaltensregel ergibt.

Die Beklagte des Ausgangssrechtsstreits ist  sogar in Besitz einer ent­spre­chen­den gibral­ta­ri­schen Lizenz, betreibt aber auch ein deutsch­spra­chi­ges Online-Angebot, in wel­chem Nutzer auch aus Deutschland sich mit der Poker-Variante „Texas Hold’Em“ ver­gnü­gen kön­nen.

Die Sache soll­te eigent­lich klar sein, denn bereits im Jahre 2011 hat­te der Bundesgerichtshof ent­schie­den, dass ent­spre­chen­de Angebote Glücksspiele gemäß § 3 Abs. 1 GlüStV a.F. dar­stel­len und daher nach § 4 Abs. 5, 5 Abs. 3 GlüStV ver­bo­ten sind.

Denn einer­seits sei die Frage der Zufallskomponente nach den durch­schnitt­li­chen Fähigkeiten eines Spielers zu beur­tei­len und es sei uner­heb­lich, ob pro­fes­sio­nel­le Spieler oder geüb­te Amateure sich gege­be­nen­falls auch Lehrbuchwissen aneig­nen könn­ten um ihre Erfolgschancen zu stei­gern; ande­rer­seits sei auch ein Einsatz von 50 Cent pro Spiel nicht als uner­heb­lich zu wer­ten, da es in der Regel nicht bei einem ein­zi­gen Spiel blei­be. Für die Anwendbarkeit des GlüStV trotz Sitz des Veranstalters auf Gibraltar stell­te das Gericht sei­ner­zeit maß­geb­lich dar­auf ab, dass sich aus objek­ti­ven Aspekten, wie der Verwendung der deut­schen Sprache auf der Onlineplattform, schlie­ßen ließ, dass sich das Angebot an deut­sche Verbraucher (und ins­be­son­de­re sol­che aus Nordrhein-Westfalen) rich­te­te.

Danach soll­te eigent­lich alles klar sein. Die Klage der Lottofirma geht durch. Oder?

Flickenteppich wider­spricht Europarecht

Doch so ein­deu­tig ist die Sache nicht mehr, denn seit 2011 haben sich ins­be­son­de­re durch den Schleswig-Holsteinischen Alleingang Änderungen in der Rechtslage erge­ben.

So ließ der 1. Zivilsenat dem Vernehmen nach bereits in der münd­li­chen Verhandlung am 22.11.2012 durch­bli­cken, dass er an der Rechtmäßigkeit des weit­ge­hen­den Verbots des Glücksspiels durch den GlüStV zwei­felt.

Soweit Glücksspiele im Internet ver­bo­ten wer­den, müs­se, so das Gericht „Kohärenz“ gege­ben sein. Ein Flickenteppich wider­spricht aber die­ser euro­pa­recht­lich gefor­der­ten Einheitlichkeit der Regeln zur Suchtbekämpfung. Und genau zu die­sem Flickenteppich hat Schleswig-Holstein sei­ne Neuregelung des Landes-Glücksspielrechts in 2011 einen maß­geb­li­chen Beitrag geleis­tet. „Die Wiese schlägt zurück“, könn­te man sagen.

Es bleibt also span­nend. Denn das Gericht urteilt zwar zur alten Fassung des GlüStV, die euro­pa­recht­li­chen Argumente sind aber auch auf den Glücksspieländerungsstaatsvertrag übetrag­bar. Und so dür­fen die Pokerfreunde gespannt sein, ob sie am Donnerstag den Jackpot gewin­nen…

 

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