Schleswig-Holstein im Kulturdialog: Rolf Teucher will Verlässlichkeit bei der Kulturförderung

Von | 6. September 2013

Die aktu­el­le kul­tur­po­li­ti­sche Debatte ver­läuft ruhig, zu ruhig, fand ich, und bat den Vorsitzenden vom Vorstand des Landeskulturverbandes Schleswig-Holstein, Herrn Rolf Teucher, schrift­lich um Antworten auf mei­ne Fragen. Der Landeskulturverband ist ein Jahr älter als unse­re Bundesrepublik. Eine Vielzahl von Kulturinstitutionen sowie kul­tu­rell akti­ve Vereine und Persönlichkeiten Schleswig-Holsteins sind dar­in Mitglied. Er sieht sich als unab­hän­gig, über­par­tei­lich und spar­ten­über­grei­fend. Der neun­köp­fi­ge Vorstand und sein Beirat arbei­ten ehren­amt­lich. Einige ihrer Vertreter berief die Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk, in ihr Leitungsteam bzw. in eine ihrer vier Arbeitsgruppen. Gemeinsam mit ihnen und ande­ren Vertretern der Kulturszene Schleswig-Holsteins will sie bis Ende des Jahres Leitlinien für die künf­ti­ge Kulturpolitik erar­bei­ten. Die sol­len 2014 im „Jahr der kul­tu­rel­len Bildung” im Parlament ver­ab­schie­det und anschlie­ßend sofort umge­setzt wer­den.  

Landesblog: Gratulation, Herr Teucher! Der Landeskulturverband kämpft seit Jahren für ein kul­tur­po­li­ti­sches Konzept. Nun rückt eines in Sichtweite. Im Mai die­sen Jahres gab Ministerin Anke Spoorendonk den Startschuss zu einem Kulturdialog in Schleswig-Holstein. Sie bil­de­te eine Leitungsgruppe und wähl­te Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Arbeit in vier Arbeitsgruppen aus. Mitte August fan­den deren ers­te Sitzungen statt. Bis Jahreswechsel soll die Arbeit abge­schlos­sen sein. Am 28. Februar kön­nen die Ergebnisse öffent­lich im soge­nann­ten Kulturparlament dis­ku­tiert wer­den. Danach for­mu­liert die Landesregierung ihr Kulturkonzept und gibt es im Frühjahr 2014 zur Abstimmung in den Landtag. Sind Sie als Vorstandsvorsitzender des Landeskulturverbandes Schleswig-Holstein zufrie­den mit die­sem Verlauf?

Rolf Teucher: Ich per­sön­lich und der gesam­te Vorstand des Landeskulturverbandes sind sehr zufrie­den. Nachdem vor Jahren bereits ein Kulturwirtschaftsbericht erar­bei­tet wur­de, des­sen bal­di­ge Aktualisierung im Übrigen aus mei­ner Sicht anste­hen wür­de, ist der Einstieg in die Erarbeitung von Kulturperspektiven durch­aus gelun­gen. Die Erarbeitung der Grundlagen war not­wen­dig, die Bildung von Arbeitsgruppen ist der rich­ti­ge Weg, die Federführung durch das Ministerium für Justiz, Kultur und Europa war unum­gäng­lich und der Zeitplan macht auf alle Beteiligten genü­gend Druck, um das Ziel so schnell wie mög­lich zu errei­chen.

Landesblog: Bei ihren öffent­li­chen Auftritten, z.B. bei der letz­ten Jahresversammlung des Landeskulturverbandes, for­mu­lier­te die Ministerin die aus ihrer Sicht wich­tigs­ten kul­tur­po­li­ti­schen Themen für das Land. Sie will das Denkmalschutzgesetz novel­lie­ren, ein Bibliotheksgesetz schaf­fen und ein Theaterkonzept erstel­len. Sie wünscht mehr Flexibilität bei der staat­li­chen Kulturförderung und will Kräfte bün­deln, um für Kulturprojekte im Förderzeitraum 2014 bis 2020 EU-Mittel ein­wer­ben zu kön­nen sowie Bundesmittel für die kul­tu­rel­le Bildung nach Schleswig-Holstein schleu­sen. Wären damit die Kernprobleme der schles­wig-hol­stei­ni­schen Kultur beho­ben?

Rolf Teucher: Ich glau­be nicht, dass damit alle Probleme beho­ben sein wer­den, aber eine gan­ze Reihe wich­ti­ger Probleme wer­den ange­gan­gen: es wird ergeb­nis­of­fen dis­ku­tiert und der Wille zur Lösung von Problemen ist erkenn­bar. Niemand, auch die der­zei­ti­ge Regierung, kann es allen Recht machen. Wichtig ist die per­ma­nen­te Kommunikation zwi­schen der Regierung/​dem Parlament und den Kulturinstituten und beson­ders wich­tig ist der Wille zur Einigung und die Eignung zum Kompromiss. Die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes, das Theaterkonzept, ein „ech­tes” Bibliotheksgesetz, das ins­be­son­de­re die Verantwortlichkeiten zwi­schen den Trägern, dem Land und den Landkreisen klärt, die Heraushebung der Bedeutung der Schleswig-Holsteinischen Gedenkstätten und die Kulturperspektiven sind wich­ti­ge Kulturprozesse, die jetzt alle ein­ge­lei­tet sind.

Wir dür­fen uns aber nichts vor­ma­chen: das alles sind lau­fen­de Prozesse und das alles müs­sen auch lau­fen­de Prozesse blei­ben, die auf Neues, auf Veränderungen und auf gesell­schaft­li­che Realitäten reagie­ren. Einen Stillstand im Sinne von „Jetzt haben wir alles pri­ma gere­gelt” darf es nicht geben.

Landesblog: Adäquat zu ihren Themen wähl­te die Ministerin ins­ge­samt knapp 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für den Kulturdialog aus. Darunter sind in der Mehrzahl Kulturmanagerinnen und –mana­ger wich­ti­ger Kulturinstitutionen im Land. Ich ver­mis­se Berufsverbände, die Interessen unse­rer Künstlerinnen und Künstler ver­tre­ten. Müssen wir uns nicht mehr dar­um küm­mern, die krea­ti­ve Szene im Land am Leben zu erhal­ten bzw. aus­zu­bau­en?

Rolf Teucher: Es kann hier nicht um per­sön­li­che Eitelkeiten gehen. Ich per­sön­lich füh­le mich auch nicht bei­sei­te gescho­ben, nur weil ich kein bestell­tes Mitglied einer der Arbeitsgruppen bin. Jeder kann sich an der Diskussion betei­li­gen. Jeder ist nach Ideen gefragt und kann Vorschläge ein­brin­gen, die dann in den Arbeitsgruppen behan­delt wer­den. Ich kann nur hof­fen, dass das auch vie­le tun wer­den. Es wäre scha­de, wenn eini­ge mei­nen, sich zurück­leh­nen und alles den Arbeitsgruppen über­las­sen zu kön­nen.

Landesblog: Vorrangig unter­stützt die Landesregierung Projekte, „die eine Bündelung an Ressourcen erken­nen las­sen“. Mir scheint, der Kulturdialog dient vor allem als Partnervermittlung. Die mit bis zu 17 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besetz­ten AGs wer­den intern Referatsgruppen bil­den, die Themen aus­ar­bei­ten und der Gruppe vor­stel­len – wie im Seminar an einer Universität. Anders las­sen sich inner­halb von fünf Monaten kei­ne brauch­ba­ren Ergebnisse erzie­len. Nach Mittelkürzungen, Stellenabbau, Nullrunden, Umstellung auf das Ehrenamt kommt nun die Fusionswelle: Ist das der Weg, um Schleswig-Holsteins Kultur fit zu machen für die Zukunft?

Rolf Teucher:  Ich bin nicht der Meinung, dass es — wie Sie es nen­nen — eine „Fusionswelle” geben wird, bzw. dass eine „Fusionswelle” über­haupt ange­strebt wird. Notwendig aber wer­den sein: Mehr Kooperation, mehr Synergie und mehr Gemeinsamkeit. Die Zeit der Abgrenzung kul­tu­rel­ler Initiativen und kul­tu­rel­ler Arbeit muss infra­ge gestellt wer­den.

Landesblog: Zum Kulturpolitischen Abend im Landeshaus am 4. Juni luden die Kulturpolitische Gesellschaft, das Kulturforum und der Landeskulturverband zwei Referenten von außer­halb ein. Dr. Hans-Jörg Siewert stell­te Erfahrungen mit der Erstellung des Kulturkonzeptes für Niedersachsen vor. Dr. Lutz Vogel berich­te­te über den Weg zu einem Kulturentwicklungsplan der Stadt Dresden. Beide Prozesse waren über einen Zeitraum von meh­re­ren Jahren ange­legt. Zwar warn­ten sie davor, den Prozess aus­ufern zu las­sen, z.B. durch akri­bi­sche Bestandsaufnahme im Vorfeld, waren aber zugleich auch skep­tisch, ob es Schleswig-Holstein gelin­gen kön­ne, in weni­ger als einem Jahr ein Kulturkonzept auf die Beine zu stel­len.

Die Regierung will damit die Weichen für die Kulturpolitik bis 2020 legen, so die Ministerin in einer Fernsehrunde von SAT.1 beim „Talk am Turm“ im Oktober 2012. Mir macht das Angst. Wie steht der Landeskulturverband zum Schnellverfahren, in dem hier Kulturpolitik ent­wi­ckelt wird? Beheben wir so die Legitimationskrise des demo­kra­ti­schen Systems?

Rolf Teucher: Warum sol­len wir Angst haben, wenn jetzt end­lich Lösungen für die drin­gen­den kul­tur­po­li­ti­schen Probleme in Angriff genom­men wer­den? Und ein enger Zeitplan stört mich gar nicht. Er ist eher posi­tiv zu sehen. Ich wie­der­ho­le mich: Ein Kulturkonzept bzw. ein Kulturplan ist doch nichts unum­stöß­li­ches, nichts apo­dik­tisch fest gezurr­tes, son­dern eben — im wahrs­ten Sinne des Wortes — ein Konzept bzw. ein Plan, der nur so lan­ge gel­ten kann, wie es die sich ver­än­dern­de Kulturszene und die sich ver­än­dern­de Gesellschaft erlau­ben. 

Es geht hier nicht um Kulturpolitik im Sinne einer — Reichskulturkammer — son­dern um eine leben­di­ge, sich fort ent­wi­ckeln­de, indi­vi­du­el­le Kulturszene, die staat­li­che Förderung erwar­ten kann oder auch nicht. Es geht um eine mit­tel­fris­ti­ge Verlässlichkeit der Förderung und um Planbarkeit für die Kulturinstitute.

Landesblog: Dankeschön, Herr Teucher! Gutes Gelingen für den jähr­li­chen KulturKongress des LKV Anfang November  im Rendsburger Nordkolleg. 

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panama
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das; Abk. f. Panorama (griech.). Unter diesem Namen postet Daniela Mett vermischte Nachrichten aus der bewohnten Welt des Nordens. Die ausgebildete Magazinjournalistin berichtet frei und unabhängig. Sie hat sich in 30 Berufsjahren spezialisiert auf Reportagen und Interviews - www.panama-sh.com.

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