Windkraftanlagen und Blauer Himmel. / CC-BY
Erinnert ihr Euch an den Film „Am Tag, als Bobby Ewing starb”? Der spielt 1986 in der Umgebung des Atomkraftwerks in Brokdorf. Und dort gibt es diese Szene, in der die Landkommune ein winziges Windrad errichtet, eine Glühbirne glimmt und jemand ruft „Hein, wir sind autark!”. In diesem Jahr sollten wir das alle rufen. Denn in diesem Jahr werden wir in Schleswig-Holstein das erste Mal komplett mit erneuerbarer Energie versorgen können — zumindest beim Strom. 1986 hätte damit niemand gerechnet.
Ende Mai bereits verkündete Energiewendeminister Robert Habeck (Die Grünen) die gute Nachricht: „Wenn das Windjahr mindestens durchschnittlich wird, können wir mit den 2014 installierten Anlagen die 100 Prozent-Marke erreichen. Dann sind wir im Strombereich zumindest rechnerisch voll mit erneuerbarer Energie versorgt.”
In Kiel kriegt man das oft gar nicht so mit, wo diese Energiewende eigentlich stattfindet, aber wer einmal die Westküste hoch fährt, kann sie live erleben. Nicht nur die Windkraftanlagen, sondern auch die nagelneuen, vollkommen leeren Scheunen mit den Solardächern, schießen überall aus dem Boden. Über 2600 Windkraftanlagen stehen mittlerweile im ganzen Land. Ende der 1980er waren das vielleicht 200 — mit äußerst geringer Leistung.
Zwei Dinge sind dann passiert: Zum einen ist mit Günther Jansen (SPD) jemand Energieminister geworden, der schon in den 1970ern gegen Atomkraft demonstriert hat. „Die Windenergie kann in der Landwirtschaft ein neues und zukunftsträchtiges Standbein sein,” sagte Energieminister Günther Jansen 1991 dem SPIEGEL. Und er gab das Ziel aus, bis zum Jahr 2010 20 Prozent des Eigenbedarfes aus dem Wind zu gewinnen. Dass das machbar wäre, hat damals kaum jemand gedacht. 2001 war das Ziel bereits erreicht. Denn zum anderen hat 1991 die Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) gesetzlich geregelt, dass die Stromanbieter den Windstrom abnehmen mussten. Damit konnte man auch Windkraftanlagen bauen, die nicht nur der Selbstversorgung dienten. Das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) der Regierung Gerhard Schröder (SPD) hat das 2000 fortgeführt und den Betreibern von Windkraftanlagen höhere Strompreise zugesichert. Windkraftanlagen wurden damit sichere Geldanlagen. Und mittlerweile ist die Energiewende sogar ein „Grundkonsens” in Schleswig-Holstein.
Ende Juni wurde das neue EEG im Bundestags beschlossen. Es soll den Ausbau der Erneuerbaren Energien stärker steuern und den Strompreis bremsen. Gleichzeitig soll der Anteil Erneuerbarer Energien bis 2025 von heute bundesweit 25 Prozent auf 40 bis 45 Prozent steigen. Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Habeck meint, dass Schleswig-Holstein in den nächsten zehn Jahren den Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch auf mindestens 300 Prozent steigert. Ob das Gesetz eine Steuerung bewirkt, oder ob es die Energiewende schlicht „ausbremst”, wie es Habecks Parteifreund und Chef der Grünen Bundestagsfraktion Anton Hofreiter befürchtet, müssen wir wohl abwarten.
In der Zwischenzeit freu ich mich aber über die gute Nachricht — zeigt dieses Beispiel doch auch, dass visionäre Politik die Dinge durchaus zum Guten ändern kann.
Lesetipp
- Klaus Rave und Bernhard Richter — „Im Aufwind : Schleswig-Holsteins Beitrag zur Entwicklung der Windenergie” 2008, Wachholtz Verlag, Neumünster, ISBN 978 – 3-529 – 05429-7