Michel bringt die Welt in Ordnung

Von | 3. August 2014
Bläserquintett beim Musikfest Emkendorf. Copyright: Dirk Hourticolon / SHMF

Bläserquintett beim Musikfest Emkendorf | Foto: Dirk Hourticolon / SHMF

Eine etwas ande­re Konzertkritik zum Musikfest Emkendorf am 26. Juli im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festival 2014.

Hocke im Tischlerschuppen. Während sich drau­ßen vor der Scheune die Aufregung lang­sam legt, klap­pe ich die Schneide mei­nes Taschenmesser aus und grei­fe zum erst­bes­ten Scheit, der zwi­schen Spänen und Holzmehl her­aus­lugt. „Komm zur Besinnung, Michel“, mit die­ser Mahnung hat­ten sie mich ein­ge­sperrt. Danach war das Geschrei auf dem Platz zwi­schen Kuhhaus und der rie­si­gen Konzertscheune ver­stummt. Die Leute, schät­ze, es gehen gut tau­send hin­ein, müs­sen auf den wei­ßen Plastikstühlen wie­der Platz genom­men haben. Anscheinend machen sie wei­ter im Programm.

Vor der Pause hat­te Jessica Schlage Lieder von Mendelssohn und Strauß ange­kün­digt. „Seien Sie pünkt­lich um 15 Uhr zu die­sem mitt­le­ren Konzertblock des Musikfestes zurück“. Nach die­sen Worten der Moderatorin hat­te sich die Emkendorfer Scheune geleert. Wir blie­ben zurück. Und mit uns aller­hand per­sön­li­ches Zeug, als Platzhalter zurück­ge­las­sen. Über meh­re­re Sitzflächen aus­ge­brei­te­te Schals, Schirme, Jacken und Mäntel mar­kier­ten Gruppenplätze. Zettel mit offi­zi­el­lem Aufdruck „SHMF – Reserviert“ ver­wie­sen auf Stühle, die für Pressevertreter bereit gestan­den hat­ten. Jemand — tip­pe auf Mitarbeiter eines kun­den­freund­li­chen Drogeriemarktes — hat­te sich die­se Praxis abge­guckt, um mit der Aufschrift „SHMF – Mein Platz“ für sich und eine Handvoll Freunde Raum zu bele­gen. Von der Bande Hanseaten aus den Limousinen mit NF Kennzeichen blie­ben „SHMF – V.I.P.“ Plätze zurück. Allerdings ver­sperr­te von dort mas­si­ves Holzständerwerk die Sicht zur Bühne — müs­sen spät dran gewe­sen sein, zur Ferienzeit ist der Sylt-Shuttle früh mor­gens bis spät abends aus­ge­bucht.

Uns kam in den Sinn, wie es einst her­ging bei den Musikfesten, so ent­spannt, so locker die Atmosphäre mit Picknicken, Lustwandeln und Seele-bau­meln-Lassen – ein Sommertag der Genüsse auf dem Land. Diese Erinnerung weck­te blitz­ar­tig den Lausejungen in uns Alten. Wir waren wie­der fünf­jäh­rig, stark wie Ochsen. Kurzes Tuscheln – rasch pack­ten wir all das Zeug, sta­pel­ten Sitzkissen, ris­sen hun­der­te Tüten, Taschen und Rucksäcke von den frem­den Stühlen. Geschwind wuchs an der Innenseite vom Scheunentor ein unüber­sicht­li­chen Haufen Krams. Nach der Tat harr­ten wir gespannt hin­ter einer Holzstütze aus. Das Ende der Pause nah­te bereits.

Mich erwisch­ten sie. Durch eine Ritze zwi­schen den Latten fällt ein Strahl Sonne in den Schuppen. Janina Ruhs kla­rer Sopran dringt aus Lautsprechern an mein Ohr. Sie singt: „Ich wollt ein Sträußlein bin­den, Da kam die dunk­le Nacht, Kein Blümlein war zu fin­den, Sonst hätt ich dir’s gebracht.“

Der Respekt vor den jun­gen Talenten der Deutschen Stiftung Musikleben hielt uns ab, Unfug zu stif­ten. Doch in Sicherheit wie­gen soll­ten sich Besucherinnen und Besucher künf­ti­ger Musikfeste den­noch nicht. Wir wer­den älter – und damit scham­lo­ser.

panama
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das; Abk. f. Panorama (griech.). Unter diesem Namen postet Daniela Mett vermischte Nachrichten aus der bewohnten Welt des Nordens. Die ausgebildete Magazinjournalistin berichtet frei und unabhängig. Sie hat sich in 30 Berufsjahren spezialisiert auf Reportagen und Interviews - www.panama-sh.com.

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