Bläserquintett beim Musikfest Emkendorf | Foto: Dirk Hourticolon / SHMF
Eine etwas andere Konzertkritik zum Musikfest Emkendorf am 26. Juli im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festival 2014.
Hocke im Tischlerschuppen. Während sich draußen vor der Scheune die Aufregung langsam legt, klappe ich die Schneide meines Taschenmesser aus und greife zum erstbesten Scheit, der zwischen Spänen und Holzmehl herauslugt. „Komm zur Besinnung, Michel“, mit dieser Mahnung hatten sie mich eingesperrt. Danach war das Geschrei auf dem Platz zwischen Kuhhaus und der riesigen Konzertscheune verstummt. Die Leute, schätze, es gehen gut tausend hinein, müssen auf den weißen Plastikstühlen wieder Platz genommen haben. Anscheinend machen sie weiter im Programm.
Vor der Pause hatte Jessica Schlage Lieder von Mendelssohn und Strauß angekündigt. „Seien Sie pünktlich um 15 Uhr zu diesem mittleren Konzertblock des Musikfestes zurück“. Nach diesen Worten der Moderatorin hatte sich die Emkendorfer Scheune geleert. Wir blieben zurück. Und mit uns allerhand persönliches Zeug, als Platzhalter zurückgelassen. Über mehrere Sitzflächen ausgebreitete Schals, Schirme, Jacken und Mäntel markierten Gruppenplätze. Zettel mit offiziellem Aufdruck „SHMF – Reserviert“ verwiesen auf Stühle, die für Pressevertreter bereit gestanden hatten. Jemand — tippe auf Mitarbeiter eines kundenfreundlichen Drogeriemarktes — hatte sich diese Praxis abgeguckt, um mit der Aufschrift „SHMF – Mein Platz“ für sich und eine Handvoll Freunde Raum zu belegen. Von der Bande Hanseaten aus den Limousinen mit NF Kennzeichen blieben „SHMF – V.I.P.“ Plätze zurück. Allerdings versperrte von dort massives Holzständerwerk die Sicht zur Bühne — müssen spät dran gewesen sein, zur Ferienzeit ist der Sylt-Shuttle früh morgens bis spät abends ausgebucht.
Uns kam in den Sinn, wie es einst herging bei den Musikfesten, so entspannt, so locker die Atmosphäre mit Picknicken, Lustwandeln und Seele-baumeln-Lassen – ein Sommertag der Genüsse auf dem Land. Diese Erinnerung weckte blitzartig den Lausejungen in uns Alten. Wir waren wieder fünfjährig, stark wie Ochsen. Kurzes Tuscheln – rasch packten wir all das Zeug, stapelten Sitzkissen, rissen hunderte Tüten, Taschen und Rucksäcke von den fremden Stühlen. Geschwind wuchs an der Innenseite vom Scheunentor ein unübersichtlichen Haufen Krams. Nach der Tat harrten wir gespannt hinter einer Holzstütze aus. Das Ende der Pause nahte bereits.
Mich erwischten sie. Durch eine Ritze zwischen den Latten fällt ein Strahl Sonne in den Schuppen. Janina Ruhs klarer Sopran dringt aus Lautsprechern an mein Ohr. Sie singt: „Ich wollt ein Sträußlein binden, Da kam die dunkle Nacht, Kein Blümlein war zu finden, Sonst hätt ich dir’s gebracht.“
Der Respekt vor den jungen Talenten der Deutschen Stiftung Musikleben hielt uns ab, Unfug zu stiften. Doch in Sicherheit wiegen sollten sich Besucherinnen und Besucher künftiger Musikfeste dennoch nicht. Wir werden älter – und damit schamloser.