Schleswig-Holsteins Ministerinnen backen Schwarzbrot

Von | 1. Dezember 2014

Die Landesregierung will 120 Kulturvermittler auf Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein ver­tei­len. Dort sol­len sie Kulturprojekte umset­zen. Diese Initiative „Kultur trifft Schule – Schule trifft Kultur“ läuft ab Januar 2015 für drei Jahre. Zur Hälfte wer­den Lehrkräfte für die­se Aufgabe ange­wor­ben. Künstlerinnen und Künstler bil­den die zwei­te Gruppe. Deren Projektarbeit finan­ziert die Mercator-Stiftung aus Essen im Rahmen ihres Programms „Kreativpotentiale” mit ins­ge­samt 500.000 Euro.

Förderung aus NRW

Vergangenen Freitag unter­zeich­ne­ten Schleswig-Holsteins Kulturministerin Anke Spoorendonk und Bildungsministerin Britta Ernst zum Ende ihrer Pressekonferenz im Musikraum der Kieler Gelehrtenschule eine Fördervereinbarung mit der Mercator-Stiftung aus Essen. Offen lie­ßen die Ministerinnen und Dr. Tobias Diemer, Leiter des Bereiches Bildung der Mercator-Stiftung, wie die Umsetzung ihrer Initiative kon­kret aus­se­hen soll.

Qualifizierung zu Multiplikatoren

Rein rech­ne­risch kämen auf jeden der 60 enga­gier­ten Künstler im Schnitt jähr­lich 2.777 Euro. Von einem Bonus für die ein­ge­bun­de­nen Lehrkräfte war nicht die Rede. Auch nicht davon, dass es wäh­rend der Qualifizierungsphase im Jahr 2015 bereits Honorar geben soll – sie sei in Module auf­ge­teilt, „ins­ge­samt zehn­tä­gig aus­ge­legt und für die Beteiligten kos­ten­frei“, heißt es in der Pressemitteilung. Anke Spoorendonk dank­te der Mercator-Stiftung für ihre Unterstützung und erklär­te: „Das Land steu­ert die Kofinanzierung im sel­ben Umfang bei. Das tun wir, indem wir die Infrastrukturleistung erbrin­gen“.

Geplant ist, die Ausgewählten auf Bildungs- und Kulturinstitutionen zu ver­tei­len, also zu Volkshochschulen und in Museen oder Theater zu schi­cken. Dort sol­len sie sich abgu­cken, wie Profis Kultur an Kinder und Jugendliche ver­mit­teln, um eige­ne Projekte zu ent­wi­ckeln, die sie an Schulen erpro­ben, um dar­aus theo­re­ti­sche Grundlagen zu gewin­nen. Erst danach, „in den Folgejahren“, erfolgt die „prak­ti­sche Vermittlungs- und Beratungsarbeit“, für die qua­li­fi­zier­ten Multiplikatoren Honorar aus dem Mercator-Budget in Aussicht gestellt wird.

Fachanforderungen werden überarbeitet

Das „Jahr der kul­tu­rel­len Bildung“ habe die Grundlage geschaf­fen, so Britta Ernst,  für das neue Programm. Alle fünf Schulen, die 2014 das Prädikat „Kulturschule“ erhiel­ten, sol­len mit den Referenzschulen ver­knüpft wer­den. Sie die­nen spä­ter als Hospitationsorte, bei denen man sich Inspiration für gute kul­tu­rel­le Bildung holen kön­ne. 2014 waren das eine Grundschule, eine Gemeinschaftsschule sowie drei Gymnasien aus Schleswig-Holstein. Jede der Schulen hat­te vom Ministerium 5.000 Euro erhal­ten, mit denen wei­te­re Projekte finan­ziert wer­den konn­ten. Bei der an die Pressekonferenz anschlie­ßen­den Abschlussveranstaltung soll­ten Vertreter die­ser fünf zudem soge­nann­te Kulturpässe erhal­ten. Das sind Order mit vor­ge­fer­tig­tem Register, in die Schülerinnen und Schüler Belege für pri­va­te wie schu­li­sche Kulturaktivitäten ein­hef­ten sol­len, um ein Abschlusszertifikat zu bekom­men. Ausgenommen sind Unterrichtsinhalte. Dr. Tobias Diemer lobt die Evaluation der Schulen, ins­be­son­de­re das Evaluationsportal LeOniE³, sowie die von Ministerin Britta Ernst ange­kün­dig­te Überarbeitung der Fachanforderungen, ehe­mals „Lehrpläne“, für Kunst und Musik an all­ge­mein­bil­den­den Schulen. Sie sei­en wesent­li­che Ansatzpunkte für die von ihm ver­tre­te­ne Stiftung gewe­sen, mit dem eige­nen Programm „Kreativpotentiale“ an das Vorhaben der Landesregierung anzu­knüp­fen.

Abschlussveranstaltung in der Kieler Gelehrtenschule

Folgerichtig wäre gewe­sen, die Abschlussveranstaltung zum „Jahr der kul­tu­rel­len Bildung 2014“ in einer der prä­mier­ten Kulturschulen statt­fin­den zu las­sen. Mit der Kieler Gelehrtenschule, zweit­äl­tes­te Schule des Landes, hat­ten die Ministerinnen für den Freitagnachmittag jedoch einen Kulturort der ers­ten Stunde aus­ge­wählt, der auf ihr minis­te­ri­el­les Prädikat nicht mehr ange­wie­sen ist. Das tra­di­ti­ons­rei­che Gymnasium besitzt bei­spiels­wei­se einen Unterstufenchor, den die bekann­te Kieler Sopranistin Anne-Beke Sonntag lei­tet. Es bie­tet klas­sen­über­grei­fen­de Bläsergruppen für sei­ne Sextaner an, besitzt ein eige­nes Label für elek­tro­ni­sche Musik und ist stadt­be­kannt für sei­nen stim­mungs­vol­len Weihnachtsgottesdienst in der Hauptkirche St. Nikolai, bei dem die Weihnachtsgeschichte von Schülerinnen und Schülern aller Klassenstufen auf Latein und Griechisch aus­wen­dig (sic!) vor­ge­tra­gen wird, bei dem alle Chöre, Musikgruppen und Orchester der Schule und selbst der Rektor Jahr für Jahr musi­ka­lisch invol­viert sind. Das jüngs­te Musicalprojekt der Schule hat­te erst kürz­lich nach einem Jahr Probenarbeit Premiere. An die­sem Mammutprojekt waren nicht nur drei Musiklehrer der Schule betei­ligt son­dern auch Felix Lüttig von der Musikhochschule Lübeck. Selbst Schulleiter Schöneich hat­te als „spe­cial guest“ eine Rolle im Stück über­nom­men.

Daraus eine Kostprobe anbie­ten zu kön­nen, hät­te der Schule in ihrer Rolle als Gastgeberin für die zahl­rei­chen Vertreterinnen und Vertreter aus Ministerien, von Kulturverbänden und Kultureinrichtungen des Landes gebührt. Stattdessen wur­de eine Poetry Slammerin aus Hamburg geholt. Ihr Beitrag war einer unter fünf Darbietungen aus dem Bereich kul­tu­rel­ler Bildung, mit dem Schleswig-Holsteins Regierung einen Rückblick auf ihre erfolg­rei­che Kulturpolitik im Jahr 2014 fei­er­te — und einen Ausblick auf ihr nächs­tes Vorhaben 2015 gab: „Keine Sahnetorte  — aber ein Stück Schwarzbrot fürs Leben“, die­sen Untertitel hat­te Ministerin Anke Spoorendonk für ihre Festrede gewählt. Sie schloss mit den Worten: „Wie ein Stück Schwarzbrot, das uns neue Kraft gibt. Denn Kultur und unse­re, mit die­ser eng ver­knüpf­ten, huma­nis­ti­schen Werte sind wesent­lich für den Zusammenhalt und den Geist in unse­rer Gesellschaft“.

Persönlicher Kommentar zum Abschluss

Bevor es ans Backen geht, soll­te über die Zutaten noch ein­mal mit jeman­dem gespro­chen wer­den, der sich mit Schwarzbrot aus­kennt. Am Rande der Pressekonferenz hör­te ich, dass Anfang Dezember ein Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern der Kulturverbände ansteht. Das stimmt mich zuver­sicht­lich. Dass ndr-Moderator Andreas Schmidt die Begrüßung der Gäste in der Schulaula über­nahm, eine Aufgabe, die dem Hausherrn zusteht, wird mich dage­gen noch län­ger beschäf­ti­gen. Der Oberstudiendirektor blieb am Rande, wäh­rend die Politikerinnen und ihre Entourage in den ers­ten Reihen sich selbst fei­er­ten: Schule trifft Politik — Politik trifft Schule.

 

Weiterlesen

Von Tom Braun, Bildungsreferent Bundesvereinigung Kulturelle Kinder und Jugendbildung e.V
In: Dossier 1 — Die künst­le­ri­schen Schulfächer, hrsg. vom Deutschen Kulturrat, 11.3.2013
Von Sybille Linke, Programmleitende Geschäftsführerin, und Kristin Bäßler, ver­ant­wort­lich für die
Kommunikation des Modellprogramms „Kulturagenten für krea­ti­ve Schulen
In: Dossier 2 — Bildungsallianz Schule und Kultur, hrsg. vom Deutschen Kulturrat, 7.11.2013

Nachtrag vom 11.12.14

Die Ausschreibungsunterlagen vom MJKE sind online. Künstlerinnen und Künstler bewer­ben sich bis 23. Januar.
panama
Von:

das; Abk. f. Panorama (griech.). Unter diesem Namen postet Daniela Mett vermischte Nachrichten aus der bewohnten Welt des Nordens. Die ausgebildete Magazinjournalistin berichtet frei und unabhängig. Sie hat sich in 30 Berufsjahren spezialisiert auf Reportagen und Interviews - www.panama-sh.com.

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