Schule oder Uni? Verteilungskampf um die Bafög-Millionen

Von | 12. Dezember 2014

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36 Millionen Euro jähr­lich. Dieses Summe will die Landesregierung in die Schulen inves­tie­ren — zum Ärger der unter­fi­nan­zier­ten Hochschulen. Vor der letz­ten Haushaltsdebatte im Landtag wird die Diskussion noch mal rich­tig heiß. Melanie Richter und Gunnar Maus stim­men im Landesblog in die Rufe nach mehr Geld ein.

Hintergrund

36 Millionen Euro ste­hen Schleswig-Holstein ab 2015 zur Verfügung, weil der Bund das Land um die­se Summe beim Anteil an den Kosten für die Ausbildungsförderung ent­las­tet. Während Berlin in Zukunft also die Leistungen für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende nach dem BAföG — dem Bundesausbildungsförderungsgesetz — kom­plett über­nimmt, kann Kiel damit ande­re Aufgaben in der Bildung finan­zie­ren. Die Landesregierung möch­te die­ses Geld kom­plett in die Schulen ste­cken. Doch die Auseinandersetzung um die Millionen wird zum Jahresende noch Mal rich­tig heiß. Vor Abschluss der Haushaltsberatungen im Landtag zum Ende der Woche wird der Verteilungskampf öffent­lich aus­ge­tra­gen. Vor allem an der Uni Kiel, die sich als größ­te Hochschule im Land eine deut­li­che Erhöhung ihres Grundetats erhofft hat, ist die Enttäuschung groß. Uni-Präsidium und Studierendenausschuss haben für Donnerstag zu einer Demo am Landeshaus auf­ge­ru­fen.

Die Hochschulen brauchen dringend mehr Geld

fin­det Gunnar Maus, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Kiel.

„Der Forschung, der Lehre, der Bildung.” Das Motto der Uni Hamburg macht klar, wor­um es hier geht. Die Universitäten und Fachhochschulen sind Eckpfeiler der Bildungsrepublik. In Schleswig-Holstein haben ver­schie­de­ne Landesregierungen jedoch über Jahre die Studierenden auf den Stufen sit­zen, die Gebäude der Hochschulen ver­fal­len und das wis­sen­schaft­li­che Personal im Regen ste­hen las­sen. Und jetzt gönnt die Küstenkoalition den Unis und FHs kei­nen Cent von 36 Millionen Euro jähr­lich?

Dabei lie­ße sich mit dem Geld viel errei­chen. Während der Hochschulpakt die schlimms­te Not der stei­gen­den Studierendenzahlen abmin­dert, bringt er kei­ne struk­tu­rel­len Verbesserungen mit sich. Auch wenn die Studierendenzahlen irgend­wann wie­der sin­ken wer­den — was ist gegen bes­se­re Studienbedingungen und bes­se­re Ausbildung von Studierenden eigent­lich ein­zu­wen­den? Und wenn eine Universität wie Kiel bereits jetzt — vor dem dop­pel­ten Abiturjahrgang — brül­lend jen­seits der Belastungsgrenze läuft, dann fragt man sich doch, war­um sie nicht für die Größenordnung aus­fi­nan­ziert wird, die sie schon längst erreicht hat. Dass Sondervermögen für die Sanierung der Gebäude und Hochschulpakte für die Sicherstellung der Lehre über­haupt nötig sind zeigt nur zu deut­lich, wie sehr bis­her an der Grundfinanzierung gespart wur­de.

Leidtragende sind neben den Studierenden auch die Dozentinnen und Dozenten, die als wis­sen­schaft­li­che Mitarbeiter in der Mehrzahl nur befris­tet ange­stellt wer­den. Niemand ver­bie­tet es den Hochschulen, dem eige­nen Personal unbe­fris­te­te Verträge wie jedem ande­ren Lehrer auch anzu­bie­ten — allein es fehlt das Geld. So wer­den immer neue Akademiker mit Zeitverträgen als „Lehrkraft für beson­de­re Aufgaben” mit erhöh­ter Lehrverpflichtung ver­schlis­sen und schmei­ßen schon nach ein paar Jahren aus­ge­brannt wie­der hin — wenn sie nicht schon die gesetz­lich fest­ge­leg­te Befristungsgrenze erreicht haben. Das Paradoxe dabei: Oft haben die­se Lehrkräfte selbst kaum Zeit, hoch­schul­di­dak­ti­sche Fortbildungen zu besu­chen, bil­den aber unter ande­rem unse­re Lehrerinnen und Lehrer für die Schulen aus. In der Bildungspolitik hängt eben Vieles zusam­men. Und ohne qua­li­fi­zier­te und moti­vier­te Lehrende an Hochschulen droht Qualitätsverlust. Eine erhöh­te Grundfinanzierung wür­de es den Hochschulen end­lich auch ermög­li­chen, Personalentwicklung in eige­ner Sache zu betrei­ben. Das kommt letzt­lich auch den Schulen zu Gute.

Die 36 Millionen gehö­ren an die Hochschulen ver­teilt, denn hier wur­de schon viel zu lan­ge gespart.

Die Schulen haben das Geld nötiger

fin­det Melanie Richter, Gemeinschaftsschullehrerin in Kiel.

In Schleswig-Holstein sind sechs Prozent Unterrichtsausfall vor­pro­gram­miert, auch wenn kein Lehrer krank ist. Das liegt dar­an, dass durch die Stundenzuweisungen an die Schulen grund­sätz­lich nur 94 Prozent der Unterrichtsstunden, die laut einem schul­recht­li­chen Erlass an den ver­schie­de­nen Schulformen unter­rich­tet wer­den sol­len, tat­säch­lich bei den Schülern ankom­men. Laut dem Gesundheitsreport 2014, den der BKK-Dachverband kürz­lich ver­öf­fent­licht hat, sind die pflicht­ver­si­cher­ten Durchschnittsarbeitnehmer etwas über 17 Tage im Jahr krank­ge­schrie­ben. Wenn man davon aus­geht, dass die Quote bei Lehrkräften ähn­lich hoch liegt, muss man von etwa 3 Wochen im Jahr aus­ge­hen, die ein Lehrer nicht da ist. Für die­se Zeit gibt es für die Schule kei­ne Vertretung, die­se muss aus den Lehrerstunden bestückt wer­den, die noch nicht ein­mal zu 100 Prozent gedeckt sind. Für lang­fris­ti­ge­re Erkrankungen erhält die Schule 50 Prozent tem­po­rä­ren Ersatz, wenn denn pas­sen­der auf dem Bewerbungsmarkt zu fin­den ist. In Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Hamburg liegt die Unterrichtsversorgung auf­stei­gend bei bis zu 109 Prozent. Schleswig-Holstein gibt bun­des­weit das wenigs­te Geld für sei­ne Schüler aus. Pro Schüler sind es 5200 Euro. Im Vergleich liegt der Spitzenreiter Thüringen bei 7800 Euro pro Schüler.

Für das Gelingen der Inklusion, bei der Schleswig-Holstein quan­ti­ta­tiv im bun­des­wei­ten Vergleich weit vorn liegt, wer­den laut GEW-Berechnungen 1000 zusätz­li­che Lehrerstellen gebraucht, um auch qua­li­ta­tiv vorn zu lie­gen. Doch die­se sind laut Schulministerium nicht finan­zier­bar. Lieber wird in Kauf genom­men, dass zwar die Herausforderungen an den Schulen stei­gen, indem die Klassen immer hete­ro­ge­ner wer­den, jedoch die sie unter­rich­ten­de Lehrerschaft nicht. Regelschullehrern feh­len die päd­ago­gi­schen Handwerkszeuge, um Schülern mit beson­de­ren Förderbedarfen gerecht zu wer­den. Sonderschullehrkräfte sind rar auf dem Bewerbungsmarkt und die Stundenzuweisungen sind nicht aus­rei­chend, um adäquat zu för­dern und dabei selbst gesund zu blei­ben.

Schleswig-Holstein macht ein Minusgeschäft, wenn an der Flensburger und Kieler Universität Lehrer den ers­ten Ausbildungsabschnitt absol­vie­ren, an Schulen in Schleswig-Holstein dann im Vorbereitungsdienst aus­ge­bil­det wer­den und danach nach Niedersachsen oder Hamburg abwan­dern, weil ihnen dort unbe­fris­te­te Stellen ange­bo­ten wer­den, die es in Schleswig-Holstein zu wenig gibt. So kommt es vor allem in den süd­li­che­ren Kreisen dazu, dass zwar noch Gelder aus dem Vertretungsfond vor­han­den ist, aber der Bewerbermarkt abso­lut leer gefegt ist, sodass es für Schulen schwie­rig wird, tem­po­rä­re Vertretungen ein­zu­stel­len, von fach­lich pas­sen­den Lehrkräften ganz zu schwei­gen. Es wäre sicher­lich mit­tel­fris­tig loh­nen­der, nicht nur in die Lehrerausbildung zu inves­tie­ren, um dann gut aus­ge­bil­de­te Fachlehrer an ande­re Bundesländer zu ver­lie­ren, die mehr Geld für ihre Bildungspolitik an den Schulen aus­ge­ben.

Die 36 Millionen gehö­ren an die Schulen ver­teilt, da die Defizite zu Lasten der Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Familien und der Gesundheit der Lehrkräfte gehen.

Ein Gedanke zu “Schule oder Uni? Verteilungskampf um die Bafög-Millionen”:

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