Haltestelle Kiel Hassee-CITTI-Park
Gestern (14. Dezember) war der Tag, an dem europaweit auf den Winterfahrplan umgestellt wurde. Ging es früher noch um die Umstellung vom Sommer- auf den Winterfahrplan, so ist es heute eher eine Fahrplanumstellung aufgrund verbesserter Taktungen, der Einarbeitung von Langsamfahrstellen oder neuer Haltepunkte.
In Schleswig-Holstein gibt es in diesem Jahr viele gute Nachrichten für Pendler und Bahnenthusiasten. Selten zuvor sind so viele neue Haltepunkte zeitgleich angeschlossen worden wie in diesem Jahr. Über den neuen Fahrplan, die Auswirkungen auf Pendler und Reisende in Schleswig-Holstein und die komplexen Hintergründe so eines Fahrplans habe ich mit Bernhard Wewers gesprochen, Geschäftsführer der landeseigenen Verkehrsservicegesellschaft (LVS) Schleswig-Holstein.
Wer mit Bernhard Wewers über Schleswig-Holsteins Regionalverkehr spricht, der erlebt einen engagierten Eisenbahner, keinen rückwärtsgewandten Romantiker. Als Vizepräsident der Dachorganisation der LVS, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs (BAG SPNV), ist er Treiber des Deutschlandtaktes, einer Initiative zur besseren Verzahnung der vielen Landesfahrpläne. Er weiß, was es bedarf, damit jemand sein Auto stehen lässt und stattdessen die Bahn nimmt. Ausgebildet zum Lokführer und kurze Zeit Leiter eines Bahnhofs, kennt Wewers auch die Situation derjenigen, die Taktpläne, Zugreihenfolgen etc. vor Ort organisieren.
Wie Schienenpersonennahverkehr funktioniert
Wer sich mit Stundentakten, Zugbestellungen und Neubau von Haltepunkten befasst, der muss zunächst verstehen, wie der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) funktioniert. Anders als im Fernverkehr gibt es im SPNV ein Ausschreibungsverfahren. Die Bundesländer beauftragen Organisationen wie die LVS als Besteller von SPNV-Leistungen, Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) können dann Gebote für einzelne Strecken bzw. Teilnetze abgeben und reichen Konzepte ein, wie sie die jeweiligen Strecken bedienen werden. Der Besteller – in SH die LVS – vergibt dann den Auftrag für einen festgelegten Zeitraum, meist etwa zehn Jahre.
Zur Frage der Finanzierung des SPNV sei auf das umfangreiche Erklärbärstück bei Zukunft Mobilität verwiesen. Vereinfacht ausgedrückt zahlt der Bund den Ländern eine Summe, die diese dann für die Bestellung ihrer Linien verwenden.
Was ändert sich für Schleswig-Holstein im Einzelnen?
- Halbstündliche Verbindung Kiel-Hamburg
- Stündliche Verbindung Flensburg-Hamburg
- Stündliche Verbindung Itzehoe-Hamburg
- Bis zu drei Verbindungen je Stunde von Elmshorn-Hamburg
- Stündliche Verbindung Flensburg-Neumünster
- Diverse neue Haltepunkte: Erst einmal nur Kronshagen (Flensburg-Kiel) und Lübeck Dänischburg IKEA, ab 5. Januar dann die Haltepunkte der Strecke Rendsburg-Kiel (Kiel-Russee, Melsdorf, Achterwehr, Bredenbek und Schülldorf)
Mehr Verbindungen ist gerade für die Taktknoten eine Herausforderung. Als Taktknoten werden diejenigen Bahnhöfe bezeichnet, an denen regelmäßige Verbindungen übereinanderliegen und auf diese Weise stündliche (bzw. halb-/zweistündliche) direkte Umstiege möglich sind. So musste der Hauptbahnhof in Kiel erst fit gemacht werden für die halbstündliche Verbindung Kiel-Hamburg. Dazu hat man die Einfahrt optimiert (die Züge müssen jetzt erst deutlich später abbremsen bei der Fahrt in den Bahnhof) und einen neuen Bahnsteig geschaffen. Möglich war das nur durch einen sogenannten Zungenbahnsteig. Dabei teilt man einen bestehenden Bahnsteig und legt auf die freigewordene Fläche ein Gleis, das nur bis zu einem Teil des Bahnsteigs hineinreicht (zum Beispiel Gleis 6b in Kiel).
Neue Fahrzeuge, bekannte Probleme
Neben der DB Regio fährt seit gestern auch die nordbahn Strecken im Eisenbahnnetz Mitte und schließt Itzehoe nun im Stundentakt an Hamburg an. Ergattert ein EVU wie die nordbahn einen neuen Auftrag, ist es auch für die eingesetzten Fahrzeuge verantwortlich. Dafür hat die nordbahn bei der Firma Stadler in Berlin Fahrzeuge vom Typ FLIRT (flinker leichter innovativer Regional-Triebzug) bestellt. Wer bei diesem Produktnamen annimmt, der Fahrzeugbau bei Eisenbahnen sehe aus wie bei PKWs, wo die gewünschte Fahrzeugkonfiguration binnen weniger Wochen auf dem Hof steht, der irrt gewaltig. Das markige Marketing (das hochwertigere Schwestermodell des FLIRT heißt KISS) mag nicht ganz zur Liefertreue passen.
Was die Deutsche Bahn bei dem geplanten Ersatz ihrer IC-Garnituren erlebt hat, betrifft nun leider auch Schleswig-Holstein. Im Falle der nordbahn jedoch erst einmal zu Gunsten der hiesigen Reisenden. Weil nicht alle FLIRT Fahrzeuge rechtzeitig ausgeliefert werden konnten, kommen erst einmal die etwas höherwertigen Fahrzeuge vom Typ KISS auf den Strecken zum Einsatz – erkennbar auch an den abweichenden Lackierungen.
Die Rolle des Bestellers
Bei der Bestellung einer Linie berücksichtigt die LVS, ob eher Berufspendler die Verbindung nutzen oder ob es viele Passagiere gibt, die die Regionalbahn als Zubringer zum Fernverkehr oder etwa für Kreuzfahrten nutzen. So bei der Relation Kiel-Hamburg. Dort gibt es bei den neuen Fahrzeugen einen Sitzabstand, der größer ist als im Fernverkehr und bei dem bspw. die Lücke zwischen zwei aneinander stehenden Rückenlehnen so bemessen ist, dass ein großer Reisekoffer dazwischen passt. Weshalb dies, wo es doch Gepäckablagen am Ende des Waggons gibt? Weil Gelegenheitsreisende wie Kreuzfahrer ungern ihren Koffer aus dem Blick lassen.
Auf die Liefertreue der Hersteller hingegen hat der Besteller keinen Einfluss, noch hat er eine direkte Sanktionsmöglichkeit. Auf der Strecke Kiel-Hamburg sollten eigentlich schon zum Fahrplanwechsel die neuen Fahrzeuge von Bombardier zum Einsatz kommen. Allein, sie sind noch nicht da. Noch immer stehen sie – fertig lackiert – beim Hersteller und warten auf die Ausrüstung mit Motoren und Technik. Vorher allerdings wird die DB bedient, die bereits schon länger auf Fahrzeuge wartet. Deshalb setzt die DB Regio erst einmal weiterhin die bekannten Fahrzeuge ein, zum Teil ja noch in dem alten SH-Express Design.
Ausblick
Bernhard Wewers hat noch viel vor mit dem SPNV in Schleswig-Holstein. Er rechnet mit der baldigen Wiedereröffnung von „Hein Schönberg”, der Regionalbahn von Kiel nach Schönberg, und hat sich weitere Linien ansehen lassen, die mit geringem Aufwand wieder ans Netz anzuschließen wären. Auch an der Optimierung der landschaftlich reizvollen Strecke Kiel-Lübeck ist die LVS dran und hat vor, die Reisezeit deutlich zu verkürzen.
Als Wochenendpendler weiß ich diese Bemühungen ganz persönlich zu schätzen, als Autofahrer zahle ich dann gern Mineralölsteuer, wenn ich weiß, dass mit den aus dieser Summe bezahlten Regionalisierungsmitteln an einem guten Nahverkehrsangebot gearbeitet wird. Jede Verbesserung der Taktung, die es beispielsweise ermöglicht, mit der Regionalbahn von Haltepunkten wie Kronshagen oder Suchsdorf zum Hauptbahnhof nach Kiel zu fahren, spart eine weitere Fahrt mit dem PKW bzw. Taxi ein. Und wenn wir schon Steuergeld für die Organisation des Schienenverkehrs ausgeben, dann sollten wir wenigstens dafür Sorge tragen, dass dieses Angebot für möglichst viele attraktiv ist.
Das Bild zeigt den Haltepunkt Kiel-Hassee-CITTI-Park, veröffentlicht unter CC BY-NC-SA 2.0 Lizenz von El-Moe.
Weiterführende Links
PM der LVS zum Fahrplanwechsel und den Änderungen im Einzelnen (pdf)
Ein Gedanke zu “Mehr Verbindungen - alles zum Fahrplanwechsel 2014/15”: