A 13 für alle? Zur Neuordnung der Lehrkräftebesoldung

Von | 1. Oktober 2015
Neuordnung der Lehrerbesoldung in Schleswig-Holstein

Copyright: GEW, Okt 2015

Der Gesetzentwurf zur Lehrkräftebesoldung liegt seit einer Woche vor. Danach blei­ben Grundschullehrerinnen und –leh­rer wei­ter­hin eine Besoldungsstufe unter den Lehrkräften ande­rer Schularten. Begründet wird dies von der Landesregierung mit den tat­säch­li­chen Anforderungen der Ämter. Ein Aufstieg in Besoldungsgruppe A 13 ist inner­halb der nächs­ten acht Jahre nur vor­ge­se­hen für Bestandskräfte mit der Lehrbefähigung für Grund- und Hauptschulen, die bereits erfolg­reich an Gemeinschaftsschulen unter­rich­te­ten. Voraussetzung für ihre Höhergruppierung wird der Nachweis einer noch nicht näher defi­nier­ten Fortbildung sein.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) macht gegen die­sen Entwurf mobil. Sie lud ges­tern Verteterinnen und Vertreter aus Politik, Verbänden und den Hochschulen zur alter­na­ti­ven Anhörung ins Kieler Gewerkschaftshaus. Hier die Standpunkte in der Reihenfolge wie sie vor­ge­tra­gen wur­den.

1. Es geht um Gerechtigkeit und Wertschätzung /​ ASTRID HENKE, stellv. Landesvorsitzende der GEW:

Die Landesregierung will die seit Jahren bestehen­de Ungerechtigkeit in der Besoldung auf­recht erhal­ten und kon­stru­iert Begründungen: Die Arbeit ist nicht wis­sen­schaft­lich, nicht so fach­lich wie in ande­ren Schularten, nicht so abschluss­be­zo­gen.

2. Ausbildungsweg entscheidet lebenslang über den Ausschluss an Aufstieg /​ JÖRG JUNGE, Rechtsanwalt in der Kanzlei Batzlaff & Partner, erstellte im Auftrag der GEW ein Gutachten zu Möglichkeiten und Grenzen der Neuregelung des Besoldungsrechtes:

Voraussichtlich 2053 oder 2054 wird erst der letz­te Grund- und Hauptschullehrer des klas­si­schen Typus  in den Ruhestand ver­setzt. Wir kamen zu dem Ergebnis: Es muss über kurz oder lang eine Angleichung erfol­gen. (…) Eine Unterscheidung in das Schwerere oder das Leichtere als Rechtfertigung für unter­schied­li­che Besoldung ist für mich juris­tisch nicht akzep­ta­bel.

3. Frauenberufe sind weniger wert als Männerberufe /​ ALEXANDRA EHLERS, Referentin des Landesfrauenrates:

Die Sorgearbeit wird bekannt­lich immer von Frauen erbracht. Wir tref­fen zu 90 Prozent an Grundschulen auf Lehrerinnen. Dabei soll­ten Kinder von vorn­her­ein glei­cher­ma­ßen von Männer wie Frauen sozia­li­siert wer­den. Wir wol­len, dass mehr Männer in die Grundschulen her­ein­kom­men. (…) Es ist typisch für Frauenberufe, dass in ihnen nur in begrenz­tem Maße Aufstiegschancen zur Verfügung ste­hen.

4. Für das Lehramt studieren alle gleich viel /​ BEATE BLASEIO, Landesvorsitzende des Grundschulverbandes und Professorin für Didaktik des Sachunterrichts an der Europa-Universität Flensburg:

Es ist unse­rer Ansicht nach nicht legi­tim, Credit Points für eine Unterscheidung her­an­zu­zie­hen. 70 sind es pro Fach im Grundschullehramt, 90 für das Sekundarschullehramt. Anstelle die­ser 20 Punkte wer­den im Master Grundschule Lehramt zusätz­lich zwei Kernbereiche stu­diert und grund­schul­päd­ago­gi­sche Anteile, und dies auf sehr wis­sen­schaft­li­chem Niveau. Ausgerechnet die­ses inno­va­ti­ve Element der neu­en Ausbildung dient der Landesregierung als Argument, die Schlechterstellung zu begrün­den.

5. Bei Ablehnung des Gesetzes gehen alle leer aus /​ KAI VOGEL, schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, kennt Unterschiede bei Besoldung und Pflichtstundenzahl aus seiner Zeit als Realschullehrer:

Die Haltung der GEW, von vorn­her­ein zu sagen, wir leh­nen die­ses Gesetz ab, des­halb wol­len wir auch nicht über Details ver­han­deln, hal­te ich für falsch. Es geht um mehr als 2 Tausend Lehrkräfte, deren Bezüge ange­ho­ben wer­den. Das ist ein Kostenvolumen von über 50 Mio. Euro. (…) Außer an Gymnasien wur­de noch nie über Beförderung gere­det. Als ich Realschullehrer wur­de, wuss­te ich: Du kommst mit A 13, du gehst mit A 13. (…) Als Nehmerland auf Konsolidierungskurs kön­nen wir schwer ver­mit­teln, dass wir die ers­ten im Bund sein wol­len, die ihre Grundschulkräfte nach A 13 besol­den.

6. A 13 für alle Neuen hätte mittelfristig die Weichen neu gestellt /​ ANKE ERDMANN, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/​Die Grünen und Vorsitzende des Bildungsausschusses im Landtag:

Wir geben im Bundesvergleich zusam­men mit NRW am wenigs­ten Geld pro Schüler aus und legen uns nun wirk­lich ins Zeug, Mittel umzu­schich­ten, um bes­ser dazu­ste­hen: die BAFöG-Mittel, ein Teil der Zensusmittel und vie­le ande­re Bereiche wie zum Beispiel die Flüchtlingshilfe, ist alles 1:1 in Lehrerstellen gegan­gen. A 13 für alle besitzt bei mir nicht obers­te Priorität.

7. Kein Gesetz kommt so aus dem Landtag wie es reingekommen ist /​ PETER SÖNNICHSEN, Mitglied der CDU-Landtagsfraktion:

Ich räu­me gern ein, dass wir uns bei den Prognosen für die Schülerzahlen und Auswirkungen auf die Lehrerstellen kräf­tig ver­rech­net haben. Aber eine Entscheidung nach Kassenlage ist etwas, was wir als CDU nicht mit­tra­gen wer­den.

8. Wir sehen die Grundschule als erste Gemeinschaftsschule /​ SVEN KRUMBECK, bildungspolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag:

Das Argument, dass Schleswig-Holstein nicht im Bund allein vor­an­ge­hen will, kann man nur indi­rekt nach­voll­zie­hen, weil Schleswig-Holstein auch bei der Lehrerausbildung und bei den Schulformen ein­zig­ar­ti­ge Wege geht. (…) Sobald wir die Gegenfinanzierung gefun­den haben, stel­len wir einen Änderungsantrag. Stoppen wir das Gesetz, haben wir die ande­ren Lehrer gegen uns. Deshalb legen wir uns noch nicht fest, ob wir dage­gen stim­men oder uns ent­hal­ten sol­len. Denn die teil­wei­se Erfüllung von Forderungen ist ja immer noch bes­ser als gar kei­ne.

9. Besoldungsrechtliche Konsequenzen lassen sich aus dem Studium nicht ableiten /​ JÜRGEN SCHWIER, Vizepräsident und leitender Professor für Sportwissenschaft an der Europa-Universität Flensburg

Wir haben in Schleswig-Holstein seit 2 Jahren die aka­de­mi­sche Gleichstellung aller Lehramtstypen. Darauf kön­nen wir stolz sein. Seither ver­lau­fen die ers­ten 5 Semester im Bachelorstudium für alle Lehrämter iden­tisch. Erst im 6. Semester erfolgt die Spezialisierung, da wir aus der Forschung wis­sen, dass spä­ter Experten für bestimm­te Altersstufen benö­tigt wer­den. Deren Aufgaben nach Schwierigkeit zu klas­si­fi­zie­ren, soll­te man sich hüten.

10. Das Praxissemester verschafft uns einen Vorsprung gegenüber anderen /​ PAUL JAKOB WEBER, 1. Vorsitzender vom AStA der Europa-Universität Flensburg und Mitglied der Landes-ASten-Konferenz

Im Master Studiengang wur­de bei uns ein Praxissemester ein­ge­führt, in dem die ange­wand­te päd­ago­gisch-didak­ti­sche Richtlinie in einer Schule ver­folgt wird. Eine gleich­ge­stell­te Besoldung nach A 13 ist schon daher gerecht­fer­tigt, weil wir die bes­se­re Ausbildung mit­brin­gen. Das ist nun mal Fakt. Wir als Landes-ASten-Konferenz ste­hen der Gewerkschaft bei und wür­den die­sen Weg mit­ge­hen. Gleichwohl leh­nen wir das Gesetz nicht grund­sätz­lich ab, weil es in Teilen unse­re Forderungen erfüllt.

11. Die Einstufung nach Schularten ist absurd /​ SYBILLE PAHLKE, Schulrätin im Schulamt Kreis Flensburg-Schleswig und Vorsitzende der Konferenz der Schulaufsicht:

Leitungsstellen in den Grundschulen sind unat­trak­tiv. Sie blei­ben lan­ge unbe­setzt, müs­sen zwei-, drei­mal aus­ge­schrie­ben wer­den. Das betrifft auch Grundschulkoordinatoren an Gemeinschaftsschulen. Sie haben ein Aufgabenspektrum, das dem eines Konrektors ent­spricht, ver­die­nen jedoch weni­ger als jede Sonderschullehrkraft. (…) Mit ihrer Erfahrung waren uns die Grund- und Hauptschullehrkräfte an SEK I Schulen im 2006 die ent­schei­den­de Hilfe bei der Umstellung auf hete­ro­ge­nen Lerngruppen. Jetzt sol­len wir über deren Beförderungsantrag ent­schei­den?!

12. Gemeinsam bringen wir unsere Schüler von Stufe 1 bis 10 voran /​ HEIKE BRUNKERT, leitet die Theodor-Storm-Dörfergemeinschaftsschule in Hanerau-Hademarschen und Todenbüttel, eine Grund- und Gemeinschaftsschule mit Förderzentrumsteil:

Wir kön­nen nicht alle Lehrkräfte in der SEK I unter­brin­gen, damit sie dort mehr Geld erhal­ten und weni­ger unter­rich­ten müs­sen. Der umge­kehr­te Weg war schon der Fall, weil wir eher Vakanzen in der Grundschule haben und dort aus­ge­bil­de­te Realschullehrer ein­set­zen muss­ten. Unterschwellig kommt es immer mal wie­der her­aus, dass die unter­schied­li­che Einstufung unser Kollegium belas­tet.

13. Gleiches Geld für gleiche Arbeit /​ Uwe Polkaehn, DGB Vorsitzender Bezirk Nord:

Bei dem Gesetzentwurf, der jetzt auf dem Tisch liegt, ver­lässt die Landesregierung den Weg, den sie ver­spro­chen hat, näm­lich das Land der guten Arbeit zu sein. Dorthin muss sie zurück­fin­den. Sonst kommt der Equal-Pay-Day für Grundschullehrkräfte. (…) Die Solidarität im Unternehmen ist ein hohes Gut, das las­sen wir uns nicht neh­men. Deshalb ver­han­deln wir nicht über Sonderwege für ein­zel­ne Beschäftigungsgruppen.

***

Im Anschluss an die Beiträge der Podiumsteilnehmerinnen und -teil­neh­mer aus den Bereichen Gesellschaft, Politik und Wissenschaft kamen in der letz­ten Stunde die Praktiker im Publikum zu Wort. Rasch wur­de deut­lich, dass die Begründung für die par­ti­el­le Beibehaltung der unter­schied­li­chen Besoldung die Lehrkräfte mehr schmerzt, als der Rückstand im Grundgehalt, der in Schleswig-Holstein je nach Gruppe und Stufe bis zu 450 Euro im Monat beträgt. Auf Ablehnung stieß auch der Vorschlag, von Lehrkräften, die bereits seit 8 Jahren in einem Tätigkeitsfeld arbei­ten, zu ver­lan­gen, dass sie sich nach­träg­lich dafür qua­li­fi­zie­ren müs­sen, um dann even­tu­ell höher ein­ge­stuft wer­den zu kön­nen. In dem Zusammenhang wur­de auch all­ge­mein Unmut dar­über geäu­ßert, dass nicht gleich zum Start der Schulreform die­se mög­li­chen Folgen mit­be­dacht wur­den. Durch die dar­auf fol­gen­de Reform der Lehrerausbildung steht nun sogar bereits der ers­te Studienjahrgang mit gleich­wer­ti­ger Ausbildung vor dem Abschluss.

In Kürze beginnt das Anhörungsverfahren im Bildungsausschuss. Übernächste Woche folgt die Beratung im Landtag und im Dezember geht der Gesetzentwurf in die 2. Lesung.

Nachtrag

14.10.2015 /​ Landtag TOP 6 – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Lehrkräftebesoldung

  1. PM zur Rede von Anke Erdmann, bil­dungs­po­li­ti­sche Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/​Die Grünen
  2. PM zur Rede von Anita Klahn, bil­dungs­po­li­ti­sche Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion
  3. PM zur Rede von  Martin Habersaat, SPD-Mitglied im Bildungsausschuss des Landtages
  4. PM zur Rede von Heike Franzen, Vorsitzende des Arbeitskreises Bildung der CDU-Landtagsfraktion
panama
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das; Abk. f. Panorama (griech.). Unter diesem Namen postet Daniela Mett vermischte Nachrichten aus der bewohnten Welt des Nordens. Die ausgebildete Magazinjournalistin berichtet frei und unabhängig. Sie hat sich in 30 Berufsjahren spezialisiert auf Reportagen und Interviews - www.panama-sh.com.

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