Das Spiel läuft – Politische Konzepte und Strategien
Vielleicht denkt der Eine oder die Andere: Was soll’s, wenn das Internet neue Spiel- und Wettmöglichkeiten eröffnet. Gespielt wird so oder so, das Internet erweitert lediglich das Angebot. Vielleicht sind ja auch lediglich die traditionellen Anbieter sauer, weil ihr Marktanteil schrumpft? In der Tat deuten die in Teil eins aufgeführten Verschiebungen der Spielanteile darauf hin, dass es sowohl neue Möglichkeiten wie auch Gewinner und Verlierer gibt. Auf der Verliererseite stehen die “soliden” staatlichen Spielmonopole Spielbank und Lotto, auf der Gewinnerseite die der staatlichen Regulierung weitgehend entzogenen Spielautomaten, das Internetspiel sowie die – mittlerweile mehr oder weniger geduldeten — Sportwetten.
Markt versus Sucht
Die Marktperspektive, also die Frage nach veränderten Marktanteilen und Entwicklung von Spielpräferenzen, greift für eine Beurteilung allerdings zu kurz. Denn ganz sicher darf die Suchtgefährdung nicht vernachlässigt werden. In Großbritannien, wo die Spielerei weitgehend liberalisiert ist, ist das Suchtpotential deutlich höher als im strikt regulierten Deutschland: 0,6 % der Bevölkerung gelten dort laut der Studie „British Gambling Prevalence Survey 2007″ als gefährdet, dies sind mehr als viermal soviel wie hierzulande. Marktfreiheit einerseits und Schutz des Einzelnen vor Gefährdungen andererseits bilden beim Glücksspiel weit deutlicher als auf anderen Politikfeldern die politischen Pole. Dabei verläuft die Debatte, wie zu erwarten, ziemlich genau entlang der traditionellen Werte der Parteien:
Die Konzepte von CDU/FDP und SPD
Die Fraktionen von CDU und FDP wollen zwar das Lottomonopol erhalten, den Sportwetten- und Onlinemarkt jedoch mit einem Lizenzmodell freigeben. Verstaatlichungen schließt der Antrag von CDU/FDP ausdrücklich aus. Ihr Eckpunktepapier für einen neuen Glücksspielstaatsvertrag vom Juni 2010 bezweifelt — keineswegs zu Unrecht -, dass Suchtprävention, Jugendschutz und Verbraucherschutz mit den geltenden Reglungen erreicht wurden und fordert eine Lockerung der Werbungsbeschränkungen, die Zulassung privater Sportwetten, Aufhebung des Internet-Spielverbots sowie Zulassung des Vertriebs von privaten Online-Casinospielen. Ziel ist die „Kanalisierung des natürlichen Spieltriebs hin zu einem staatlich kontrollierten Angebot”, die Austrocknung von Schwarzmarktstrukturen und höhere Einnahmen für den deutschen Spitzensport durch Sponsoring. Der Spielerschutz soll auf “höherem Niveau” gesichert werden, allerdings bleibt offen, wie dies gewährleistet werden soll.
Die SPD-Landtagsfraktion fordert die Aufrechterhaltung des Glücksspielmonopols, mehr Verbraucherschutz und Vermeidung von Anreizen zu überhöhten Ausgaben für das Spielen. Die Landesregierung soll sich demnach für einen neuen Glücksspielstaatsvertrag einsetzen, der die Verbote aufrecht erhält, jedoch die Vorgaben der Luxemburger Richter durch ein noch strikteres Werbeverbot zum Schutz vor Spielsucht berücksichtigt.
Diese — angesichts der jeweiligen Parteiprogrammatiken durchaus erwartbaren – Eckpunkte vernachlässigen jeweils Gesichtspunkte, die nicht recht in das jeweilige Weltbild passen.
SPD: Der Staat soll es richten
Auf Seiten der SPD werden vor allem die Möglichkeiten des Internet vernachlässigt. Die Genossen wollen am Internet-Verbot festhalten und müssen sich fragen lassen, ob Schutzzäune um die Netze gelegt werden sollen, wie dies in Frankreich versucht wird? Sollen Provider und Netzbetreiber zur Spiel-Prohibition gezwungen werden, Strafen für Verstöße gegen Netzbeschränkungen verhängt werden? Wird hier ein weiterer Baustein für die Beschränkung des Netzes gelegt? Ein Zugangserschwerungsgesetz 2.0? Und wo bliebe der angestrebte und besonders hervorgehobene Verbraucherschutz, wenn jedem Spieler jenseits der überwindbaren Mäuerchen dann ohne Möglichkeit der Gegenwehr das Geld aus der Tasche gezogen werden könnte? Nein, der Paternalismus der SPD glaubt zu sehr an die Wirksamkeit des Staates und zu wenig an die Verantwortung der Spieler in einem regulierten Marktsystem.
CDU und FDP: Hauptsache, höhere Einnahmen
Auf Seiten der CDU verwundert, wie die gesellschaftspolitische Dimension verloren gehen konnte. Noch im Mai 2001 hatte der Abgeordnete Kalinka in einer Presseerklärung geäußert, dass die Zunahme der Spielerträge erschreckend sei. Die Landesregierung brauche sich auf Steigerungsraten nichts einzubilden. ”Der immer stärker ausgeweitete Weg ins Glücksspiel kann gesellschaftspolitisch nicht der richtige Weg sein.” Heute lautet die Devise hingegen: “Wir wollen genehmigen, kontrollieren und abkassieren”, wie der CDU-Abgeordnete Arp in der März-Tagung des Landtags die Linie der Regierungskoalition zusammenfasste. Ziel von CDU und FDP im schleswig-holsteinischen Landtag ist es, durch ein liberales Konzessionsmodell, das die Internet-Anbieter einbezieht, jährlich bis zu 60 Millionen Euro zusätzlich für den Landeshaushalt einzunehmen.
Unter dem Druck der Haushaltssituation des Landes stellt sich offenkundig nicht mehr die Frage nach dem “gesellschaftspolitisch richtigen Weg”, sondern nach dem Geld. Nicht nur aus wertkonservativer Sicht ist dies befremdlich, ist doch öffentliches Glücksspiel gesellschaftlich geächtet und infolgedessen generell strafrechtlich untersagt bzw. an eine behördliche Genehmigung gebunden (§ 284 Strafgesetzbuch). Für die FDP-Landtagsfraktion ist ohnehin klar, dass “Monopole immer träge und unökonomisch” sind, und dass die öffentlichen Einnahmen aus dem Glücksspiel eben aufgrund der staatlichen Regulierung zurückgehen. Anstrebenswert erscheinen denn auch liberalisierte Glücksspielmärkte wie in England und Italien.
Die Liberalisierungsstrategie von CDU und FDP bietet Raum für eine Breitseite der SPD: “Las Vegas in Schleswig-Holstein kann es nicht geben” so der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck auf der Tagung der Ministerpräsidenten vorletzte Woche in Magdeburg. Nicht ganz zu Unrecht wird hier auf den Zusammenhang von Werbung und Ausweitung des Angebots mit erhöhter Suchtgefahr hingewiesen. Mehr Suchtberatung, die übrigens auch aus den staatlichen Einnahmen finanziert wird, ist hierfür gewiss keine Lösung, da sie erst einsetzt, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Ebenso dürften allein technische Maßnahmen, die bei Online-Wetten und -Glücksspielen durchaus möglich sind, für Spielerschutz und Vermeidung von Suchtgefährdungen keineswegs ausreichen, soweit das Spiel um Geld gesellschaftlich und kulturell als wünschenswert und hip sowie zudem als eine besondere Art der Förderung staatlicher Gemeinwohlprogramme erscheinen.
Beratungen der Ministerpräsidenten werden fortgesetzt
Unter den Ministerpräsidenten bestand Einvernehmen darüber, am staatlichen Lotteriemonopol festzuhalten und eine Öffnung des Sportwettenmarktes zu prüfen. Eine umfassende Anhörung hierzu im Frühjahr 2010 hatte Interesse und Bereitschaft der Sportwett-Anbieter gezeigt, sich im Rahmen einer grundlegenden Überholung des Glücksspielstaatsvertrags einer regulatorischen Kontrolle zu unterwerfen.
Lobby-Verbände wie BITKOM oder Spielanbieter wie bwin etc. halten grundsätzlich eine Regulierung für sinnvoll, um einheitliche Bedingungen und Rechtssicherheit zu schaffen. Bemerkenswert ist die Äußerung von Betfair, nach eigenem Bekunden weltweit einer der größten Betreiber von Internetsportwetten mit 2,5 Millionen Kunden, die den Nerv der Politik trifft: „Durch die Genehmigung seriöser (Internet-) Glücksspielunternehmen, welche strenge Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen und in Deutschland Steuern zahlen, würde der deutsche Staat fiskalisch in bedeutendem Maße profitieren.”
Einbeziehung von Spielautomaten
Besonders wichtig für die künftige Abstimmung der Länder ist aber, dass der Bund aufgefordert wurde, sich an der Neuordnung des Glücksspielrechts zu beteiligen und damit die Chance besteht, die Spielautomaten in eine staatliche Regulierung einzubeziehen. Hierfür sprechen nicht allein das hohe Suchtpotential und die hohe Zahl der Spielautomaten gerade in Schleswig-Holstein. Auch die Vermeidung von Ghettoisierung bestimmter Straßen und Viertel sowie der hiermit verbundenen Verwahrlosung ist ein gewichtiges Argument dafür, die Regulierung nicht weiter den Kommunen zu überlassen.
Was meinen die Grünen?
Monika Heinold von der Grünen-Landtagsfraktion hat dies zutreffend aufgespießt: “Es ist aberwitzig, wenn es für Lotto - welches ein geringes Suchtpotential hat — hohe Auflagen gibt, während gleichzeitig in Städten und Gemeinden unkontrolliert Spielhallen wie Pilze aus dem Boden schießen, weil das Automatenspiel trotz des unumstritten hohen Suchtpotentials kaum Maßnahmen zum Spielerschutz unterworfen ist.”
Folgerichtig wird von dieser Seite das konservativ-liberale Konzessionsmodell als “durchaus interessant” bewertet und in strikter Abgrenzung von SPD und SSW eine Verschärfung des staatlichen Glücksspielmonopols als irrig angesehen. Es wäre allerdings in Anbetracht der offenkundigen Schwächen der gegenwärtigen Regelungen voreilig, hierin eine weitere Annäherung der Grünen an die CDU zu erblicken ;-).
Ein vorläufiges Fazit
Als — durchaus vorläufiges — Fazit bleibt festzuhalten, dass die bisherigen Regelungen nicht nur wegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs reformbedürftig sind. Die bestehenden Regelungen sind nicht geeignet für das Internet, sie vernachlässigen das Suchtpotential der Glücksspielautomaten, führen zu einem Rückgang der Einnahmen aus staatlich reguliertem Spiel und hemmen unzureichend den Wildwuchs im Bereich der Sportwetten. Die staatlichen Einnahmechancen sollten allerdings für eine Reform nicht ausschlaggebend sein. Wichtiger sind vielmehr Regulierungen, die dem jeweiligen Suchtpotential eines Glücksspiels entsprechen. So wirken beispielsweise die Beschränkungen des staatlichen Lotteriespiels (“Glücksspiel kann süchtig machen”) nicht nur lächerlich, sondern sind es auch tatsächlich weitgehend. Stattdessen sollten die begonnenen Maßnahmen der Selbstkontrolle verstärkt werden, etwa durch übergreifende Sperrdateien. Ob es sich dann um staatliche oder lizensierte Veranstaltungen handelt dürfte letztlich zweitrangig sein. Allerdings sollte vermieden werden, das Glücksspiel von einer grundsätzlich verbotenen zu einer grundsätzlich wünschenswerten, da staatlich anerkannten Angelegenheit werden zu lassen.
Den Teil I dieses Artikel finden Sie hier: Das Spiel, der Staat, die Sucht und das Geld – eine Übersicht
Auch die ZEIT setzt sich heute mit diesem Thema auseinander.
Bitte unterstützen Sie die Online-Petition zur Spielhallenregulierung
Das mit der Suchpräventzion ist doch völliger Schwachsinn! Das einzige was die wirklich wollen ist sich weiterhin selber die Säcke voll packen! Schon alleine die perverse Struktur der Lotterien in Deutschland ist einzigartig wie in keinem anderen Land mit 16 Niederlassungen. Wie viele unnötige Arbeitsplätze werden dadurch redudant geschaffen? Oben drauf können sich die werten Herren dann nicht entscheiden wie es weiter gehen soll daher ein Haufen redudanter Pensionisten das Internet nicht verstehen und versuchen zu regulieren. Fakt ist, das wenn die Lotterien selbst Werbung betreiben, aber online Lotto verbieten das es wohl nicht um Suchpräventzion gehen kann. Außerdem hat unser guter Staat Millionen verschißen die jetzt Aktzionäre verdient haben daher wir Online Lotto Betreiber in das Ausland verbannt haben.
Sollte Lotto Suchgefährdend sein, dann soll der Staat es komplett abdrehen, wir wollen ja unseren Bürgern nichts böses tun, aber das will die Lotterie ja nicht daher sie sonst Lotterie Umsätze komplett verlieren. Aber in der heutigen Zeit ein Staats-Monopol am Leben erhalten sollte vom Europäischen Gerichtshof weiterhin zurück geworfen werden!
Außerdem sind die Gewinnchancen bei uns nicht viel besser als bei anderen Lotterien und trotzdem haben wir nur lächerliche Jackpots.
Pingback: Der Glücksspielstaatsvertrag ist kein Glücksfall | Landesblog Schleswig-Holstein