Mehr Glück und Geld oder mehr Freiheit und Elend? Teil II: Das Spiel läuft

Von | 4. November 2010

Das Spiel läuft – Politische Konzepte und Strategien

Vielleicht denkt der Eine oder die Andere: Was soll’s, wenn das Internet neue Spiel- und Wettmöglichkeiten eröff­net. Gespielt wird so oder so, das Internet erwei­tert ledig­lich das Angebot. Vielleicht sind ja auch ledig­lich die tra­di­tio­nel­len Anbieter sau­er, weil ihr Marktanteil schrumpft? In der Tat deu­ten die in Teil eins auf­ge­führ­ten Verschiebungen der Spielanteile dar­auf hin, dass es sowohl neue Möglichkeiten wie auch Gewinner und Verlierer gibt. Auf der Verliererseite ste­hen die “soli­den” staat­li­chen Spielmonopole Spielbank und Lotto, auf der Gewinnerseite die der staat­li­chen Regulierung weit­ge­hend ent­zo­ge­nen Spielautomaten, das Internetspiel sowie die – mitt­ler­wei­le mehr oder weni­ger gedul­de­ten — Sportwetten.

Markt versus Sucht

Die Marktperspektive, also die Frage nach ver­än­der­ten Marktanteilen und Entwicklung von Spielpräferenzen, greift für eine Beurteilung aller­dings zu kurz. Denn ganz sicher darf die Suchtgefährdung nicht ver­nach­läs­sigt wer­den. In Großbritannien, wo die Spielerei weit­ge­hend libe­ra­li­siert ist, ist das Suchtpotential deut­lich höher als im strikt regu­lier­ten Deutschland: 0,6 % der Bevölkerung gel­ten dort laut der Studie „British Gambling Prevalence Survey 2007″ als gefähr­det, dies sind mehr als vier­mal soviel wie hier­zu­lan­de. Marktfreiheit einer­seits und Schutz des Einzelnen vor Gefährdungen ande­rer­seits bil­den beim Glücksspiel weit deut­li­cher als auf ande­ren Politikfeldern die poli­ti­schen Pole. Dabei ver­läuft die Debatte, wie zu erwar­ten, ziem­lich genau ent­lang der tra­di­tio­nel­len Werte der Parteien:

Die Konzepte von CDU/​FDP und SPD

Die Fraktionen von CDU und FDP wol­len zwar das Lottomonopol erhal­ten, den Sportwetten- und Onlinemarkt jedoch mit einem Lizenzmodell frei­ge­ben. Verstaatlichungen schließt der Antrag von CDU/​FDP aus­drück­lich aus. Ihr Eckpunktepapier für einen neu­en Glücksspielstaatsvertrag vom Juni 2010 bezwei­felt — kei­nes­wegs zu Unrecht -, dass Suchtprävention, Jugendschutz und Verbraucherschutz mit den gel­ten­den Reglungen erreicht wur­den und for­dert eine Lockerung der Werbungsbeschränkungen, die Zulassung pri­va­ter Sportwetten, Aufhebung des Internet-Spielverbots sowie Zulassung des Vertriebs von pri­va­ten Online-Casinospielen. Ziel ist die „Kanalisierung des natür­li­chen Spieltriebs hin zu einem staat­lich kon­trol­lier­ten Angebot”, die Austrocknung von Schwarzmarktstrukturen und höhe­re Einnahmen für den deut­schen Spitzensport durch Sponsoring. Der Spielerschutz soll auf “höhe­rem Niveau” gesi­chert wer­den, aller­dings bleibt offen, wie dies gewähr­leis­tet wer­den soll.
Die SPD-Landtagsfraktion for­dert die Aufrechterhaltung des Glücksspielmonopols, mehr Verbraucherschutz und Vermeidung von Anreizen zu über­höh­ten Ausgaben für das Spielen. Die Landesregierung soll sich dem­nach für einen neu­en Glücksspielstaatsvertrag ein­set­zen, der die Verbote auf­recht erhält, jedoch die Vorgaben der Luxemburger Richter durch ein noch strik­te­res Werbeverbot zum Schutz vor Spielsucht berück­sich­tigt.

Diese — ange­sichts der jewei­li­gen Parteiprogrammatiken durch­aus erwart­ba­ren – Eckpunkte ver­nach­läs­si­gen jeweils Gesichtspunkte, die nicht recht in das jewei­li­ge Weltbild pas­sen.

SPD: Der Staat soll es richten

Auf Seiten der SPD wer­den vor allem die Möglichkeiten des Internet ver­nach­läs­sigt. Die Genossen wol­len am Internet-Verbot fest­hal­ten und müs­sen sich fra­gen las­sen, ob Schutzzäune um die Netze gelegt wer­den sol­len, wie dies in Frankreich ver­sucht wird? Sollen Provider und Netzbetreiber zur Spiel-Prohibition gezwun­gen wer­den, Strafen für Verstöße gegen Netzbeschränkungen ver­hängt wer­den? Wird hier ein wei­te­rer Baustein für die Beschränkung des Netzes gelegt? Ein Zugangserschwerungsgesetz 2.0? Und wo blie­be der ange­streb­te und beson­ders her­vor­ge­ho­be­ne Verbraucherschutz, wenn jedem Spieler jen­seits der über­wind­ba­ren Mäuerchen dann ohne Möglichkeit der Gegenwehr das Geld aus der Tasche gezo­gen wer­den könn­te? Nein, der Paternalismus der SPD glaubt zu sehr an die Wirksamkeit des Staates und zu wenig an die Verantwortung der Spieler in einem regu­lier­ten Marktsystem.

CDU und FDP: Hauptsache, höhere Einnahmen

Auf Seiten der CDU ver­wun­dert, wie die gesell­schafts­po­li­ti­sche Dimension ver­lo­ren gehen konn­te. Noch im Mai 2001 hat­te der Abgeordnete Kalinka in einer Presseerklärung geäu­ßert, dass die Zunahme der Spielerträge erschre­ckend sei. Die Landesregierung brau­che sich auf Steigerungsraten nichts ein­zu­bil­den. ”Der immer stär­ker aus­ge­wei­te­te Weg ins Glücksspiel kann gesell­schafts­po­li­tisch nicht der rich­ti­ge Weg sein.” Heute lau­tet die Devise hin­ge­gen: “Wir wol­len geneh­mi­gen, kon­trol­lie­ren und abkas­sie­ren”, wie der CDU-Abgeordnete Arp in der März-Tagung des Landtags die Linie der Regierungskoalition zusam­men­fass­te. Ziel von CDU und FDP im schles­wig-hol­stei­ni­schen Landtag ist es, durch ein libe­ra­les Konzessionsmodell, das die Internet-Anbieter ein­be­zieht, jähr­lich bis zu 60 Millionen Euro zusätz­lich für den Landeshaushalt ein­zu­neh­men.

Unter dem Druck der Haushaltssituation des Landes stellt sich offen­kun­dig nicht mehr die Frage nach dem “gesell­schafts­po­li­tisch rich­ti­gen Weg”, son­dern nach dem Geld. Nicht nur aus wert­kon­ser­va­ti­ver Sicht ist dies befremd­lich, ist doch öffent­li­ches Glücksspiel gesell­schaft­lich geäch­tet und infol­ge­des­sen gene­rell straf­recht­lich unter­sagt bzw. an eine behörd­li­che Genehmigung gebun­den (§ 284 Strafgesetzbuch). Für die FDP-Landtagsfraktion ist ohne­hin klar, dass “Monopole immer trä­ge und unöko­no­misch” sind, und dass die öffent­li­chen Einnahmen aus dem Glücksspiel eben auf­grund der staat­li­chen Regulierung zurück­ge­hen. Anstrebenswert erschei­nen denn auch libe­ra­li­sier­te Glücksspielmärkte wie in England und Italien.

Die Liberalisierungsstrategie von CDU und FDP bie­tet Raum für eine Breitseite der SPD: “Las Vegas in Schleswig-Holstein kann es nicht geben” so der rhein­land-pfäl­zi­sche Ministerpräsident Kurt Beck auf der Tagung der Ministerpräsidenten vor­letz­te Woche in Magdeburg. Nicht ganz zu Unrecht wird hier auf den Zusammenhang von Werbung und Ausweitung des Angebots mit erhöh­ter Suchtgefahr hin­ge­wie­sen. Mehr Suchtberatung, die übri­gens auch aus den staat­li­chen Einnahmen finan­ziert wird, ist hier­für gewiss kei­ne Lösung, da sie erst ein­setzt, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefal­len ist. Ebenso dürf­ten allein tech­ni­sche Maßnahmen, die bei Online-Wetten und -Glücksspielen durch­aus mög­lich sind, für Spielerschutz und Vermeidung von Suchtgefährdungen kei­nes­wegs aus­rei­chen, soweit das Spiel um Geld gesell­schaft­lich und kul­tu­rell als wün­schens­wert und hip sowie zudem als eine beson­de­re Art der Förderung staat­li­cher Gemeinwohlprogramme erschei­nen.

Beratungen der Ministerpräsidenten werden fortgesetzt

Unter den Ministerpräsidenten bestand Einvernehmen dar­über, am staat­li­chen Lotteriemonopol fest­zu­hal­ten und eine Öffnung des Sportwettenmarktes zu prü­fen. Eine umfas­sen­de Anhörung hier­zu im Frühjahr 2010 hat­te Interesse und Bereitschaft der Sportwett-Anbieter gezeigt, sich im Rahmen einer grund­le­gen­den Überholung des Glücksspielstaatsvertrags einer regu­la­to­ri­schen Kontrolle zu unter­wer­fen.
Lobby-Verbände wie BITKOM oder Spielanbieter wie bwin etc. hal­ten grund­sätz­lich eine Regulierung für sinn­voll, um ein­heit­li­che Bedingungen und Rechtssicherheit zu schaf­fen. Bemerkenswert ist die Äußerung von Betfair, nach eige­nem Bekunden welt­weit einer der größ­ten Betreiber von Internetsportwetten mit 2,5 Millionen Kunden, die den Nerv der Politik trifft: „Durch die Genehmigung seriö­ser (Internet-) Glücksspielunternehmen, wel­che stren­ge Genehmigungsvoraussetzungen erfül­len und in Deutschland Steuern zah­len, wür­de der deut­sche Staat fis­ka­lisch in bedeu­ten­dem Maße pro­fi­tie­ren.”

Einbeziehung von Spielautomaten

Besonders wich­tig für die künf­ti­ge Abstimmung der Länder ist aber, dass der Bund auf­ge­for­dert wur­de, sich an der Neuordnung des Glücksspielrechts zu betei­li­gen und damit die Chance besteht, die Spielautomaten in eine staat­li­che Regulierung ein­zu­be­zie­hen. Hierfür spre­chen nicht allein das hohe Suchtpotential und die hohe Zahl der Spielautomaten gera­de in Schleswig-Holstein. Auch die Vermeidung von Ghettoisierung bestimm­ter Straßen und Viertel sowie der hier­mit ver­bun­de­nen Verwahrlosung ist ein gewich­ti­ges Argument dafür, die Regulierung nicht wei­ter den Kommunen zu über­las­sen.

Was meinen die Grünen?

Monika Heinold von der Grünen-Landtagsfraktion hat dies zutref­fend auf­ge­spießt: “Es ist aber­wit­zig, wenn es für Lotto ­- wel­ches ein gerin­ges Suchtpotential hat — hohe Auflagen gibt, wäh­rend gleich­zei­tig in Städten und Gemeinden unkon­trol­liert Spielhallen wie Pilze aus dem Boden schie­ßen, weil das Automatenspiel trotz des unum­strit­ten hohen Suchtpotentials kaum Maßnahmen zum Spielerschutz unter­wor­fen ist.”
Folgerichtig wird von die­ser Seite das kon­ser­va­tiv-libe­ra­le Konzessionsmodell als “durch­aus inter­es­sant” bewer­tet und in strik­ter Abgrenzung von SPD und SSW eine Verschärfung des staat­li­chen Glücksspielmonopols als irrig ange­se­hen. Es wäre aller­dings in Anbetracht der offen­kun­di­gen Schwächen der gegen­wär­ti­gen Regelungen vor­ei­lig, hier­in eine wei­te­re Annäherung der Grünen an die CDU zu erbli­cken ;-).

Ein vorläufiges Fazit

Als — durch­aus vor­läu­fi­ges — Fazit bleibt fest­zu­hal­ten, dass die bis­he­ri­gen Regelungen nicht nur wegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs reform­be­dürf­tig sind. Die bestehen­den Regelungen sind nicht geeig­net für das Internet, sie ver­nach­läs­si­gen das Suchtpotential der Glücksspielautomaten, füh­ren zu einem Rückgang der Einnahmen aus staat­lich regu­lier­tem Spiel und hem­men unzu­rei­chend den Wildwuchs im Bereich der Sportwetten. Die staat­li­chen Einnahmechancen soll­ten aller­dings für eine Reform nicht aus­schlag­ge­bend sein. Wichtiger sind viel­mehr Regulierungen, die dem jewei­li­gen Suchtpotential eines Glücksspiels ent­spre­chen. So wir­ken bei­spiels­wei­se die Beschränkungen des staat­li­chen Lotteriespiels (“Glücksspiel kann süch­tig machen”) nicht nur lächer­lich, son­dern sind es auch tat­säch­lich weit­ge­hend. Stattdessen soll­ten die begon­ne­nen Maßnahmen der Selbstkontrolle ver­stärkt wer­den, etwa durch über­grei­fen­de Sperrdateien. Ob es sich dann um staat­li­che oder lizen­sier­te Veranstaltungen han­delt dürf­te letzt­lich zweit­ran­gig sein. Allerdings soll­te ver­mie­den wer­den, das Glücksspiel von einer grund­sätz­lich ver­bo­te­nen zu einer grund­sätz­lich wün­schens­wer­ten, da staat­lich aner­kann­ten Angelegenheit wer­den zu las­sen.

Den Teil I die­ses Artikel fin­den Sie hier: Das Spiel, der Staat, die Sucht und das Geld – eine Übersicht

4 Gedanken zu “Mehr Glück und Geld oder mehr Freiheit und Elend? Teil II: Das Spiel läuft”:

  1. Martin

    Das mit der Suchpräventzion ist doch völ­li­ger Schwachsinn! Das ein­zi­ge was die wirk­lich wol­len ist sich wei­ter­hin sel­ber die Säcke voll packen! Schon allei­ne die per­ver­se Struktur der Lotterien in Deutschland ist ein­zig­ar­tig wie in kei­nem ande­ren Land mit 16 Niederlassungen. Wie vie­le unnö­ti­ge Arbeitsplätze wer­den dadurch redu­dant geschaf­fen? Oben drauf kön­nen sich die wer­ten Herren dann nicht ent­schei­den wie es wei­ter gehen soll daher ein Haufen redu­dan­ter Pensionisten das Internet nicht ver­ste­hen und ver­su­chen zu regu­lie­ren. Fakt ist, das wenn die Lotterien selbst Werbung betrei­ben, aber online Lotto ver­bie­ten das es wohl nicht um Suchpräventzion gehen kann. Außerdem hat unser guter Staat Millionen ver­schi­ßen die jetzt Aktzionäre ver­dient haben daher wir Online Lotto Betreiber in das Ausland ver­bannt haben.

    Sollte Lotto Suchgefährdend sein, dann soll der Staat es kom­plett abdre­hen, wir wol­len ja unse­ren Bürgern nichts böses tun, aber das will die Lotterie ja nicht daher sie sonst Lotterie Umsätze kom­plett ver­lie­ren. Aber in der heu­ti­gen Zeit ein Staats-Monopol am Leben erhal­ten soll­te vom Europäischen Gerichtshof wei­ter­hin zurück gewor­fen wer­den!

    Außerdem sind die Gewinnchancen bei uns nicht viel bes­ser als bei ande­ren Lotterien und trotz­dem haben wir nur lächer­li­che Jackpots.

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  2. Pingback: Der Glücksspielstaatsvertrag ist kein Glücksfall | Landesblog Schleswig-Holstein

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