Eine GEZ-Haushaltsabgabe soll die unbeliebte GEZ-Gerätegebühr ersetzen. Details der Umsetzung stießen jedoch auf harsche Kritik. Nun steht die Debatte im schleswig-holsteinischen Landtag an. Eine Umfrage des Landesblogs bei Parteien und Verbänden in Schleswig-Holstein macht deutlich: Ein Selbstgänger wird das nicht. Droht nach dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag dem nächsten Staatsvertrag das Aus?
„GEZ-Spitzelei unter neuem Label“
Kein gutes Blatt ließ Dr. Thilo Weichert, der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte, gegenüber dem Landesblog an dem Staatsvertrag. Die Datenschutzbeauftragten würden schon seit Jahren vor einer Rundfunkfinanzierung warnen, „bei der nicht weniger Daten als bisher durch die GEZ, sondern möglicherweise mehr gespeichert werden“. Für den jetzt vorliegenden Entwurf fand er klare Worte: Er „beendet nicht die bisherige Ausforschung durch die Rundfunkanstalten, sondern modifiziert diese, ja weitet diese aus“.
Seine Hauptkritik richtet sich gegen die seiner Meinung nach „umfassenden Datenerhebungbefugnisse aus öffentlichen und nicht-öffentlichen Quellen“. Weichert reicht das Aussetzen des Adressankaufes bis 2014 nicht: “Die jahrelang kritisierte Praxis des Adresskaufs bei privaten Unternehmen wird weiterhin erlaubt, obwohl der Zugriff auf die verlässlicheren Melderegister nie in Frage stand.“ Auch die Ausgestaltung der Regelungen ist ihm ein Dorn im Auge: „Das Mindeste wäre gewesen, dass die Abweichung von dem Grundsatz Datenerhebung bei den Betroffenen nur in erforderlichen, engen Ausnahmefällen erlaubt würde. Das Gegenteil ist aber nun geplant.“ Sein ernüchterndes Fazit: „Damit geht die GEZ-Spitzelei unter neuem Label ungebremst weiter“.
Ungerechtigkeiten und Alternativvorschläge
Der Sprecher der IHK Kiel, Michael Legband, zog gegenüber dem Landesblog klare Grenzen: Die Wirtschaft dürfe „nicht stärker als bislang zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks herangezogen werden“. Mit dem Konzept der Betriebsstätte mag sich die IHK offensichtlich nicht wirklich anfreunden. Für den Sprecher zeichnen sich „Ungerechtigkeiten“ ab, wenn „gleich große Unternehmen mit unterschiedlich vielen Betriebsstätten“ ungleich behandelt werden. Legband hat andere Vorstellungen: „Für die Ermittlung des Finanzierungsbeitrags der Unternehmen ist allein ihre Größe – gemessen an der Zahl ihrer Mitarbeiter – heranzuziehen.“ Apropos Mitarbeiter. Legband macht auf einen weiteren Punkt aus: „Betriebsstätten, in denen niemand arbeitet, sollen von der Gebührenpflicht ausgenommen sein“ — dem vorliegenden Staatsvertrag reicht schon ein eingerichteter Arbeitsplatz in einer Betriebstätte aus, um eine Betragspflicht zu begründen — selbst wenn niemand dort beschäftigt ist.
Außerdem sollten nach seiner Ansicht „Branchen, die für ihren Betrieb auf mehrere Rundfunkgeräte angewiesen sind“ (das sind z.B. Hotels und Mietwagenverleiher) „künftig von der Sonderbelastung befreit“ werden. Um die Kompetenzen der Mitglieder seiner Kammer wissend, schaut er nach vorn: „Die öffentlich-rechtlichen Sender sollten angehalten werden, weniger Leistungen in Eigenarbeit zu erbringen, sondern stattdessen vermehrt Dritte damit beauftragen.“
Akutes Abdomen oder Bauchschmerzen?
So ein Staatsvertrag macht die Parlamentsarbeit nicht wirklich einfacher. Das wird keine einfache Debatte im Schleswig-Holsteinischen Landtag, trotz selten großer Einigkeit: Klares Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Steht außer Frage. Umstellung auf die Haushaltspauschale: Zustimmung. Und die Umsetzung?: Ach, … . Im Detail ist keiner der medienpolitischen Sprecher wirklich zufrieden. Bauchschmerzen überall:
Christian von Boetticher hat jüngst, als neuer medienpolitischer Sprecher der (Bundes-)CDU, in einem teilweise auch bei CARTA veröffentlicht Interview klare Kritik am Staatsvertrag geäußert. Da der CDU viel daran gelegen habe, durch das Umsteuern auf eine Haushaltsabgabe die „GEZ-Schnüffeleien in Privathaushalte“ zu unterbinden, könne man mit einer Abgabe auf gewerblich genutzte Fahrzeuge nicht „wieder einer Einzelfallbewertung Tür und Tor“ öffnen und ein neues Tätigkeitsfeld für die GEZ schaffen. Die CDU-Fraktionen in den Ländern stünden deshalb „der KFZ-Klausel sehr kritisch gegenüber“.
Auch die liberale Ingrid Brand-Hückstädt, ist „nicht besonders glücklich“ mit dem Staatsvertrag. Ob es nun die Belastung von Unternehmen mit Filialbetrieben ist, die Forderung nach datenschutzrechtlich einwandfreien Regelungen oder die Befreiung von gewerblichen Kraftfahrzeuge, die einer Betriebsstätte zuzuordnen sind: Das am 12. Oktober 2010 von der FDP-Fraktion in Kiel beschlossene Positionspapier hatte klare Forderungen aufgestellt.
Nicht anders geht es Peter Eichstädt, der schon im November 2010 für die SPD sowohl bei der Betriebsgrößenstaffel als auch bei der Berücksichtigung von Teilzeitmitarbeitern Nachbesserungsbedarf angemeldet hatte. Auch er ist mit der gefundenen Regelung „nicht zufrieden“. Nicht anders sieht es bei den nichtprivaten Kfz aus. Gegenüber dem Landesblog blieb er dabei: Das ist „systemfremd und passt nicht in das neue Schema“. Letztlich steht aber für ihn die Zustimmung nicht in Frage: Aufkommende Fehler und Ungereimtheiten müssen in der Evaluierung sorgfältig analysiert und dann abgestellt werden.
Zustimmend gehen auch die Grünen in die Debatte. Sie sehen im Gegensatz zum Landesdatenschutzbeauftragten nur gewisse Defizite im Datenschutz, können dem Vertrag aber zustimmen. Die nach der Anhörung erfolgten Änderungen sind nach Auffassung von Thorsten Fürter „große Schritte in die richtige Richtung“. So ist für ihn die Erlaubnis, dass Landesrundfunkanstalten nach dem 31. Dezember 2014 Adressdaten privater Personen ankaufen können, ein „Das ist nun nicht mehr erlaubt“. Auch die Grünen setzen auf die Zukunft: „Der Vertrag sollte zukünftig noch datensparsamer ausgestaltet werden“.
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