Am 19. November 2009 tagte der Schleswig-Holsteinische Landtag. Tagesordnungspunkt 28 A „Besetzung und Wahl der Mitglieder des Landtags für den Wahlkreisausschuss“ stand an. Dem Plenum lag ein einmütiger Wahlvorschlag aller Fraktionen vor. Der Landtagspräsident ergriff das Wort: „Wird das Wort zur Begründung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wer dem Wahlvorschlag Drucksache 17/60 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Das ist einstimmig so beschlossen.“
Das war’s. Mehr wissen wir, die Bürger, nicht von der Arbeit des Wahlkreisausschusses. Als interessierter und ein wenig fachkundiger Bürger finde ich noch den Hinweis, dass der Ausschuss für die Wahlkreiseinteilung bei Landtagswahlen zuständig ist (§ 17 Landeswahlgesetz) und gewährleisten soll, dass die Bevölkerungszahl eines Wahlkreises nicht zu sehr vom Durchschnitt abweicht, der Wahlkreis ein „zusammenhängendes Ganzes“ bilden, seine „Bevölkerungsentwicklung möglichst beständig” sein, „Gemeindegrenzen nur ausnahmsweise durchschnitten” werden und „örtliche Zusammenhänge” möglichst gewahrt bleiben sollen (§ 16 Landeswahlgesetz).
Wann das Gremium tagt, was dort ansteht, was dort beschlossen wurde – all das bleibt im Verborgenen. Spontan erschließt sich mir nicht, warum das so sein muss. Schließlich betreffen Wahlkreise jeden Wählerin und jeden Wähler. Und deren Zuschnitt ist vielleicht grottenlangweilig, aber bestimmt nicht geheimnisvoll, das Gesetz regelt alles ziemlich klar. Also: Warum nicht, wie es die meisten Ausschüsse des Landtages regelmäßig machen, öffentlich tagen? Die Unterlagen veröffentlichen? Die Protokolle veröffentlichen?
Absurd wird es, wenn das Gremium im Streit auseinandergeht und der Disput öffentlich ausgetragen wird. Da hagelt es gegenseitige Schuldvorwürfe en masse und das mitlesende Publikum staunt — weil die Grund des Streites im Nebulösen bleibt. Besonders interessierte Bürger wissen vielleicht noch, dass der Ausschuss aktuell die Aufgabe hat, die Wahlkreise von 40 auf 35 zu reduzieren. Und aus den Presseerklärungen kann man sich mühsam zusammenreimen, dass die einen das Ergebnis toll finden und die anderen nicht. Aber mal ehrlich: Ohne die Karte, ohne die Unterlagen aus der Sitzung — bleibt der Streit ziemlich virtuell und zusammenhangslos. Es bleibt mir allenfalls, den Streithähnen und -hennen je nach parteilicher Präferenz zu glauben — oder auch nicht.
Kommt also bitte mal im Kieler Landtag aus der Innenwelt raus in die reale Außenwelt und veröffentlicht die Unterlagen. Und lasst den Ausschuss bitte zukünftig öffentlich tagen. Das nennen wir dann Transparenz und einen kleinen Schritt zu Open Government.
Es gibt doch so ein schönes Informationsfreiheitsgesetz. Damit müsste man doch an die gewünschten Informationen kommen.
Hinrich
@Hinrich Schöner wäre es ja, wenn solche Dinge gleich von sich aus öffentlich gemacht werden. Das spart ja auch ungemein Mühe beim Kopieren der Akten und kostet keine wirkliche zusätzliche Mühe. Aber in der Sache ist der Weg über das Informationsfreiheitsgesetz schon ein guter Tipp.
Eben haben CDU und FDP eine öffentliche Debatte über die Wahlkreiszuschneidung abgelehnt (Dringlichkeitsdebatte). Für Interessierte lohnt es sich sicher das Plenarprotokoll nachzulesen( Das ist öffentlich)
JETZT noch eine öffentliche Debatte darüber zu führen, könnte ja ganz interessant sein. Aber mal ehrlich: Das Kind ist im Brunnen und an Öffentlichkeit war bisher NIEMAND interessiert. Und weil ALLE so agieren, muss man sich vielleicht nicht wundern, dass sich kaum jemand über die Ausschussmehrheit aufregt. Unterstellt wird, dass ja sowieso ALLE nur ihren eigenen Vorteil suchen …
Vorher fleißig mitzumauscheln und nun beleidigt Öffentlichkeit einzufordern, weil man sich nicht durchgesetzt hat, ist in der Tat nicht besonders glaubwürdig.
Ich bin weiterhin verwundert über die Äußerung meines Parteifreundes Kubicki, dass sich doch alle im Landtag einig seien, dass Beratungen über die Wahlkreise „aus guten Gründen” nicht in die Öffentlichkeit gehören. Diese Gründe würde ich gern einmal vermittelt bekommen.
SPD und Grüne scheinen ja – zumindest bis zur Niederlage in der Abstimmung – diese Gründe geteilt zu haben. Also: Welches sind diese Gründe? Und was hat sich – außer der Abstimmungsniederlage – so geändert, dass SPD und Grüne nun eine andere Ansicht vertreten?
Diese „guten Gründe” möchte auch gern wissen.
Das Landesblog jedenfalls veröffentlicht „aus guten Gründen” die Vorschläge. Ulf Kämpfer erläutert sie: http://landesblog.de/2011/05/die-qual-der-wahlkreise/
Mir wurde das von älteren Kollegen am Beginn erläutert, dass es sowieso sehr schwierig sei, Wahlkreise neu zu schneiden, da es selbstverständlich regionale, parteiliche und sonstige Interressen geben würde und in so einer Situation sehr schwierig sei einen Konsens zwischen den Regionen und den Parteien herzustellen, wenn jeder Schritt breit diskutiert wird. Auch ich habe die Karten zwischendurch nicht gesehen! Angeblich seien bisher alle Neuzuschneidungen einstimmig getroffen worden ( ich habe das jetzt nicht nachkontrolliert). In der heutigen Zeit scheint das aber nicht mehr zu funktionieren, den vernünftigen Ausgleich über einen gemeinsamen Willen zum Konsens herzustellen. Es stellt sich dann die berechtigte Frage, ob das Verfahren dann so bleiben kann.