Lehrerausbildung: Doppelgleisig ins Chaos?

Von | 10. Juli 2011

Während Schleswig-Holsteins Lehrer, Schüler und Eltern den som­mer­li­chen Ferienfrieden genie­ßen, sorgt Bildungsminister Ekkehard Klug für Unruhe. Eine ver­än­der­te „Ausbildungs- und Prüfungsverordung Lehrkräfte II“ (APO) soll am 1. August in Kraft tre­ten. Mit ihr wird  die Praxisausbildung von Lehrkräften, das soge­nann­te Referendariat, von der­zeit 24 auf 18 Monate gekürzt wer­den. Der Wirbel an den Schulen ist vor­pro­gram­miert. Denn dort wird dann auf abseh­ba­re Zeit nach zwei Ausbildungsordnungen aus­ge­bil­det.

 

Es geht hier­bei um die Regelung der Ausbildung für zukünf­ti­ge Lehrerinnen und Lehrer, die bereits ihr ers­tes Staatsexamen oder einem Abschluss im Bologna-Modell hin­ter sich gebracht haben. In der bil­dungs­po­li­ti­schen Fachsprache nennt man sie Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiV), umgangs­sprach­lich eher Referendare. Diese kom­men mit all ihrem theo­re­ti­schen Wissen an die Schulen hier im Bundesland und brin­gen neben der Fachtheorie im bes­ten Falle noch Ideale mit. Über prak­ti­sche Erfahrungen ver­fügt man nach dem ers­ten Teil der Ausbildung kaum, denn die Praktika (ins­ge­samt ca. zehn Wochen) bestehen vor­wie­gend aus Hospitationen und weni­gen selbst gege­be­nen Stunden in Klassen, die man kaum ken­nen­ler­nen konn­ten. An der Schule erwar­ten den Referendar durch­schnitt­lich zehn Wochenstunden eigen­ver­ant­wort­li­cher Unterricht in ver­schie­de­nen Klassenstufen. Diesen muss er selbst­stän­dig vor­be­rei­ten und soll dabei die didak­ti­schen und metho­di­schen Möglichkeiten anwen­den, die er in sei­nem theo­re­ti­sier­ten Studium kaum ken­nen­ler­nen konn­te. Außerdem soll er sich in die an der Schule vor­han­de­nen Teamstrukturen ein­brin­gen, in den Fachschaften aktiv mit­ar­bei­ten und sich ins Schulleben ein­brin­gen. Es wird von ihm erwar­tet sich wie ein voll­wer­ti­ger Lehrer um Probleme in den zu unter­rich­ten­den Klassen zu küm­mern und Problemfälle adäquat zu regeln.

In den Schulen wer­den den Referendaren für jedes stu­dier­te Fach Ausbildungslehrkräfte (ALK) zur Seite gestellt, die man umgangs­sprach­lich eher als Mentoren bezeich­net. Deren Aufgabe besteht dar­in dem Referendar die Abläufe in der Schule zu erklä­ren, exem­pla­ri­sche Unterrichtsstunden vor- und nach­zu­be­rei­ten, Stunden des Referendars zu hos­pi­tie­ren und danach die Stunden gemein­sam zu bespre­chen, den Referendar in selbst zu geben­den Stunden hos­pi­tie­ren zu las­sen, den Referendar dazu zu moti­vie­ren, sich aktiv ins Schulleben ein­zu­brin­gen und ihm mit Rat und Tat zur Seite zu ste­hen, in all den gro­ßen und klei­nen Unwegsamkeiten des Schulalltags (Elterngespräche, Elternabende, Ordnungsmaßnahmen, Notengebung etc.).  Da die­se vie­len ver­schie­de­nen Aufgaben einen Referendar durch­aus for­dern und es auch eine gewis­se Eingewöhnungszeit erfor­dert, um den ers­ten Praxisschock zu über­win­den, war die für den zwei­ten Teil der Ausbildung ange­dach­te Zeit von zwei Jahren durch­aus ange­mes­sen. Das soll sich mit der neu­en Ausbildungsordnung ändern, denn sie ver­kürzt die Ausbildungsdauer auf 18 Monate. Bildungsminister Klug recht­fer­tigt das fol­gen­der­ma­ßen: „’18 statt 24’ gilt jetzt für alle Lehrerlaufbahnen in Schleswig-Holstein. Damit schaf­fen wir die sel­ben Bedingungen wie in allen ande­ren Ländern und leis­ten zugleich einen Beitrag zur Deckung des Lehrkräftebedarfs.“ Schaut man sich die Ausbildungsverordnungen ande­rer Bundesländer an, stellt man fest, dass fast alle eine Ausbildungsdauer von zwei Jahren haben und nur eini­ge weni­ge die­se ver­kür­zen, dort aber deut­lich län­ge­re Praktikumszeiträume im ers­ten Teil der Ausbildung üblich sind.

 

Eine wei­te­re Änderung der Ausbildungsordnung betrifft die drit­te Komponente des soge­nann­ten „Qualifizierungsdreiecks“, näm­lich die Funktion und den Einsatz eines Studienleiters. Hier kommt das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) ins Spiel, denn das regelt die theo­re­ti­sche Ausbildung der Referendare durch ent­spre­chen­de Seminarangebote, die an einem bestimm­ten Wochentag statt­fin­den, an die­sem Tag sind die Referendare nicht in der Schule. Bisher war es so, dass der Referendar für jedes Halbjahr eine bestimm­te Anzahl Module aus einem Pflicht- und Wahlbereich buchen konn­te und dann jeden Mittwoch durch Schleswig-Holstein gefah­ren ist, um sich in stän­dig wech­seln­den Gruppen mit ande­ren Referendaren und jeweils einem Studienleiter zu tref­fen, um acht Stunden je nach Studienleiter fron­tal belehrt zu wer­den oder in einen ech­ten fach­di­dak­ti­schen Austausch zu tre­ten. Abhängig vom Fach und eige­nem Interesse konn­te es dadurch zu lan­gen Fahrzeiten kom­men.

Das soll sich nun ändern, denn nach der neu­en Ausbildungsordnung sol­len fes­te Kleingruppen aus 12 – 14 Referendaren ent­ste­hen, die in ihren Fächern und in Pädagogik über die gesam­te Ausbildungsdauer von einem Studienleiter betreut wer­den sol­len. Im Rahmen die­ser wöchent­li­chen Seminartage sol­len sie reih­um Unterricht zei­gen, die­sen gemein­sam eva­lu­ie­ren und fach­di­dak­ti­schen und metho­di­sche Kniffe erler­nen. Wenn die Chemie zwi­schen Referendar und Studienleiter stimmt, kann das durch­aus von Vorteil sein, zumal mal sei­ne Mitstreiter in einer sol­chen Kleingruppe bes­ser ken­nen­lernt und sich auch zu gemein­sa­men Vorbereitungsaktionen ver­ab­re­den kann. Jedoch wirft die­se Änderung die Frage auf, war­um man sich jetzt auf das rück­be­sinnt, das 2005 im Rahmen einer Ausbildungsordnungsänderung mit gro­ßem Tamtam abge­schafft wur­de und man sich dem modu­la­ren System zuwand­te.

Ein wei­te­rer Teil der Ausbildung sind regel­mä­ßi­ge Beratungsbesuche des Studienleiters in der Schule des Referendars, bei denen er sich jeweils eine Stunde anschaut und sie dann zusam­men mit dem Referendar und des­sen Mentor nach­be­spricht. Im Rahmen die­ser Besuche berät der Studienleiter den Referendar hin­sicht­lich sei­ner fach­di­dak­ti­schen, metho­di­sche und päd­ago­gi­schen Arbeit und legt mit ihm gemein­sam Zielvereinbarungen für die Zeit bis zum nächs­ten Beratungsbesuch fest. Diese Besuche sol­len nun zehn statt nur sechs Mal im ver­lauf der Ausbildung statt­fin­den. Da sich die Besuche auf die Zeit vor dem Prüfungssemester kon­zen­trie­ren, bedeu­tet das für den Referendar, dass er pro Fach in jedem Halbjahr fünf Vorführstunden geben muss, bei denen jeweils ein Studienleiter zuschaut. Das ist kei­ne unbe­deu­ten­de Anzahl und wird die Referendare in ihrer durch die Verkürzung der Ausbildungszeit ohne­hin stres­si­gen Ausbildungszeit zusätz­lich belas­ten, da für die­se Besuche ent­spre­chen­de Unterrichtsvorbereitungen geschrie­ben wer­den müs­sen und man in einer sol­chen Stunde auch immer mehr Aufwand betreibt, als in „nor­ma­len” Stunden.

 

Auch stellt sich die Frage, woher all die qua­li­fi­zier­ten Studienleiter kom­men sol­len, die all die­se Besuche durch­füh­ren wer­den. In der Regel sind das Lehrer, die für ihre Tätigkeit am IQSH mit einem bestimm­ten Stundensatz aus dem regu­lä­ren Plan der eige­nen Schule aus­ge­plant wer­den. Das stellt die Stundenplaner regel­mä­ßig vor Herausforderungen, denn da die­se Besuche nicht immer an den glei­chen Tagen über Wochen hin­weg statt­fin­den, müs­sen die Stunden des betref­fen­den Studienleiterkollegen ver­tre­ten wer­den, was meist weder für die Klassen gut ist, in denen er unter­rich­tet, noch auf beson­ders gro­ßen Beifall im Kollegium stößt. Nach der Änderung der Ausbildungsordnung müs­sen also noch mehr Studienleiterstellen geschaf­fen wer­den, dem­nach auch noch mehr ambi­tio­nier­te Lehrkräfte aus dem regu­lä­ren Schuldienst aus­ge­plant wer­den. Da jedoch an den meis­ten Schulen der Umgestaltungsprozess in eine Regional- oder Gemeinschaftsschule noch in vol­lem Gange ist, wer­den es sich vie­le Lehrerinnen und Lehrer zwei Mal über­le­gen, ob sie ihre Kraft zusätz­lich in die Dienste des IQSH stel­len, wo doch an der eige­nen Schule alle gebraucht wer­den, die mit inno­va­ti­ven Ideen und Tatkraft den Umgestaltungsprozess vor­an­brin­gen. Kritische Zungen könn­ten jetzt spe­ku­lie­ren, dass es eher die „Drückeberger” sein könn­ten, die sich frei­wil­lig für sol­che Studienleiterstellen mel­den wer­den, da die­se Tätigkeit ihnen eini­ges an Freiheiten gibt und die Erfahrung zeigt, dass nicht jeder Studienleiter den Qualitätsaspekt auf sei­ner per­sön­li­chen Agenda ste­hen hat. Welche Folgen das für die Lehrerausbildung haben kann, ist sicher­lich abzu­se­hen.

Ein wei­te­rer gro­ßer Kritikpunkt an der neu­en Ausbildungsordnung ist in jedem Fall die inkon­se­quen­te Haltung gegen­über den umstruk­tu­rier­ten Schulformen (Regional- und Gemeinschaftsschule), denn sowohl im ers­ten, wie auch im zwei­ten Ausbildungsteil, wer­den wei­ter­hin flei­ßig Grund- und Hauptschullehrer, Realschullehrer und Gymnasiallehrer aus­ge­bil­det. Weiterhin berück­sich­tigt man in kei­ner Form, dass in die­sen Schulen häu­fig die Fächer Naturwissenschaften (Biologie, Physik, Chemie) und Weltkunde (Geschichte, Erdkunde, Wirtschaft/​Politik) gege­ben wer­den. Dafür wird eben­falls nach wie vor nicht aus­ge­bil­det, was ein ent­schei­den­des Manko ist, da die Referendare aus einer uni­ver­si­tä­ren Ausbildung in ihrem Studienfach kom­men und bis­her kei­ner­lei Berührungspunkte mit den Nachbarfächern hat­ten. Dementsprechend ver­un­si­chert sind vie­le von ihnen dann, wenn sie an eine Schule kom­men und nicht etwa zwei mal zwei Stunden Geschichte pro Woche in zwei ver­schie­de­nen Klassen unter­rich­ten, son­dern plötz­lich mit vier Stunden Weltkunde in einer Klasse lan­den und je nach Klassenstufe nur einen Drittelanteil Geschichtsthemen unter­rich­ten. Hier soll­te drin­gend über­ar­bei­tet wer­den, vor allem im Sinne der zukünf­ti­gen Lehrerinnen und Lehrer und ihrer Schülerinnen und Schüler.

Fazit: Während die Regionalisierung der Ausbildung und die fes­ten Seminargruppen durch­aus von Vorteil sind, muss man lei­der fest­stel­len, dass die Änderung der Ausbildungsordnung eine hal­be Sache ist, die sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen ori­en­tiert und schon gar nicht im Sinne der Schulumgestaltungen im Bundesland gedacht ist. Mit ihr wird kei­nes­falls der Schulfrieden vor­an gebracht, son­dern eher ein wei­ters Mal gestört. Die Belastung der Referendare steigt und die Strukturen der Schulen wer­den wei­ter belas­tet. Eine zeit­ge­mä­ße und gut durch­dach­te Änderung hät­te die Schulen und die Lehrerausbildung vor­an­brin­gen kön­nen, so ist aber ein wei­te­res Stückwerk der hie­si­gen Bildungspolitik.

Während Schleswig-Holsteins Lehrer, Schüler und Eltern den sommerlichen
Ferienfrieden genießen, sorgt Bildungsminister Ekkehard Klug für Unruhe.
Eine veränderte „Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Lehrkräfte II“ (APO)
soll am 1. August in Kraft treten. Mit ihr wird  die Praxisausbildung von
Lehrkräften, das sogenannte Referendariat, von derzeit 24 auf 18 Monate
gekürzt werden. Der Wirbel an den Schulen ist vorprogrammiert. Denn dort
wird dann auf absehbare Zeit nach zwei Ausbildungsordnungen ausgebildet.
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Melanie Richter lebt seit mehr als 20 Jahren in Kiel, ist parteilos, seit 2010 Mitglied im Verein für Neue Medien Kiel e.V. und arbeitet in einer Kieler Gemeinschaftsschule.

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