Während Schleswig-Holsteins Lehrer, Schüler und Eltern den sommerlichen Ferienfrieden genießen, sorgt Bildungsminister Ekkehard Klug für Unruhe. Eine veränderte „Ausbildungs- und Prüfungsverordung Lehrkräfte II“ (APO) soll am 1. August in Kraft treten. Mit ihr wird die Praxisausbildung von Lehrkräften, das sogenannte Referendariat, von derzeit 24 auf 18 Monate gekürzt werden. Der Wirbel an den Schulen ist vorprogrammiert. Denn dort wird dann auf absehbare Zeit nach zwei Ausbildungsordnungen ausgebildet.
Es geht hierbei um die Regelung der Ausbildung für zukünftige Lehrerinnen und Lehrer, die bereits ihr erstes Staatsexamen oder einem Abschluss im Bologna-Modell hinter sich gebracht haben. In der bildungspolitischen Fachsprache nennt man sie Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiV), umgangssprachlich eher Referendare. Diese kommen mit all ihrem theoretischen Wissen an die Schulen hier im Bundesland und bringen neben der Fachtheorie im besten Falle noch Ideale mit. Über praktische Erfahrungen verfügt man nach dem ersten Teil der Ausbildung kaum, denn die Praktika (insgesamt ca. zehn Wochen) bestehen vorwiegend aus Hospitationen und wenigen selbst gegebenen Stunden in Klassen, die man kaum kennenlernen konnten. An der Schule erwarten den Referendar durchschnittlich zehn Wochenstunden eigenverantwortlicher Unterricht in verschiedenen Klassenstufen. Diesen muss er selbstständig vorbereiten und soll dabei die didaktischen und methodischen Möglichkeiten anwenden, die er in seinem theoretisierten Studium kaum kennenlernen konnte. Außerdem soll er sich in die an der Schule vorhandenen Teamstrukturen einbringen, in den Fachschaften aktiv mitarbeiten und sich ins Schulleben einbringen. Es wird von ihm erwartet sich wie ein vollwertiger Lehrer um Probleme in den zu unterrichtenden Klassen zu kümmern und Problemfälle adäquat zu regeln.
In den Schulen werden den Referendaren für jedes studierte Fach Ausbildungslehrkräfte (ALK) zur Seite gestellt, die man umgangssprachlich eher als Mentoren bezeichnet. Deren Aufgabe besteht darin dem Referendar die Abläufe in der Schule zu erklären, exemplarische Unterrichtsstunden vor- und nachzubereiten, Stunden des Referendars zu hospitieren und danach die Stunden gemeinsam zu besprechen, den Referendar in selbst zu gebenden Stunden hospitieren zu lassen, den Referendar dazu zu motivieren, sich aktiv ins Schulleben einzubringen und ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, in all den großen und kleinen Unwegsamkeiten des Schulalltags (Elterngespräche, Elternabende, Ordnungsmaßnahmen, Notengebung etc.). Da diese vielen verschiedenen Aufgaben einen Referendar durchaus fordern und es auch eine gewisse Eingewöhnungszeit erfordert, um den ersten Praxisschock zu überwinden, war die für den zweiten Teil der Ausbildung angedachte Zeit von zwei Jahren durchaus angemessen. Das soll sich mit der neuen Ausbildungsordnung ändern, denn sie verkürzt die Ausbildungsdauer auf 18 Monate. Bildungsminister Klug rechtfertigt das folgendermaßen: „’18 statt 24’ gilt jetzt für alle Lehrerlaufbahnen in Schleswig-Holstein. Damit schaffen wir die selben Bedingungen wie in allen anderen Ländern und leisten zugleich einen Beitrag zur Deckung des Lehrkräftebedarfs.“ Schaut man sich die Ausbildungsverordnungen anderer Bundesländer an, stellt man fest, dass fast alle eine Ausbildungsdauer von zwei Jahren haben und nur einige wenige diese verkürzen, dort aber deutlich längere Praktikumszeiträume im ersten Teil der Ausbildung üblich sind.
Eine weitere Änderung der Ausbildungsordnung betrifft die dritte Komponente des sogenannten „Qualifizierungsdreiecks“, nämlich die Funktion und den Einsatz eines Studienleiters. Hier kommt das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) ins Spiel, denn das regelt die theoretische Ausbildung der Referendare durch entsprechende Seminarangebote, die an einem bestimmten Wochentag stattfinden, an diesem Tag sind die Referendare nicht in der Schule. Bisher war es so, dass der Referendar für jedes Halbjahr eine bestimmte Anzahl Module aus einem Pflicht- und Wahlbereich buchen konnte und dann jeden Mittwoch durch Schleswig-Holstein gefahren ist, um sich in ständig wechselnden Gruppen mit anderen Referendaren und jeweils einem Studienleiter zu treffen, um acht Stunden je nach Studienleiter frontal belehrt zu werden oder in einen echten fachdidaktischen Austausch zu treten. Abhängig vom Fach und eigenem Interesse konnte es dadurch zu langen Fahrzeiten kommen.
Das soll sich nun ändern, denn nach der neuen Ausbildungsordnung sollen feste Kleingruppen aus 12 – 14 Referendaren entstehen, die in ihren Fächern und in Pädagogik über die gesamte Ausbildungsdauer von einem Studienleiter betreut werden sollen. Im Rahmen dieser wöchentlichen Seminartage sollen sie reihum Unterricht zeigen, diesen gemeinsam evaluieren und fachdidaktischen und methodische Kniffe erlernen. Wenn die Chemie zwischen Referendar und Studienleiter stimmt, kann das durchaus von Vorteil sein, zumal mal seine Mitstreiter in einer solchen Kleingruppe besser kennenlernt und sich auch zu gemeinsamen Vorbereitungsaktionen verabreden kann. Jedoch wirft diese Änderung die Frage auf, warum man sich jetzt auf das rückbesinnt, das 2005 im Rahmen einer Ausbildungsordnungsänderung mit großem Tamtam abgeschafft wurde und man sich dem modularen System zuwandte.
Ein weiterer Teil der Ausbildung sind regelmäßige Beratungsbesuche des Studienleiters in der Schule des Referendars, bei denen er sich jeweils eine Stunde anschaut und sie dann zusammen mit dem Referendar und dessen Mentor nachbespricht. Im Rahmen dieser Besuche berät der Studienleiter den Referendar hinsichtlich seiner fachdidaktischen, methodische und pädagogischen Arbeit und legt mit ihm gemeinsam Zielvereinbarungen für die Zeit bis zum nächsten Beratungsbesuch fest. Diese Besuche sollen nun zehn statt nur sechs Mal im verlauf der Ausbildung stattfinden. Da sich die Besuche auf die Zeit vor dem Prüfungssemester konzentrieren, bedeutet das für den Referendar, dass er pro Fach in jedem Halbjahr fünf Vorführstunden geben muss, bei denen jeweils ein Studienleiter zuschaut. Das ist keine unbedeutende Anzahl und wird die Referendare in ihrer durch die Verkürzung der Ausbildungszeit ohnehin stressigen Ausbildungszeit zusätzlich belasten, da für diese Besuche entsprechende Unterrichtsvorbereitungen geschrieben werden müssen und man in einer solchen Stunde auch immer mehr Aufwand betreibt, als in „normalen” Stunden.
Auch stellt sich die Frage, woher all die qualifizierten Studienleiter kommen sollen, die all diese Besuche durchführen werden. In der Regel sind das Lehrer, die für ihre Tätigkeit am IQSH mit einem bestimmten Stundensatz aus dem regulären Plan der eigenen Schule ausgeplant werden. Das stellt die Stundenplaner regelmäßig vor Herausforderungen, denn da diese Besuche nicht immer an den gleichen Tagen über Wochen hinweg stattfinden, müssen die Stunden des betreffenden Studienleiterkollegen vertreten werden, was meist weder für die Klassen gut ist, in denen er unterrichtet, noch auf besonders großen Beifall im Kollegium stößt. Nach der Änderung der Ausbildungsordnung müssen also noch mehr Studienleiterstellen geschaffen werden, demnach auch noch mehr ambitionierte Lehrkräfte aus dem regulären Schuldienst ausgeplant werden. Da jedoch an den meisten Schulen der Umgestaltungsprozess in eine Regional- oder Gemeinschaftsschule noch in vollem Gange ist, werden es sich viele Lehrerinnen und Lehrer zwei Mal überlegen, ob sie ihre Kraft zusätzlich in die Dienste des IQSH stellen, wo doch an der eigenen Schule alle gebraucht werden, die mit innovativen Ideen und Tatkraft den Umgestaltungsprozess voranbringen. Kritische Zungen könnten jetzt spekulieren, dass es eher die „Drückeberger” sein könnten, die sich freiwillig für solche Studienleiterstellen melden werden, da diese Tätigkeit ihnen einiges an Freiheiten gibt und die Erfahrung zeigt, dass nicht jeder Studienleiter den Qualitätsaspekt auf seiner persönlichen Agenda stehen hat. Welche Folgen das für die Lehrerausbildung haben kann, ist sicherlich abzusehen.
Ein weiterer großer Kritikpunkt an der neuen Ausbildungsordnung ist in jedem Fall die inkonsequente Haltung gegenüber den umstrukturierten Schulformen (Regional- und Gemeinschaftsschule), denn sowohl im ersten, wie auch im zweiten Ausbildungsteil, werden weiterhin fleißig Grund- und Hauptschullehrer, Realschullehrer und Gymnasiallehrer ausgebildet. Weiterhin berücksichtigt man in keiner Form, dass in diesen Schulen häufig die Fächer Naturwissenschaften (Biologie, Physik, Chemie) und Weltkunde (Geschichte, Erdkunde, Wirtschaft/Politik) gegeben werden. Dafür wird ebenfalls nach wie vor nicht ausgebildet, was ein entscheidendes Manko ist, da die Referendare aus einer universitären Ausbildung in ihrem Studienfach kommen und bisher keinerlei Berührungspunkte mit den Nachbarfächern hatten. Dementsprechend verunsichert sind viele von ihnen dann, wenn sie an eine Schule kommen und nicht etwa zwei mal zwei Stunden Geschichte pro Woche in zwei verschiedenen Klassen unterrichten, sondern plötzlich mit vier Stunden Weltkunde in einer Klasse landen und je nach Klassenstufe nur einen Drittelanteil Geschichtsthemen unterrichten. Hier sollte dringend überarbeitet werden, vor allem im Sinne der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer und ihrer Schülerinnen und Schüler.
Fazit: Während die Regionalisierung der Ausbildung und die festen Seminargruppen durchaus von Vorteil sind, muss man leider feststellen, dass die Änderung der Ausbildungsordnung eine halbe Sache ist, die sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und schon gar nicht im Sinne der Schulumgestaltungen im Bundesland gedacht ist. Mit ihr wird keinesfalls der Schulfrieden voran gebracht, sondern eher ein weiters Mal gestört. Die Belastung der Referendare steigt und die Strukturen der Schulen werden weiter belastet. Eine zeitgemäße und gut durchdachte Änderung hätte die Schulen und die Lehrerausbildung voranbringen können, so ist aber ein weiteres Stückwerk der hiesigen Bildungspolitik.
Während Schleswig-Holsteins Lehrer, Schüler und Eltern den sommerlichen Ferienfrieden genießen, sorgt Bildungsminister Ekkehard Klug für Unruhe. Eine veränderte „Ausbildungs- und Prüfungsverordnung Lehrkräfte II“ (APO) soll am 1. August in Kraft treten. Mit ihr wird die Praxisausbildung von Lehrkräften, das sogenannte Referendariat, von derzeit 24 auf 18 Monate gekürzt werden. Der Wirbel an den Schulen ist vorprogrammiert. Denn dort wird dann auf absehbare Zeit nach zwei Ausbildungsordnungen ausgebildet.
Pingback: Nachträge aus dem Landesblog « … schreiben …