Datenschutznovelle(n) im Landtag

Von | 24. August 2011

Passend zur in der letz­ten Woche vom Landesdatenschutzbeauftragten Dr. Thilo Weichert ange­sto­ße­nen Facebook-Debatte (das Landesblog berich­te­te) wur­de heu­te im Landtag eine Modernisierung und Erweiterung der Landesdatenschutzes beschlos­sen, die unter ande­rem wegen einer bereits im letz­ten Jahr erfolg­ten Rüge des Europäischen Gerichtshofes nötig gewor­den war.

Größter Kritikpunkt des EuGH war die for­mel­le Abhängigkeit und Gebundenheit der Landesdatenschutzbehörden von den jewei­li­gen Landesregierungen. So hat­te bis­her in Schleswig-Holstein das Innenministerium die Rechtsaufsicht über das „Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz” (ULD); dem Ministerpräsidenten oblag die Dienstaufsicht, der damit auch Vorgesetzter des Datenschutzbeauftragten war.

Doch nicht nur recht­lich, auch tech­nisch ist das 11 Jahre alte Landesdatenschutzgesetz nicht mehr auf der Höhe sei­ner Zeit. Man den­ke zurück: Im Jahr 2000 gab es noch kein Facebook, der Datensammler Google steck­te noch in den Kinderschuhen. Niemand hat­te ein iPhone in der Tasche, und auch die Strafverfolgungsbehörden grif­fen wei­test­ge­hend auf „tra­di­tio­nel­le” Methoden zurück — eine Funkzellenabfrage wie jüngst in Dresden war vor nur 11 Jahren noch schwer vor­stell­bar. Allgemein hat sich die Datensammelwut vie­ler öffent­li­cher und nicht-öffent­li­cher Einrichtungen in der letz­ten Dekade dra­ma­tisch gestei­gert.

Natürlich kön­nen vie­le die­ser Punkte im euro­pä­isch-deut­schen-Föderalismus-und-Kompetenz-Wirrwarr nicht allein von Schleswig-Holstein behan­delt oder gesetz­lich gere­gelt wer­den. Was kon­kret in Schleswig-Holstein für den Datenschutz getan wird, erläu­te­re ich im Weiteren.

Was sind die wichtigsten Änderungen?

Die ein­schnei­dends­te Veränderung im Landesdatenschutzgesetz (LDSG) ist die gesetz­lich fest­ge­schrie­be­ne Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten. Im neu­en Gesetz heißt es:

„(1) Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz nimmt die ihm zuge­wie­se­nen Aufgaben in Unabhängigkeit wahr und ist nur dem Gesetz unter­wor­fen. Die §§ 50 bis 52 des Landesverwaltungsgesetzes sind nicht anzu­wen­den. […]”

Die Paragraphen 50 bis 52 des LVwG hat­ten bis­her die Landesregierung zu „Vorgesetzten” des ULD gemacht. Dies war auch (unter ande­rem) der Grund für die Rüge des EuGH.
Die Drucksache mit dem gesam­ten neu­en Gesetzestext fin­det man hier.

Mit unge­wöhn­lich freund­li­chem Konsens stimm­ten alle Parteien für die Novelle, wenn­gleich die zu erwar­ten­den Floskeln der ein­zel­nen Lager in der Beratung genannt wur­den: Der CDU-Abgeordnete Dr. von Abercron schloss mit den Worten „Im Zweifel für die Sicherheit”, Peter Eichstädt von der SPD for­der­te mehr Aufklärung und Medienkompetenz und die FDP-Abgeordnete Brand-Hückstädt brach­te die „Freiheit statt Angst”-Diskussion im Zusammenhang mit öffent­li­cher Videoüberwachung ins Spiel.

Schleswig-Holsteins obers­ter Datenschützer Dr. Thilo Weichert zeig­te sich im Gespräch nach der Beratung zufrie­den, der von sei­nem Haus mit­ent­wi­ckel­te Gesetzentwurf wur­de vom Innenministerium sowie dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtages wei­test­ge­hend ange­nom­men. Zwar sei­en eini­ge kon­tro­ver­se Punkte (wie bei­spiels­wei­se der vom ULD gefor­der­te behörd­li­che Datenschutzbeauftragte) vom Innenministerium zur finan­zi­el­len Entlastung der Kommunen nicht mit ins Gesetz auf­ge­nom­men wor­den, den­noch wür­den die Unabhängigkeit des ULD und die Privatssphäre der Bürger wei­ter gestärkt.

Weitere Änderungswünsche

Darüber hin­aus wur­de eine von der Regierung ein­ge­brach­te Änderung des Landesdatenschutzgesetzes in ers­ter Lesung dis­ku­tiert und in die Ausschüsse ver­wie­sen. Der Gesetzesentwurf wird im Innen- und Rechtsausschuss des Landtages sicher noch kon­tro­vers dis­ku­tiert wer­den.

Die Verarbeitung, Speicherung, Verkettbarkeit und Erhebung von per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten in der öffent­li­chen Verwaltung soll über­ar­bei­tet wer­den. Beispielsweise sol­len die Protokolldaten (wer hat wann auf wel­che Daten zuge­grif­fen) von nun an immer mit den per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten zusam­men gespei­chert wer­den. Dies soll lücken­lo­se Dokumentationen über die Nutzung der Daten erlau­ben und Missbrauch vor­beu­gen.
Zudem soll ein trans­pa­ren­te­res Einsichtsverfahren mit dem ULD erar­bei­tet wer­den, nach dem Bürger die von ihnen gespei­cher­ten Daten ein­se­hen kön­nen, soweit die­se nicht bei Behörden der Landessicherheit, Strafverfolgung oder Steuerfahndung gela­gert sind.

Neben der Änderung des LDSG soll auch das Landesverfassungsschutzgesetz geän­dert wer­den. Die Landesregierung möch­te es auch künf­tig ermög­li­chen, den jähr­li­chen Verfassungsschutzbericht, der auch per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten ent­hal­ten kann, im Internet zu ver­öf­fent­li­chen.

Von:

Ende 20, Politikwissenschaftler, Archäologe, Redakteur, Fotograf und Social Media Manager. Wohnt in Kiel, lebt im Internet, kommt aus Flensburg. Gehört keiner Partei an. Mag neben Politik und Medien alles was blinkt oder salzig schmeckt.

Ein Gedanke zu “Datenschutznovelle(n) im Landtag”:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert