Rundfunkgebühr: Haushaltsabgabe löst Gerätegebühr ab - die GEZ bleibt

Von | 6. Dezember 2011

Die neue Haushaltsabgabe, die die unbe­lieb­te GEZ-Gebühr ablö­sen soll – und dabei das Kind mit dem Bade aus­schüt­tet – hat uns im Landesblog nicht nur ein­mal beschäf­tigt: Insbesondere die daten­schutz­recht­li­chen, aber auch die wirt­schafts­po­li­ti­schen Bedenken sind groß. Nach der Anhörung im Kieler Innen- und Rechtsausschuss kam kei­ne rech­te Freude an dem im Jahr 2010 von den Ministerpräsidenten aus­ge­klün­gel­ten Staatsvertrag auf. Beschlossen wird er wohl den­noch.Zuletzt hat der Hamburger Verfassungsrechtler Ingo von Münch die aus sei­ner Sicht ver­fas­sungs­wid­ri­ge „Zwangsabgabe“ kri­ti­siert. Der ehe­ma­li­ge Kultur- und Wissenschaftssenator der Hansestadt Hamburg rief jüngst im Focus die Landtagsabgeordneten in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen auf, ihre Zustimmung zu ver­wei­gern: „Es wäre eine Sternstunde des Parlamentarismus, wenn wenigs­tens eines unse­rer Landesparlamente den Mut besä­ße, dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zuzu­stim­men und damit des­sen Inkrafttreten zu ver­hin­dern“. Für ihn ist die neue Abgabe „ein unver­ständ­li­cher Eingriff in die Freiheitssphäre des Bürgers“. Es müs­se mög­lich blei­ben, zwi­schen allei­ni­gem Radiohören und Radio- und Fernsehgenuss zu unter­schei­den. Der Focus zitiert ihn: „Hierin liegt ein ver­fas­sungs­recht­lich unzu­läs­si­ger Eingriff in das Grundrecht der frei­en Entfaltung der Persönlichkeit“.

Die Abstimmung über den Staatsvertrag muss noch im Dezember erfol­gen, damit er wie geplant 2013 in Kraft tre­ten kann. Morgen (7. Dezember) wird der Innen- und Rechtsausschuss den Vertrag schluss­end­lich bera­ten, damit er in der dar­auf fol­gen­den Woche im Landtagverabschiedet wer­den kann.

Die SPD hat schon vor eini­gen Tagen einen „Augen-zu-und-durch“-Antrag vor­ge­legt, der den Modellwechsel von der gerä­te­be­zo­ge­nen Rundfunkgebühr zum Haushaltsbeitrag lobt und durch die Verbreiterung der Anzahl der Zahler eine Verringerung des indi­vi­du­el­len Beitrages erhofft – was den­je­ni­gen, die zukünf­tig erst­mals oder deut­lich mehr zah­len müs­sen, nicht wirk­lich hilft. Der von der Wirtschaft als zu teu­er, unge­recht­fer­tigt und umständ­lich emp­fun­de­ne Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge soll nach Vorstellungen der SPDlang­fris­tig“ ent­fal­len. Die daten­schutz­recht­li­che Kritik an der Sammelwut der GEZ wischt der Antrag bei­sei­te; viel­mehr betont er die kur­zen Löschfristen als „wich­ti­ges Element eines effek­ti­ven Datenschutzes“. Von dem von der Wohnungswirtschaft und Mietervereinigungen abge­lehn­te § 9 Absatz 1 des Entwurfes, der Vermieter, Grundstückseigentümer und Verwalter qua­si zu Hilfsorganen der GEZ machen soll, soll der NDR nach den Vorstellungen der SPD kei­nen Gebrauch machen (Die Formulierung in der Ziffer 8 des SPD-Antrages ist übri­gens m.E. falsch, es geht nicht um eine „Auskunft über die Vermie­ter“) Die Klammer habe ich gestri­chen. Das „über” ist im Sinne von „via” gmeint. Da bin ich nicht drauf gekom­men.

FDP und CDU wer­den sich wohl eben­falls zu einer Zustimmung durch­rin­gen. Besonders die FDP hat­te sich deut­lich gegen die Datensammelwut posi­tio­niert. Es scheint aber, dass sie, wie die SPD, dar­auf set­zen, dem Systemwechsel nun plan­mä­ßig anzu­ge­hen und die Fehler in einer „Evaluationsverfahren“ aus­zu­mer­zen. Eher aka­de­misch inter­es­sant wird sein, in wel­chen Punkten sich der FDP/CDU-Antrag von dem SPD-Antrag unter­schei­den wird.

Nachtrag: Die FDP will „zäh­ne­knir­schend“ zustim­men. Ingrid Brand-Hückstädt, medi­en­po­li­ti­sche Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion und frisch gewähl­te stell­ver­tre­ten­de Vorsitzende der FDP-Kommission für Internet und Medien, zählt fünf kri­ti­schen Punkte auf: Verpflichtung von Vermietern und Wohnungsverwaltern zur Datenweitergabe; zeit­li­che Begrenzung des Ankaufsverbotes von Adressdaten; vor­über­ge­hen­de Vergrößerung der GEZ um 400 Mitarbeiter und den anschlie­ßen­den Minimalabbau des Personals; finan­zi­el­le Belastung von Filialbetrieben; Gebühr für Kraftfahrzeuge. 
Die Kritik soll noch in eine Resolution gegos­sen wer­den.

Für die Grünen im Kieler Landtag erklär­te heu­te deren medi­en­po­li­ti­sche Sprecher Thorsten Fürter die Ablehnung der „guten Idee“, die „von den Ministerpräsidenten der­ma­ßen schlecht umge­setzt wor­den“ sei. Thorsten Fürter bemän­gelt das „büro­kra­ti­sches Monstrum son­der Gleichen“ und mach­te die Kritik an zwei Punkten fest. „Ein wesent­li­cher Grund für die Reform war die Abschaffung der GEZ-Schnüffelei und eine Verringerung der Kosten. Die frei­wer­den­den Mittel soll­ten dem Rundfunk zukom­men. Dieses Ziel wird gründ­lich ver­fehlt. Die GEZ selbst geht davon aus, dass sie lang­fris­tig 80 Prozent des bis­he­ri­gen Personalbestandes erhält. Kein Wunder, wird sie doch neben der bestehen­de Meldestruktur qua­si zu einer zwei­ten Meldebehörde, die fast iden­ti­sche Daten erhebt.“

Auch wenn die Diskussion um den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag end­lich dazu füh­ren soll­te, dass der Staatsvertrag in sei­ne raus­ge­han­del­ten Form beschlos­sen wird, so bleibt – wie so häu­fig in der letz­ten Zeit bei Staatsverträgen – ein unbe­frie­di­gen­des Gefühl zurück. Das Instrument des Staatsvertrages hat grund­sätz­li­che Defizite bei der demo­kra­ti­schen Legitimation in den Parlamenten. Solange sich hier nichts ändert, wird die Unzufriedenheit über und „Ferne“ zu den Verhandlungsergebnissen blei­ben. Das kann so nicht blei­ben. Auch und beson­ders wegen der Unverzichtbarkeit des öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks für unse­re Demokratie. Tom Schimmek for­mu­lier­te das in sei­ner Rede Wem gehö­ren die Medien so:

 „Meiner Ansicht nach ist der öffent­lich-recht­li­che Rundfunk eines der schöns­ten Geschenke, die uns die alli­ier­ten Siegermächte, vor­ne­weg die Briten, nach 1945 gemacht haben. Aus der ver­hee­rends­ten Propagandawaffe der Nazis wur­de ein zumin­dest poten­ti­ell demo­kra­ti­sches Medium, das oben­drein, zumin­dest poten­ti­ell, im Besitz aller ist.“    

 

Die GEZ ver­schickt der­weil mun­ter Briefe an Bürger, die die der­zei­ti­ge GEZ-Gebühr im Lastschriftverfahren zah­len.

Da die­ses Verfahren in Zukunft durch das euro­päi­sche SEPA-Lastschriftverfahren (das hof­fent­lich neben­bei dem Volkssport Lastschriftbetrug den Garaus macht) abge­löst wer­den soll, sol­len ihre Kunden bit­te (auch) in das SEPA-Lastschriftmandat ein­wil­li­gen. 

Ich habe gefühl­te Zweifel, dass das so ein­fach gehen wird. Zum einen gibt es die GEZ in ihrer jet­zi­gen Form dem­nächst nicht mehr. Zum ande­ren hat die bis­he­ri­ge Haushaltsabgabe einen völ­lig ande­ren Charakter als die Gerätegebühr. Ob eine jet­zi­ge Mandatsumstellung recht­lich hin­rei­chend sicher mög­lich ist?

Mir ist das egal. Ich wer­de der GEZ kein Mandat ertei­len, in der ich ihr das Recht ein­räu­me, irgend­wel­che „Zahlungen“ von mei­nem Konto ein­zu­zie­hen. Dieser Datenkrake ver­traue ich zukünf­tig kei­ne 2 Nanometer weit.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

10 Gedanken zu “Rundfunkgebühr: Haushaltsabgabe löst Gerätegebühr ab - die GEZ bleibt”:

  1. Karlheinz Müller

    Zur Abrundung der tref­fen­den Bemerkungen zur Sorglosigkeit im Umgang mit daten­schutz­recht­li­chen Bedenken darf an den Big Brother Award an die GEZ erin­nert wer­den — zumal die Laudatio aus SH stammt:

    http://www.bigbrotherawards.de/2003/.life

    K.M.

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    1. Swen Wacker

      Schön, Dich hier zu lesen :-)

      Das Schlimme ist, dass es mit dem neu­en Vertrag noch schlim­mer wer­den wird — und dass es nicht sein müss­te: Man kann eine Finanzierung des ÖRR hin­be­kom­men, ohne dass man drei Viertel der Republik in eine Datenbank packt.

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  2. Nico Schmidt

    Seit wann ist der ÖRR unver­zicht­bar für unse­re Demokratie? Was hat eine Zwangsabgabe für eine Berechtigung für die­sen Müll, den sich die ÖRR täg­lich zu ver­brei­ten erlau­ben? Aus mei­ner Sicht sind die ÖRR mehr als flüs­sig, näm­lich über­flüs­sig. Der neue Staatsvertrag ist unde­mo­kra­tisch und ver­fas­sungs­wid­rig. Wachen Sie auf da im Landtag und stim­men Sie NICHT für den neu­en Staatsvertrag !!!

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  3. yammi

    Wann wer­den die Bürger end­lich befragt ob sie die­sem Rundfunk Staatsvertrag ?????? (was dies auch immer heist )zustim­men.
    Ich bin mit Sicherheit DAGEGEN,dass ich für die­sen auf­ge­zwun­ge­nen Mist des ÖRR
    zur Kasse gebe­ten wer­de obwohl ich mir die­se Mist nicht anschaue oder anhö­re.

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    1. Swen Wacker

      Man muss nicht bis nach Italien oder Rußland fah­ren um sich zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, wie wich­tig es ist, einen Teil der Medienlandschaft nicht in pri­va­ten Händen zu wis­sen — son­dern in Unabhängigkeit von reli­giö­sen, poli­ti­schen oder kom­mer­zi­el­len Interessen. Dazu muss die­ser öffent­lich-recht­li­che Rundfunk auch finan­zi­ell unab­hän­gig sein, darf nicht am Tropf des Staates hän­gen. Andererseits muss er die Grundversorgung mit Nachrichten gewähr­leis­ten, hohen jour­na­lis­ti­schen Standards genü­gen und „für alle” etwas bie­ten. Aus letz­te­rem ergibt sich für mich auch die not­wen­dig­keit, dass nicht nur Arte und Phönix ange­bo­en wer­den, son­dern auch Thomas Gottschalk und König Fußball zum Programmangebot gehö­ren. Er ist für eine Demokratie des­halb in mei­nen Augen unver­zicht­bar.

      Es hilft auch nicht wei­ter, das Programm undif­fe­ren­ziert als „Müll” zu bezeich­nen. Mir gefällt man­chen auch nicht, wenn ich ARD sehe oder NDR I höre (Einschränkung: ich habe kei­nen Fernseher, schaue TV nur über die Mediathek von ARD, ZDF oder NDR bzw. Für Filme gehe ich ins Kino oder wer­fe eine DVD in den Rechner.

      Ich wüss­te nicht, wie anders als durch eine „Abgabe” sol­che ein Angebot finan­ziert wer­den kann — wobei ich per­sön­lich die ver­fas­sungs­recht­li­chen Bedenken gegen eine Finanzierung aus Steuern für über­trie­ben hal­te.

      Zustimmen kann ich bei der Frage, dass der Staatsvertrag unde­mo­kra­tisch. Staatsverträge hal­te ich per se für schwie­rig, die­sen hier zudem für falsch und angreif­bar. Ich bin mir sicher, dass der vor Gericht lan­den wird.

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      1. René Ketterer

        Der Vergleich mit Italien hinkt: Wir sind Deutschland. Abgesehen davon geht es nicht um eine „ent­we­der, oder”, son­dern um ein ver­nünf­ti­ges und gerech­tes Modell. 8 Milliarden sind ein­fach zu viel. Auch braucht kein Mensch eine öffent­lich-recht­li­che Landschaft bestehen aus 23 TV- und 77 Radiosendern inkl. Tausende von Internetauftritten. So eine media­le Übermacht ist genau so gefähr­lich wie Berlusconi-TV!

        Ansonsten emp­feh­le ich mei­nen Beitrag von 7. Dezember 2011 um 09:22 Uhr

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      2. Nico Schmidt

        Das ist ganz ein­fach zu finan­zi­ern: 1/​3 aus Steuergeldern für Nachrichten etc, 1/​3 aus Werbung für Mutantenstadl und Seifenofern, 1/​3 aus Dekoder für Spielfilme. Und das aller größ­te Problem an den ÖRR ist zum Einen der gro­ße Wasserkopf und zum Anderen die unnö­tig vie­len Spartenprogramme. Das alles braucht kein Mensch. Kein Wunder also, dass die ÖRR so viel Geld jedes Jahr ver­bren­nen.

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  4. René Ketterer

    Ich stel­le mir eine Frage, die sich auch vie­le in unse­rer Republik stel­len:

    Warum leis­ten wir uns einen ÖRR bestehend aus 23 Fernseh- und 77 Radiosendern mit zusätz­lich Hunderten von Internetauftritten?

    Der ÖRR wird durch 7,6 Mrd. p. a. aus Gebühren finan­ziert. Ab 2013 stei­gen die Einnahmen auf über 8 Mrd. Viel Geld für etwas, dass nicht zu den Grundbedürfnissen der Bevölkerung gehört. Wie erklärt man das? Sicher nicht indem man immer wie­der das glei­che wie­der­holt – der ÖRR wäre unver­zicht­bar für unse­re Demokratie – und dabei ver­sucht, den ÖRR auf die glei­che Höhe wie z. B. sozia­le Sicherheit, Schutz und Förderung von Familien und Kindern, Bildung, Ausbildung, Gesundheits- und Altersvorsorge zu set­zen.

    Während für wich­ti­ge Staatsaufgaben die finan­zi­el­len Mittel feh­len, wer­den Bevölkerung und Wirtschaft ver­pflich­tet, durch Zwangsbeiträge einen nicht mehr in die­ser Form und Größe benö­tig­ten ÖRR zu finan­zi­el­len. Wie erklärt man das?

    Wie lan­ge braucht die Politik, bis sie begreift, dass im 21. Jahrhundert kei­nen Bedarf mehr an einer Grundversorgung durch den ÖRR besteht? Das soge­nann­te Niedersachsenurteil, das die Grundversorgung defi­nie­ren soll, stammt aus 1986 – einer Zeit, als der pri­va­te Rundfunk gera­de das Licht der Welt erblick­te und lan­ge bevor das Internet erfun­den war. Seitdem ist aber viel pas­siert und der ÖRR wird heu­te de Facto – zumin­dest in der jet­zi­gen Form und Größe – nicht mehr gebraucht.

    Gibt es kei­ne kri­ti­schen Leute mehr, deren Gehirne nicht durch die Mediendiktatur der ÖRR bereits gewa­schen sind? Uns wird immer wie­der vor Augen geführt, der ÖRR wäre der Garant unser Demokratie und gleich­zei­tig erfül­le er einen Bildungsauftrag. Das wur­de so oft wie­der­holt, dass vie­le es kri­tik­los hin­neh­men und sogar glau­ben. Ist das nicht eine Diktatur? Eine Mediendiktatur? Wird die Demokratie von Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Anne Will oder Monika Lierhaus geret­tet? Von Lindesnstraße, Marienhof, Tatort, Sturm der Liebe, Brisant, Musikantenstadl, Carmen Nebel usw.? Erfüllt das zumin­dest den Bildungsauftrag (wel­chen?)?

    Es wäre schön, wenn eini­ge Leute begin­nen wür­den, sol­che Themen kri­tisch zu betrach­ten, anstel­le nur nach­zu­la­bern, was die Medien ihnen ein­ge­trich­tert haben.

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    1. Swen Wacker

      Ich sehe in Ihren Ausführen vie­le Thesen — aber wenig Argumente, war­um es kei­nes ÖRR mehr bedür­fe. Haben Sie das mal irgend­wo aus­führ­li­cher dar­ge­legt? Über einen Link auf einen Aufsatz von Ihnen freue ich mich.

      Und geht es ein weni­ger ver­let­zend? Mit Aussagen wie „nach­zu­la­bern, was die Medien ihnen ein­ge­trich­tert haben” und offen­sich­lich fal­schen Schlagworten wie Mediendiktatur (in einem dua­len System kann es kei­ne Dikatatur des ÖRR geben, das kann man auch pri­ma nach­voll­zie­hen, wenn man die vehe­men­te Kritik der Verlage an den Internetauftritten und Apps des ÖRR nach­liest) ver­las­sen sie die hier erwünsch­te sach­li­che Diskussionsebene und erwe­cken den Eindruck, dass sie an inhal­te­ori­en­tier­ten Diskussion nicht inter­es­siert sind.

      Es ist ja nicht so, dass sich das BVerfG nicht mit der Rolle eines mode­ren ÖRR nicht aus­ein­an­der­ge­setzt hät­te. Schon sehr früh, im 6. Rundfunk-Urteil, hat es sowohl eine Bestandsgarantie als auch eine Entwicklungsverpflichtung für den ÖRR defi­niert (spä­ter kam noch die Finanzierungsgarantie hin­zu). Die ist natür­lich nicht ein­fach zu defi­nie­ren — auch in ihrer Fortentwicklung-, kann aber auch nicht durch einen ein­fa­cher Wischer von Tisch gefegt wer­den. Man kann dage­gen sein, dann muss man sich aber auch mit den Argumenten des BVerG aus­ein­an­der­set­zen und sie wie­der­le­gen; solan­ge das nicht gelingt, ist der ÖRR ein gewoll­ter Teil unse­rer Verfassungswirklichkeit.

      Die Rolle der ÖRR im Internet ist auch immer wie­der Gegenstand der Weiterentwicklung des Rundfunkstaatsvertrages gewe­sen. Das Stichwort Depublizierung mag als Hinweis rei­chen. Auch aktu­ell sind bei der Frage der Weiterentwicklung der (Höhe der) Gebührenfinanzierung auch sol­che Fragen Gegenstand der Diskussion.

      Natürlich kann man über das Niveau man­cher ARD-Shows geteil­ter Meinung sein. Allerdings sieht unse­re Verfassung (genau­er: deren im Kern weit­ge­hend unstrit­ti­gen Auslegung durch Literatur und Verfassungsgericht)auch „Unterhaltung” als Teil der Grundversorgung.

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      1. René Ketterer

        > Ich sehe in Ihren Ausführen vie­le Thesen – aber
        > wenig Argumente, war­um es kei­nes ÖRR mehr
        > bedür­fe. Haben Sie das mal irgend­wo aus­führ-
        > licher dar­ge­legt? Über einen Link auf einen
        > Aufsatz von Ihnen freue ich mich.

        Gerade in die­sem Bereich ist es schwie­rig emo­ti­ons­los zu argu­men­tie­ren. Nur zu schnell fin­det eine Polarisierung zwi­schen den Diskussionspartnern statt, ohne dass dies auch not­wen­dig wäre. Ich beschäf­ti­ge mich seit eini­gen Jahren mit die­sem Thema und füh­re eini­ge Plattformen, die sich mit dem öffent­lich-recht­li­chen Rundfunk (des wei­te­ren ÖRR) befas­sen. Dabei muss ich stän­dig fest­stel­len, dass bei Diskussionen vie­le sehr schnell die Mitte ver­las­sen und unver­rück­ba­re Positionen ein­neh­men. Das Thema wird dann qua­si zu einem Glaubenskrieg, bei dem es nur Gute und Böse gibt.

        Bereits das stellt für mich ein ers­tes Argument dar: Es muss etwas schief lau­fen bzw. nicht in Ordnung sein, wenn das Thema die Gesellschaft der­art pola­ri­siert. Quantifizieren kann ich das nicht, auf­grund mei­ner lang­jäh­ri­gen Erfahrung bin ich jedoch sicher, dass ein Großteil der Bevölkerung und ins­be­son­de­re das jün­ge­re Teil den ÖRR ableh­nen. Genau könn­te man das in Erfahrung brin­gen, wenn man die Bevölkerung befra­gen wür­de. Allerdings ver­fü­ge ich nicht über die finan­zi­el­len Mittel, um ein Institut mit einer reprä­sen­ta­ti­ven Umfrage zu beauf­tra­gen und ich sehe auch sei­tens der Politik kei­ne Anstrengungen, die Wähler zu die­sem Thema zu befra­gen.

        Ein wei­te­res Argument ist die statt­fin­den­de Informationsrevolution. Nie war der Zugang zu Information so leicht und umfas­send mög­lich – wir sind fast immer online und Information erreicht uns aus den unter­schied­lichs­ten Quellen in atem­be­rau­ben­der Geschwindigkeit. Darüber hin­aus ver­fü­gen wir in Deutschland über eine der bes­ten Druckmedienlandschaften der Welt, ohne dass es dafür öffent­lich-recht­li­cher Verlage bedurft. Und schließ­lich gesellt sich der pri­va­te Rundfunk dazu. Unter die­sen Gesichtspunkten sei di Frage erlaubt, war­um wir einen so gro­ßen ÖRR brau­chen? Immerhin besteht die­ser aus 23 Fernseh- und 77 Radioprogrammen plus weit­aus mehr als tau­send Internetauftritte.

        Wenn Sie den letz­ten Absatz auf­merk­sam gele­sen haben, wer­den Sie gemerkt haben, dass ich den ÖRR nicht gene­rell ableh­ne, son­dern des­sen Umfang in Frage stel­le. Dieser Umfang will finan­ziert wer­den und dafür wer­den der Wirtschaft 8 Milliarden EUR jähr­lich durch Zwangsgebühren (ab 2013 Zwangsbeiträgen) ent­zo­gen. Wie viel ÖRR brau­chen wir wirk­lich?

        > Und geht es ein weni­ger ver­let­zend?

        Sicher. Wenn ich Sie ver­letzt habe, dann ent­schul­di­ge ich mich dafür. Etwas gereizt bin ich schon, denn ich habe mich in den letz­ten Tagen anläss­lich der Abstimmung zur Haushaltspauschale im NRW-Landtag mit vie­len Leuten über die­ses Thema unter­hal­ten. Dabei kommt man sich oft so vor, als wür­de man als fun­da­men­ta­lis­ti­scher Christ das Freitagsgebet in einer Moschee im fer­nen Arabien mit lau­tem reli­giö­sem Getöse stö­ren.

        Weiterhin ste­he ich zu mei­ner Aussage, die öffent­lich-recht­li­chen Medien hät­ten eine zu hohe Macht, die sie befä­higt, Meinungen zu bil­den und sie in eine vor­be­stimm­te Richtung zu len­ken. Es ist auch nicht wirk­lich schwer, Beispiele zu fin­den, die das bele­gen. Und bevor Sie glau­ben, ich wür­de jetzt Verschwörungstheorien ver­brei­ten wol­len, möch­te ich gleich klar­stel­len, dass dies nicht Usus ist, aller­dings vie­le der mir bekann­ten Beispiele las­sen der ÖRR in eige­ner Sache bes­ser ste­hen, als in der Realität. Und genau hier beginnt es gefähr­lich zu wer­den, wenn Kritik nicht mehr zuge­las­sen wird. Mir wird von den Medien dik­tiert, was ich zu glau­ben habe und soll glau­ben, dass die­se gut sind. Und genau die­ses Muster fin­det man in allen Diktaturen.

        Auch bedenk­lich, und das ist ein wei­te­res Argument, erscheint mir die Verzahnung von Politik und Wirtschaft mit dem ÖRR. Allgemein bekannt sind z. B. die Postenvergabe im ÖRR und der Einfluss der Politik und Wirtschaft auf deren Besetzung. Hierzu gibt es genü­gend Beispiele – nur zwei Stichworte: Ministerpräsident Beck, Finanzminister Schäuble –. Ab einer bestimm­ten Größe, die bereits längst über­schrit­ten wur­de, kann man beim ÖRR nicht mehr von Unabhängigkeit reden. Versuchen Sie einen wirk­lich kri­ti­schen Kommentar in einem der Blogs der ARD zu plat­zie­ren – ent­we­der erscheint er nicht oder er wird spä­ter ent­fernt –. So viel zur Mediendiktatur.

        > Es ist ja nicht so, dass sich das BVerfG
        > nicht mit der Rolle eines mode­ren ÖRR
        > nicht aus­ein­an­der­ge­setzt hät­te…

        Oft wün­sche ich mir von der Politik etwas mehr Menschenverstand. Der ÖRR war in sei­nen Anfängen gut und auch not­wen­dig. Er wur­de aber immer grö­ßer und umfang­rei­cher, bis er die heu­ti­ge gewal­ti­ge Größe erreich­te. Dieser Apparat – mitt­ler­wei­le ein Staat im Staate – muss mit Unmengen an Geld finan­ziert wer­den, Geld wel­ches andern­orts ein­fach fehlt. Und hier soll­te der gesun­de Menschenverstand anset­zen: Was bie­tet der ÖRR, dass die finan­zi­el­len Mittel recht­fer­tigt? Ist der ÖRR in sei­ner jet­zi­gen Form und Größe wirk­lich unver­zicht­bar, dass man dafür den wirk­lich not­wen­di­gen Ausbau ande­rer gesell­schaft­li­chen Bereich wie z. B. sozia­le Sicherheit, Schutz und Förderung von Familien und Kindern, Bildung, Ausbildung, Gesundheits- und Altersvorsorge usw. in Kauf nimmt? Ich möch­te eine plau­si­ble Erklärung dafür, aber nie­mand konn­te mir bis­her sie lie­fern.

        Ist es kei­ne Alternative, den ÖRR auf Information und Bildung zu redu­zie­ren und die frei wer­den­den Mittel in die von mir auf­ge­führ­ten Bereiche zu inves­tie­ren? Was ist falsch dar­an, ein Kind in einer wür­di­gen Schule zu för­dern, anstel­le von Soaps, teu­ren Sportübertragungen und kos­ten­in­ten­si­ven Shows zu über­tra­gen?

        Keiner konn­te mir die rich­ti­gen Antworten geben, nur Ausflüchte. Es war immer so, das Bundesverfassungsgericht, der/​die Politiker, die Demokratie usw. – aber kein Beleg.

        Und Kinder müs­sen wei­ter­hin in maro­den Schulen ohne Heizung und mit kaput­ten Fenstern ler­nen, wäh­rend ihre Familien Monat für Monat bis zum Lebensende 17,98 EUR abdrü­cken, damit ande­re ihre Lieblingssendung im ÖRR in der war­men Bude genie­ßen dür­fen und Thomas Gottschalk sei­nen Lebensabend im sei­nem Schloss genie­ßen kann.

        Wenn mir jemand das ehr­lich und plau­si­bel beant­wor­ten kann, wer­de ich den ÖRR nicht mehr ableh­nen.

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