Lieber Landtag,
Du bist neu gewählt worden, sortierst Dich gerade und wirst nächsten Monat so richtig Deine Arbeit aufnehmen. Ich wünsche Dir dort, wo man sich trotz aller Umsicht tastend im Dunkeln bewegt, ein feines Gespür. Ich wünsche Dir eine glückliche Hand, die Du uns und unseren Nachbarn ausstreckst. Ich wünsche Dir einen guten Riecher für die Dinge, die noch weit vor uns liegen und die Du trotzdem aufspüren sollst. Und ein feines Gehör, wenn wir – mal gemeinsam laut, mal vereinzelt leise – von Sorgen und Nöten erzählen, wünsche ich Dir auch. Und – wenn es Not tut – eine laute Stimme. Die wachsamen Augen natürlich auch — Augen, die sich auch mal selbst betrachten.
Bei manchen Abläufen wirst Du sagen: Das mache ich so, wie wir das bisher gemacht haben. Bei anderen wirst Du Dich fragen, ob Du das nicht ändern kannst. Ich hab da was, wo Du Dich ändern solltest. Nein: wo Du Dich ändern musst.
Gestern war nämlich wieder so ein Tag, da dachte ich, es hackt und Du willst Dich und mich und alle anderen hier im Land für dumm verkaufen.
Das ZDF hat am 26. April den Bericht des ZDF an die Landesparlamente nach § 5 a des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags versandt. Als Gebührenzahler – ehrlich: ich zahle für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk leidenschaftlich gern Gebühren – interessiert mich so etwas. Interessiert Dich das auch? Nein, ich glaube nicht. Schau Dir mir den Umdruck 17/3997 an.
Was fällt uns auf:
Der Brief ist eingescannt, also abfotografiert, worden. Ein PDF-Dokument ist nicht barrierefrei, wenn der Text innen drin kein Text ist sondern ein Foto. Solche PDF-Dokumente entsprechen nicht nur nicht der Gesetzeslage: Die Träger der öffentlichen Verwaltung gestalten ihre Internetseiten sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Oberflächen technisch so, dass Menschen mit Behinderung sie nutzen können. Sie können auch von Suchmaschine nicht „gelesen“ werden, werden folglich auch nicht indexiert. Für uns Bürger, besonders, wenn wir (seh)behindert sind, ist das ein großer Mist. Das ist kein Einzelfall: Ich habe das hier und hier schon mal kritisiert und könnte daraus locker eine wöchentliche Kolumne machen.
Der Brief hat eine Anlage. Der Absender weiß, dass Papier heutzutage suboptimal ist und schreibt: „Zur Geschäftserleichterung erhalten Sie den Bericht zusätzlich als pdf-Datei per E-Mail.“
„Ah, super“ denke ich und fange an mit der Maus durch das Dokument zu rollen und … schlage mir mit der Hand auf die flache Stirn (facepalmieren wäre wohl der richtige Slangausdruck). Denn was machst Du? Na? Liegt doch auf der Hand! Nicht einfacher als das! Du schreibst auf den Umdruck:
Hinweis: Der „Bericht über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des ZDF“ vom April 2012 wurde an die Mitglieder des Innen- und Rechtsausschusses verteilt und kann im Ausschussbüro – Zi. 138 – eingesehen werden.
Oh, man! Das kann doch nicht Dein Ernst sein! Sollen jetzt die Abgeordneten, die nicht im Innen- und Rechtsausschuss sind, die Abgeordneten, die demnächst im Innen- und Rechtsausschuss sein werden und alle Bürger, die sich dafür interessieren, zu den üblichen Bürozeiten in den Raum 138 des Landehauses pilgern und den Bericht „einsehen“. Einsehen? EINSEHEN? Das geht einfacher. So zum Beispiel.
Lieber Landtag,
tu mir bitte einen Gefallen. Verschone uns zukünftig von solchen Dingen. Sicher, es wird immer mal passieren, dass Dir Dritte Papier zuschicken, Dir trotz Deiner Bitte keine elektronische Fassung überlassen und das Einlesen mit einer Texterkennungssoftware zu aufwändig erscheint. Das wird aber die Ausnahme sein. In der Praxis kommt solche eingescannten PDF viel zu häufig vor. Komme bitte nie wieder auf die Idee, als PDF vorliegende Dokumente „zur Einsicht“ in Büros auszulegen. Und: Lass es Dir nicht wieder gefallen, wenn Dir von der Regierung ausgerechnet die Stellungnahme auf Deine Frage, warum die Mittel für den Fonds zur Herstellung der Barrierefreiheit für blinde und sehbehinderte Menschen ab 2011 gestrichen werden, als eingescanntes PDF-Dokument zur Verfügung gestellt wird.
Vielleicht sollte mensch der Landtagsverwaltung mal einen Tipp gibt, dass es Services gibt, die u.a. pdf mit images -> office dokument für wenig Geld umwandeln, wenn es denn im Landtag niemand mit einer OCR-Software umgehen kann, die es prinzipiell schon seit 20 Jahren gibt. (Ja ja, der gute alte Handscanner…). Nicht vernünftig skalierende pdfs sind nämlich auf mobilen Geräten eine Zumutung, selbst wenn mensch das Glück hat, über funktionierende Augen zu verfügen. Von Gesetzesvorlagen als Hypertexten wage ich nur zu träumen…
Also wir rufen dann immer den Eheausschuss an ;-)
Wer könnte den Tipp nachhaltiger geben als die Abgeordneten :-)
Vielen Dank für diesen Artikel.
Der zweite Link im Artikel ist- und verbindet mit dem einschlägigen Gesetzestext. Es scheint, als ob sich der Landtag mit seinem vor kürzerer Zeit erneuerten Internetauftritt nicht an dieses Landesgesetz gebunden fühlt. Es ist vielleicht eine Betrachtung wert, warum dieses Gesetz auch fast zehn Jahre nach seinem Inkrafttreten selbst von seinem -Geber, also dem Gesetzgeber, also dem Landtag selbst nicht befolgt wird und was das über die Wertschätzung des Parlaments über selbst verabschiedete Regelungen aussagt …