Handyverbot an Schulen

Von | 30. Juli 2012
Handyverbot

Torsten Lohse / pixelio.de

Handyverbot

Torsten Lohse /​ pixelio.de

Der ange­mes­se­ne Umgang mit neu­en Medien durch die Jugend war schon in frü­he­ren Epochen ein Diskussionsthema in der Gesellschaft. So wur­den im 18. Jahrhundert Spekulationen dar­über ange­stellt, ob das vie­le Bücherlesen — vor allem Unterhaltungsromane — nicht schäd­lich für die Jugendlichen sein kön­ne und sie von wich­ti­ge­ren Dingen ablen­ke. Im 20. Jahrhundert ent­brann­te die­se Debatte neu, nur dass das Diskussionsobjekt nun die soge­nann­te Schmutz- und Schundliteratur war, bes­ser bekannt als Comics.

Heute dis­ku­tie­ren vie­le, die nur das Beste für die Jugend wol­len dar­über, ob der Gebrauch von Handys und die damit ver­bun­de­nen Interaktionen mög­li­cher­wei­se schlecht für die besag­te Gruppe sein kön­ne und unter­stüt­zen bzw. ver­hän­gen ent­spre­chen­de Verbote, bei­spiels­wei­se in der Schule.

An vie­len schles­wig-hol­stei­ni­schen Schulen gibt es hei­ße Diskussionen zwi­schen Schülervertretungen, Schulleitungen und Elternvertretungen dar­über, ob das rigo­ro­se Handyverbot nicht gelo­ckert wer­den kön­ne. In den meis­ten Schulordnungen fin­den sich Absätze, wie der fol­gen­de:

„Auf dem Schulgelände sind MP3-Player und ande­re nicht unter­richts­re­le­van­te elek­tro­ni­sche Geräte ver­bo­ten. Handys sind wäh­rend der gesam­ten Schulzeit nicht sicht­bar und nicht hör­bar. Die Benutzung eines Handys wäh­rend der Schulzeit ist nur mit aus­drück­li­cher Genehmigung einer Lehrkraft gestat­tet.”

Im Sinne einer kon­se­quen­ten Umsetzung der Schulordnung bedeu­tet das für die Lehrkräfte, jedes Handy oder elek­tri­sches Gerät ein­zu­sam­meln, dass doch sicht- oder hör­bar ist. Das führt an einem durch­schnitt­li­chen Schultag zu mehr oder weni­ger vie­len Diskussionen mit Schülern, die nur eben che­cken woll­ten, ob sie eine Nachricht bekom­men haben, einer Freundin ein Foto zei­gen woll­ten oder ein Lied von einem Handy zum ande­ren schie­ben woll­ten.

An die­ser Stelle soll nicht die Diskussion über das Raubkopieren von Dateien im Vordergrund ste­hen, son­dern das Bedürfnis der Jugendlichen, ein für sie all­täg­li­ches Gerät auch nut­zen zu kön­nen. Ebenso wenig steht hier der Fakt im Mittelpunkt, dass Handys zum Schummeln in Klausuren benutzt wer­den könn­ten, denn dafür kann es Regelungen geben und wer es dar­auf anlegt, nutzt sie auch heu­te schon dafür. Ist das Handy dann ein­mal ein­ge­sam­melt wor­den, beginnt die Diskussion, wann der betref­fen­de Schüler es zurück bekommt. Da gehen die Ansichten der Schulen aus­ein­an­der, denn manch­mal gibt es das Gerät schon am Ende des Schultages zurück, manch­mal müs­sen es die Eltern abho­len und manch­mal liegt es drei Tage im Fach der Lehrkraft und raubt allen ande­ren im Lehrerzimmer den letz­ten Nerv, weil es dau­ernd klin­gelt, die Weckfunktion ein­setzt oder ander­wei­ti­ge Töne von sich gibt. Im Internet gibt es auf diver­sen Rechtsberatungsseiten und in ent­spre­chen­den Foren geset­zes­be­zo­ge­ne Analysen und Diskussionen dar­über, unter wel­chen Umständen die Lehrkraft das Handy ein­kas­sie­ren und wie lan­ge es ein­be­hal­ten wer­den darf.

Die Fronten schei­nen eini­ger­ma­ßen ver­här­tet zu sein, was vor allem an der sehr unter­schied­li­chen Wahrnehmung des­sen liegt, was man so mit die­sen Geräten anstellt, wenn man mal ein paar Minuten Pause hat. Wer ein Smartphone besitzt und aktiv im Internet unter­wegs ist, weiß ziem­lich genau, dass Kontakte zu Anderen, auf dem Laufenden blei­ben in Sachen Informationen, die für einen selbst inter­es­sant sind und Ablenkung durch Bilder, Videos, Musik oder Spiele eine net­te Pausenbeschäftigung sein kön­nen. Diejenigen, die damit bis­her wenig Berührungspunkte hat­ten, fah­ren meist Argumente auf, die unter­stel­len, dass der Jugendliche an sich, ohne­hin nur Happy Slapping Videos macht, die­se dann wild im Internet ver­teilt und einen Großteil sei­ner Onlinezeit damit ver­bringt ande­re zu cyber­mob­ben. Tut er das gera­de nicht, tauscht er mit sei­nen Freunden Gewalt- oder Pornovideos und sieht sie sich an. Beobachtet man das all­täg­li­che Onlineverhalten von Jugendlichen ganz sub­jek­tiv, kann ein sol­ches Nutzungsverhalten nicht nach­voll­zo­gen wer­den. Vorfälle, die die Kritiker ins Feld füh­ren kom­men vor, sind manch­mal auch gra­vie­rend, aber es kann nicht davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass der Großteil der Jugendlichen in die­ser Weise mit sei­nem Smartphone inter­agiert.

Ein wei­te­res Argument ist ein Rückgang der Kommunikation in den Pausen, der nach Ansicht der Kritiker ein­tre­ten wür­de, wenn man die Nutzung von Handys in den Pausen erlau­ben wür­de. An die­ser Stelle könn­te man aus­gie­big über den Wert der Kommunikation unter Schülern in den Pausen phi­lo­so­phie­ren, doch das wür­de vom Thema weg­füh­ren. Sicherlich wür­de sich die Kommunikation ver­än­dern, aber nicht unbe­dingt zum Schlechteren. Durch sozia­le Netzwerke ent­de­cken Jugendliche unter­ein­an­der ganz neue Gemeinsamkeiten, auch wenn sie inner­halb eines Klassengefüges nicht befreun­det sind, bei­spiels­wei­se über Musik, die sie mögen, Sportarten, die sie trai­nie­ren, Filme und Serien, die sie schau­en und Spiele, die sie spie­len. Das kann Anreize für ganz neue Kommunikationswege geben.

In den Diskussionen mit den Schulleitungen und Elternvertretungen fehlt den Schülern, die sich für eine Aufhebung oder Lockerung der Medienverbote an Schulen enga­gie­ren oft die pas­sen­den Argumente, weil es ihnen wie­der­um schwer fällt, sich in die Denkweise der Älteren hin­ein zu ver­set­zen. Eine Reihe rich­tig guter Argumente hat Michel Schröder, Schülervertreter der Theodor-Strom-Schule (TSS) in Husum auf sei­nem pri­va­ten Blog zusam­men­ge­fasst. An die­ser Schule haben die Schüler nach offen­sicht­lich wenig ertrag­rei­chen Diskussionen in den ent­schei­dungs­fä­hi­gen Gremien ande­re Wege gewählt, um auf ihre Wünsche auf­merk­sam zu machen. Auf einen Flashmob im Februar des Jahres folg­te im Juni ein Smartmob in der Schule, bei­de mit dem Ziel, die Lehrkräfte und die Schulleitung ein­dring­lich dar­an zu erin­nern, dass der Thema rele­vant ist und nicht ein­fach abge­bü­gelt wer­den kann. Diese Aktionen brach­ten den Schülern ein regio­na­les Medienecho ein und sie weck­ten damit auch das Interesse des CCC (Chaos Computer Club), der sich in einem offe­nen Brief an „die Eltern, die Lehrer und die Schulleitung der Theodor-Storm-Schule Husum, an die Ministerin für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig-Holsteins” wand­te, um eben­falls gegen ein Medienverbot in Schulen und für mehr Prävention im Umgang mit Medien zu plä­die­ren. Ein wei­te­rer Vorschlag des CCC war eine Podiumsdiskussion mit allen Beteiligten und ent­spre­chen­den Sachverständigen zum Thema. Da nun die Sommerferien dazwi­schen lagen, ist abzu­war­ten, wie es sich an der TSS Husum wei­ter ent­wi­ckelt. Sicher ist jedoch, dass sie nicht die ein­zi­ge Schule blei­ben wird, an der das Thema mehr oder weni­ger heiß dis­ku­tiert wird und es bleibt zu hof­fen, dass alle Akteure sich offen und zeit­ge­mäß mit dem Thema aus­ein­an­der set­zen und im Sinne der Mitbestimmung zu einem ver­nünf­ti­gen Ergebnis kom­men.

Von:

Melanie Richter lebt seit mehr als 20 Jahren in Kiel, ist parteilos, seit 2010 Mitglied im Verein für Neue Medien Kiel e.V. und arbeitet in einer Kieler Gemeinschaftsschule.

3 Gedanken zu “Handyverbot an Schulen”:

  1. Christian Rohweder

    Das Handys ein­kas­siert wer­den kann ich irgend­wo nach­voll­zie­hen, auch wenn ich der Ansicht bin, dass die Jugendlichen an die „neu­en” Medien her­an­ge­führt wer­den sol­len. Das die­se aber nicht am Ende des Schultages zurück gege­ben wer­den geht in mei­nen Augen gar nicht, damit wird eben die­se Heranführung unter­bun­den und die mobi­le Kommunikation ist eben heu­te ein Bestandteil des täg­li­chen Lebens. Da kann man schlecht argu­men­tie­ren „damals gab es das auch nicht”.

    Was ich aller­dings nicht nach­voll­zie­hen kann ist das Verbot von MP3-Playern. Hatten wir schliess­lich auch damals. Nannte sich Walkman. Das waren die Dinger mit Kassette :-)

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  2. Melanie Richter Post author

    Das Problem dabei ist ja, dass kaum jemand noch einen MP3-Player als Stand-alo­ne-Gerät hat, son­dern über das Handy alles geht — auch Musik hören. ;)Wobei das Argument, in den Pausen Musik hören zu dür­fen, eines der häu­figs­ten ist.

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  3. Sanníe

    Aber es sind doch gar nicht die Schüler, die an die „neu­en” Medien her­an­ge­führt wer­den müs­sen?! Es sind wie bei jeder neu­en Entwicklung die Generationen der Eltern und Lehrer. Die erwähn­ten Walkmänner waren damals selbst­ver­ständ­lich genau so geäch­tet wie heu­te die Folge-Geräte. Uns droh­te schreck­li­che Vereinzelung, wenn nicht gar Vereinsamung dadurch!

    Und das ist ja dann auch heu­te wie­der das Quatsch-Argument schlecht­hin, der „Rückgang der Kommunikation”. Wer jemals einem Haufen 14-jäh­ri­ger begeg­net ist, fragt sich, wie das vor dem „Rückgang” eigent­lich gewe­sen ist…

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