Torsten Lohse / pixelio.de
Der angemessene Umgang mit neuen Medien durch die Jugend war schon in früheren Epochen ein Diskussionsthema in der Gesellschaft. So wurden im 18. Jahrhundert Spekulationen darüber angestellt, ob das viele Bücherlesen — vor allem Unterhaltungsromane — nicht schädlich für die Jugendlichen sein könne und sie von wichtigeren Dingen ablenke. Im 20. Jahrhundert entbrannte diese Debatte neu, nur dass das Diskussionsobjekt nun die sogenannte Schmutz- und Schundliteratur war, besser bekannt als Comics.
Heute diskutieren viele, die nur das Beste für die Jugend wollen darüber, ob der Gebrauch von Handys und die damit verbundenen Interaktionen möglicherweise schlecht für die besagte Gruppe sein könne und unterstützen bzw. verhängen entsprechende Verbote, beispielsweise in der Schule.
An vielen schleswig-holsteinischen Schulen gibt es heiße Diskussionen zwischen Schülervertretungen, Schulleitungen und Elternvertretungen darüber, ob das rigorose Handyverbot nicht gelockert werden könne. In den meisten Schulordnungen finden sich Absätze, wie der folgende:
„Auf dem Schulgelände sind MP3-Player und andere nicht unterrichtsrelevante elektronische Geräte verboten. Handys sind während der gesamten Schulzeit nicht sichtbar und nicht hörbar. Die Benutzung eines Handys während der Schulzeit ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung einer Lehrkraft gestattet.”
Im Sinne einer konsequenten Umsetzung der Schulordnung bedeutet das für die Lehrkräfte, jedes Handy oder elektrisches Gerät einzusammeln, dass doch sicht- oder hörbar ist. Das führt an einem durchschnittlichen Schultag zu mehr oder weniger vielen Diskussionen mit Schülern, die nur eben checken wollten, ob sie eine Nachricht bekommen haben, einer Freundin ein Foto zeigen wollten oder ein Lied von einem Handy zum anderen schieben wollten.
An dieser Stelle soll nicht die Diskussion über das Raubkopieren von Dateien im Vordergrund stehen, sondern das Bedürfnis der Jugendlichen, ein für sie alltägliches Gerät auch nutzen zu können. Ebenso wenig steht hier der Fakt im Mittelpunkt, dass Handys zum Schummeln in Klausuren benutzt werden könnten, denn dafür kann es Regelungen geben und wer es darauf anlegt, nutzt sie auch heute schon dafür. Ist das Handy dann einmal eingesammelt worden, beginnt die Diskussion, wann der betreffende Schüler es zurück bekommt. Da gehen die Ansichten der Schulen auseinander, denn manchmal gibt es das Gerät schon am Ende des Schultages zurück, manchmal müssen es die Eltern abholen und manchmal liegt es drei Tage im Fach der Lehrkraft und raubt allen anderen im Lehrerzimmer den letzten Nerv, weil es dauernd klingelt, die Weckfunktion einsetzt oder anderweitige Töne von sich gibt. Im Internet gibt es auf diversen Rechtsberatungsseiten und in entsprechenden Foren gesetzesbezogene Analysen und Diskussionen darüber, unter welchen Umständen die Lehrkraft das Handy einkassieren und wie lange es einbehalten werden darf.
Die Fronten scheinen einigermaßen verhärtet zu sein, was vor allem an der sehr unterschiedlichen Wahrnehmung dessen liegt, was man so mit diesen Geräten anstellt, wenn man mal ein paar Minuten Pause hat. Wer ein Smartphone besitzt und aktiv im Internet unterwegs ist, weiß ziemlich genau, dass Kontakte zu Anderen, auf dem Laufenden bleiben in Sachen Informationen, die für einen selbst interessant sind und Ablenkung durch Bilder, Videos, Musik oder Spiele eine nette Pausenbeschäftigung sein können. Diejenigen, die damit bisher wenig Berührungspunkte hatten, fahren meist Argumente auf, die unterstellen, dass der Jugendliche an sich, ohnehin nur Happy Slapping Videos macht, diese dann wild im Internet verteilt und einen Großteil seiner Onlinezeit damit verbringt andere zu cybermobben. Tut er das gerade nicht, tauscht er mit seinen Freunden Gewalt- oder Pornovideos und sieht sie sich an. Beobachtet man das alltägliche Onlineverhalten von Jugendlichen ganz subjektiv, kann ein solches Nutzungsverhalten nicht nachvollzogen werden. Vorfälle, die die Kritiker ins Feld führen kommen vor, sind manchmal auch gravierend, aber es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Jugendlichen in dieser Weise mit seinem Smartphone interagiert.
Ein weiteres Argument ist ein Rückgang der Kommunikation in den Pausen, der nach Ansicht der Kritiker eintreten würde, wenn man die Nutzung von Handys in den Pausen erlauben würde. An dieser Stelle könnte man ausgiebig über den Wert der Kommunikation unter Schülern in den Pausen philosophieren, doch das würde vom Thema wegführen. Sicherlich würde sich die Kommunikation verändern, aber nicht unbedingt zum Schlechteren. Durch soziale Netzwerke entdecken Jugendliche untereinander ganz neue Gemeinsamkeiten, auch wenn sie innerhalb eines Klassengefüges nicht befreundet sind, beispielsweise über Musik, die sie mögen, Sportarten, die sie trainieren, Filme und Serien, die sie schauen und Spiele, die sie spielen. Das kann Anreize für ganz neue Kommunikationswege geben.
In den Diskussionen mit den Schulleitungen und Elternvertretungen fehlt den Schülern, die sich für eine Aufhebung oder Lockerung der Medienverbote an Schulen engagieren oft die passenden Argumente, weil es ihnen wiederum schwer fällt, sich in die Denkweise der Älteren hinein zu versetzen. Eine Reihe richtig guter Argumente hat Michel Schröder, Schülervertreter der Theodor-Strom-Schule (TSS) in Husum auf seinem privaten Blog zusammengefasst. An dieser Schule haben die Schüler nach offensichtlich wenig ertragreichen Diskussionen in den entscheidungsfähigen Gremien andere Wege gewählt, um auf ihre Wünsche aufmerksam zu machen. Auf einen Flashmob im Februar des Jahres folgte im Juni ein Smartmob in der Schule, beide mit dem Ziel, die Lehrkräfte und die Schulleitung eindringlich daran zu erinnern, dass der Thema relevant ist und nicht einfach abgebügelt werden kann. Diese Aktionen brachten den Schülern ein regionales Medienecho ein und sie weckten damit auch das Interesse des CCC (Chaos Computer Club), der sich in einem offenen Brief an „die Eltern, die Lehrer und die Schulleitung der Theodor-Storm-Schule Husum, an die Ministerin für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig-Holsteins” wandte, um ebenfalls gegen ein Medienverbot in Schulen und für mehr Prävention im Umgang mit Medien zu plädieren. Ein weiterer Vorschlag des CCC war eine Podiumsdiskussion mit allen Beteiligten und entsprechenden Sachverständigen zum Thema. Da nun die Sommerferien dazwischen lagen, ist abzuwarten, wie es sich an der TSS Husum weiter entwickelt. Sicher ist jedoch, dass sie nicht die einzige Schule bleiben wird, an der das Thema mehr oder weniger heiß diskutiert wird und es bleibt zu hoffen, dass alle Akteure sich offen und zeitgemäß mit dem Thema auseinander setzen und im Sinne der Mitbestimmung zu einem vernünftigen Ergebnis kommen.
Das Handys einkassiert werden kann ich irgendwo nachvollziehen, auch wenn ich der Ansicht bin, dass die Jugendlichen an die „neuen” Medien herangeführt werden sollen. Das diese aber nicht am Ende des Schultages zurück gegeben werden geht in meinen Augen gar nicht, damit wird eben diese Heranführung unterbunden und die mobile Kommunikation ist eben heute ein Bestandteil des täglichen Lebens. Da kann man schlecht argumentieren „damals gab es das auch nicht”.
Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann ist das Verbot von MP3-Playern. Hatten wir schliesslich auch damals. Nannte sich Walkman. Das waren die Dinger mit Kassette :-)
Das Problem dabei ist ja, dass kaum jemand noch einen MP3-Player als Stand-alone-Gerät hat, sondern über das Handy alles geht — auch Musik hören. ;)Wobei das Argument, in den Pausen Musik hören zu dürfen, eines der häufigsten ist.
Aber es sind doch gar nicht die Schüler, die an die „neuen” Medien herangeführt werden müssen?! Es sind wie bei jeder neuen Entwicklung die Generationen der Eltern und Lehrer. Die erwähnten Walkmänner waren damals selbstverständlich genau so geächtet wie heute die Folge-Geräte. Uns drohte schreckliche Vereinzelung, wenn nicht gar Vereinsamung dadurch!
Und das ist ja dann auch heute wieder das Quatsch-Argument schlechthin, der „Rückgang der Kommunikation”. Wer jemals einem Haufen 14-jähriger begegnet ist, fragt sich, wie das vor dem „Rückgang” eigentlich gewesen ist…