Der wöchentliche Streifzug durch unseren Kalender.
Am Montag wird so manches schleswig-holsteinisches CDU-Mitglieder in Karlsruhe sein. Dort absolviert ihr Partei seit Sonntag ihren Bundesparteitag. Als Nachfolger der nicht mehr kandierenden ehemaligen Kieler Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz will der ehemalige Landesvorsitzende und ehemalige Landtags-Fraktionsvorsitzende, der jetzt für die CDU im Bundestag sitzt, Johann Wadephul, den Sprung ins Präsidium schaffen. Der Fahrplan des Parteitages sieht die Wahlen für den heutigen Montag vor.
Der Untersuchungsausschuss HSH begrüßt in seiner Sitzung einen Gast, der den meisten Abgeordneten bekannt ist: Jochen Sanio, Präsident der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Der Jurist, der sich zeit seines Berufsleben mit dem Kreditwesen beschäftigte, war schon einmal, am 19. März 2009, Gast des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Damals, noch vor der letzten Landtagwahl, stand der Beschluss der Parlamente in Schleswig-Holstein und Hamburg, die auf voller Breitseite leck geschlagene ehemalige Landesbank mit Milliardenzuschüssen vor dem Untergang zu retten, unmittelbar bevor. Finanzausschuss, Innen- und Rechtsausschuss und Wirtschaftsausschuss trafen sich in gemeinsamer Sitzung, um sich Rat von Experten einzuholen. War die HSH Nordbank überhaupt noch zu retten? Und wenn ja, welches wäre der richtige Weg? Es war in der Sitzung viel die Rede von systemischen Banken. So bezeichnet man Banken, deren Untergang erhebliche oder gar unabsehbare Folgeschäden verursachen würde. Die HSH ist so eine systemische Bank, wie alle Landesbanken und insgesamt etwa 60 Banken in Deutschland. Und es war die Rede von viel Geld, das Hamburg und Schleswig-Holstein stemmen sollten. Sanio, ein Sozialdemokrat, wusste um die Problematik der Abgeordneten, die gern den Bund in Form der BaFin und des SoFFin mit ins Boot geholt hätten und sagte ihnen:
„… solange Sie einen festen Willen haben trotz aller schlimmen Beträge, die Sie in die Hand nehmen müssen, und obwohl klar ist, dass diese in der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln sind, wenn man sie gegen Geld für Kindergartenplätze und Lehrerstellen aufrechnet.”
Er ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass nicht nur das Erklären sondern auch das Finanzieren allein Aufgabe der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg sei:
„Ich bin in diesem Moment fest davon überzeugt, dass das Land Schleswig-Holstein und die Freie und Hansestadt Hamburg diese Riesennummer, jeweils auf ihre Weise, stemmen wollen. Ich will einmal so formulieren: Es wird Ihnen in der verbleibenden Stunde, die ich noch hier sitze, nicht gelingen, mich vom Gegenteil zu überzeugen.”
Sinnvolle Alternativen sah er damals nicht. Selbst eine geordnete Abwicklung der Bank hielt er für ein unkalkulierbares Risiko ohne historisches Vorbild. Das Protokoll ist, auch wegen der Äußerungen des damaligen Wirtschaftsministers Dr. Werner Marnette, lesenwert, ein kleines Stückchen jüngere Landesgeschichte. Zumal Herr Sanio solche Dinge auch für Laien nachvollziehbar (von verständlich will ich nicht reden) erklären kann. Zwei Wochen später, am 3. April 2010, beschloss der Kieler Landtag mit den Stimmen von CDU und SPD und gegen die Opposition aus FDP, Grünen und SSW die Einrichtung eines „HSH Finanzfonds”. Zusammen mit der Hansestadt Hamburg führte das Land der HSH Nordbank drei Milliarden Euro Kapital zu und übernahm für zehn Milliarden Euro Garantien. Minister Marnette hatte da schon seinen Hut genommen. Zu Beginn der Sitzung wurde schon sein Nachfolger, Dr. Jörn Biel, vereidigt.
Auftrag des Untersuchungsausschusses ist es, zu erklären, wie und warum es seinerzeit beinahe zum Untergang der HSH kommen konnte. Bei dem Gespräch mit der BaFin könnte es jedoch auch um die aktuellen unglaublichen Machenschaften in der Bank und eine etwaige Verstrickung von „Dr. No” hierin gehen. Denn nicht nur Staatsanwaltschaften in Kiel, Hamburg und New York sondern auch die BaFin gehen den Merkwürdigkeiten nach. Wie die Süddeutsche Zeitung am Samstag berichtete, legt Sanios Behörde demnächst erste Ergebnisse vor.
Ersten kommt es anders und zweitens als man denkt. Als sich die SPD-Landtagsfraktion vor längerem Gedanken über kompetente Redner für eine Veranstaltung zur Zukunft der kommunalen Daseinsvorsorge machte, ahnte noch niemand, dass sich die gefundenen Redner auch auf anderem Gebiet kompetent fühlen: Dr. Ralf Stegner, Torsten Albig, und Dr. Brigitte Fronzek, deren ersten gemeinsamen Auftritt wir jüngst beschrieben, werden am Dienstag Abend um 18.30 Uhr im Kieler Landeshaus (wieder mal) hintereinander reden. Soweit bekannt, müssen die Gäste anschließend kein Meinungsbild abgeben.
Der Mittwoch dieser Woche ist ein Feiertag. An diesem Tag hinterfragen evangelische Christen ihre innere Haltung zu ihrem Gott. Früher, im letzten Jahrtausend, ging das besser, da konnten man das in seiner Freizeit machen. Da war der Buß- und Bettag nämlich auch mal ein paar Jahre lang ein gesetzlicher Feiertag. Heute muss das mit der Zuwendung zu Gott auch während der Arbeitszeit gehen. Der Landtag in Kiel trifft sich deshalb ohne Scham, um sich in dreitägiger Sitzung einer breiten Palette an Themen zuzuwenden. Der zeitliche Ablauf der Sitzung steht in etwa fest, für Parlaments-TV-Gucker ist der Ablaufplan, dessen Uhrzeitangaben so verlässlich wie Fahrpläne der Deutschen Bahn sind, so etwas wie eine Fernsehzeitung.
Die Abende der Sitzungstage sind traditionell gefüllt mit Veranstaltungen der Fraktionen, Ausstellungseröffnungen, Grünkohlgegesse oder Empfängen. Wer gerade der Partei der Grünen beigetreten ist oder Interesse hat, der ehemals kleinen Volkspartei als Mitglied anzugehören oder an dem Abend eh nichts Besseres zu tun hat, dem stellen sich die beiden Landesvorsitzenden der Grünen gern im Landeshaus vor. Und wer da immer noch glaubt, die Partei sei nicht staatstragend: Zu Beginn um 17.00 Uhr ist ein Besuch der dann noch laufenden Debatte im Landtag vorgesehen.
Die CDU nimmt den Feiertag und die noch nicht in der Verfassung stehende Verankerung der deutschen Sprache zum Anlass, den drei evangelischen Kirchen des Nordens, die gerade im Begriff sind, zu einer gemeinsamen Kirche zusammenzuwachsen, ein wohlwollendes Quo vadis Nordkirche zuzurufen. Hoffen wir, dass Bischof Gerhard Ulrich nicht „venio trevam iterum crucifigi” antwortet. Die CDU geht mit den Gästen um 19.00 nicht ins Plenum sondern in die Paulskirche
Regelmäßige Leser des Landesblogs kennen unsere Bedenken gegen den neuen Personalausweis. Auch auf dem Mediatage Nord 2010, die schon seit Montag in Kiel stattfinden, ist er am Donnerstag Thema. Ob der Ausweis angesichts der jüngsten Diskussionen tatsächlich zur „sicheren Durchführung von Geschäften im Internet” beitragen wird, darf bezweifelt werden. Trotzdem: Das Programm der Mediatage, dessen Motto dieses Jahr „Lebenswelten — smart & vernetzt” lautet, verspricht viel.
In der Mittagspause der Landtagssitzung werden sich die Mitgliedes des Wirtschaftsausschusses mit Vertretern der DB AG treffen. Nicht uninteressant für das Land, hat doch der letzte Woche vorgelegte überarbeitete Bedarfsplan für Straße und Schiene des Bundesverkehrsministers manches Bahn-Projekt konkretisiert, andere aber aufs sprichwörtliche Abstellgleis geschoben. So spielt die nicht unumstrittene Hinterlandanbindung der Bahnstrecke von Hamburg bzw. Lübeck nach Fehmarn für die, auch hier im Blog schon erwähnte, Fehmarnbeltquerung eine wichtige Rolle. Aber auch der Ausbau der S4 vom Hamburger Hauptbahnhof nach Ahrensburg/Bad Oldesloe, für den das Parlament sich jüngst stark machte, könnte ein Thema sein.
Am Freitag endet die Sitzungswoche für den Landtag. Am Abend, andere Abgeordnete sind schon auf dem Weg ins Wochenende, nimmt sich die SPD-Landtagsfraktion noch eines schwierigen Themas an. Moshe Zuckermann, Professor für Philosophie und Geschichte an der Universität Tel Aviv, dem in der politischen Mannschaft Israels die Position des Linksaußen zugedacht wird, der häufig als Kritiker der israelischen Politik in Erscheinung tritt und sich ab und an als Jude schämt, wenn Hendryk. M. Broder einen Preis erhält, liest aus seinem Buch „Antisemit!”: Vorwurf als Herrschaftsinstrument. Die Diskussion ist so schwierig wie nötig: Denn wer sagt „Der Vorwurf des Antisemitismus dient sowohl in Israel als auch in der Diaspora politischen Interessensgruppen als Instrument, ihre Gegner mundtot zu machen, notwendige Debatten im Keim zu ersticken”, der kann auch schnell falsche Freunde finden. Mitveranstalter sind die Landeszentrale für politische Bildung und, warum auch immer, der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
Auch am Wochenende ist politisch noch was los — obwohl die Ministerpräsidentenkandidatenbewerbertour pausiert. Das gibt den Genossen am Samstag die Gelegenheit, auf ihrem Genossenschaftstag 2010 die Rolle der Genossenschaften in einer modernen, solidarischen Gesellschaft zu diskutieren. Der Genossenschaftstag fällt aus. Währenddessen eröffnet Landwirtschaftsministerin Juliane Rumpf in den Holstenhallen in Neumünster die bis Sonntag dauernde 110. Landesgeflügelschau und die 60. Landesjugendschau, auf der entgegen des Namens nur Geflügel (wohl auch junges), aber eben doch keine Jugendlichen, zur Schau gestellt wird. Wer den Weg nach Neumünster scheut, darf dennoch nicht versäumen, wenigstens die Webseite der Veranstaltung zu besuchen: Gerüchten zufolge handelt es sich nämlich um die vorletzte Webseite der Welt, die noch mit Microsoft Frontpage „programmiert” wird.