Durch die Woche mit dem Landesblog (3)

Von | 14. November 2010

Der wöchent­li­che Streifzug durch unse­ren Kalender.

Am Montag wird so man­ches schles­wig-hol­stei­ni­sches CDU-Mitglieder in Karlsruhe sein. Dort absol­viert ihr Partei seit Sonntag ihren Bundesparteitag. Als Nachfolger der nicht mehr kan­die­ren­den ehe­ma­li­gen Kieler Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz will der ehe­ma­li­ge Landesvorsitzende und ehe­ma­li­ge Landtags-Fraktionsvorsitzende, der jetzt für die CDU im Bundestag sitzt, Johann Wadephul, den Sprung ins Präsidium schaf­fen. Der Fahrplan des Parteitages sieht die Wahlen für den heu­ti­gen Montag vor.

Der Untersuchungsausschuss HSH begrüßt in sei­ner Sitzung einen Gast, der den meis­ten Abgeordneten bekannt ist: Jochen Sanio, Präsident der deut­schen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Der Jurist, der sich zeit sei­nes Berufsleben mit dem Kreditwesen beschäf­tig­te, war schon ein­mal, am 19. März 2009, Gast des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Damals, noch vor der letz­ten Landtagwahl, stand der Beschluss der Parlamente in Schleswig-Holstein und Hamburg, die auf vol­ler Breitseite leck geschla­ge­ne ehe­ma­li­ge Landesbank mit Milliardenzuschüssen vor dem Untergang zu ret­ten, unmit­tel­bar bevor. Finanzausschuss, Innen- und Rechtsausschuss und Wirtschaftsausschuss tra­fen sich in gemein­sa­mer Sitzung, um sich Rat von Experten ein­zu­ho­len. War die HSH Nordbank über­haupt noch zu ret­ten? Und wenn ja, wel­ches wäre der rich­ti­ge Weg? Es war in der Sitzung viel die Rede von sys­te­mi­schen Banken. So bezeich­net man Banken, deren Untergang erheb­li­che oder gar unab­seh­ba­re Folgeschäden ver­ur­sa­chen wür­de. Die HSH ist so eine sys­te­mi­sche Bank, wie alle Landesbanken und ins­ge­samt etwa 60 Banken in Deutschland. Und es war die Rede von viel Geld, das Hamburg und Schleswig-Holstein stem­men soll­ten. Sanio, ein Sozialdemokrat, wuss­te um die Problematik der Abgeordneten, die gern den Bund in Form der BaFin und des SoFFin mit ins Boot geholt hät­ten und sag­te ihnen:

„… solan­ge Sie einen fes­ten Willen haben trotz aller schlim­men Beträge, die Sie in die Hand neh­men müs­sen, und obwohl klar ist, dass die­se in der Öffentlichkeit schwer zu ver­mit­teln sind, wenn man sie gegen Geld für Kindergartenplätze und Lehrerstellen auf­rech­net.”

Er ließ aber auch kei­nen Zweifel dar­an, dass nicht nur das Erklären son­dern auch das Finanzieren allein Aufgabe der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg sei:

„Ich bin in die­sem Moment fest davon über­zeugt, dass das Land Schleswig-Holstein und die Freie und Hansestadt Hamburg die­se Riesennummer, jeweils auf ihre Weise, stem­men wol­len. Ich will ein­mal so for­mu­lie­ren: Es wird Ihnen in der ver­blei­ben­den Stunde, die ich noch hier sit­ze, nicht gelin­gen, mich vom Gegenteil zu über­zeu­gen.”

Sinnvolle Alternativen sah er damals nicht. Selbst eine geord­ne­te Abwicklung der Bank hielt er für ein unkal­ku­lier­ba­res Risiko ohne his­to­ri­sches Vorbild. Das Protokoll ist, auch wegen der Äußerungen des dama­li­gen Wirtschaftsministers Dr. Werner Marnette, lesen­wert, ein klei­nes Stückchen jün­ge­re Landesgeschichte. Zumal Herr Sanio sol­che Dinge auch für Laien nach­voll­zieh­bar (von ver­ständ­lich will ich nicht reden) erklä­ren kann. Zwei Wochen spä­ter, am 3. April 2010, beschloss der Kieler Landtag mit den Stimmen von CDU und SPD und gegen die Opposition aus FDP, Grünen und SSW die Einrichtung eines „HSH Finanzfonds”. Zusammen mit der Hansestadt Hamburg führ­te das Land der HSH Nordbank drei Milliarden Euro Kapital zu und über­nahm für zehn Milliarden Euro Garantien. Minister Marnette hat­te da schon sei­nen Hut genom­men. Zu Beginn der Sitzung wur­de schon sein Nachfolger, Dr. Jörn Biel, ver­ei­digt.
Auftrag des Untersuchungsausschusses ist es, zu erklä­ren, wie und war­um es sei­ner­zeit bei­na­he zum Untergang der HSH kom­men konn­te. Bei dem Gespräch mit der BaFin könn­te es jedoch auch um die aktu­el­len unglaub­li­chen Machenschaften in der Bank und eine etwai­ge Verstrickung von „Dr. No” hier­in gehen. Denn nicht nur Staatsanwaltschaften in Kiel, Hamburg und New York son­dern auch die BaFin gehen den Merkwürdigkeiten nach. Wie die Süddeutsche Zeitung am Samstag berich­te­te, legt Sanios Behörde dem­nächst ers­te Ergebnisse vor.

Ersten kommt es anders und zwei­tens als man denkt. Als sich die SPD-Landtagsfraktion vor län­ge­rem Gedanken über kom­pe­ten­te Redner für eine Veranstaltung zur Zukunft der kom­mu­na­len Daseinsvorsorge mach­te, ahn­te noch nie­mand, dass sich die gefun­de­nen Redner auch auf ande­rem Gebiet kom­pe­tent füh­len: Dr. Ralf Stegner, Torsten Albig, und Dr. Brigitte Fronzek, deren ers­ten gemein­sa­men Auftritt wir jüngst beschrie­ben, wer­den am Dienstag Abend um 18.30 Uhr im Kieler Landeshaus (wie­der mal) hin­ter­ein­an­der reden. Soweit bekannt, müs­sen die Gäste anschlie­ßend kein Meinungsbild abge­ben.

Der Mittwoch die­ser Woche ist ein Feiertag. An die­sem Tag hin­ter­fra­gen evan­ge­li­sche Christen ihre inne­re Haltung zu ihrem Gott. Früher, im letz­ten Jahrtausend, ging das bes­ser, da konn­ten man das in sei­ner Freizeit machen. Da war der Buß- und Bettag näm­lich auch mal ein paar Jahre lang ein gesetz­li­cher Feiertag. Heute muss das mit der Zuwendung zu Gott auch wäh­rend der Arbeitszeit gehen. Der Landtag in Kiel trifft sich des­halb ohne Scham, um sich in drei­tä­gi­ger Sitzung einer brei­ten Palette an Themen zuzu­wen­den. Der zeit­li­che Ablauf der Sitzung steht in etwa fest, für Parlaments-TV-Gucker ist der Ablaufplan, des­sen Uhrzeitangaben so ver­läss­lich wie Fahrpläne der Deutschen Bahn sind, so etwas wie eine Fernsehzeitung.
Die Abende der Sitzungstage sind tra­di­tio­nell gefüllt mit Veranstaltungen der Fraktionen, Ausstellungseröffnungen, Grünkohlgegesse oder Empfängen. Wer gera­de der Partei der Grünen bei­ge­tre­ten ist oder Interesse hat, der ehe­mals klei­nen Volkspartei als Mitglied anzu­ge­hö­ren oder an dem Abend eh nichts Besseres zu tun hat, dem stel­len sich die bei­den Landesvorsitzenden der Grünen gern im Landeshaus vor. Und wer da immer noch glaubt, die Partei sei nicht staats­tra­gend: Zu Beginn um 17.00 Uhr ist ein Besuch der dann noch lau­fen­den Debatte im Landtag vor­ge­se­hen.

Die CDU nimmt den Feiertag und die noch nicht in der Verfassung ste­hen­de Verankerung der deut­schen Sprache zum Anlass, den drei evan­ge­li­schen Kirchen des Nordens, die gera­de im Begriff sind, zu einer gemein­sa­men Kirche zusam­men­zu­wach­sen, ein wohl­wol­len­des Quo vadis Nordkirche zuzu­ru­fen. Hoffen wir, dass Bischof Gerhard Ulrich nicht „venio tre­vam iter­um cru­ci­fi­gi” ant­wor­tet. Die CDU geht mit den Gästen um 19.00 nicht ins Plenum son­dern in die Paulskirche

Regelmäßige Leser des Landesblogs ken­nen unse­re Bedenken gegen den neu­en Personalausweis. Auch auf dem Mediatage Nord 2010, die schon seit Montag in Kiel statt­fin­den, ist er am Donnerstag Thema. Ob der Ausweis ange­sichts der jüngs­ten Diskussionen tat­säch­lich zur „siche­ren Durchführung von Geschäften im Internet” bei­tra­gen wird, darf bezwei­felt wer­den. Trotzdem: Das Programm der Mediatage, des­sen Motto die­ses Jahr „Lebenswelten — smart & ver­netzt” lau­tet, ver­spricht viel.
In der Mittagspause der Landtagssitzung wer­den sich die Mitgliedes des Wirtschaftsausschusses mit Vertretern der DB AG tref­fen. Nicht unin­ter­es­sant für das Land, hat doch der letz­te Woche vor­ge­leg­te über­ar­bei­te­te Bedarfsplan für Straße und Schiene des Bundesverkehrsministers man­ches Bahn-Projekt kon­kre­ti­siert, ande­re aber aufs sprich­wört­li­che Abstellgleis gescho­ben. So spielt die nicht unum­strit­te­ne Hinterlandanbindung der Bahnstrecke von Hamburg bzw. Lübeck nach Fehmarn für die, auch hier im Blog schon erwähn­te, Fehmarnbeltquerung eine wich­ti­ge Rolle. Aber auch der Ausbau der S4 vom Hamburger Hauptbahnhof nach Ahrensburg/​Bad Oldesloe, für den das Parlament sich jüngst stark mach­te, könn­te ein Thema sein.

Am Freitag endet die Sitzungswoche für den Landtag. Am Abend, ande­re Abgeordnete sind schon auf dem Weg ins Wochenende, nimmt sich die SPD-Landtagsfraktion noch eines schwie­ri­gen Themas an. Moshe Zuckermann, Professor für Philosophie und Geschichte an der Universität Tel Aviv, dem in der poli­ti­schen Mannschaft Israels die Position des Linksaußen zuge­dacht wird, der häu­fig als Kritiker der israe­li­schen Politik in Erscheinung tritt und sich ab und an als Jude schämt, wenn Hendryk. M. Broder einen Preis erhält, liest aus sei­nem Buch „Antisemit!”: Vorwurf als Herrschaftsinstrument. Die Diskussion ist so schwie­rig wie nötig: Denn wer sagt „Der Vorwurf des Antisemitismus dient sowohl in Israel als auch in der Diaspora poli­ti­schen Interessensgruppen als Instrument, ihre Gegner mund­tot zu machen, not­wen­di­ge Debatten im Keim zu ersti­cken”, der kann auch schnell fal­sche Freunde fin­den. Mitveranstalter sind die Landeszentrale für poli­ti­sche Bildung und, war­um auch immer, der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.

Auch am Wochenende ist poli­tisch noch was los — obwohl die Ministerpräsidentenkandidatenbewerbertour pau­siert. Das gibt den Genossen am Samstag die Gelegenheit, auf ihrem Genossenschaftstag 2010 die Rolle der Genossenschaften in einer moder­nen, soli­da­ri­schen Gesellschaft zu dis­ku­tie­ren. Der Genossenschaftstag fällt aus. Währenddessen eröff­net Landwirtschaftsministerin Juliane Rumpf in den Holstenhallen in Neumünster die bis Sonntag dau­ern­de 110. Landesgeflügelschau und die 60. Landesjugendschau, auf der ent­ge­gen des Namens nur Geflügel (wohl auch jun­ges), aber eben doch kei­ne Jugendlichen, zur Schau gestellt wird. Wer den Weg nach Neumünster scheut, darf den­noch nicht ver­säu­men, wenigs­tens die Webseite der Veranstaltung zu besu­chen: Gerüchten zufol­ge han­delt es sich näm­lich um die vor­letz­te Webseite der Welt, die noch mit Microsoft Frontpage „pro­gram­miert” wird.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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