Die Landesregierung plant die Einführung einer Küstenschutzabgabe. In der Informationsschrift des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume wird bezüglich des Anlasses für diese Abgabe nicht lange um den heißen Brei herumgeredet. Bereits im ersten Kapitel fallen die Begriffe „Haushaltskonsolidierung” und „Schuldenbremse”. Deshalb wollen CDU und FDP – wie von der HaushaltsStrukturKommission vorgeschlagen – die so genannten „Vorteilshabenden des Küstenschutzes” anteilig an der Finanzierung der Küstenschutzmaßnahmen beteiligen.
Diese Kosten dieser Maßnahmen betragen jährlich rund 60 Millionen Euro. Davon trägt das Land insgesamt ungefähr 28 Millionen Euro – für die Instandhaltung vorhandener Anlagen 18 Millionen Euro sowie 10 Millionen Euro als Kofinanzierung für Bundes- und EU-Mittel. Gemäß Kabinettsbeschluss sollen davon ab 2012 in Form einer Abgabe – für die Einführung einer Steuer, die alle Schleswig-Holsteiner beträfe, fehlt die Gesetzgebungskompetenz – 6 Millionen, also 10 Prozent der Gesamtsumme eingenommen werden.
Die Regelung soll auf Basis des Landeswassergesetzes umgesetzt werden. Dabei ist geprüft worden,ob die Erhebung als Beitrag anhand der tatsächlich anfallenden Kosten oder als Sonderabgabe aufgrund abstrakter „Sondervorteile” durchgeführt werden soll. Aufgrund des zahlenmäßigen Anteils der Betroffenen erschien es verfassungsrechtlich bedenklich, ob hier noch von einem Sondervorteil gesprochen werden kann.
Denn das geschützte Gebiet umfasst die in der Karte dargestellten Flächen, denen ein im Rahmen der Umsetzung der europäischen Hochwasserrisiko-Management-Richtlinie (EU-HWRL) „200-jährliches Sturmflutereignis” zugerechnet werden kann, für die Ostsee aufgrund des Fehlens entsprechender statistischer Ereignisse die Sturmflut von 1872. Einbezogen sind kleinere eingeschlossene höhere Gebiete bis 10 qkm sowie alle Inseln und Halligen. Einzige Ausnahme ist Helgoland, für dessen Schutz der Bund zuständig ist. An der Ostseeküste sind nur diejenigen Flächen betroffen, die das Land und nicht Wasser- und Bodenverbände verantworten, die bereits über Beiträge mitfinanziert werden.
Als mögliche Bemessungsgrundlage wurden der Einheitswert und der Bodenrichtwert betrachtet. Der Einheitswert ist Grundlage der Grundsteuererhebung sowie eventueller Beiträge zur Landwirtschaftskammer und ist individuell für einzelne Grundstücke berechnet. Die entsprechenden Daten liegen digital nicht im erforderlichen Detaillierungsgrad vor. Der nötige Nacherfassungsaufwand kann noch nicht verlässlich abgeschätzt werden. Zudem zweifelt der Bundesfinanzhof die Verfassungsmäßigkeit der Einheitswerte an und fordert eine Neuordnung der Grundsteuererhebung. Auf der anderen Seite wird der Bodenrichtwert wird als mittlerer Lagewert von Grundstücksflächen in einer kleinen Region durch einen unabhängigen kommunalen Gutachterausschuss auf Kreisebene ermittelt. Er ist lediglich für rund 70 Prozent der Landesfläche bestimmt und nicht grundstücksspezifisch ausgelegt. Beispielsweise werden Unterschiede in der Bebauung bei einer Bewertung nicht berücksichtigt.
Die Landesregierung hat sich deswegen für die Verwendung des Einheitswertes entschieden, da er ihrer Ansicht nach den Wert eines Grundstücks am nächsten kommt. Bei einer Neuordnung der Grundsteuer soll dann später auch die Grundlage für die Erhebung der Küstenschutzabgabe angepasst werden. Spannend liest sich der Beginn des Abschnitts über die Ausnahmen von der Vorteilsberechnung und damit auch von der Beitragserhebung:
Die Halligen sollten beitragsfrei gestellt werden, da sie zentraler Bestandteil des flächenhaften Küstenschutzes sind und mit erheblichem Mitteleinsatz des Landes die Besiedlung aufrechterhalten wird.
Diese Logik erschließt sich zumindest nicht beim ersten Lesen.
Die Landesregierung vertritt die Meinung, dass die Beitragserhebung nicht die für das Kommunalabgabenrecht vorgeschriebene Ermittlung aller Kosten voraussetzt. Sie könne vielmehr in einem vereinfachten Verfahren umgesetzt werden, weil lediglich Beiträge für einen Teil der Aufwendungen des Landes erhoben werden. Dieser Anteil wird auf 50 Prozent der Landesausgaben begrenzt.
Vorgeschlagen wird ein Hebesatz in Höhe von 1,10 Euro pro 1.000 Euro Einheitswert, also ein Beitrag in Höhe von 1,1 Promille. In Niedersachsen und Bremen wird eine vergleichbare Abgabe durch Küstenschutzverbände erhoben. Dabei liegen die Beiträge zwischen 0,35 Euro und 1,35 Euro für Niedersachsen und bei 0,35 Euro in Bremen. Bremen erhebt die Beiträge allerdings für das gesamte Stadtgebiet.
Damit kommt die Landesregierung in Beispielrechnungen auf Jahresbeiträge für Einfamilienhäuser zwischen 20 (Mindestbeitrag) und 292 Euro, für gewerbliche Nutzungen zwischen 20 und 1.172 Euro und für landwirtschaftliche Betriebe zwischen 33 und 291 Euro. Ob diese Beiträge realistisch erscheinen, mag ein jeder anhand der in der oben angeführten Informationsschrift abgedruckten Tabellen selbst nachvollziehen.
Die Beitragserhebung soll im „Huckepack-Verfahren” mit anderen Beiträgen oder Steuern erfolgen. Hier neigt die Landesregierung der Erhebung über die Wasser- und Bodenverbände bzw. deren Landesverband zu, weil hier „erprobte Organisations- und Verwaltungsstrukturen” sowie eine „vorhandene Erhebungssoftware” genutzt werden könne. Widerspruchsbehörde soll der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz werden.
Folgender Zeitplan soll bis zur Erhebung der Abgabe ab dem Jahr 2012 noch abgearbeitet werden:
bis Ende 12/2010: | Abschluss der Gesetzgebung des Haushaltsbegleitgesetzes und des Landeswassergesetzes sowie Entscheidung über die weitere Ausgestaltung |
bis Ende 03/2011: | Fertigstellung der fachlichen Grundlagen für die Ausgestaltung der Verordnung, Verhandlungen über die Verwaltungskosten, Klärung organisatorischer Fragen |
bis Ende 04/2011: | interner Entwurf der Durchführungsverordnung |
Ende 05/2011: | erste Kabinettsfassung |
25.05. bis 06.07.2011: | Verbandsanhörungen |
Ende 08/2011: | zweite Kabinettsbefassung |
Anfang 09/2011: | Verkündung der Durchführungsverordnung |
bis Ende 11/2011: | Vorbereitung der Erhebung zum 01.01.2012 (Software, Datengrundlagen, Personal) |
Da der Autor sich zu dieser Thematik und dem Sinn oder Unsinn der Lösung noch keine abschließende Meinung gebildet hat, entfällt eine abschließende Wertung der Küstenschutzabgabe. Deren Diskussion bleibt somit den geneigten Lesern als gemeinsame, unterhaltsame Übung überlassen.
Der SSW hat sich heute per Pressemitteilung ablehnend zur geplanten Küstenschutzabgabe geäußert.
„‚Die Halligen sollten beitragsfrei gestellt werden, da sie zentraler Bestandteil des flächenhaften Küstenschutzes sind und mit erheblichem Mitteleinsatz des Landes die Besiedlung aufrechterhalten wird.’
Diese Logik erschließt sich zumindest nicht beim ersten Lesen.”
lol! Demnach wäre Dithmarschen auch der flächenhafte Küstenschutz für Rendsburg-Eckernförde :-D
Wenn Du jetzt auch noch behauptest, dass in Dithmarschen mit „erheblichem Mitteleinsatz des Landes die Besiedlung aufrechterhalten wird”, dann muss ich mir die Augen trocknen. ;-)
Vielleicht sind wir noch nicht so weit, aber da kommen wir irgendwann hin! Die demographische Entwicklung schlägt doch jetzt schon durch, viele Landstriche an der Westküste suchen händeringend nach Ärzten, ohne finanzielle Anreize wird es da nicht mehr gehen. Die Bevölkerung hier weiterhin einseitig zu belasten macht es angesichts fehlender Ausbildungs- und Arbeitsperspektiven sowie miserabler infrastruktureller Anbindung nicht attraktiver. Fatal ist doch aber das wiedermal gesetzte Signal aus Kiel: Mit der Westküste kann man es ja machen, die zwei, drei Westküsten-Abgeordneten der Koalition sind schnell überfahren.…
Ärzte sind leider ein schlechtes Beispiel. Die kassenärztlichen Vereinigungen hätte es nämlich selbst in der Hand, indem sie beispielsweise dafür sorgt, dass Ausgleichszahlungen von Ärzten in den übervorgten Ballungsgebieten mit überdurchschnittlich hoher Einkommensstruktur hin zu Praxen in ländliche Gegenden erfolgt. Allerdings wurde mal in einem Spiegel-Artikel die These aufgestellt, dass die meisten Vertreter der kassenärtzlichen Vereinigungen ihre Praxaen ausgerechnet in jenen Ballungsgebieten haben und daher das Interesse an Ausgleichszahlungen sehr gering ist.
Was müsste man jemandem, der gerne in einer Großstadt wohnt, wohl bezahlen, damit er nach Niebüll oder Meldorf zieht? Und was kann man von Schulen lernen? Von einem Lehrermangel auf dem Land hab ich noch nicht gehört.
Unabhängig von irgendwelchen Gesetzeslagen, die man sich inzwischen hinbiegen kann wie man will, bin ich gegen die Einführung der Deichschutzabgabe, weil der Küstenschutz genau so eine Aufgabe für die Allgemeinheit ist wie die Landesverteidigung oder die soziale Sicherung. Daher müsste der Bund auch hierfür voll und nicht nur anteilig einstehen.
Eine Abgabe ist doch nicht dadurch gerechtfertigt, dass sie (zunächst) niedrig ist. Das kann man nach Ihrer Einführung, wenn sich die Menschen daran gewöhnt haben, auch rasch ändern.
Eine Sonderbelastung der Küstenbewohner erfolgt schon über die Erhebung von Entwässerungsbeiträgen durch die örtlichen Sielverbände bzw. erhöhte Versicherungsprämien.
Was kommt als nächstes? Eine Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme von Landesstraßen, Lehrpersonal oder der Landespolizei?
Wenn vermehrt Sonderbeiträge auf örtlicher Ebene erhoben werden sollen, dann müssten die Abgaben an den Zentralstaat gekürzt werden, wie z.B. der Soli. Oder dienen diese Einnahmen nur noch zur Finanzierung gobaler Spekulanten oder Bankenvorstände.
Wehret den Anfängen !
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