Heute ist die lang erwartete Antwort der Landesregierung auf die kleine Anfrage der Grünen angekommen: Thorsten Fürter hatten die Landesregierung gefragt, wie sie denn mit ihrer Domain www.schleswig-holstein.de verfahren wolle.
In der Antwort keine Spur von Hektik: Obwohl es nur noch einen Monat dauert, bis der JMStV inkrafttreten wird, sind seitens der Landesregierung bisher keine Einstufungen erfolgt. Interessant die Begründung, die sich aus der Antwort zur Frage 8 („Bis wann sollen … Alterseinstufungen vorgenommen worden sein?”) ergibt:
Die Einstufung der (…) Domains kann frühestens nach Zertifizierung der ersten Jugendschutzprogramme durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) erfolgen. Die freiwillige(sic!) Alterskennzeichnung der Domain www.schleswig-holstein.de ist erst sinnvoll, wenn absehbar ist, dass die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) ein oder mehrere Filterprogramme anerkennen wird. Einen Termin zur Alterseinstufung der Domain www.schleswig-holstein.de hat die Landesregierung daher noch nicht festgelegt.
Der grüne Landtagsabgeordnete Thorsten Fürter kommt angesichts solcher Antworten aus den Staunen nicht mehr raus: Die Landesregierung nehme „den von ihr unterzeichneten Jugendmedienschutzstaatsvertrag selbst nicht ernst.” Den Spagat zwischen dem baldigen Inkrafttreten des Gesetzes und dem Abwarten der Landesregierung bis zur Anerkennung von Filterprogrammen durch die Kommission für Jugendmedienschutz nennt er „Irrsinn ohne Methode” und merkt an: „Wie sich das mit einem beantragten Geltungsbeginn des Gesetzes zum 1. Januar 2011 verträgt, ist das Geheimnis der Landesregierung” Seiner Meinung dürfe der Landtag „da nicht mitmachen” und fordert deshalb Einhalt: „Statt ihn im Landtag zu beschließen, sollten der Gesetzentwurf gründlich überarbeitet werden”.
Der AK Digitale Gesellschaft der SPD hat die schleswig-holsteinische SPD-Landtagsfraktion aufgefordert, dem JMStV nicht zuzustimmen. Nach den bekannten eindeutigen Äußerungen der beiden SPD-Abgeordneten Kai Dolgner und Peter Eichstädt sollte das klargehen. Die SPD-Fraktion tagt gerade; mal schauen, was dabei rauskommt.
Hier in Kiel wird das zwar nichts an dem Ergebnis der Abstimmung im Landtag ändern, aber vielleicht ermutigen die Genossen in Kiel ja ihre Genossen in NRW, umzudenken. Denn die Landtagsfraktionen der SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen kommen heute doch noch mal zusammen, um über ihr Abstimmungsverhalten im Düsseldorfer Landtag zu reden. Die Ruhrbarone sprechen von Schaulaufen. Jens Matheuszik versprüht im Pottblog immerhin funkenweise Hoffnung.
Rechtliche Folgen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages umstritten
Wir hatten schon vor ein paar Tagen auf erste rechtliche Bewertungen, die sich fragen, was des Bloggers Pflicht nach dem 1. Januar 2011 ist, verwiesen.
Mittlerweile gibt es wenigstens zwei Äußerungen, die deutlich ruhiger Vorschau halten:
Jens Ferner sieht keinen Grund für Hysterie. Dreh- und Angelpunkt sei die Frage, ob das eigene Webseiten-Angebot denn überhaupt ein “Entwicklungsbeeinträchtigendes Angebot” darstellen könne. Er beruft sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und findet im Ergebnis, dass Webseiten, die sich mit dem gesellschaftspolitischen Zeitgeschehen beschäftigen, nicht betroffen sein können. Denn das Nachrichtenprivileg sei sehr weit auszulegen: das Bundesverfassungsgericht habe einen sehr engen Rahmen gesetzt, in dem das Recht auf freie Meinungsäußerungsfreiheit zu Gunsten des Jugendschutzes eingeschränkt werden könne.
Auch Udo Vetter, Rechtsanwalt und bekannter Blogger und Twitterer, findet, dass Blogger leidlich gelassen bleiben sollten. Er sieht hinsichtlich der Alterskennzeichnung wenig Anlass für Hektik: „Wer keine Inhalte anbietet, die für unter 16-Jährige durchgehend schädlich sind, muss weder eine Alterskennzeichnung einführen noch Sendezeiten beachten”. Anders sieht er es in der Frage der Jugendschutzbeauftragten: „Wer nicht nur auf rein privater Ebene ins Internet schreibt, muss einen Jugendschutzbeauftragten nennen und eine E-Mail-Adresse angeben”. Er begründet das leider nicht weiter. Es gibt in den Kommentaren auch Äußerungen, die nicht zu einer Pflicht zu Benennung eines Beauftragten neigen sondern, wie wohl auch die FSM, auf das konkrete „jugendgefährdende Potential eines kommerziellen Online-Angebots” abstellen. Hier wird die weitere Diskussion noch Klärung bringen.
Die FSM, die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter, hat auch eine FAQ zum JMStV online gestellt, die allerdings in den Zweifelsfragen wie Jugendschutzbeauftragter oder Alterskennzeichnung nicht immer klar Position bezieht. Was nicht verwundert, da diese Organisation das weite Themenfeld allein aus der verschwindend geringen Zahl ihrer Mitglieder sieht, die zudem nur einen sehr eingeschränkten Blickwinkel haben: Großkonzerne aus dem Medienbereich mit Webangebot.
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