Verabschiedung des neuen Schulgesetzes

Von | 31. Januar 2011

„Wir ver­ord­nen nicht und wir ändern nicht die Strukturen. Wir schaf­fen Freiräume im Bildungssystem”, mit die­sen Worten beglei­te­te Bildungsminister Dr. Ekkehardt Klug (FDP) die Verabschiedung des neu­en Schulgesetzes. Im Vorfeld gab es vie­le Diskussionen dar­über und auch nach der Verabschiedungen gibt es zwei ganz unter­schied­li­che Haltungen zum Sinn oder Unsinn des Gesetzes. Auch wir vom Landesblog haben das sehr unter­schied­lich dis­ku­tiert. Längst ist es viel weni­ger eine päd­ago­gi­sche Frage, wel­ches Modell bes­ser für die Kinder und Jugendlichen ist, son­dern es ist klar eine wahl­kampf­re­le­van­te Frage gewor­den.

Während die FDP ganz hin­ter ihrem Minister steht und die Wiedereinführung von G9 an den schles­wig-hol­stei­ni­schen Gymnasien für einen Befreiungsschlag hält, sehen die Koalitionspartner in Person von Schulexpertin Heike Franzen G8 als das rich­ti­ge Modell an, wenn es denn über­ar­bei­tet wür­de, um vor allem die jün­ge­ren Schüler zu ent­las­ten. Damit wür­de eine Verschlankung des Lehrplans ein­her gehen, die in Zeiten von kom­pe­tenz­ori­en­tie­rem Lernen durch­aus von Vorteil sein kann.

Schon ganz in Wahlkampflaune gab sich die SPD und kün­dig­te an, dass das Gesetz nicht lan­ge Bestand haben wer­de, falls es zu einen Wahlsieg der eige­nen Partei kom­men wer­de. Dabei stütz­te man nicht jedoch nicht nur auf bil­dungs­re­le­van­te Argumente, son­dern viel­mehr auf wirt­schaft­li­che. Die Umsetzung des “teu­ren schul­po­li­ti­schen Sondermodells” in Schleswig-Holstein ist sicher­lich auch für die­je­ni­gen ein plau­si­bler Grund für die Ablehnung die­ser bil­dungs­po­li­ti­schen Fahrtrichtung, die mit päd­ago­gi­schen Schlagworten eher wenig anfan­gen kön­nen. Zwar kann an den Gemeinschaftsschulen wei­ter­hin eine gym­na­sia­le Oberstufe ent­ste­hen und die Schülerinnen und Schüler kön­nen auch dort das Abitur in neun Jahren errei­chen, aber die Verunsicherung der Eltern in Bezug auf die rich­ti­ge Schulwahl für ihr Kind steigt wei­ter.

In die­ser Argumentation wird die SPD eben­falls von der GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft) unter­stützt, denn Matthias Heidn schrieb in einer Pressemitteilung, die zur Verabschiedung des Gesetzes her­aus­ge­ge­ben wur­de, „dass die­ses Gesetz mit Sicherheit nur eine Restlaufzeit von maxi­mal zwei Schuljahren haben wird”.

Die Grünen stütz­ten ihre Ablehnung der Gesetzesänderung vor allem auf Argumente des nicht ein­keh­ren­den Schulfriedens und der damit blei­ben­den Unruhe an den Schulen vor Ort. Damit gehen sie mit vie­len Lehrern, Eltern und Schülern einig, die Mehrarbeit auf sich zukom­men sehen oder wei­ter­hin stei­gen­de Verunsicherung emp­fin­den, wenn es um die Schulwahl der eige­nen Kinder geht.

Die Linken sehen durch die Entscheidung die Gemeinschaftsschule als Einheitsschule wei­ter gefähr­det, denn an die­ser ist ein Abitur in neun Jahren längst mög­lich.  Diese Argumente grei­fen auch die Vertreter des SSW auf und Anke Spoorendonk bringt die Einstellung vie­ler Bürger die­ses Landes mit den fol­gen­den Worten auf den Punkt: “Das neue Schulgesetz ist so über­flüs­sig wie eine Gießkanne im Regenwald.”

Von:

Melanie Richter lebt seit mehr als 20 Jahren in Kiel, ist parteilos, seit 2010 Mitglied im Verein für Neue Medien Kiel e.V. und arbeitet in einer Kieler Gemeinschaftsschule.

7 Gedanken zu “Verabschiedung des neuen Schulgesetzes”:

  1. Jochen Schulze

    Kinder, Lehrer und Eltern wür­den eine ver­läss­li­che Bildungspolitik ohne die­ses Reform-der-Reform-der-Reform-Chaos sicher­lich sehr begrü­ßen. Bildung ist, weil eines der weni­gen tra­gen­den Länder-the­men, der­zeit lei­der zum Spielball der Profilierungssucht ver­kom­men, bei der par­tei­über­grei­fen­des Denken zum Wohl der Sache lei­der auf­ge­hört hat. Wir wol­len Europa, aber Bildung soll Ländersache sein??Raus aus dem Dorfplatzdenken der Bildungspolitik: Bildung muss end­lich bun­des­weit ein­heit­lich gere­gelt wer­den. Nicht nur im Sinne einer bun­des­wei­ten Gleichstellung, son­dern auch um die­ses Hin und Her ganz deut­lich zu erschwe­ren. DAS ist ein poli­ti­sches Ziel !

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  2. Steffen VoßSteffen Voß

    Mal abge­se­hen davon, was die eine oder die ande­re Partei im Bereich der Bildung errei­chen will oder nicht: Internationale Studien zei­gen, dass unser Bildungssystem nicht zu den bes­ten gehört. Reformen sind des­we­gen nötig. Ob das leich­ter ist, wenn man plötz­lich eine gemein­sa­me Lösung fin­den muss, die sowohl für Bayern als auf für Hamburg passt, wage ich zu bezwei­feln.

    Ich ver­ste­he auch nicht, wie das funk­tio­nie­ren soll, dass Kinder ohne Probleme von einer Schule in die ande­re wech­seln kön­nen. Das wird ja ger­ne gefor­dert — vor allem von Eltern, die ihre Kinder beson­ders viel in der Welt rum­schlep­pen.

    Zum Einen ist ein Umzug immer eine Belastung für Kinder, die sich unter Umständen auch auf die schu­li­sche Leistung aus­wirkt. Und zum Anderen geht das nur, wenn man nicht nur allen Schulen genau vor­schreibt, wel­che Inhalte sie zu unter­rich­ten haben, son­dern auch die Taktung anpasst.

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    1. Swen Wacker

      Der Föderalismus als sol­cher kann nicht begrün­den, war­um ein Schüler in Hamburg in einem ande­ren Schulsystem als sein zukünf­ti­ger baye­ri­scher sein muss. Es gibt kein Argument, war­um sich das an Landesgrenzen ori­en­tie­ren soll und nicht an Stadt-, Kreis-, Regierungspräsidiums- oder sonst­was für Grenzen. Damit ist eine Bundesregelung die ein­zig nach­voll­zieh­bar begrün­de­te Lösung. Vor dem Hintergrund der Bundestreue der Länder und dem Herstellen von glei­chen Lebensverhältnissen in der Republik ist die Frage also anders­her­um zu stel­len: Nämlich nicht, ob man „plötz­lich” eine gemein­sa­me Lösung für Bayern und Hamburg brau­che, son­dern war­um das nicht längst der Fall ist. Wer über­haupt auf die beklopp­te Idee gekom­men ist, das zu tren­nen.

      Die Überforderung der Länder, Bildung zu orga­ni­sie­ren, kann man schon dar­an erken­nen, dass sie es nicht mal schaf­fen, einen Schulartenwechsel inner­halb des Landes zu orga­ni­sie­ren. Ein, zuge­ben anti­kes, Beispiel: Als ich in der 8. Klasse zum Halbjahr vom Gymnasium auf die Realschule wech­sel­te, wur­de am Freitag in der Untertertia Karl der Große gekrönt, am Montag war dann Napoleon tot. Irgendwann an dem Wochenende sind mir 1.000 Jahre Geschichte vor­ent­hal­ten wor­den.

      Zweites Beispiel: Obwohl ein Bundesland wie Schleswig-Holstein über­sicht­lich groß ist, ist es hier nicht gelun­gen, inne­re und äuße­re Schulträgerschaft in Einklang zu brin­gen. Eine Budgetierung der Schulen oder eine grö­ße­re Selbstverantwortung von der all­täg­li­chen Gestaltung bis hin zur Auswahl des Personals (auch hin­sicht­lich der erfor­der­li­chen Qualifizierung) fin­det nicht statt. Auch hier ver­sa­gen die Länder fort­ge­setzt seit Jahren.
      Für einen Harmonisierung des Unterrichts reicht es m.E. aus, wenn es bun­des­ein­heit­li­che Bildungsstandards und Kerncurricula gibt, die jede Schule für sich umset­zen kann. Damit ist zudem eine hin­rei­chen­de Überprüfung, ob es den Bildungseinrichtungen auch gelingt, die anzu­stre­ben­den Kompetenzen zu ver­mit­teln, gewähr­leis­tet. Länderkultusministerien braucht man für so etwas nicht, Länderparlamente erst recht nicht — das klappt bes­ser mit einer Mitbstimmung der Lehrer, Schüler und Eltern, beglei­tet durch wis­sen­schaft­li­che Beratung sei­tens der Hochschulen.

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      1. Steffen

        „Als ich in der 8. Klasse zum Halbjahr vom Gymnasium auf die Realschule wech­sel­te, wur­de am Freitag in der Untertertia Karl der Große gekrönt, am Montag war dann Napoleon tot. Irgendwann an dem Wochenende sind mir 1.000 Jahre Geschichte vor­ent­hal­ten wor­den.”

        Und das willst Du per Bundes-Curriculum anglei­chen!? Da gibt es ne ein­fa­che­rer Lösung: Die Gemeinschaftsschule

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        1. Swen Wacker

          Nein, das ist ein Beispiel von vie­len, das zeigt, dass die Länder in den letz­ten 60 Jahren in der Schulpolitik so ziem­lich alles falsch gemacht haben, was man falsch machen kann. Es zeigt, dass es kei­nen Wettbewerb um das bes­se­re Schulsystem gab, son­dern 11 bis 16-faches kläg­li­ches Versagen. Ich ken­ne kein Argument, dass eine Zuständigkeit der Länder aktiv begrün­det. Mit „der Bund hät­te bestimmt auch ver­sagt” wird es nicht bes­ser.

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  3. Holger

    Meine wich­tigs­te Fragestellung ist: Wie sol­len Veränderungen im Bildungssystem denn noch bewer­tet und dis­ku­tiert wer­den, wenn in der kur­zen Zeit seit Umsetzung der Änderungen noch nicht ein­mal ers­te Ergebnisse vor­lie­gen kön­nen. Da gibt es nun schon wie­der Veränderungen. Es fehlt an Kontinuität und zumin­dest einer gemein­sa­men Idee für die Weiterentwicklung des Bildungssystems über die Parteigrenzen hin­weg, einem Bildungskonsenz.

    Das Bildung Ländersache ist wird für das Bildungssystem erst zum Problem, seit es nicht mehr über eini­ge Legislaturperioden hin­weg sta­bi­le Regierungsbündnisse gibt. Jeder poli­tisch dafür ver­ant­wort­li­che meint nun nur das „Beste” und erfin­det das bes­te „Bildungsrad” immer wie­der neu. Angetrieben durch Motivation, die irgend­wo zwi­schen PISA-Ergebnissen und Selbstdarstellung liegt. Warum soll­te das unter bun­des­po­li­ti­scher Verantwortung anders sein? Die Mehrheiten wech­seln auch dort stän­dig. Natürlich will dann auch jeder der dann Bundesbildungspolitik” sei­nen Stempel auf­drü­cken. Nur Treffen Änderungen dann alle Bundesbürger. Das System mag ob sei­ner Größe dann etwas Träger sein. Der Wechsel des Bundeslandes macht viel­leicht weni­ger Bildungsstress. Nur kann die­ses Versuchsfeld auf Länderebene ob sei­ner Vielfältigkeit auch etwas posi­ti­ves sein. Auf der ande­ren Seite zim­mert die Kultusministerkonferenz eif­rig an ein­heit­li­chen Standarts.

    In Elmshorn ist unter der Elternschaft G8 für Gymnasien rela­tiv unstrit­tig. Es mag eini­ge weni­ge Gymnasien geben, für die es not­wen­dig ist G9 oder das Y-Modell anzu­bie­ten, um die zum über­le­ben not­wen­di­gen Anmeldezahlen zu errei­chen. So z. B. Barmstedt, Quickborn-Süd. Aber dafür gleich ein Schulgesetz?
    Das Problem ist eh, das es für Schüler und Eltern kei­ne ech­te Wahlfreiheit gibt. Zunächst müs­sen sich dar­an ori­en­tiert wer­den, was Vorort ange­bo­ten wird. Dann ist die Kostenneutralität fest­ge­schrie­ben. Das bedeu­tet, wenn die gewünsch­te Schule voll ist, Pech gehabt! Selbst wenn eine Schule über ein Jahrzehnt 2 bis 3 Jahrgangsklassen mehr auf­ma­chen könn­te. Kostenneutralität!
    Ebenso bei einem Schulwechsel, sei es auf­grund man­gel­der Leistungsergebnisse oder weil Flexibiliät vom Arbeitnehmer gefor­dert wer­den. Ist der „Schulfavorit” aus­ge­las­tet, muss ggf. auch auf nicht gewünsch­te Schulformen aus­ge­wi­chen wer­den.

    Wäre Vorort nicht wie ich beob­ach­te immer wie­der das per­sön­li­che Engagement von Schulleitern und Lehrern für ein­zel­ne Schüler, wür­den die­se durch Schulwechsel in ihrer Entwicklung und Leistungsfähigkeit erheb­lich zurück­ge­wor­fen.

    Drei wei­te­re Stichpunkte zum Thema:

    Was Internationale Vergleiche an geht, wird mir immer zu wenig kri­tisch betrach­tet, was da über­haupt ver­gli­chen wird und über­haupt ver­gleich­bar ist.

    Die Selbstverwaltung wer­den die Schulen schon noch Stück für Stück bekom­men. Schließlich kann das Land Schleswig-Holstein dort Kosten ein­spa­ren. Das kön­nen dann Schulleiter und Schulsekretär doch mal eben so mit­ma­chen.

    Bleibt noch das gro­ße Bildungsthema Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung. Auf die­ser Baustelle pas­siert in Schlewig-Holstein herz­lich wenig. Diese ver­än­der­te Bildungssystem benö­tigt Lehrer, die viel­leicht für bestimm­te Jahrgangsstufen oder Fachunterrichtsdauer aus­ge­bil­det sind und anlei­ten sowie moti­vie­ren kön­nen. Oder ist z. B. ein Beamtenrecht für Fortbildung der Lehrerschaft mög­lich?

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