Zukünftig können wir vom „Fehmarnbelttunnel” sprechen: Das dänische Parlament hat sich für die Unterseelösung entschieden, nachdem eine Brücke zuletzt immer teurer wurde. Der Naturschutzbund (Nabu) sieht die Entscheidung als Teilerfolg, weil die schlimmsten ökologischen Schäden damit verhindert würden. Ökonomisch hält der Nabu das Projekt dennoch für falsch. Für den Ausbau der Hinterlandanbindung — den Straßen und Schienen, die auf deutscher Seite zum Tunnel führen — rechnete man mit Kosten in Höhe von bis zu 2,5 Milliarden Euro. NABU-Fehmarnbeltexperte Malte Siegert:
„Mit der Schuldenbremse in Bund und Ländern kann der Euro zukünftig nur ein Mal ausgegeben werden. Andere wichtige Verkehrsprojekte werden wegen einer für Deutschland unwichtigen Fehmarnbeltquerung auf Jahrzehnte nicht realisiert werden können.”
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Regina Poersch, sieht die Entscheidung als Anzeichen für ein Planungsverfahren, das Einwände ernst nimmt. Zuletzt hatte der SPD Fraktionsvorsitzende, Ralf Stegner, eine solche, öffentliche Debatte über die Fehmarnbeltquerung (FBQ) angeregt:
„Dabei es geht mir ausdrücklich nicht um die Frage des Für und Wider einer festen Beltquerung. Die Frage wird nicht auf Landes- oder Kreisebene entschieden. Es geht mir darum, dass die Interessen der Region bei der möglichen Realisierung einer festen Beltquerung nicht ignoriert werden!”
Die SPD-Parteispitze ist zur Zeit in Dänemark zu Besuch, „um zu lernen, wie die Dänen durch Transparenz die Bevölkerung für ein solches Großprojekt hinter sich bringen.”
Die LINKE hält so ein Verfahren für ein „Feigenblatt”. Björn Thoroe forderte im Namen seiner Fraktion eine ergebnisoffene Diskussion, stellte aber fest:
„DIE LINKE lehnt den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung ab […]”
Diskussionen löste derweil ein neues Gutachten zur Wirtschaftlichkeit der Fehmarnbeltquerung aus. Das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung hatte es bei der Verkehrsberatungsfirma Vieregg-Rössler in Auftrag gegeben. Vieregg-Rössler kam zu dem Schluss, dass das Projekt ein deutliches Zuschussgeschäft wird: Nur 66 Cent werde man pro investiertem Euro zurückbekommen. Der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Tietze, bezeichnete dieses Verhältnis als „jämmerlich”.
Der CDU-Verkehrsexperte Hans-Jörn Arp kritisierte dagegen vor allem die bayerische Herkunft von Vieregg-Rössler:
„Ganz offensichtlich mussten die Fehmarnbelt-Querung-Gegner bis nach München fahren, um dieses Gutachten bestellen zu können.”
Sachlicher fuhr er dann aber fort und bot das Gutachten des Bundesverkehrsministeriums auf:
„Das Bundesverkehrsministerium hat bei seinem Gutachten mit den für alle Verkehrsprojekte üblichen Methoden gearbeitet. Es ist zu einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 6,7 gekommen.”
Das Aktionsbündnis wertet Arps „verbale Entgleisung” als Zustimmung zum Gutachten:
„Man kann daran ablesen, dass es dem Abgeordneten Arp an guten Argumenten mangelt. Hätte er tatsächlich welche, würde er sich sachlicher mit dem Gutachten beschäftigen“
Weniger scharf ging es offenbar vor ort auf einer Informationsveranstaltung zur Fehmarnbeltquerung in Burg/Fehmarn zu. SH:Z.de berichtet sogar von „Applaus für den Belt-Tunnel”. Die Befürchtungen eines Stuttgart 21 im Norden sind zumindest zur Zeit unbegründet. Wenn der jetzt beginnende Dialog transparent und ehrlich weitergeführt wird, bietet er eine Chance die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und ihre Bedenken auszuräumen.
Neben der konkreten Gestaltung der Hinterlandanbindung auf deutscher Seite, müssen gleichzeitig einige Fragen auf politischer Ebene geklärt werden:
- Wie wird die Hinterlandanbindung finanziert? Weder in Land noch Bund gibt es dafür einen Plan.
- Was tun wir, wenn die Hinterlandanbindung zu teuer wird? Der Staatsvertrag zwingt das Land zwar zur Umsetzung — Es kann aber nachverhandelt werden, wenn die Kosten steigen.
- Wie stehen die Dänen zu Kostensteigerungen?
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Ich bin ehrllicherweise zwiegespalten, was eine feste Beltquerung angeht. Zum einen empfinde ich dieses Projekt als eine große wirtschaftliche Chance für Schleswig-Holstein. Sicherlich werden wir mit einer enormen Menge Durchgangsverkehr im Transit zwischen Deutschland und Skandinavien haben, aber es wird auch in der Region neue Arbeitsplätze geben.
Auf der anderen Seite trauere ich schon jetzt der Fährlinie nach. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit als wir unsere Dänemark-Reisen über Faaborg-Gelting antraten und dort die Fährlinie nutzen. Heute ist die Linie eingestellt. Für mich war schon die Fahrt nach Gelting auf dem Weg zur Fähre mit Urlaub gleich zu setzen. Der Fährbetrieb hatte seinen ganz eigenen Charm und war ein schöner Gegenpol zur Hektik des Alltages.
Zwei Fragen stellen sich mir, für die ich bisher weder schlüssige positive noch negative Antworten erhalten habe:
1. Welche neuen Arbeitskräfte aus welchen Branchen werden absehbar wo genau und weshalb entstehen?
2. Falls diese neuen Arbeitsplätze entstehen: Fallen dafür bestehende Arbeitsplätze weg und sind sie wirklich „neu”, oder verlagern sie sich lediglich von anderen Standorten (im Lande)?
Bisher sind mir vor allem die Befürworter viel zu blumig und unkonkret geblieben. Die Entscheidungen für Investitionen dieser Größenordnung sollten allerdings rational und nicht nach dem Prinzip Hoffnung getroffen werden.
Das seriös zu prognostizieren, ist nicht leicht. Leichter kann man Wort-Case-Szenarien entwerfen — die ja nicht seriös sein müssen. Und im schlimmsten Fall entstehen nur Jobs während der Bauphase. Und danach machen Autobahn und Schienen mitten durch die Ostseebäder den Tourismus kaputt.
Dass Pendler die Gegend beleben werden, glaube ich nicht. Die Tunnelmaut wird AFAIK nur wenig günstiger als die Fähre — täglich kann man sich das nicht leisten.
Soweit ich weiß sollte sich ursprünglich die Wirtschaft an der FBQ beteiligen. Das ist aber überhaupt nicht passiert. Nur die IHK Lübeck hätte die gerne. Diejenigen, die die IHK vertritt, versprechen sich von der festen Dänemarkroute offenbar wenig.
Schweden und Dänemark bekommen halt eine kürzere Route zum Rest von Europa. Für die ist das interessant. Deutschland bekommt eine kürzere Route nach Dänemark und Schweden. Für mich klingt das mehr nach Tourismus. Tourismus, der nicht in SH stattfindet.
Ich sage ja auch nicht, dass das leicht ist. Aber bei prognostizierten 0,8 bis 2,5 Mrd. Euro allein für die Hinterlandanbindung erwarte ich einfach mehr als unverbindliches Phantasieren über mögliche neue Arbeitsplätze. Ich finde diesen Anspruch auch nicht überzogen.
Finde ich auch nicht überzogen. Irgendwer wird damit zwischen 0,8 und 2,5 Mrd Euro verdienen. So funktioniert Markwirtschaft im 21. Jahrhundert. ;-)