Ob die Konfrontation über die „CCS-Technologie” zwischen schleswig-holsteinischer Landespolitik auf der einen und der Bundespolitik auf der anderen Seite noch einmal ausbrechen wird, ist auch zwei Tage nach der Aussprache zwischen Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen und Wirtschaftsminister Jost de Jager sowie dem Bundesumweltminister Norbert Röttgen (alle CDU) nicht klarer geworden, nachdem man sich nur pauschal darüber einig geworden war, dass gegen den Willen eines Bundeslandes zukünftig keine Speicherung von CO2 geben solle. Umso deutlicher scharren die Fraktionen im Landtag fast unisono mit den Hufen, während in Nordfriesland die ersten Bürger möglicherweise für zukünftige Proteste proben: „Wir wollen keine CO2-Lagerung unter unserem Land oder im Wattenmeer!” ist die ungewohnt einmütige Koalition der Kohlendioxidentsorgungsgegner.
Mit Dringlichkeitsantrag der Landesregierung den Rücken stärken
Angesichts der am heutigen Mittwoch beginnenden Sitzungswoche hat der SSW einen Dringlichkeitsantrag für den ersten Tag der Beratungen eingebracht, „mit dem der Landtag der Landesregierung im Kampf gegen die CO2-Endlagerung in Schleswig-Holstein und im Wattenmeer den Rücken stärken soll”. Man mag sich an seine Kindheit und die ersten Fahrversuche auf dem Fahrrad erinnern — „Rücken stärken” kann da auch die führende Hand des Vaters bedeuten, die dem Nachwuchs schließlich noch einen sanften Schubs gibt, um dem Kinde angesichts unsicherer Pedaltritte zu Schwung zu verhelfen.
So ergeht es nun möglicherweise auch dem Ministerpräsidenten, der sich in Sachen „Carbon Dioxide Capture and Storage” (CCS) spät den Rufen „seiner Nordfriesen” ergab, das Thema zu seiner Sache machte, sich aber gern vorschnell auf Zusagen aus Berlin hatte verlassen mögen. Auch am Montag war er vom Spitzengespräch ohne ein handfestes Veto-Recht nach Kiel zurückgekehrt. Zwar wird Röttgen vom Landeswirtschaftsministerium mit den angeblich klarstellenden Worten zitiert, CCS werden es gegen den Willen eines Landes nicht geben — die angebliche „Bewegung” in dem schwelenden Konflikt sieht für manchen Betrachter jedoch so langsam aus, als würden diese unsicheren Pedaltritte gleich im Sturze enden. So bleibt die Absichtserklärung, „Experten” mit der Findung einer rechtsverbindlichen Gesetzesformulierung in diesem Punkt zu betrauen — das einzige Ergebnis der kleinen Berliner Runde — wenn man mal von gewisser Selbstzufriedenheit der Handelnden absieht.
Landtagsfraktionen sind sich einig
Ein gewisses Misstrauen wabert daher nicht nur durch das Land, sondern auch durch das Landeshaus. Anlass für den SSW, mit einem Dringlichkeitsantrag die Forderung zu erheben: „Falls der Bund sich einem Vetorecht verschließt, muss das Land dafür kämpfen, dass Schleswig-Holstein ganz vom CCS-Gesetz ausgenommen wird“. Notfalls müsse man sich auf EU-Recht berufen: „Artikel 4 der entsprechenden EU-Richtlinie zur CO2 Speicherung im Untergrund sieht vor, dass die Staaten die CO2-Endlagerung in Teilen oder dem gesamten Hoheitsgebiet verbieten können. Dies muss unsere Forderung sein, wenn der Bund dem Land nicht ein glasklares Vetorecht einräumt.”, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SSW, Lars Harms. Der umweltpolitische Sprecher der SSW-Landtagsfraktion hatte zuvor zu dem Spitzengespräch erklärt: „Erwirkt Carstensen keine glasklare Regelung, die eine CO2-Endlagerung in Schleswig-Holstein ohne wenn und aber verhindert, sollte er sich im nördlichen Landesteil nicht mehr blicken lassen.”
Auch die Grünen bleiben skeptisch, zu oft sei der Ministerpräsident schon stolzgeschwellt von seinen Verhandlungen aus Berlin zurückgekommen, hätten sich seine Erfolge als leere Versprechungen erwiesen. „Ist das nur wieder Verzögerungstaktik?” lautet die bange rhetorische Frage.
Der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Olaf Schulze, äußerte ähnliche Zweifel am Regierungschef: „Schon mehrfach hat sich Ministerpräsident Carstensen auf entsprechende Zusagen aus Berlin oder vor Ort von Minister Röttgen verlassen – Ergebnis bis heute: Fehlanzeige. Sollte es diesmal anders sein, freuen wir uns.” Entscheidend sei letztlich aber nur, was später im Bundesgesetzblatt steht. Ob die Formulierung im Gesetz dann „tatsächlich ein klares Vetorecht gegen die Einlagerung von CO2 in den Ländern ist, ist für mich noch offen.”
Ein „Schritt in die richtige Richtung, dass Umweltminister Röttgen erneut erklärt hat, eine CO2-Lagerung solle nicht gegen den Willen eines Bundeslandes durchgesetzt werden”, zeigte sich FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki optimistisch, stellte aber klar, dass der bisherige Gesetzentwurf dafür keine rechtssichere Grundlage biete. „Ich erwarte, dass den Ländern im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit eingeräumt wird, ein Verbot für die Lagerung von CO2 auf ihrem Gebiet zu erlassen. Insofern ist es gut, dass nun auf Expertenebene weitere Gespräche stattfinden sollen, um den Ländern diese Rechtssicherheit zu geben.”
Mit dem Ministerpräsidenten und seinem Wirtschaftsminister vollkommen im Reinen zeigte sich naturgemäß CDU-Fraktionsvorsitzender Christian von Bötticher: „Ich freue mich, dass wir die Position der Nord-CDU in Berlin durchsetzen konnten. Gegen den Willen der Bevölkerung wird es keine CO2-Speicherung in Schleswig-Holstein geben. Nun kommt es darauf an, dass auf Expertenebene schnell eine geeignete Formulierung für das Gesetz gefunden wird, die diesem Anspruch gerecht wird.”
Ob der Landtag die Gelegenheit bekommen wird, das Thema an sich zu ziehen und sich damit an die Spitze der landesweiten Anti-CO2-Endlager-Kampagne noch vor der Landesregierung zu setzen, bleibt offen. Die Gelegenheit aber scheint günstig: Das Thema verspricht Wohlwollen des Wählers. Ob es die Fraktionen schaffen, der Verführung zu widerstehen, sich in einem Betroffenheitswettbewerb zu übertrumpfen, wird sich ergeben.
Es ist begrüßenswert, wenn es dem Landtag gelingt, dieses Thema an sich zu ziehen. Die Geschlossenheit, die die Bürger, insbesondere aus Nordfriesland hier demonstrieren (egal welche politische Richtung sie vertreten), bekäme durch die Geschlossenheit des Landtages bundesweit ein anderes Gewicht.
Weder de Jagers Argumentation, „wir vertreten den Willen der Menschen”, noch Kubickis Zusatz „wir können den Menschen in anderen Bundesländern nicht vorschreiben, was sie für richtig halten” spiegeln wieder, um was es bei diesem Thema grundsätzlich geht, nicht um eine politische Position, sondern um politische Verantwortung.
In diesem Sinne erwarte ich die heutige Debatte mit Spannung.