Macht der Landtag die Anti-CO2-Endlager-Kampagne zu seinem Projekt?

Von | 23. Februar 2011

Ob die Konfrontation über die „CCS-Technologie” zwi­schen schles­wig-hol­stei­ni­scher Landespolitik auf der einen und der Bundespolitik auf der ande­ren Seite noch ein­mal aus­bre­chen wird, ist auch zwei Tage nach der Aussprache zwi­schen Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen und Wirtschaftsminister Jost de Jager sowie dem Bundesumweltminister Norbert Röttgen (alle CDU) nicht kla­rer gewor­den, nach­dem man sich nur pau­schal dar­über einig gewor­den war, dass gegen den Willen eines Bundeslandes zukünf­tig kei­ne Speicherung von CO2 geben sol­le. Umso deut­li­cher schar­ren die Fraktionen im Landtag fast uni­so­no mit den Hufen, wäh­rend in Nordfriesland die ers­ten Bürger mög­li­cher­wei­se für zukünf­ti­ge Proteste pro­ben: „Wir wol­len kei­ne CO2-Lagerung unter unse­rem Land oder im Wattenmeer!” ist die unge­wohnt ein­mü­ti­ge Koalition der Kohlendioxidentsorgungsgegner.

 

Mit Dringlichkeitsantrag der Landesregierung den Rücken stärken

Angesichts der am heu­ti­gen Mittwoch begin­nen­den Sitzungswoche hat der SSW einen Dringlichkeitsantrag für den ers­ten Tag der Beratungen ein­ge­bracht, „mit dem der Landtag der Landesregierung im Kampf gegen die CO2-Endlagerung in Schleswig-Holstein und im Wattenmeer den Rücken stär­ken soll”. Man mag sich an sei­ne Kindheit und die ers­ten Fahrversuche auf dem Fahrrad erin­nern — „Rücken stär­ken” kann da auch die füh­ren­de Hand des Vaters bedeu­ten, die dem Nachwuchs schließ­lich noch einen sanf­ten Schubs gibt, um dem Kinde ange­sichts unsi­che­rer Pedaltritte zu Schwung zu ver­hel­fen.

So ergeht es nun mög­li­cher­wei­se auch dem Ministerpräsidenten, der sich in Sachen „Carbon Dioxide Capture and Storage” (CCS) spät den Rufen „sei­ner Nordfriesen” ergab, das Thema zu sei­ner Sache mach­te, sich aber gern vor­schnell auf Zusagen aus Berlin hat­te ver­las­sen mögen. Auch am Montag war er vom Spitzengespräch ohne ein hand­fes­tes Veto-Recht nach Kiel zurück­ge­kehrt. Zwar wird Röttgen vom Landeswirtschaftsministerium mit den angeb­lich klar­stel­len­den Worten zitiert, CCS wer­den es gegen den Willen eines Landes nicht geben — die angeb­li­che „Bewegung” in dem schwe­len­den Konflikt sieht für man­chen Betrachter jedoch so lang­sam aus, als wür­den die­se unsi­che­ren Pedaltritte gleich im Sturze enden. So bleibt die Absichtserklärung, „Experten” mit der Findung einer rechts­ver­bind­li­chen Gesetzesformulierung in die­sem Punkt zu betrau­en — das ein­zi­ge Ergebnis der klei­nen Berliner Runde — wenn man mal von gewis­ser Selbstzufriedenheit der Handelnden absieht.

Landtagsfraktionen sind sich einig

Ein gewis­ses Misstrauen wabert daher nicht nur durch das Land, son­dern auch durch das Landeshaus. Anlass für den SSW, mit einem Dringlichkeitsantrag die Forderung zu erhe­ben: „Falls der Bund sich einem Vetorecht ver­schließt, muss das Land dafür kämp­fen, dass Schleswig-Holstein ganz vom CCS-Gesetz aus­ge­nom­men wird“. Notfalls müs­se man sich auf EU-Recht beru­fen: „Artikel 4 der ent­spre­chen­den EU-Richtlinie zur CO2 Speicherung im Untergrund sieht vor, dass die Staaten die CO2-Endlagerung in Teilen oder dem gesam­ten Hoheitsgebiet ver­bie­ten kön­nen. Dies muss unse­re Forderung sein,  wenn der Bund dem Land nicht ein glas­kla­res Vetorecht ein­räumt.”, erklär­te der par­la­men­ta­ri­sche Geschäftsführer der SSW, Lars Harms. Der umwelt­po­li­ti­sche Sprecher der SSW-Landtagsfraktion hat­te zuvor zu dem Spitzengespräch erklärt: „Erwirkt Carstensen kei­ne glas­kla­re Regelung, die eine CO2-Endlagerung in Schleswig-Holstein ohne wenn und aber ver­hin­dert, soll­te er sich im nörd­li­chen Landesteil nicht mehr bli­cken las­sen.”

Auch die Grünen blei­ben skep­tisch, zu oft sei der Ministerpräsident schon stolz­ge­schwellt von sei­nen Verhandlungen aus Berlin zurück­ge­kom­men, hät­ten sich sei­ne Erfolge als lee­re Versprechungen erwie­sen. „Ist das nur wie­der Verzögerungstaktik?” lau­tet die ban­ge rhe­to­ri­sche Frage.

Der ener­gie­po­li­ti­sche Sprecher der SPD-Fraktion, Olaf Schulze, äußer­te ähn­li­che Zweifel am Regierungschef: „Schon mehr­fach hat sich Ministerpräsident Carstensen auf ent­spre­chen­de Zusagen aus Berlin oder vor Ort von Minister Röttgen ver­las­sen – Ergebnis bis heu­te: Fehlanzeige. Sollte es dies­mal anders sein, freu­en wir uns.” Entscheidend sei letzt­lich aber nur, was spä­ter im Bundesgesetzblatt steht. Ob die Formulierung im Gesetz dann „tat­säch­lich ein kla­res Vetorecht gegen die Einlagerung von CO2 in den Ländern ist, ist für mich noch offen.”

Ein „Schritt in die rich­ti­ge Richtung, dass Umweltminister Röttgen erneut erklärt hat, eine CO2-Lagerung sol­le nicht gegen den Willen eines Bundeslandes durch­ge­setzt wer­den”, zeig­te sich FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki opti­mis­tisch, stell­te aber klar, dass der bis­he­ri­ge Gesetzentwurf dafür kei­ne rechts­si­che­re Grundlage bie­te. „Ich erwar­te, dass den Ländern im wei­te­ren Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit ein­ge­räumt wird, ein Verbot für die Lagerung von CO2 auf ihrem Gebiet zu erlas­sen. Insofern ist es gut, dass nun auf Expertenebene wei­te­re Gespräche statt­fin­den sol­len, um den Ländern die­se Rechtssicherheit zu geben.”

Mit dem Ministerpräsidenten und sei­nem Wirtschaftsminister voll­kom­men im Reinen zeig­te sich natur­ge­mäß CDU-Fraktionsvorsitzender Christian von Bötticher: „Ich freue mich, dass wir die Position der Nord-CDU in Berlin durch­set­zen konn­ten. Gegen den Willen der Bevölkerung wird es kei­ne CO2-Speicherung in Schleswig-Holstein geben. Nun kommt es dar­auf an, dass auf Expertenebene schnell eine geeig­ne­te Formulierung für das Gesetz gefun­den wird, die die­sem Anspruch gerecht wird.”

Ob der Landtag die Gelegenheit bekom­men wird, das Thema an sich zu zie­hen und sich damit an die Spitze der lan­des­wei­ten Anti-CO2-Endlager-Kampagne noch vor der Landesregierung zu set­zen, bleibt offen. Die Gelegenheit aber scheint güns­tig: Das Thema ver­spricht Wohlwollen des Wählers. Ob es die Fraktionen schaf­fen, der Verführung zu wider­ste­hen, sich in einem Betroffenheitswettbewerb zu über­trump­fen, wird sich erge­ben.

Ruediger Kohls
Von:

WestCoast-Liberaler, Verkehrspolitiker, stv, Mitglied im Wirtschaftsausschuss des nordfriesischen Kreistages.

Ein Gedanke zu “Macht der Landtag die Anti-CO2-Endlager-Kampagne zu seinem Projekt?”:

  1. Marion Sellier

    Es ist begrü­ßens­wert, wenn es dem Landtag gelingt, die­ses Thema an sich zu zie­hen. Die Geschlossenheit, die die Bürger, ins­be­son­de­re aus Nordfriesland hier demons­trie­ren (egal wel­che poli­ti­sche Richtung sie ver­tre­ten), bekä­me durch die Geschlossenheit des Landtages bun­des­weit ein ande­res Gewicht.
    Weder de Jagers Argumentation, „wir ver­tre­ten den Willen der Menschen”, noch Kubickis Zusatz „wir kön­nen den Menschen in ande­ren Bundesländern nicht vor­schrei­ben, was sie für rich­tig hal­ten” spie­geln wie­der, um was es bei die­sem Thema grund­sätz­lich geht, nicht um eine poli­ti­sche Position, son­dern um poli­ti­sche Verantwortung.
    In die­sem Sinne erwar­te ich die heu­ti­ge Debatte mit Spannung.

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