GEZ - Haushaltspauschale soll Geräteabgabe ersetzen

Von | 9. März 2011

Auf der Tagesordnung der nächs­ten Landtagssitzung steht der „Entwurf eines Gesetzes zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag“. Dabei geht es um die Neuordnung der Rundfunkgebühr, zu der uns unschö­ne Begriffe wie GEZ, Schnüffeleien, Gebühren für Autoradios oder Internet-Abgabe oder PC-Steuer ein­fal­len.

Die bis­her gerä­te­ab­hän­gig erho­be­ne Rundfunkgebühr soll zu einem Rundfunkbeitrag umge­baut wer­den, der unab­hän­gig von der Anzahl der bereit­ge­hal­te­nen Geräte für jeden Haushalt und jede Betriebsstätte erho­ben wird. Der typi­sche Privatnutzer soll wei­ter­hin 17,98 € im Monat zah­len. Das hört sich ein­fach an.

Was kommt aber genau auf uns zu?  

Vorgeschichte

Fast alle euro­päi­schen Länder ken­nen einen öffent­lich-recht­li­chen Rundfunk. Er hat über­all in etwa den glei­chen Auftrag: In kul­tu­rel­ler Verantwortung und wirt­schaft­li­cher sowie poli­ti­scher Unabhängigkeit eine Grundversorgung der Bürger an Unterhaltung und Information zu gewähr­leis­ten sowie eine Teilhabe an der gesell­schaft­li­chen Meinungs- und Willensbildung zu ermög­li­chen. Urmutter die­ser Idee ist die BBC. Sie wur­de als ers­te Rundfunkanstalt Ende der 1920er-Jahre „in den Dienst der Öffentlichkeit“ gestellt. Mit der Royal Charter wur­de sie weit­ge­hend von wirt­schaft­li­cher und regie­rungs­po­li­ti­scher Abhängigkeit befreit. Nach dem Zweiten Weltkrieg ver­brei­te­te sich das BBC-Modell in vie­len euro­päi­schen Ländern. Zuvor war der Rundfunk all­zu oft Sprachrohr der Regierungen. Tom Schimmek hat das in sei­ner Rede Wem gehö­ren die Medien so for­mu­liert: „Meiner Ansicht nach ist der öffent­lich-recht­li­che Rundfunk eines der schöns­ten Geschenke, die uns die alli­ier­ten Siegermächte, vor­ne­weg die Briten, nach 1945 gemacht haben. Aus der ver­hee­rends­ten Propagandawaffe der Nazis wur­de ein zumin­dest poten­ti­ell demo­kra­ti­sches Medium, das oben­drein, zumin­dest poten­ti­ell, im Besitz aller ist.” 

Eine Rundfunkgebühr gibt es in Deutschland seit Beginn des Rundfunks 1923. Die Gebühr wird grund­sätz­lich für jedes ein­zel­ne Empfangsgerät erho­ben, in Privathaushalten zumeist unab­hän­gig von deren Anzahl nur ein­mal.

In Europa besteht mitt­ler­wei­le ein brei­ter Konsens hin­sicht­lich des öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks. Dieser Konsens ist recht jung. Er wuchs erst in den 1980er- und 1990er-Jahren her­an. In den meis­ten Ländern Europas erfolgt die Finanzierung des öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks über Steuern, Werbeeinnahmen oder Rundfunkgebühren — oder einer Mischung dar­aus.

Ein neues Modell muss her

Mit der Einführung der pri­va­ten Rundfunks seit den 1980er-Jahren sowie mit der immer grö­ßer wer­den­den Universalität und Mobilität des Computers in den Jahren um die Jahrtausendwende geriet das Modell einer gerä­te­ab­hän­gi­gen Gebühr zuneh­mend in Zweifel: Nicht nur ein Radio ist jetzt ein Radio. Und nicht jeder Bildschirm ist auch ein Fernseher.

Das bis­he­ri­ge gerä­te­fi­xier­te Finanzierungssystem ist an sei­ne Grenzen gekom­men. Es ist kaum noch nach­voll­zieh­bar und wird gesell­schaft­lich immer weni­ger akzep­tiert (Stichworte: GEZ-Kontrolleure, Schwarzseher).

Für die Abschaffung des öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks gibt es kei­ne nach­hal­tig über­zeu­gen­den Gründe. So muss­te über Alternativen der Finanzierung nach­ge­dacht wer­den. Die nahe lie­gen­de Lösung, ARD, ZDF und Deutschlandradio über Steuereinnahmen zu finan­zie­ren (wie schon heu­te die Deutsche Welle), wur­de ver­wor­fen, da man in die­sem Fall um die Unabhängigkeit der Sender fürch­te­te und zudem das Gebot der Staatsferne ver­letzt wer­den könn­te. Die Bedeutung der Staatsferne des Rundfunks für die Bundesrepublik Deutschland kann man an der Geschichte des „Adenauer-Fernsehens” exem­pla­risch nach­voll­zie­hen.

Die der Steuerfinanzierung inne­woh­nen­den Vorteile einer nicht mehr not­wen­di­gen Kontrolle jedes ein­zel­nen Bürgers und die ver­gleichs­wei­se ver­wal­tungs­ar­me Erhebung soll nun eine haus­halts­be­zo­ge­ne Abgabe ermög­li­chen.

Die Ausgestaltung der Abgabe basiert weit­ge­hend auf einem Gutachten von Professor Paul Kirchhof, das die­ser im Auftrag der öffent­lich-recht­li­chen Rundfunkanstalten erstellt hat. Der ehe­ma­li­ge Verfassungsrichter ging das gewünsch­te Ziel tak­tisch an:

  • Die erneu­er­te Abgabe wird behut­sam bemes­sen, so dass die ver­trau­te „Gebühr“ ersicht­lich erhal­ten bleibt, deren Strukturfehler aber eben­so offen­sicht­lich berei­nigt wer­den.
  • Gläubiger (Rundfunkanstalten) und Schuldner (Haushalte und Gewerbetriebe) blei­ben gleich.
  • Der recht­fer­ti­gen­de Grund der Rundfunkabgabe — das all­ge­mei­ne Angebot von Rundfunksendungen — bleibt unver­än­dert.
  • Die Abgabenhöhe kann ent­spre­chend der gewohn­ten Last bemes­sen blei­ben.
  • Der frem­deln­de Begriff der Geräteabhängigkeit wird durch die Begriffe Haushalt (Wohnung) und Gewerbebetrieb (Betriebsstätte) ersetzt.
  • Die Erneuerung wird mit dem Begriff „Rundfunkbeitrag“ ins all­ge­mei­ne Bewusstsein gerückt.

Die Befürworter der Haushaltsabgabe sahen ihre Anforderungen erfüllt:

  • Die öffent­lich-recht­li­chen Rundfunkanstalten erhal­ten nicht mehr Geld als bis­lang (Aufkommensneutralität).
  • Die der­zei­ti­ge monat­li­che Gebühr in Höhe von 17,98 € für den typi­schen Normalnutzer bleibt kon­stant.
  • Nicht nur der pri­va­te son­dern auch der nicht-pri­va­te Bereich wird an der Finanzierung betei­ligt.
  • Die Zahlungspflicht ent­steht nicht mehr durch das „Bereithalten eines Gerätes“. Die damit ver­bun­de­ne Problematik der Medienkonvergenz ent­fällt.
  • Die Erhebung der Abgabe erfolgt staats­fern.
  • Die Abgabe ist sozi­al gerecht gestalt­bar, ein­kom­mens­ab­hän­gi­ge oder an per­sön­li­chen Umständen hän­gen­de Befreiungen sind mög­lich.
  • Der Verwaltungsaufwand ist gering(er als bis­her).
  • Europarechtliche Vorschriften (z.B. die gele­gent­lich auf­ge­stell­te Behauptung, es kön­ne sich bei der Finanzierung des öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks um nicht erlaub­te Beihilfen han­deln) wer­den beach­tet.
  • Der unbe­lieb­te Beauftragtendienst („GEZ-Kontrolleure“) kann wesent­lich redu­ziert wer­den.
  • Der Schutz der Privatsphäre der Bürger wird ver­bes­sert.

Die bis­her mög­li­che Vermeidung der Rundfunkgebühr mit dem Hinweis, man habe kei­ne Rundfunkgeräte, fällt weg. Zukünftig wird jeder zah­lungs­pflich­tig sein — auch wer bis­her bewusst auf TV oder Radio ver­zich­te­te. Die Rundfunkabgabe unter­stellt einen grund­sätz­li­chen gesell­schaft­li­chen Nutzen des all­ge­mein zugäng­li­chen öffent­lich-recht­li­chen Rundfunks. Wer ihn emp­fan­gen kann, soll auch dazu bei­tra­gen. Als Abgrenzungsmerkmal dient (im pri­va­ten Bereich) die Zugehörigkeit zu einer Wohnung. Unterschiedliche Nutzungsgewohnheiten inner­halb einer Wohnung glei­chen sich aus.

Das neue Werk

An die Stelle des bis­he­ri­gen Rundfunkgebührenstaatsvertrages tritt der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.

Zukünftig ist im pri­va­ten Bereich für jede Wohnung von deren Mieter(n) ein Rundfunkbeitrag zu leis­ten. Wohnen meh­re­re voll­jäh­ri­ge Personen in einer Wohnung, so haf­ten sie als Gesamtschuldner (§ 2).

Der Begriff der Wohnung wird nah am umgangs­sprach­li­chen Begriff defi­niert. Kasernen, die Kleingartenlaube, das Patientenzimmer im Krankenhaus oder etwa die Gefängniszelle gel­ten nicht als Wohnung. Zweitwohnungen oder pri­vat genutz­te Ferienwohnungen hin­ge­gen schon (§ 3).

Empfänger staat­li­cher Sozialleistungen wie Hilfe zum Lebensunterhalt, Sozialgeld, Arbeitslosengeld oder etwa Hilfe zur Pflege kön­nen auf Antrag von der Beitragspflicht befreit wer­den. Blinde, stark Sehbehinderte, Hörgeschädigte oder Menschen mit schwe­ren Behinderungen, die finan­zi­ell leis­tungs­fä­hig sind, wer­den zukünf­tig mit einem Drittel des sonst übli­chen Betrages her­an­ge­zo­gen.

Wer einen Antrag auf Befreiung oder Ermäßigung stellt, hat dabei auch die Namen aller wei­te­ren voll­jäh­ri­gen Mitbewohner mit­zu­tei­len (§ 4).

Im nicht pri­va­ten Bereich wird für jede Betriebsstätte von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag erho­ben, des­sen Höhe nach der Anzahl der dort Beschäftigten gestaf­felt ist. Wer mehr als ein Hotel- und Gästezimmer oder eine Ferienwohnung betreibt. hat je Zimmer (Raumeinheit) ein Drittel des Beitrages zu ent­rich­ten. Unabhängig vom Umfang der Nutzung gilt dies auch für prak­tisch jedes gewerb­lich genutz­te oder gemein­nüt­zi­gen oder öffent­li­chen Zwecken die­nen­de Kraftfahrzeug — Omnibusse im ÖPNV mal außen vor­ge­las­sen. Das ers­te Auto je Betriebsstätte ist jedoch frei.

Gemeinnützige Einrichtungen, Kindergärten, Schulen, Feuerwehr, Polizei und ähn­li­che Institutionen müs­sen unab­hän­gig von der Anzahl der Beschäftigten einen Rundfunkbeitrag leis­ten.

Saisonbetriebe, die län­ger als drei Monate schlie­ßen, müs­sen für die­sen Zeitraum kei­nen Beitrag ent­rich­ten (§ 5).

Der Begriff der Betriebsstätte ist umfas­sen­der for­mu­liert, als es etwa die Abgabenordnung vor­sieht. Er umfasst auch öffent­li­che und gemein­nüt­zi­ge Betriebe mit und ohne Erwerbsziel. Schiffe sind nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie gewerb­lich genutzt wer­den (§ 6).

Anmeldungen und Änderungsmeldung haben unver­züg­lich zu erfol­gen. Änderungen in der Zahl der Beschäftigten sind jeweils bis zum 31. März eines Jahres anzu­zei­gen. Die Anmeldungen müs­sen sehr detail­liert erfol­gen und sind auf Verlangen nach­zu­wei­sen (§ 8).

Den Landesrundfunkanstalten wird, wenn ihnen tat­säch­li­che Anhaltspunkte vor­lie­gen, dass jemand sei­nen Pflichten nach § 8 nicht oder nicht voll­stän­dig nach­kommt, ein umfang­rei­ches Auskunftsrecht zuge­stan­den, das sie auch im Verwaltungszwangverfahren durch­set­zen kön­nen (§ 9).

Die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) bleibt fak­tisch erhal­ten, heißt nur zukünf­tig anders. Die Landesrundfunkanstalten haben zudem die Möglichkeit, Inkassobüros mit ein­zel­nen Aufgaben bei der Durchführung des Beitragseinzugs oder der Ermittlung von Beitragsschuldnern zu beauf­tra­gen (§ 10, beson­ders Absatz 7).

Die von den Landesrundfunkanstalten (bzw. von der neu­en GEZ) gespei­cher­ten per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten kön­nen die­se, soweit sie das für erfor­der­lich hal­ten, unter­ein­an­der aus­tau­schen. Um die Datenbasis für die Betragserhebung zu ver­brei­tern, dür­fen die Landesrundfunkanstalten bzw. die neue GEZ nicht nur bei öffent­li­chen son­dern auch bei nicht­öf­fent­li­chen Stellen ohne Kenntnis der Betroffenen bestimm­te per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten erhe­ben, ver­ar­bei­ten oder nut­zen (§ 11).

Privatpersonen sol­len ab dem 1. Januar 2013 ihrer Landesrundfunkanstalt alle Umstände mit­tei­len, die sich auf ihre Beitragspflicht (oder deren Ermäßigung bzw. Befreiung davon) bezie­hen. Nicht-pri­va­te Rundfunkteilnehmer sind sogar ver­pflich­tet, die­se ab dem 1. Januar 2012 auf Nachfrage der Landesrundfunkanstalt mit­zu­tei­len, wid­ri­gen­falls droht ein Bußgeld.

Für den pri­va­ten Bereich ändert sich nach den Vorstellungen des Gesetzesentwurfes für den schon jetzt den Regelbetrag Zahlenden nichts. Er muss also auch nichts ver­an­las­sen, der Beitrag wird ein­fach wei­ter erho­ben. Aber: Wer bis­her von der Gebühr befreit war, soll­te sich küm­mern. Wer nichts macht, muss damit rech­nen, zukünf­tig wenigs­tens ein Drittel des Beitrages zu zah­len, denn bestands­kräf­ti­ge Rundfunkgebührenbefreiungsbescheide wer­den je nach Grund der Befreiung durch­aus unter­schied­lich behan­delt. Erteilte Lastschrift- und Einzugsermächtigungen blei­ben bestehen.

Jede Meldebehörde hat den Landesrundfunkanstalten ein­ma­lig bestimm­te Daten aller ihr bekann­ten voll­jäh­ri­gen Personen zu mel­den. Nach Abschluss die­ser bis Ende 2014 dau­ern­den Aktion kön­nen die Landesrundfunkanstalten Adressdaten pri­va­ter Personen ankau­fen (§ 14).

Der Staatsvertrag soll am 1. Januar 2013 in Kraft tre­ten, eini­ge Regelung des § 14 schon zum 1. Januar 2012. Sind bis zum 31. Dezember 2011 nicht alle Ratifizierungsurkunden ein­ge­trof­fen, ist der Staatsvertrag gegen­stands­los (Artikel 7).

In einer Protokollerklärung aller Länder wei­sen die­se unter ande­rem dar­auf hin, dass sie erwar­ten, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio ihre bar­rie­re­frei­en Angebote aus­wei­ten.

Die finan­zi­el­len Auswirkungen, auch mit Blick auf die Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge, sol­len mit dem 19. KEF-Bericht (also im Dezember 2013) fest­ge­stellt und aus­ge­wer­tet wer­den.

Hamburg, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt unter­strei­chen in einer wei­te­ren Protokollerklärung, die für die Akzeptanz des neu­en Finanzierungssystems ent­schei­den­de auf­kom­mens­neu­tra­le Gestaltung.

Schleswig-Holstein bekennt sich schließ­lich in einer eige­nen Protokollerklärung zu dem Ziel, die Beitragspflicht wegen des damit ver­bun­de­nen Verwaltungsaufwandes für nicht-pri­va­te Kfz ent­we­der ganz fal­len zu las­sen oder in die Beitragsstaffel des § 5 zu inte­grie­ren.

 Die Kritik der Verbände und Parteien an dem Gesetzesentwurf wer­de ich in einem wei­te­ren Artikel dar­stel­len.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

Ein Gedanke zu “GEZ - Haushaltspauschale soll Geräteabgabe ersetzen”:

  1. Pingback: Der Glücksspielstaatsvertrag ist kein Glücksfall | Landesblog Schleswig-Holstein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert